Wahrscheinlichkeitsfunktion

Eine Wahrscheinlichkeitsfunktion, auch Zähldichte genannt,[1] ist eine spezielle reellwertige Funktion in der Stochastik. Wahrscheinlichkeitsfunktionen werden zur Konstruktion und Untersuchung von Wahrscheinlichkeitsverteilungen, genauer diskreten Wahrscheinlichkeitsverteilungen verwendet. Dabei kann jeder diskreten Wahrscheinlichkeitsverteilung eine eindeutige Wahrscheinlichkeitsfunktion zugeordnet werden. Umgekehrt definiert jede Wahrscheinlichkeitsfuntion eine eindeutig bestimmte diskrete Wahrscheinlichkeitsverteilung.
In den meisten Fällen werden Wahrscheinlichkeitsfunktionen auf den natürlichen Zahlen definiert. Sie ordnen dann jeder Zahl die Wahrscheinlichkeit zu, dass diese Zahl auftritt. So würde bei der Modellierung eines fairen Würfels die Wahrscheinlichkeitsfunktion den Zahlen von eins bis sechs jeweils den Wert zuordnen und allen anderen die null.
Aus der Sicht der Maßtheorie handelt es sich bei Wahrscheinlichkeitsfunktionen um spezielle Dichtefunktionen (im Sinne der Maßtheorie) bezüglich des Zählmaßes Diese werden im allgemeineren Kontext auch Gewichtsfunktionen genannt.[2]
Definition
Zur Konstruktion von Wahrscheinlichkeitsverteilungen
Gegeben sei eine Funktion
- ,
für die gilt
- Es ist für alle . ordnet also jeder natürlichen Zahl eine reelle Zahl zwischen null und eins zu.
- ist normiert in dem Sinne, dass sich die Funktionswerte zu eins aufsummieren. Es gilt also
- .
Dann heißt eine Wahrscheinlichkeitsfunktion und definiert durch
- für alle
eine eindeutig bestimmte Wahrscheinlichkeitsverteilung auf den natürlichen Zahlen , versehen mit der Potenzmenge als Ereignissystem.
Aus Wahrscheinlichkeitsverteilungen abgeleitet
Gegeben sei eine Wahrscheinlichkeitsverteilung auf den natürlichen Zahlen , versehen mit , und sei eine Zufallsvariable mit Werten in . Dann heißt
definiert durch
die Wahrscheinlichkeitsfunktion von . Analog heißt
definiert durch
die Wahrscheinlichkeitsfunktion von
Beispiele
Eine typische Wahrscheinlichkeitsfunktion ist
für eine natürliche Zahl und eine reelle Zahl . Die Normiertheit folgt hier direkt aus dem binomischen Lehrsatz, denn es ist
- .
Die so erzeugte Wahrscheinlichkeitsverteilung ist die Binomialverteilung.
Eine weitere klassische Wahrscheinlichkeitsfunktion ist
- für
und ein . Hier folgt die Normiertheit aus der geometrischen Reihe, denn es ist
- .
Die so erzeugte Wahrscheinlichkeitsverteilung ist die Geometrische Verteilung
Allgemeine Definition
Die Definition lässt sich von den natürlichen Zahlen auf beliebige höchstens abzählbare Mengen ausweiten. Ist solch eine Menge und ist
mit
- ,
so definiert durch
- für alle
eine eindeutig bestimmte Wahrscheinlichkeitsverteilung auf .[3] Ist umgekehrt eine Wahrscheinlichkeitsverteilung auf und eine Zufallsvariable mit Werten in , so heißen
- definiert durch
und
- definiert durch
die Wahrscheinlichkeitsfunktion von beziehungsweise .[4]
Alternative Definition
Manche Autoren definieren zuerst reelle Folgen mit für alle und
und nennen diese Folgen Wahrscheinlichkeitsvektoren[5] oder stochastische Folgen[6] [7].
Eine Wahrscheinlichkeitsfunktion wird dann definiert als
gegeben durch
- für alle
Umgekehrt definiert dann jede Wahrscheinlichkeitsverteilung oder Zufallsvariable auf auch eine stochastische Folge/Wahrscheinlichkeitsvektor über beziehungsweise
Andere Autoren nennen bereits die Folge eine Zähldichte.[8]
Weitere Beispiele
Typisches Beispiel für Wahrscheinlichkeitsfunktionen auf beliebigen Mengen ist die diskrete Gleichverteilung auf einer endlichen Menge . Sie besitzt dann per Definition die Wahrscheinlichkeitsfunktion
- für alle .
Der Zugang über die stochastischen Folgen erlaubt die folgende Konstruktion von Wahrscheinlichkeitsfunktionen: Ist eine beliebige (höchstens abzählbare) Folge von positiven reellen Zahlen mit Indexmenge gegeben, für die
gilt, so definiert man
- .
Dann ist eine stochastische Folge und definiert damit auch eine Wahrscheinlichkeitsfunktion. Betrachtet man zum Beispiel die Folge
- für ,
so ist
- .
Somit ist die Normierungskonstante und als Wahrscheinlichkeitsfunktion ergibt sich
- .
Dies ist die Wahrscheinlichkeitsfunktion der Poisson-Verteilung.
Verteilungsfunktionen und Wahrscheinlichkeitsfunktionen

Ist eine Wahrscheinlichkeitsfunktion auf , so ist die Verteilungsfunktion des entsprechenden Wahrscheinlicheitsmaßes gegeben als
- .
Dabei bezeichnet die Abrundungsfunktion, das heißt ist größte ganze Zahl, die kleiner oder gleich ist.
Ist auf einer höchstens abzählbaren Teilmenge der reellen Zahlen definiert, also auf , so ist die Verteilungsfunktion des Wahrscheinlichkeitsmaßes definiert durch
- .
Beispiel hierfür ist .
Literatur
- Hans-Otto Georgii: Stochastik. Einführung in die Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik. 4. Auflage. Walter de Gruyter, Berlin 2009, ISBN 978-3-11-021526-7, doi:10.1515/9783110215274.
- Achim Klenke: Wahrscheinlichkeitstheorie. 3. Auflage. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2013, ISBN 978-3-642-36017-6, doi:10.1007/978-3-642-36018-3.
- David Meintrup, Stefan Schäffler: Stochastik. Theorie und Anwendungen. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg New York 2005, ISBN 978-3-540-21676-6, doi:10.1007/b137972.
- Klaus D. Schmidt: Maß und Wahrscheinlichkeit. 2., durchgesehene Auflage. Springer-Verlag, Heidelberg Dordrecht London New York 2011, ISBN 978-3-642-21025-9, doi:10.1007/978-3-642-21026-6.
- Claudia Czado, Thorsten Schmidt: Mathematische Statistik. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2011, ISBN 978-3-642-17260-1, doi:10.1007/978-3-642-17261-8.
- Ulrich Krengel: Einführung in die Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik. Für Studium, Berufspraxis und Lehramt. 8. Auflage. Vieweg, Wiesbaden 2005, ISBN 3-8348-0063-5, doi:10.1007/978-3-663-09885-0.
Einzelnachweise
- ↑ Georgii: Stochastik. 2009, S. 18.
- ↑ Klenke: Wahrscheinlichkeitstheorie. 2013, S. 13.
- ↑ Schmidt: Maß- und Wahrscheinlichkeit. 2011, S. 196.
- ↑ Czado, Schmidt: Mathematische Statistik. 2011, S. 4.
- ↑ Klenke: Wahrscheinlichkeitstheorie. 2013, S. 13.
- ↑ Meintrup, Schäffler: Stochastik. 2005, S. 63.
- ↑ Schmidt: Maß- und Wahrscheinlichkeit. 2011, S. 234.
- ↑ Georgii: Stochastik. 2009, S. 18.