Diskordianismus
Als Diskordianismus (lat. discordia Zwietracht) versteht sich eine Glaubensgemeinschaft um die griechische Göttin Eris bzw. die römische Göttin Discordia, die sich in Form einer Religion/Religionsparodie oder einer scherzhaften Pseudo-Religion äußert. Ihre Anhänger bezeichnen ihre Anschauungen selbst paradox sowohl als „Religion, getarnt als komplizierter Witz“ als auch als „komplizierten Witz, getarnt als Religion“. Beiden Standpunkten ist gemeinsam, dass sie den Diskordianismus als nicht allzu ernst zu nehmende „Religion“ betrachten. Die Definition „sowohl Witz als auch Religion“ entspricht dem angewandten Diskordianismus (Operation Mindfuck). Dieser hat das Ziel, Verwirrung zu stiften, zum Nachdenken anzuregen, Dogmen zu brechen und Strukturen aufzulösen sowie neue Sichtweisen zu eröffnen.
Hauptsächlich ist der Diskordianismus durch Robert Anton Wilsons Buch Illuminatus! bekannt geworden, jedoch behauptet Wilson, ihn nicht erfunden zu haben, sondern nur an der Entwicklung teilgenommen zu haben. Seitdem haben sich - verstärkt durch die Verbreitung des Internet - auch in der Wirklichkeit Anhänger gefunden. Im Folgenden werden ihre wesentlichen „Glaubensinhalte“ dargestellt. Die Wahrheit von Jahresangaben, Personen und Gruppierungen ist nicht belegt und daher umstritten.
(Des-)Organisation und Geschichte
Generell sind Diskordier (bzw. Diskordianer) gegen Autoritäten, gegen Zwang und gegen Traditionen.
So ernennt Robert Anton Wilson auch immer wieder gerne alle Zuhörer seiner Vorträge zu Diskordianischen Päpsten. Generell kann sich jeder bekennende Diskordianer (oder auch nicht) zum Diskordianischen Papst (oder auch nicht) erklären bzw. ist sowieso einer.
Es gibt keine zentrale Organisation, sondern mehrere kleinere. So existieren zum Beispiel die ELF (Erisian Liberation Front) für anarcho-libertären Anti-Autoritarismus, gegründet von Kerry Thornley und die POEE (Paratheo-Anametamystikhood of Eris Esoteric), gegründet von Gregory Hill. Darüber hinaus gibt es noch zahllose weitere kleine Gruppen, Cabals beziehungsweise Kabale genannt. Gregory Hill schrieb unter dem Namen Malaclypse der Jüngere zusammen mit Thornley alias Lord Omar Khayyam Ravenhurst die Principia Discordia, die Bibel des Diskordianismus. Die beiden behaupten darin, 1958 oder 1959 (sie sind sich nicht mehr ganz sicher) bei einer Bowlingbahn erleuchtet worden zu sein. Durch dieses Buch, welches (fast) alle Geheimnisse des Diskordianismus enthält, wurde diese Religion erstmals in Worte gefasst.
Die Diskordianer beten Eris (römisch: Diskordia) an, die griechische Göttin für Zwietracht, Chaos und Ähnliches - obwohl Agnostiker und Atheisten (und sogar Werwölfe!) von der Religion keinesfalls ausgeschlossen werden. Das negative Bild der alten Griechen für Eris erklären sie damit, dass die Griechen damals noch nicht die Vorzüge des Chaos zu schätzen wussten und es deswegen als schlecht betrachteten. Außerdem wird der antiken Mythologie ein Detail zugefügt: Nachdem sie nicht zur Hochzeit von Peleus und Thetis eingeladen wurde, soll Eris sich mit Hot Dogs getröstet haben, was sich auch in den fünf diskordischen Geboten niedergeschlagen hat.
In Illuminatus! von Robert Anton Wilson und Robert Shea sind die Diskordier die Leute, die unter ihrem (Nicht-)Führer Hagbard Celine gegen die Vorherrschaft der Illuminaten kämpfen. Wilson wurde auch lange für den Autor der Principia Discordia gehalten, unter anderem weil er es manchmal selbst behauptete, um den Mythos um die Principia auszubauen. Er widmete den ersten Teil der Illuminatus!-Trilogie übrigens niemand anderem als den "Propheten" des Diskordianismus, Hill und Thornley.
Philosophie
Diskordier bestreiten objektive Wahrheiten, sie (zumindest die meisten von ihnen) sind der Ansicht, dass alles subjektiv auslegbar sei. (Je länger dieser Artikel wächst, desto mehr Diskordier gibt es, die ganz oder teilweise mit ihm einverstanden sind oder auch nicht). Sie lieben die Widersprüche, denn diese zeigen Grenzen der Logik auf. Um mit Widersprüchen umzugehen, muss man das übliche logische Denken überwinden und dem Geist neue Freiheiten geben. Die Überzeugung, dass der Mensch ein Sklave von Wort und Logik ist, schlägt sich auch im Zen-Buddhismus nieder.
Ein weiterer Punkt ist die Unterteilung von Unordnung und Ordnung in einen kreativen und einen destruktiven Part. Jemand, der gegen die Unordnung wettert und dabei unterschlägt, dass in der Unordnung auch Kreativität steckt, wird gern als Graugesicht oder als aneristisch bezeichnet. Graugesicht ist der Name eines humorlosen Menschen, der laut der Principia Discordia 1166 v. Chr. einen Trip einleitete, der zu einer Unausgeglichenheit der Welt führte.
Die Aneristische Illusion ist die Bevorzugung von Ordnung und Ablehnung von Chaos, wobei keine Rücksicht auf positive (kreativ-ausufernde) und negative (destruktiv-eingrenzende) Eigenschaften genommen wird. Die Eristische Illusion ist die Bevorzugung von Chaos und die Ablehnung von Ordnung um ein Gleichgewicht zwischen beidem zu schaffen.
Laut dem Cabal POEE, ist Ordnung und Chaos destruktiv wie kreativ, aber ein kreativer Trip ist rein kreativ und somit zu bevorzugen. Durch verrückte, witzige und Bewusstsein verändernde Taten versuchen Diskordier die Unausgeglichenheit aufzulösen.
Sacred Chao
Das Sacred Chao, auch heiliges Chao genannt, ist ein heiliges Symbol des Diskordianismus. Das Wort Chao steht für die Singularform von Chaos. Es sollte nicht mit der Sacred Cow (heilige Kuh) der Hindus verwechselt werden.
Das Sacred Chao ist ein Symbol, das von Diskordiern verwendet wird, um die Wechselwirkung zwischen Ordnung und Unordnung aufzuzeigen. Es erinnert an das Yin-Yang-Symbol, laut der Principia Discordia wurde es allerdings vom diskordischen Apostel Hung Mung im alten China entwickelt und das YinYang-Symbol ist eine Abwandlung davon.
Der Hintergrund beider Hälften ist im Gegensatz dazu Fnord. Anstelle der weißen und schwarzen Punkte stehen sich ein Pentagon und ein goldener Apfel mit der Aufschrift καλλιστι (kallisti; griechisch: 'der Schönsten', eigentlich τῇ καλλιστῇ) gegenüber. Das Pentagon repräsentiert das Gesetz der Fünf und steht für Autorität und Ordnung. Der golden dargestellte Apfel ist der Zankapfel der Eris, mit dem sie die Trojanischen Kriege auslöste. Er steht für Kreativität, Chaos und Zwietracht.
Unordnung und Ordnung sind nur vom Mensch entwickelte Begriffe und Konzepte. Sie versuchen zu beschreiben, was das menschliche Bewusstsein wahrnimmt. Diese Wahrnehmung erfolgt allerdings immer durch ein Fenster oder Gitter, das zwar variieren kann, aber nie das tatsächlich dahinter liegende reine Chaos zeigen kann. Alles ist Chaos. Durch das vom Menschen geschaffene Gitter wird es nur in Ordnung und Unordnung unterteilt.
In einer Geschichte in der Principia Discordia antwortet die grasende Heilige Chao auf die Frage "Erzähl mir, du stummes Vieh, warum tust du nicht etwas Sinnvolles. Was ist dein Ziel im Leben, auf irgendeine Weise?" mit der Antwort "Mu".
Gesetz der Fünf
Das diskordische Gesetz der Fünf besagt, dass alles, was im Universum geschieht, irgendwie mit der Zahl Fünf oder einem Vielfachen von Fünf zusammenhängt. So sei zum Beispiel auch die oft erwähnte Dreiundzwanzig ein Teil des Fünfer-Gesetzes, denn 2 + 3 = 5. Wie bei der 23 ist es möglich, dass Menschen, die sich mit dem Fünfer-Gesetz beschäftigen, auf die Wahrnehmung der Zahl Fünf konditioniert werden und somit meinen sie öfter als zuvor zu sehen.
In der Principia Discordia wird das Gesetz folgendermaßen formuliert:
- ALLE DINGE PASSIEREN IN FÜNFEN, ODER SIND TEILBAR DURCH ODER VIELFACHE VON FÜNF, ODER SONSTWIE DIREKT ODER INDIREKT PASSEND ZUR FÜNF.
Zu Beachten ist, dass es sich hierbei nicht um ein Dogma, sondern um eine relative Vorstellung handelt, welche einen weiteren Schritt in der Entwicklung einer relativistischeren Weltanschauung sein kann: Diskordier sind der Ansicht, dass nur derjenige, dem bewusst werde, dass seine Wahrnehmung durch das Gesetz der Fünf, die 23 und andere Dinge konditioniert wurde, sich selbst metaprogrammieren könne.
Eine weiteres Zitat aus der Principia lautet daher:
- Patamunzo Lingananda: DIE WAHRHEIT IST FÜNF ABER DIE MENSCHEN HABEN NUR EINEN NAMEN DAFÜR.
Generell kann es auch als ironische Abrechnung mit Zahlensymbolik im Allgemeinen verstanden werden.
Der Pentabarf (die fünf Gebote)
Der Pentabarf hat wie das Heilige Chao eine (de)zentrale Stellung im Diskordianismus. Was bei den Christen und Juden die zehn Gebote sind, ist bei den Diskordiern der Pentabarf. Laut der Principia Discordia wurde er vom Apostel Zarathud in einen goldenen Stein gemeißelt aufgefunden. Er konnte ihn zunächst nicht lesen, nach zehn Wochen und elf Stunden fand er jedoch heraus, dass die Botschaft gelesen werden konnte, wenn man sich auf den Kopf stellt und sie verkehrt herum betrachtet. Die fünf Gebote lauten wie folgt:
- Es gibt keine Göttin außer der Göttin und sie ist deine Göttin. Es gibt keine Erisische Bewegung außer der Erisischen Bewegung und es ist die Erisische Bewegung. Und jeder goldene Apfel ist das geliebte Heim eines Goldenen Wurmes.
- Ein Diskordier soll immer das offizielle diskordische Dokumentennummerierungssystem benutzen.
- Ein Diskordier ist zu Beginn seiner Illumination dazu verpflichtet, an einem Freitag alleine nach draußen zu gehen um fröhlich einen Hot Dog zu genießen; diese Zeremonie ist dazu da, um gegen die beliebten Paganismen dieser Tage zu demonstrieren: gegen die Katholische Christenheit (freitags kein Fleisch), das Judentum (kein Fleisch vom Schwein), den Hinduismus (kein Fleisch von der Kuh), den Buddhismus (kein Fleisch von Tieren), und den Diskordianismus (keine Hot Dog Brötchen).
- Ein Diskordier soll keine Hot Dog Brötchen essen, denn es war der Trost der Göttin, als sie mit der ursprünglichen Zurückweisung konfrontiert war.
- Einem Diskordier ist es verboten, zu glauben, was er liest.
Der Pentabarf verdeutlicht abermals die Vorliebe der Diskordier für das Paradoxe, und den Drang, Dogmen zu brechen.
Diskordianischer Papst
Im Diskordianismus ist jeder Mann, jede Frau und jedes Kind auf der Erde (oder sonstwo) ein echter und autorisierter Diskordianischer Papst.
Auf der Seite 00036 der Principia Discordia findet sich eine offizielle Papst-Karte, die frei kopiert und verteilt werden kann.
Die Principia Discordia nennt als einzige Beschreibung eines Diskordianischen Papstes: A=POPE=SOMEONE WHO IS NOT UNDER THE AUTHORITY OF THE AUTHORITIES also jemand der nicht unter der Autorität von Autoritäten steht. Einige Diskordianer haben zu einer genaueren Beschreibung eines Diskordianischen Papstes beigetragen, diese können auf der Rückseite der Karte notiert werden (oder auch nicht):
Die Rechte eines Papstes umfassen, aber sind nicht begrenzt auf:
- jederzeit Unfehlbarkeit zu beanspruchen, auch im Nachhinein oder Nebenbei
- die komplette erisianische Kirche umfassend zu reformieren, aufzulösen oder neuzugründen
- zu taufen, beerdigen oder zu trauen (mit Erlaubnis der Verstorbenen bzw. der zu Vermählenden in den letzten beiden Fällen (oder auch nicht))
- sich und andere zu exkommunizieren, zu de-exkommunizieren, zu re-exkommunizieren, zu de-re-exkommunizieren
- alle Funktionen und Riten zu begehen/erfüllen, die als unangemessen für einen Diskordianischen Papst angesehen werden könnten
Kalender
Der Diskordische Kalender ist ein alternativer Kalender der von einigen Anhängern des Diskordianismus benutzt wird. Er ist auf Seite 00034 der Principia Discordia näher beschrieben.
Das Jahr beginnt am selben Tag wie beim gregorianischen Kalender. Ein Jahr besteht aus 5 "Jahreszeiten", von denen jede 73 Tage hat: Chaos, Zwietracht, Verwirrung, Bürokratie und die Nachwirkung (im Original: Chaos, Discord, Confusion, Bureaucracy und Aftermath). Alle vier Jahre gibt es einen Extratag, St. Tibs Tag, der zwischen dem 59ten und 60ten Tag des Chaos eingefügt wird. Daher korrespondiert ein Tag des Jahres im Discordischen Kalender immer mit dem gleichen Tag im Gregorianischen Kalender und umgekehrt. Um Jahresangaben im Discordischen und Gregorianischen Kalender unterscheiden zu können, steht vor Discordischen Jahresangaben meistens YOLD, was so viel bedeutet wie Year of Our Lady of Discord (Jahr unserer Dame der Zwietracht).
Das discordische Jahr zählt genauso viel wie das gregorianische Jahr + 1166. (In der Principia Discordia ist angemerkt, dass der Fluch des Greyface 1166 vor Christus auftrat, daher ist das vermutlich der Starttag des Kalenders.)
Die discordische Woche hat 5 Tage: Sweetmorn, Boomtime, Pungenday, Prickle-Prickle und Setting Orange. Diese sind nach den fünf discordischen Elementen benannt: Sweet (süß), Boom (donnern), Pungent (scharf), Prickle (kribbeln), und Orange. Da St. Tibs Tag nicht als Teil der Woche betrachtet wird, ist jeder Tag des Jahres am selben Tag in der Woche jedes Jahr.
Es gibt Apostel-Feiertage am 5. Tag jeder Jahreszeit, die nach den fünf discordischen Aposteln benannt sind: Mungtag, für Hung Mung; Mojotag, für Dr. Van Van Mojo; Syatag, für Sri Syadasti; Zaratag, für Zarathud; und Malatag, für Malaclypse den Älteren. Es gibt auch Feiertage der Jahreszeiten am 50. jeder Jahreszeit: Chaoflux, Discoflux, Confuflux, Bureflux, und Afflux.
Zur Umwandlung eines Datums in den Diskordischen Kalender dient das Programm ddate, das heimlich in viele Linux-Distributionen eingeschleust wurde.
Ein Erleuchteter würde diesen Artikel mit FNORD schließen.
Siehe auch: Liste der Kalendersysteme
Zitate
- „Wir Diskordier müssen auseinanderhalten!“
- „Diskordier schwimmen nicht gegen den Strom, sie klettern aus dem Fluss.“
- „Der nächste Satz ist eine Lüge. Der vorhergehende Satz ist wahr.“
- „[Ein Discordier ist] jemand, der gerne Kaiser Nortons alte Kleider trägt.“ - L.A. Rollins, Lucifers Lexicon
- „Discordianismus ist nicht nur eine Religion; es ist eine Geisteskrankheit.“ - Lord Omar Ravenhurst
- „Erstes Gesetz: Folge keinem Gesetz. Zweites Gesetz: Auch dem ersten Gesetz nicht.“ - triple5, triple5.org
Siehe auch
- Fnord
- Dadaismus
- Zirbeldrüse
- Church of Fear
- all rites reversed (Alle Riten verdreht)