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CO2-Abscheidung und -Speicherung

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Als CO2-Sequestrierung oder CO2-Speicherung (im Englischen: carbon capture (CC) oder auch carbon capture and storage (CCS)) werden chemische, physikalische und biologische Verfahren bezeichnet, mit denen das Treibhausgas Kohlenstoffdioxid (CO2) aus den Emissionen bei der Verbrennung fossiler Energieträger abgetrennt und danach eingelagert werden soll, um nicht in die Atmosphäre zu gelangen. Grund für diese Bemühungen sind der Treibhauseffekt und die daraus resultierende Globale Erwärmung.

Als Sequestrierung im eigentlichen Sinne bezeichnet man die dauerhafte Einlagerung des CO2. Die Abtrennung im Kraftwerksprozess kann mit unterschiedlichen Verfahren erfolgen, z. B. nach einer Kohlevergasung (CO2-freies IGCC Kraftwerk), Verbrennung in Sauerstoffatmosphäre, oder CO2-Wäsche aus dem Rauchgas. Als mögliche CO2-Speicher gelten zum einen geologische Formationen wie Erdöllagerstätten, Erdgaslagerstätten, salzhaltige Grundwasserleiter oder Kohleflöze. Aber auch eine Lagerung in der Tiefsee wird untersucht.

Forschungsprogramme

In vielen Industrieländern der Erde wird die CO2-Sequestrierung erforscht. Die Europäische Union hat ihren bisherigen Forschungsetat für diesen Bereich von 30 auf 200 Millionen Euro aufgestockt. Auch in den USA existiert bereits seit 1997 ein derartiges Forschungsprogramm.

In der Bundesrepublik Deutschland wird in Forschungsprojekten im Rahmen der Programme Geotechnologien und Cooretec untersucht, wie der notwendige Kraftwerksneubau in Deutschland von 40 GW (etwa 1/3 der Engpassleistung aller deutschen Kraftwerke) so gestaltet werden sollte, dass die notwendige Reduzierung der CO2-Emissionen erreicht werden kann. So müssen insbesondere die Wirkungsgrade der Kraftwerke maximiert werden, weil so der CO2-Anfall an der Quelle minimiert wird. Weiterhin erprobt man die Realisierung von Kraftwerkstechnologien mit CO2-Abtrennung (Prognose: Ersteinsatz bis 2030) sowie Möglichkeiten, das Gas aus den Rauchgasen konventioneller Kraftwerke abzuscheiden. Zuletzt wird nach Möglichkeiten gesucht, das abgetrennte CO2 dauerhaft und sicher zu speichern.

Die möglichen Lagerungskapazitäten für CO2 werden für die Bundesrepublik Deutschland mit ca. 22 Gt (Gigatonnen) angenommen, diese Annahmen sind aber noch nicht abschließend geklärt. Umfangreiche Untersuchungen dazu finden sich bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR). [1]

Auf EU-Ebene wurde die Technologieplattform für CO2-freie Kraftwerke (TP ZEFFPP) eingerichtet, die in internationaler Kooperation von Experten aus Nichtregierungsorganisationen, Wissenschaft und Industrie den Stand der Forschung untersucht und den Handlungsbedarf ermittelt, um die Vision CO2-freier Kraftwerke umzusetzen. Dieses Gremium erarbeitet auch Vorschläge für die Ausrichtung des 7. Forschungsrahmenprogramms der EU.

Am 10. und 11. März 2005 fand auf der internationalen Energiemesse ENERTEC ein vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit veranstalteter Workshop zu CO2-minderungs Technologien statt. Die Folien zu den Vorträgen können von [2] heruntergeladen werden. Dort wird vor allem der Stand zur CO2-Sequestrierung dargestellt [3].

Kosten

Die Kosten der CO2-Sequestrierung sind gegenwärtig noch nicht bekannt. Die IEA schätzt, dass diese gegenwärtig bei 50 bis 100 Dollar pro Tonne liegen, durch Forschungs- und Entwicklungsarbeit bis 2030 aber auf 25 bis 50 Dollar gesenkt werden können [4].

In die Kostenbetrachtung muss aber die zukünftige Entwicklung mit einbezogen werden. Da zu erwarten ist, dass die zulässigen Grenzwerte für Schadstoffemissionen weiterhin fallen werden, kann sich für ein neues Kraftwerk mit einer Lebensdauer von 60 Jahren die CO2-Sequestrierung durchaus lohnen.

Möglichkeiten zur Abscheidung des Kohlenstoffdioxids

Abscheidung in konventionellen Kohlekraftwerken

In den meisten Kohlekraftwerken verlässt das Rauchgas nach der Entschwefelung den Schornstein, wodurch das CO2, das einen Anteil von etwa 15 Prozent ausmacht, in die Atmosphäre gelangt. Zur Abtrennung des CO2 könnte man den Schornstein durch einen Waschturm ersetzen. Dort könnte das CO2 z.B. durch fein verteilte Amin-Tröpfchen absorbiert werden. In einem zweiten Schritt würden die Amine in einen Abscheider (Stripper) gelangen, wo sie erhitzt würden, sodass das CO2 wieder in konzentrierter Form frei wird, das dann eingelagert werden kann. Die Amine können dann erneut zur Absorption verwendet werden.

Abscheidung in Kombikraftwerken

In Kombikraftwerken mit integrierter Kohlevergasung (IGCC, Integrated Gasification Combined Cycle) reagiert die Kohle in einem ersten Schritt in einem Überschuss von Sauerstoff zu Kohlenstoffmonoxid. Nach Entfernen von Verunreinigungen wird das Kohlenstoffmonoxid in Luft verbrannt, die Verbrennungsgase treiben eine Gasturbine an. Das dabei entstehende CO2 kann wieder über Gasabscheider abgetrennt werden.

Abscheidung im Oxyfuel-Verfahren

Im Oxyfuel-Verfahren wird die Kohle in reinem Sauerstoff verbrannt. Bei dieser Methode fallen neben CO2 fast keine weiteren Verbrennungsstoffe an, was die Abtrennung erheblich vereinfachen würde. Jedoch existieren bisher noch keine Werkstoffe, die die extremen Temperaturen, die bei einer Verbrennung in reinem Sauerstoff entstehen, aushalten können.

Weitere Möglichkeiten

Am einfachsten lässt sich CO2 in Anlagen, die Wasserstoff oder Erdgas herstellen, abscheiden, weil es dort in sehr reiner Form auftritt. Erste Versuche zur CO2-Sequestrierung sind daher auf diesen Bereich und nicht auf Kohlekraftwerke angelegt, so z.B. in der algerischen Sahara.

Durch die steigende Nachfrage nach Erdöl und die dadurch verbundene Preissteigerung gibt es Forschungsprogramme, die die Herstellung von synthetischen Kraftstoffen (Kohleverflüssigung) zum Ziel haben. Der Nachteil ist, dass dabei große Mengen an CO2 anfallen. Eine Sequestrierung kann also helfen, synthetische Kraftstoffe auch aus ökologischer Sicht verwertbar zu machen.

Auch die Stromerzeugung aus Biomasse kann mit der CO2-Sequestrierung kombiniert werden. Dadurch wäre die CO2-Bilanz nicht nur ausgeglichen, sondern sogar positiv.

Weitere zukunftsgerichtete Programme erforschen Möglichkeiten, das Kohlenstoffdioxid mittels chemischer Absorber direkt aus der Luft zu filtern.

Mögliche CO2-Lagerstätten

Von den meisten Forschern auf dem Gebiet der CO2-Sequestrierung wird eine Lagerung in tiefen Sedimentschichten, deren Poren mit Salzwasser gefüllt sind, favorisiert. Damit ein erneutes zutagetreten des Kohlenstoffdioxids praktisch ausgeschlossen ist, müssen diese Schichten unterhalb der Trinkwasserschichten, also in mindestens 800 Metern Tiefe liegen. Durch den dort herrschenden Druck besitzt das CO2 eine etwa so große Dichte wie das Salzwasser, wodurch es dieses aus den Poren verdrängt.

Kohlenstoffdioxid kann auch in Mineralen gespeichert werden, mit denen es Karbonate bildet. Diese könnten an der Erdoberfläche gelagert werden, was deutlich preiswerter als eine unterirdische Lagerung ist. Jedoch ist die Reaktionsgeschwindigkeit unter herkömmlichen Bedingungen zu gering, sodass diese Verfahren nicht praktikabel sind.

Das sequestrierte CO2 könnte auch in Kohleflöze gepumpt werden. Es würde das dort eingelagerte Methan verdrängen, was Grubenunglücke verhindern könnte. Darüber hinaus könnte das Methan als Treibstoff verkauft werden.

Man kann Kohlenstoffdioxid auch in unter dem Meer gelegenen Kohleflözen einlagern. Diese Methode stößt jedoch größtenteils auf Ablehnung, weil dadurch unvorhersehbare Schäden an Ökosystemen eintreten können. Außerdem ist durch internationales Recht die Einlagerung von Abfällen in den Ozeanen verboten. Zuletzt ließe sich in den Ozeanen eingelagertes CO2 nur schwer verfolgen, sodass ein unkontrolliertes Freisetzen leichter möglich wäre.

Vorteile und Chancen

Da auch stark zunehmende Nutzung regenerativer Energien und Energieeffizienzsteigerung auf der Erzeugungs- und Verbrauchsseite selbst unter optimistischen Annahmen nicht mit dem steigenden Weltenergiebedarf Schritt halten können, wird die weltweite Stromversorgung auf Jahrzehnte - insbesondere auch in den Wachstumsländern China und Indien - auf fossilen Primärenergieträgern basieren. Es besteht mit der dauerhaften Einlagerung des Kohlenstoffdioxids daher die Möglichkeit, die ansonsten zu erwartende steigende Belastung der Atmosphäre mit Treibhausgasen zu reduzieren.

In Sedimentschichten eingelagertes Kohlenstoffdioxid hätte auch seine Vorteile: In fast erschöpften Erdöllagerstätten könnte man dadurch den Förderdruck erhöhen. Entsprechende Programme laufen bereits in Großbritannien (Nordsee) und den USA.

Nachteile und Risiken

Bei manchen Arten der Lagerung, insbesondere bei der Einleitung ins Meer, könnte das gespeicherte CO2 im Laufe von einigen 100 bis 1000 Jahren wieder in die Atmosphäre gelangen, so dass nur eine Verzögerung der Emission erreicht würde. Auch bei einigen unterirdischen Lagern, die prinzipiell wesentlich zuverlässiger sind, ist dies schwer einzuschätzen. Das Beobachten von CO2-Lagern ist daher wichtiger Gegenstand der Entwicklung. Die Gefahr des allmählichen Ausgasens, das den klimapolitischen Effekt der CO2-Sequestrierung womöglich unbemerkt zunichte machen würde, erschwert auch die Suche nach geeigneten Lagerstätten, denn der sichere Verbleib des Gases muss natürlich gesichert sein (je nach Ansicht für mindestens 200 oder 10.000 Jahre).

Weit gefährlicher als das allmählichen Ausgasen des gespeicherten Kohlenstoffdioxids wäre ein plötzliches zutage treten. Dadurch würden hohe CO2-Konzentrationen erreicht werden, die erstickend wirken (siehe hierzu Nyos-Unglück).

Die Einleitung großer Mengen CO2 ins Meer kann massive ökologische Folgen haben, etwa durch Senkung des pH-Wertes oder die Bildung von „CO2-Seen“ auf dem Meeresgrund, die das dortige Leben abtöten (siehe dazu auch Kohlenstoffzyklus, hier vor allem Kohlenstoffzyklus (Probleme technischer Lösungen)).

Die Verfahren zur CO2-Sequestrierung verursachen zusätzliche Kosten in der Stromerzeugung. Die wirtschaftliche Machbarkeit hängt daher wesentlich von den im CO2-Handel festgelegten Preisen der Emissionsrechte ab. Ziel des europäischen Emissionsrechtehandels ist die Förderung CO2-mindernder Technologien, zu denen die CO2-Sequestrierung gehört.

Durch den Aufwand, der zur CO2-Abtrennung nötig ist, sinkt der Wirkungsgrad der Kraftwerke, wodurch mit Strompreiserhöhungen zu rechnen sein wird. Man kann diesen Nachteil jedoch umgehen, wenn man die ebenfalls bei der Verbrennung fossiler Energieträger anfallenden Schwefeloxide mit dem CO2 zusammen speichern würde.

Wollte man das gesamte Kohlenstoffdioxid, das während der Lebensdauer von 60 Jahren eines konventionellen Kraftwerks auftritt, in Sedimentschichten lagern, bräuchte man dafür so große Reservoirs, dass das Kraftwerk nur an wenigen Stellen der Erde errichtet werden könnte (vornehmlich an Erdöllagerstätten). Forscher sind jedoch zuversichtlich, mittels besserer Erkundungsmethoden genügend Speicherstätten finden zu können.

Alternativen

Kritiker der CO2-Sequestrierung wenden ein, dass andere Alternativen mit weniger Problemen behaftet, weiter entwickelt und zumindest langfristig billiger seien. Insbesondere werden hier genannt:

Die bisherigen Forschungen oder Vorhaben beschäftigen sich in der Regel nur mit der Speicherung von flüssigem oder gasförmigen CO2 oder in Form von Trockeneis. Daneben gibt es aber auch die Möglichkeit das CO2 als Kohlenstoff (Aromate) zu speichern, also z.B. als Pyrogener Kohlenstoff in Form von Biokoks oder Schwarzerde (s.a.Terra preta: Schwarzerde in Amazonien). Auf diese Aggregatform sind die meisten der oben genannten Kritikpunkte dann nicht mehr zutreffend.


Siehe auch

zur CO2-Sequestrierung

Filtern und Speichern von Kohlendioxid lösen? Kritische Betrachtung der Potenziale von energie-fakten.de

zu neuen Kraftwerkstypen

zur Kritik an der CO2-Sequestrierung

Literatur

Robert H. Socolow: Können wir das Klimaproblem begraben?. In: Spektrum der Wissenschaft 03/06, S.72ff