Benutzer:KarlV/Wissen ist Macht – über helle und dunkle Seiten der Wikipedia
PROLOG
Wenn Informationen Amok laufen
Am 22. Juni 2016 wurden beim Amoklauf in München mindestens 30 Menschen teilweise schwer verletzt, und das nur weil aufgrund von Gerüchten, die über die sozialen Medien verbreitet wurden, reale Paniken weit ab vom Ort des Geschehens ausgelöst wurden. Dies ist nur ein weiteres Beispiel dafür, welche Folgen digitale Informationen haben und welche Schäden sie verursachen können.
Das „Digitale Zeitalter“ hat unsere Gesellschaft komplett verändert. Wir sind nicht nur online jederzeit verfügbar und erreichbar - Informationen verbreiten sich über Facebook, Twitter oder WhatsApp in Echtzeit und ungefiltert in sekundenschnelle aus.

Die wichtigste und auch gefährlichste Veränderung ist, dass im Gegensatz zu früher, wo es überwiegend Konsumenten gab, die Ihr Informationsbedürfnis über Bücher, Fachzeitschriften, Zeitungen, Fernsehen oder Radio abdeckten, jeder Mensch nunmehr selbst Informationen erstellen kann (sei es über YouTube, Twitter, Periscope oder Blogs etc). Der Mensch ist also nicht mehr nur Konsument – er kann jetzt gleichzeitig als Produzent von Informationen fungieren.
Konnte man sich früher auf die Medien und den ethischen Grundsätzen diverser Journalistenschulen und deren Vorgehensweisen bei der Recherche, Sichtung, Verarbeitung und Verbreitung von Informationen verlassen, die einen seriösen Journalismus kennzeichnen, so gilt das im „Digitalen Zeitalter“ scheinbar alles nicht mehr. Der ungehinderte und ungefilterte digitale Fluss an Informationen stürzte nicht nur eine traditionelle Branche in eine tiefe Krise, er kann, wie das Beispiel aus München zeigte, in Echtzeit reale Schäden verursachen.
Die hellen Seiten der Wikipedia

Wenn also jeder anonym Artikel schreiben darf und Informationen darin verwerten/verbreiten kann, wer garantiert, dass diese Informationen valide, glaubhaft und der Realität entsprechend sind? Wer garantiert, dass nicht gezielt Falschinformationen eingearbeitet werden können? Ist Wikipedia nicht – wie andere ähnliche Wiki-Plattformen – prädestiniert für Manipulationen und Desinformationen von einem großen Spektrum verschiedenen Interessen (von Interessen einer einzelnen Person bis hin zu Interessen von Vereinen, religiösen oder politischen Organisationen, Lobbyisten oder Unternehmen)?
Diese Fragen begleiten Wikipedia seit ihrer Geburt und waren stets Gegenstand von teilwiese heiß geführten internen Diskussionen. Das Bewusstsein von Verantwortung für die Inhalte und das Wissen, welche Folgen und Schäden die gesammelten Informationen in den Artikeln haben können, waren steter Begleiter bei der Entstehung interner Richtlinien, an denen sich die meisten Benutzer orientieren beziehungsweise orientieren sollten.
Das System Wikipedia
Das heutige System Wikipedia ist in seiner jetzigen Form aufgrund verschiedener Entwicklungen und Erfahrungen entstanden, exakt entlang der Reibungsfläche zwischen einerseits dem Ziel des Projekts, nämlich das etablierte Wissen für jedermann frei zugänglich abzubilden, und zum anderen zu definieren, was eigentlich zum etablierten Wissen gehört und was nicht. Die Diskussionsseiten vieler Artikel geben oft Auskunft über erbitterte Kämpfe welche Informationen in einen Artikel gehören und welche nicht. Das betrifft alle Bereiche, denn selbst in der Wissenschaft gibt es immer wieder strittige oder kontroverse Themen, um deren Darstellung gerungen wird. Die wesentlichen Änderungen erfolgten im Laufe der Zeit auf zwei verschiedenen Ebenen, die ich nur kurz beschreiben möchte.
Benutzerebene
Am Anfang gab es nur IPs und registrierte Benutzer, welche Artikel erstellten und editierten. Auf der Benutzerebene bildete sich nach und nach eine Struktur aus, die aus den Erfahrungen der ersten Jahre resultierte. Heute findet man neben IPs, Benutzer, Administratoren und andere Funktionen wie etwas Steward oder Oversighter (siehe auch Hilfe:Benutzer).
Im Prinzip kann nach wie vor jeder über das Internet Wikipedia Artikel anonym bearbeiten – seine IP wird jedoch stets in der History erfasst. Aufgrund des immer wiederkehrenden Vandalismus und der in einigen Bereichen immer wiederkehrenden Versuche bestimmte politische, religiöse oder anders gelagerte Meinungen als etabliertes Wissen zu verankern, können heute Artikel für das Editieren als IP gesperrt oder eingeschränkt werden. Unerwünscht ist die Verwendung von Proxys, das sind Internet-Seiten, welche die eigentliche IP verbergen und in der Vergangenheit immer wieder für massiven Missbrauch verwendet wurden.
Wichtige Veränderungen erfolgten ebenfalls für angemeldeten Benutzer. Eine beliebte Strategie, um eine bestimmte politische oder religiöse Botschaft oder anders gelagerte Information in einem Artikel zu platzieren war und ist es nicht nur ein Benutzerkonto anzumelden, sondern gleich sehr viele. Sie werden in Wikipedia als Sockenpuppen bezeichnet. Einer der Spitzenreiter betrieb in Wikipedia gleich über 1.000 verschiedene Benutzerkonten (Sockenpuppen). Die Sockenpuppen wurden als Einmal-Accounts für gezielte Edits verwendet oder kamen auf Diskussionsseiten zum Einsatz, wo sie Diskussionen manipulierten und majorisierten. Die Konsequenzen auf dieses Phänomen waren folgende: Zum einen durchlaufen alle angemeldeten Benutzern nunmehr eine Probephase – das heißt erst nach Erlangung eines Status, der mit der Stimmberechtigung einhergeht, wird der Status Sichter automatisch vergeben, so dass der Benutzer fortan vollberechtigt in Wikipedia editieren kann. In der Probephase darf der Benutzer zwar Artikel editieren, die Artikelversionen werden jedoch zunächst in einer ungesichteten Form eingefroren. Zum anderen hat sich seit einigen Jahren ein Verfahren etabliert, welches den Missbrauch durch Sockenpuppen untersucht und technisch nachweist, dass sogenannte Checkuser Verfahren.