Rainer Rupp
Rainer Wolfgang Rupp (* 21. September 1945 in Saarlouis) ist ein ehemaliger deutscher DDR-Agent (Deckname Topas), der für den Warschauer Pakt tätig war. 1994 wurde er wegen Landesverrats zu zwölf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.
Leben
Jugend und Studium
Rupp wuchs in Saarburg (bei Trier) bei seiner Mutter und seinem Stiefvater auf. Während seines Volkswirtschaftsstudiums an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz wurde er als „klassischer 68er“ von der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR 1968 als Spion angeworben, obwohl er eigentlich Entwicklungshelfer werden wollte. 1969 studiere Rupp ein Jahr an der Freien Universität Brüssel (ULB).
Spionage für die DDR im NATO-Hauptquartier
Zunächst war Rupp bei einer Lobbyistenfirma, später bei einer britischen Handelsbank in Brüssel angestellt. 1970 traf er erstmals die Britin Ann-Christine Bowen, die er 1972 heiratete. Rupp bewarb sich auf eine Stellenausschreibung der NATO, die seine Frau am Schwarzen Brett der Britischen Militärmission sah, für die sie tätig war. Rupp setzte sich in einem Auswahlverfahren gegen 73 Mitbewerber durch. Am 15. Januar 1977 kam er in die politische Abteilung des NATO-Wirtschaftsdirektorats. Anfangs operierte er unter dem Decknamen „Mosel“, ab 1979 als „Topas“. 1980 bekam seine Frau das erste ihrer drei Kinder und beendete ihre eigene Spionagetätigkeit, die sie unter dem Alias „Türkis“ ausgeübt hatte.
Unter dem Decknamen „Topas“ lieferte er in den folgenden zwölf Jahren unter Umgehung der höchsten Geheimhaltungsstufe „COSMIC Top Secret“ Informationen aus dem Inneren der NATO an den Auslandsgeheimdienst der DDR. Das vielleicht wichtigste Papier war „MC 161“, in dem die NATO alle eventuellen Kenntnisse des Warschauer Paktes über die eigene Organisation zusammengefasst und bewertet hatte. Es war insofern von Bedeutung, als die sowjetischen Nachrichtendienste damit die Details der NATO-Strategien interpretieren konnten und somit wiederum eine gute Basis für Gegenstrategien erarbeitet werden konnte. Dieses Dokument durfte nur in einem speziellen Raum gelesen und nicht kopiert werden. Rupp gab nie preis, auf welchem Weg er es schaffte, „MC 161“ abzufotografieren.
Rupp behauptete später, durch seine Spionagetätigkeit 1983 einen Nuklearkrieg verhindert zu haben. Anlässlich der NATO-Übung Able Archer 83 sei die Sowjetarmee 1983 in Alarmbereitschaft versetzt worden, aber die Führung der DDR habe „Empfänger in der UdSSR“ mit Informationen von Rupp beruhigt, dass kein Angriff bevorstünde.[1] 2013 veröffentlichte Protokolle der Politbürositzungen der Sowjetunion bestätigten dies jedoch nicht.[2][3]
Die Eheleute Rupp erhielten bis zum Ende ihrer Agententätigkeit im Wendejahr 1989 für diese insgesamt 657.200 DM Agentenlohn von der HVA, darunter 200.000 DM für den Kauf eines Hauses.[4]
Verurteilung wegen Landesverrats
Durch die Auswertung von Stasi-Unterlagen (Rosenholz-Dateien) konnte die Identität Rupps aufgedeckt werden. Am 30. Juli 1993 wurden Rupp und seine Ehefrau in Saarburg verhaftet und 1994 vom Oberlandesgericht Düsseldorf zu zwölf Jahren bzw. zu 22 Monaten Freiheitsstrafe wegen schweren Landesverrats, der im Kriegsfalle „verheerend und kriegsentscheidend“ hätte sein können,[5] verurteilt. Rupp saß seine Haftstrafe in der Justizvollzugsanstalt Saarbrücken und Saarlouis ab. Martin Walsers Aufforderung an den Bundespräsidenten zur Begnadigung Rupps in seiner umstrittenen Rede zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels in der Frankfurter Paulskirche am 11. Oktober 1998 wertete Lars Rensmann als Teil der von Walser propagierten „nationalen Selbstversöhnung“ der Deutschen: So wie Walser in seiner Rede einen Schlussstrich unter das Gedenken an den Holocaust ziehen wollte, so wollte er auch mit Rupp die DDR begnadigt sehen.[6] 1998/1999 trat Rupp in die PDS ein und erhielt in der Partei einen Honorarvertrag.[7][8] Am 27. Juli 2000 wurde er auf Bewährung entlassen.
Nach der Haft
Rupp schrieb seit seiner Entlassung bis Anfang 2016 u. a. für die Tageszeitungen junge Welt [9][10] und schreibt bis heute noch für das Neue Deutschland. Tobias Jaecker warf Rupp im Zusammenhang mit einem Artikel in der Jungen Welt von 2003 vor, ein Bild von der Rolle Israels im Irakkrieg zu malen, „das in klassischer Weise dem antisemitischen Weltbild entspricht“.[11] 2003 trat Rupp aus der PDS aus, da sich diese seiner Meinung nach nicht mehr allzu sehr von den bürgerlichen Parteien unterschied.[12] Rupp ist Mitglied der DKP.[13] Zu seinem Wirken für die junge Welt bemerkte Der Spiegel, dass Rupp „seinen antiimperialistischen Kampf nun als Außenpolitikkommentator weiter[führe]“ und dabei „gern […] vom ‚legitimen irakischen Widerstand‘ gegen die ‚US-Besatzer‘“ [schwärme].[14] Rupp veröffentlichte Beiträge im Kai Homilius Verlag [15] und trat z. B. 2014 als Interviewpartner von Russia Today Deutschland und von Ken Jebsen bei KenFM [16] auf. In einem offenen Brief an die Redaktion der jungen Welt kritisierte Rupp, dass sie der „neuen Friedensbewegung“ (unter Beteiligung der Mahnwachen für den Frieden, des Friedenswinter etc.) im Wege stehen würde.[17]
Im US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 sprach sich Rupp klar für den republikanischen Bewerber Donald Trump aus, da dieser „im Vergleich zur korrupten Hillary [Clinton] ein ehrlicher Geschäftsmann“ sei. [18]
Schriften
- (mit Karl Rehbaum und Klaus Eichner): Militärspionage: die DDR-Aufklärung in NATO und Bundeswehr. Edition Ost, Berlin 2011, ISBN 978-3-360-01828-1.
- Mitautor von Klaus Eichner, Gotthold Schramm (Hrsg.): Kundschafter im Westen : Spitzenquellen der DDR-Aufklärung erinnern sich, Edition Ost, Berlin, 2003, ISBN 3-360-01049-3.[19][20]
Literatur
- Klaus Eichner, Karl Rehbaum: Deckname Topas. Der Spion Rainer Rupp in Selbstzeugnissen. Edition Ost, Berlin 2013, ISBN 978-3-360-01846-5.
Weblinks
- Literatur von und über Rainer Rupp im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Rainer Rupp bei IMDb
- Dossier bei Der Spiegel
- telepolis über Rupps Tätigkeiten
Einzelnachweise
- ↑ Norbert F. Pötzl: Top-Spion „Topas“: Der heiße Draht zum Nato-Rat. einestages vom 30. Juli 2008.
- ↑ Die Nicht-Krise um Able Archer 1983: Fürchtete die sowjetische Führung tatsächlich einen atomaren Großangriff im Herbst 1983? In: Oliver Bange und Bernd Lemke (Hrsg.): Wege zur Wiedervereinigung. Oldenbourg, München 2013, S. 129–151.
- ↑ Ricardo Tarli: Die Legende von „Able Archer“, NZZ, 5. November 2013.
- ↑ Gerhard Werle: Strafjustiz und DDR-Unrecht: Spionage Verlag Walter de Gruyter, Berlin 2004, S. 969.
- ↑ Der Mann, der „Topas“ war…
- ↑ Lars Rensmann: Enthauptung der Medusa. Zur diskurshistorischen Rekonstruktion der Walser-Debatte im Licht politischer Psychologie, in Micha Brumlik und Hajo Funke (Hrsg.): [Umkämpftes Vergessen: Walser Debatte, Holocaust-Mahnmal und neuere deutsche Geschichtspolitik Berlin 2010, ISBN 978-3-89930-240-0 Seite 36f]
- ↑ Gysi verteidigt Honorarvertrag für Ex-Spion Rupp Die Welt vom 6. Januar 1999
- ↑ Georg Bönisch, Henryk M. Broder: PDS: Reha-Klinik für Verräter. In: Der Spiegel. Nr. 1, 1999, S. 60 (online).
- ↑ http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-47514638.html
- ↑ Hartmut Barth-Engelbart: Wird die junge Welt jetzt zur jungen Titanic? In: NRhZ-Online. 29. Oktober 2016, abgerufen am 29. Oktober 2016. (Emailverkehr von Rainer Rupp mit der jungen Welt, in dem er das Ende der Zusammenarbeit bekundet)
- ↑ Tobias Jaecker: Antisemitische Verschwörungstheorien nach dem 11. September. Neue Varianten eines alten Deutungsmusters. Münster [u. a.]: Lit, 2004. ISBN 3-8258-7917-8, Seite 125ff
- ↑ https://www.heise.de/tp/features/War-Games-3391070.html
- ↑ http://www.dkp-darmstadt.de/soziales/kommunisten-in-die-dkp.htm
- ↑ Sichtbare Front DER SPIEGEL, 28/2006
- ↑ Autorenporträt beim Kai Homilius Verlag
- ↑ Ken Jebsen: Das ist der Gipfel!, NRhZ-Online vom 10. September 2014
- ↑ Offener Brief vom Rainer Rupp an die Redaktion der jungen Welt: [1]
- ↑ Im Vergleich zur korrupten Hillary ein ehrlicher Geschäftsmann, Interview mit Rupp vom 27. Juni 2016 auf Telepolis
- ↑ Rezension
- ↑ Karl Wilhelm Fricke: Geschichtsrevisionismus aus MfS-Perspektive ( vom 27. Juni 2013 im Internet Archive) (PDF; 132 kB)
Personendaten | |
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NAME | Rupp, Rainer |
ALTERNATIVNAMEN | Topas; Rupp, Rainer Wolfgang |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher DDR-Spion, Deckname Topas |
GEBURTSDATUM | 21. September 1945 |
GEBURTSORT | Saarlouis |