Dreiphasenwechselstrom

Dreiphasenwechselstrom (umgangssprachlich Stark-, Dreh- oder Kraftstrom) ist ein Begriff aus der Elektrotechnik und bezeichnet ein System von miteinander verketteten elektrischen Wechselströmen, im Gegensatz zum Einphasenwechselstrom.
Werden in einem Generator drei um jeweils 120° im Kreis versetzt angeordnete Spulen einem rotierenden Magnetfeld ausgesetzt, so entsteht in den Spulen durch Induktion fortlaufend eine Wechselspannung, die zeitlich um jeweils eine Drittelperiode (oder 120° bei einem Kreisumlauf) gegenüber den anderen Spulenspannungen versetzt ist.
Drehstromnetze
Ein Drehstromnetz ist ein Stromnetz, in dem Dreiphasenwechselstrom verwendet wird. Da man den Drehstrom gut transformieren kann und Drehstrommotoren klein, kompakt, wartungsarm und billig hergestellt werden können, sind heute alle öffentlichen Stromnetze Drehstromnetze.
In Drehstromnetzen wird meist der Neutralleiter geerdet. Hierbei werden im Niederspannungsbereich Vierleitersysteme, im Hochspannungsbereich über 1000 Volt Dreileitersysteme verwendet. Im Niederspannungsbereich und in Höchstspannungsnetzen ist der Sternpunkt starr geerdet, in Mittelspannungs- und Hochspannungsnetzen ist dieser häufig induktiv über eine Drosselspule/Erdschlusslöschspule geerdet.
Mit Drehstrom angetriebene moderne Schienenfahrzeuge haben eine interne Drehstromversorgung, die mit Stromrichtern aus dem Einphasenwechselstrom der Oberleitung generiert wird. Bei früheren Bahn-Drehstromantrieben wie in Italien wurde eine der Drehstromphasen indirekt geerdet durch Verbindung mit der Schiene. Damit konnte die Oberleitung in einer praktischeren zweipoligen statt einer dreipoligen Version ausgeführt werden. Die letztere Version wurde lediglich bei Versuchsfahrten wie auf der Preußischen Militäreisenbahn um 1903 verwendet.
Dreileiter-System
Diese drei Wechselstrom-Phasen lassen sich jeweils einzeln zur Versorgung elektrischer Verbraucher nutzen. Wenn die Belastung aller drei Phasen gleich groß ist (symmetrische ohmsche Belastung), dann ist die geometrische Summe (siehe Vektorrechnung) der Ströme in den einzelnen Phasen zu jedem Zeitpunkt gleich Null. Daher lassen sich für solche Bedingungen die Generatorspulen an ihrem einen Ende zu einem so genannten Sternpunkt oder Mittelpunkt zusammenschalten. Dieser Sternpunkt ersetzt die Rückleitung. Die elektrischen Verbraucher müssen in diesem Falle mit ihrem Rückleitungs-Ende ebenfalls zu einem Sternpunkt zusammengeschlossen werden. Durch dieses so entstandene Dreileiter-System lässt sich ein elektrisches Energieübertragungsnetz besonders ökonomisch aufstellen.
Bei Motorantrieben lässt sich mit dem Drehstromsystem durch seine Phasenverschiebung ein rotierendes Magnetfeld erzeugen, welches einen einfach gestalteten Rotor zum Drehen bringen kann, siehe Drehstrom-Asynchronmaschine. In der Bauweise sind Drehstrommotoren besonders einfach und sehr leistungsfähig.
Die Bezeichnungen der Außenleiter (Phasen) mit R, S und T sind teilweise noch in Gebrauch. Sie sind jedoch veraltet. Die aktuell üblichen Bezeichnungen sind L1, L2 und L3. 'L' steht dabei für 'Line'.
Dreiphasen-Fünf-Leiter-System
Beim Endverbraucher von Stromnetzen und bei Aufsplittung in Einphasenwechselstrom-Leitungen ist jedoch eine gleichmäßig verteilte Entnahme nicht mehr gewährleistet. Hier wird dem Dreileiternetz ein zusätzlicher Ausgleichsleiter (Neutralleiter N) zugefügt, über den die Ausgleichsströme zum Sternpunkt des Versorgungssystems zurückfließen. Zusammen mit dem Schutzleiter (engl.:Protective Earth PE, Farbe der Leitungsisolierung: Grün-Gelb) ergibt sich dann ein „Dreiphasen-Fünf-Leiter-System“.
Einphasenwechselstrom
Durch Nutzung des Dreiphasen-Systems mit drei getrennten Phasen in der Hinleitung und einer gemeinsamen Rückleitung lässt sich eine einfache Versorgung mit Einphasenwechselstrom von Ue = 230 Volt zwischen einem der Außenleiter und dem Rückleiter (Neutralleiter) für Haushalte und Einphasenverbraucher bereitstellen.
Die Rechnungsformel für die Spannung lautet mit Ue als Einphasen-Spannung und Up als Dreiphasenspannung

Ein Vorteil der Nutzung von Drehstrom für mehrere Wechselstromverbraucher ist, dass nur vier Leiter anstatt sechs bei getrenntem Einphasen-Wechselstrom für die Einspeisung (Hausanschluss) benötigt werden. Diese Merkmale machen den Dreiphasen-/Einphasenwechselstrom (z. B. 400/230 V) zur wichtigsten und wirtschaftlichsten Stromart der Elektroenergie.
Das reine Dreileiter-System ohne separate Rückleiter wird verwendet, wenn die nahezu symmetrische Belastung annähernd erreicht werden kann und für begrenzte Ausgleichs- und kapazitive Ladeströme der Leitung die Erde als Rückleitung ausreicht, wie z. B. in Hochspannungs-Freileitungs-Netzen von z. B. 6 bis 400 kV (regionales Übertragungs-Netz der Netzbetreiber – vom Kraftwerk zum Umspannwerk).
Vorteile der Drehstromsysteme
Erzeugung eines magnetischen Drehfeldes
Dreiphasenwechselstrom bietet als Stromsystem im Gegensatz zu Einphasenwechselstrom und Gleichstrom die Möglichkeit, mit Hilfe einer so genannten Drehstromwicklung verhältnismäßig einfach ein sich drehendes Magnetfeld (Drehfeld) zu erzeugen. Derartige Drehfeldmotoren sind einfach im Aufbau, robust, betriebssicher, wartungsfrei und wirtschaftlich.
Leiter und Verluste bei der Energieübertragung
Zur Übertragung von Gleichstrom und Einphasenwechselstrom werden zwei Leiter benötigt. Sollen drei unverkettete Wechselspannungen übertragen werden, wären sechs Leiter erforderlich. Verkettet man drei Stränge eines Dreiphasen-Wechselstromsystems in einer Stern- oder Dreieckschaltung, so genügen drei Leiter, sofern es sich um eine reine symmetrische Belastung (z. B. Motoren) handelt. Bei symmetrischer Belastung ist die Summe der Augenblickswerte der drei Außenleiterspannungen und der Strangströme null, auch der Sternpunktleiter ist in diesem Fall stromlos, daher kann er in kompensierten Systemen weggelassen, oder mit nur verringertem Leiter-Querschnitt als die Außenleiterquerschnitte ausgeführt werden. Mittelspannungsfreileitungen, z. B. 10- bis 30-kV-Leitungen, weisen nur die drei Außenleiter auf, weil sie unter sehr symmetrischer Phasenbelastung stehen.
Die Verkettung der Stränge zu einem gemeinsamen Dreiphasen-Wechselstromsystem ermöglicht also grundsätzlich die Einsparung von drei Übertragungsleitungen und damit die Verringerung der Kosten um bis zu 50 %. Außerdem werden bei symmetrischer Belastung auch die Verluste reduziert.
Transformierbarkeit der Spannungen
Während drei Einphasen-Transformatoren drei Eisenkerne mit mindestens sechs Schenkeln erfordern, genügt bei einem Drehstrom-Transformator ein Eisenkern mit drei Schenkeln. Durch die Verkettung der magnetischen Flüsse der drei Strangströme lassen sich drei Schenkel einsparen. Neben der Einsparung von aktivem Eisen hat ein Drehstromtransformator auch geringere Eisenverluste als drei Einphasen-Transformatoren mit gleicher Gesamtleistung, da die Verluste mit dem Eisenkern-Gewicht linear ansteigen.
Spannungen verschiedener Höhe
In einem Gleichstrom- und einem Einphasenwechselstromnetz mit zwei Netzleitern steht dem Verbraucher bei direktem Anschluss lediglich eine einzige Spannung zur Verfügung. Dagegen bietet sich in einem Vierleiter-Drehstromnetz die Möglichkeit des Anschlusses an zwei verschieden hohe Spannungen. Die Spannung zwischen den einzelnen Außenleitern (400 V) ist um den Faktor 1,73 (Quadratwurzel aus 3) größer als die zwischen den Außenleitern und dem Neutral- bzw. Mittelpunktleiter gemessene Spannung (230 V).
Ergänzung:
Der induzierte Strom in Wechselstromgeneratoren steigt auf einen Spitzenwert, sinkt auf Null, fällt auf einen negativen Spitzenwert und steigt wieder auf Null. Dieser Wechsel erfolgt, je nach der Frequenz, für die der Generator ausgelegt ist, mehrmals pro Sekunde. Man bezeichnet so einen Strom als einphasigen Wechselstrom. Besitzt der Anker zwei Wicklungen, die im rechten Winkel zueinander stehen und zwei getrennte Anschlüsse haben, werden zwei Wechselströme erzeugt, die jeweils dann ihr Maximum erreichen, wenn der andere seinen Nulldurchgang hat. Dieser Strom wird als Zweiphasenwechselstrom bezeichnet. Wenn der Anker drei Wicklungen hat, die in einem Winkel von 120 Grad zueinander stehen, wird ein Strom erzeugt, der einer dreifachen Welle entspricht. Dieser Strom wird als Dreiphasenwechselstrom oder Drehstrom bezeichnet. Durch eine Erhöhung der Anzahl der Ankerwicklungen erhält man eine größere Anzahl von Phasen. Der heute am häufigsten verwendete Generator ist der Drehstromgenerator. Er wird normalerweise für die Erzeugung von elektrischem Strom verwendet. Die von Wechselstromgeneratoren erzeugten Spannungen betragen üblicherweise bis zu 13 200 Volt.
Siehe auch
- Elektrischer Strom
- Wechselstrom
- Sternschaltung
- Dreieckschaltung
- Stern-Dreieck-Schaltung
- Aronschaltung
- Lichtmaschine
Weblinks
- Simulationsprogramme (DOS) zum download
- von-grambusch.de „Fachtheorie“ und „Der Drehstrom“ anklicken
- Der Dreh mit dem Drehstrom
- getsoft.net Elektrotechnik Kompendium der TU-Ilmenau
- Flash-Animation zum Drehstrom (dwu-Unterrichtsmaterialien)