Buchbinden

Als Buchbinden bezeichnet man den letzten Arbeitsgang der Buchherstellung. In diesem werden die Seiten bzw. Lagen eines Buches zusammengefügt und mit einem aus Rücken und Deckeln bestehenden Umschlag (Einband) versehen.
Es war zur Zeit des Zunftwesens und in kleineren Städten noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts ein einfaches Handwerk, bei welchem jeder Buchbinder, vom Gesellen an, die Befähigung hatte, ein Buch mit Goldschnitt und mit goldverziertem Lederdeckel durchweg selbständig anzufertigen. Seitdem nahm die industrielle Serien-Buchbindung am Automaten oberhand und wird nur noch in Einzelfällen als Handwerk ausgeführt.
Das Handwerk des Buchbindens hat sich im Laufe der Geschichte grundlegend geändert. Heut unterscheidet man zwischen dem handwerklichen und dem industriellen Buchbinder; ein relativ neuer Beruf ist der des Buchrestaurators. Die weitaus größte Produktion übernimmt heute die industrielle Buchbinderei. Die handwerklichen Betriebe dagegen beschäftigen sich vorwiegend mit Einzelanfertigungen und Reparaturen, z.B. die Sortimentsbuchbinderei, die Bücher für Bibliotheken, Behörden Geschäfts- und Privatleute einbindet und der Kunst- oder Handbuchbinder, der nur Einzelanfertigungen, Sondereinbände, Schuber und Kästen produziert. Der Buchrestaurator ist dagegen mit der Restaurierung wertvoller und oft alter Bücher beschäftigt.
Geschichte
Der Brauch, Bücher mit festen Deckeln zu versehen und deren Außenseite künstlerisch zu schmücken, lässt sich auf die römischen Diptychen, Triptychen etc. zurückführen. Die Anfänge des Buches, d.h. des Codices werden im allgemeinen in das 1. Jahrhundert n.Chr. gelegt. In dieser Zeit erfanden die Römer eine Art einfaches Buch (Codex), für das Pergament gefaltet und im Falz mit einem Heftfaden verbunden wurde. Diese Form des Buchs (Codex) war eine große Verbesserung gegenüber den Rollen aus Papyrus, denn sie waren einfacher zu handhaben und sie erlaubten ein Beschreiben beider Seiten. Auch Textstellen waren schneller zu finden. Die Codex-Form des Buches hat sich bis heute gegenüber der älteren Rollenform durchgesetzt. Der Einband dient dabei dem Schutz des Buchblocks.
Das Buchbinden gehört zu den ältesten Gewerben. ZahnVorlage:Ref spricht von einer Entstehung um 300 n.Chr.; um 250 wurden "koptische Handschriften gnostischen Inhalts bereits in Lederbände gebunden und mit Deckelschmuck versehen".
Vorarbeiten
Zunächst wurde für den Buchblock noch Papyrus verwendet. Dieses etwas spröde Material brach oft beim Falzen und erwies sich daher als ungeeignet. Es wurde daher durch Pergament ersetzt. Das Papier wurde in Südeuropa im 12. Jahrhundert eingeführt; die erste Papiermühle entstand in der Nähe von Nürnberg um 1390. Das Papier musste vom Buchbinder vor dem Einbinden bearbeitet werden. Das ungeleimte Papier wurde, um Dauerhaftigkeit und Festigkeit zu erhalten, planiert, d.h. die Bogen wurden mit sogenanntem Planierwasser (12 Liter Wasser, in welchem 1/2-1 kg Leim und etwas Alaun aufgelöst sind) getränkt, getrocknet und lagenweise auf dem Schlagstein, einer ebenen Stein- oder Eisenplatte, mit einem schweren Eisenhammer geschlagen. Dieser Arbeitsvorgang ist heute nicht mehr notwendig, da die heute verwendeten Papiersorten schon in den Druckereien durch Satinierwalzen geglättet werden.
In den Anfängen des Buchdrucks (ab dem 15. Jahrhundert) mussten die Druckbögen zunächst von Hand gefalzt werden. Je nach Format der Bögen und nach der Zahl der Falzungen unterscheidet man historisch zwischen Folio-, Quart-, Oktav- und Duodezbüchern; diese Unterscheidung ist in der heutigen Buchherstellung nicht mehr üblich, wird aber noch in einigen Bibliotheken zur Beschreibung der Buchgröße verwandt. Das Falzen der Druckbögen zu Lagen wird heute von Maschinen ausgeführt.
Buchblock
In den ersten Jahrhunderten wurden einlagige Bücher aus möglichst vielen Doppelblättern hergestellt. Diese Methode stieß natürlich schnell an ihre Grenzen. Man ging dazu über mehrlagige Codices herzustellen. Die Lagen mussten untereinander verbunden werden (Fadenheftung) und sie mussten durch einen Einband geschützt werden. Dieses war Aufgabe des Buchbinders. Die Buchbinder waren im Mittelalter Mönche oder Laienbrüder; in den Klöstern fand die ganze Buchproduktion statt. Im Hochmittelalter, in etwa ab dem 12. Jahrhundert gab es auch außerhalb der Klöster (Laien-) Buchbinder und nach und nach bildeten sich die bürgerlichen Werkstätten (Handwerk).
Im Laufe der Geschichte wurden einige Techniken in der Buchbinderei verändert und verbessert. Prinzipiell fanden größere Veränderungen in zwei Bereichen statt: In der Heft- und in der Einbandtechnik.
Die ersten Heftungen sind koptisch; die Lagen wurden nur durch Fäden verbunden. Später erhielten die Bücher Bünde aus Hanfkordeln oder aus Leder. Diese Bünde waren generell erhaben und unterteilten so den Rücken in Felder. Mit dem Aufkommen der Handvergoldung wurde versucht, einen möglichst glatten Rücken zu erhalten; der Rücken wurde eingesägt, um die Bünde in den Lagen zu vertiefen. Der Rücken wurde anschließend weiter hinterklebt.
Einen besonders glatten Rücken erhielt man um 1800 durch die Einführung des hohlen Rückens. Bis jetzt hatte man vorwiegend Einbände mit festem Rücken hergestellt, d. h. dass das Einbandmaterial direkt auf den Rücken des Buchblocks geklebt wurde. Beim hohlen Rücken dagegen ist das Einbandmaterial vom Rücken des Buchblocks getrennt, und wird oft noch durch zusätzliches Papier oder einen leichten Karton verstärkt. Der hohle Rücken wurde technisch später verbessert durch die Hülse. Er hat vor allem den Vorteil, dass sich das Buch besser aufschlagen lässt und dass die Vergoldung auf dem Rücken beim Öffnen des Buches keinen Schaden mehr nimmt.
Mit dem Aufkommen des Deckenbandes im 19. Jahrhundert wurde auch das umständlichere Ansetzen der Deckel direkt am Buchblock abgelöst. Die separate Anfertigung des Deckels hatte viele Vorteile. Die Arbeiten an der Buchdecke, wie z.B. die Einbandgestaltung und die Titelprägung konnten unabhängig vom Buchblock ausgeführt werden. Man konnte plan, d.h. auf einer Ebene arbeiten, vor allem auch auf dem Rücken.
Einband

Auch die Einbandmaterialien veränderten sich. In den Anfängen der Buchbinderei bis ins hohe Mittelalter hinein wurden die Bücher mit Holzdeckeln versehen. Pappdeckel fanden erst seit Einführung des Papiers nach und nach Verbreitung in Europa. Die Holzdeckel von Prachthandschriften konnten mit Elfenbeinschnitzereien (Elfenbein), Edelsteinen, Email, Gold und Silber (Filigran, Gravur) geschmückt sein. Daneben gab es zahlreiche einfache Einbände mit wenig Verzierungen. Die Holzdeckel wurden auch mit Leder überzogen, und mit ausdrücklichem Hinweis auf diesen Zweck verlieh Karl der Große Klöstern die Jagdgerechtigkeit. Auch Pergament ist ein historischer Bezugsstoff. Heute existieren unterschiedlichste Bezugsmaterialien, vor allem Gewebe, für den Einband.
Die Einbanddekoration wurde grundsätzlich durch den Buchbinder ausgeführt. Im Laufe der Geschichte veränderten sich die Techniken und die Gestaltung des Einbandes. Im Mittelalter wurde der Lederschnitt, Treibarbeiten und Punzierungen auf Leder angewandt, oder mit Stempeln Ornamente aufgeprägt. Ein weiterer Buchschmuck und Buchschutz waren im Mittelalter die Beschläge zum Schutz der Ecken, die Knöpfe, um den Deckel beim Aufschlagen zu schützen, und die Schließen. Diese zweite, mittelalterliche Periode schloss mit der Erfindung der Buchdruckerkunst ab. Es entstand nunmehr die gewerbsmäßige Buchbinderei, welche das Einbandleder oder -pergament mit verschiedenen Ornamenten schmückte. Dazu zählen Leisten, Vignetten, Fleurons und Embleme, die sich in schwarz oder Gold geprägt, oder auch im Blinddruck auf dem Deckel wiederfanden. Die Ornamente wurden im Lauf der Geschichte in verschiedenen Kompositionen angeordnet (Einbanddekoration). Vor allem durch den italienischen Buchbinder Thomas Majoli und den französischen Buchbinder Jean Grolier (1489/90-1565) wurde das Ledermosaik perfektioniert. Auch war wohl Jean Grolier derjenige, der begann, den Buchtitel auf den Rücken zu prägen; im Mittelalter wurde er noch auf mit Tinte oder Tusche auf den Buchvorderschnitt geschrieben. Im 17. Jahrhundert wurde die Filete eingeführt, ein metallener, sichelförmiger Stempel, mit dem vor allem Linienornamente gearbeitet wurden.
Im 16. Jahrhundert wurde in Deutschland und den Niederlanden Malereien mit Lackfarben auf den Ledereinband gebracht, die fälschlich auch als Email bezeichnet worden sind. Im 17. Jahrhundert erneuerte sich die Vorliebe für Metallbeschläge, welche, durchbrochen, die kostbare Unterlage, z.B. roten Samt, durchblicken lassen. Heute ist die Einbandgestaltung in der Kunstbuchbinderei stilistisch vollkommen gelöst; es werden zahlreiche Techniken gemischt, auch die Pappdeckel können skulpturenhaft gestaltet werden.
Mit der Explosion der Buchproduktion in der Neuzeit, mit dem Aufkommen von Papier und der Erfindung der Buchdruckerkunst im 15. Jahrhundert, dem ständig wachsenden Bedarf an Büchern in der Bürgerschicht, war der Beruf des Buchbinders immer gefragter. Die Nachfrage konnte aber zunächst noch durch die Buchbinder befriedigt werden, bis sie Ende des 19. Jahrhunderts zu hoch wurde. Daher wurde nach neuen Möglichkeiten gesucht, die Bücher wirtschaftlicher einzubinden. Im 19. Jahrhundert trat daher mehr und mehr die Maschine in das Buchbindergewerbe ein. Die Erfindung der Verlagsdecke bzw. des Deckenbandes war ein entscheidender Schritt in der Industralisierung des Buchbindens. Der maschinengefertigte Einband konnte billiger hergestellt werden und kam damit dem Bedürfnis nach Massenauflagen entgegen.
Das Beschneiden des Buchblocks mit dem Beschneidehobel musste vor allem vereinfacht werden. Guillaume Massiquot, ein französischer Mechaniker, entwickelte 1844/ 1852 einfache Hebel- und Radschneidemaschinen, die im Aufbau den heutigen ähneln. Danach folgten Erfindungen wie die Falzmaschine (Patent vom Amerikaner Edward Smith 1849), Heftmaschine (Drahtheftmaschine 1875 von Hugo Brehmer), Prägepressen, usw.
Heute dominieren in der modernen Industriebuchbinderei elektronisch gesteuerte Maschinen. Die Produktionsabfolge wird als Buchstraße bezeichnet.
Ablauf beim handwerklichen Buchbinden
- Ausgangsbasis: kaputtes Buch oder Lagen, oder Neueinband zur künstlerischen Gestaltung (Sonderdrucke, schöne Drucke, etc.)
- Auseinandernehmen des Buches, d.h. Lösen des Einbandes vom Buchblock, Auftrennen der Faden- oder Drahtheftung, Entfernen der Leimung, Kollationierung
- Pressen der Lagen/ Seiten
- Herstellung des Vorsatzes. Im einfachsten Fall besteht es aus zwei weißen oder farbigen Blättern in der Größe des Buches und einem dritten schmaleren Blatt, das zum Ansetzen der Deckel dient. Es gibt in der handwerklichen Buchbinderei zahlreiche Varianten von Vorsätzen.
- Heften des Buchblocks oder Klebebindung. Bei Heften auf Bünden ist eine Heftlade unerlässlich.

- Ableimen des Buchblocks.
- Beschneiden des Buchblocks (Schneidemaschine, Beschneidehobel).
- Gegebenenfalls Schnittdekoration am Vorderschnitt.
- Runden des Rückens (Umklopfhammer, Rundemaschine).
- Abpressen des Buchblocks. Die Form des Abpressens ist für einige Einbandtechniken entscheidend; der Franzband benötigt einen 90º-Falz.
- Ableimen des Buchrückens, Hinterkleben (Gaze, Papier), gegebenenfalls Hülse
- Gegebenenfalls Schnittdekoration an Kopf und Fuß.
- Kapitalen (gestochenes Kapital oder Kapitalband).
- Einband mit angesetzten Deckeln
- Deckenband
Ablauf beim Industriellen Buchbinden
- Anlieferung der Druckbögen.
- Falzen der Druckbögen (Falzmaschine)
- Kollationierung (Überprüfung der Vollständigkeit und der richtigen Aufeinanderfolge der Seiten)
- Klebebindung, maschinelle Heftung (Drahtheftung, Fadenheftung auf Gaze, Holländern).
- Ableimen des Rückens. Gleichzeitig ankleben des Deckels beim Taschenbuch.
- Beschneiden (Schneidemaschine). Dabei werden die am Vorderschnitt und am Kopfschnitt noch geschlossenen (gefalzten) Lagen geöffnet.
- Deckenband (hardcover): Runden des Rückens. Hinterkleben (Gaze).
- Deckenband (hardcover): Gegebenenfalls Schnittdekoration (meist nur auf dem Kopfschnitt).
- Deckenband (hardcover): Ankleben des Kapitalbands.
- Deckenband (hardcover): Anfertigen der Buchdecke. Zuschneiden der Pappen und des Kartons, Beziehen, Prägen.
- Deckenband (hardcover): Anpappen
Materialien
Klebstoffe
Buchblock
Einbinden
- Heftzwirn (Fadenheftung)
- Bünde aus Hanf, Bändern (z.B. Köperband) oder in Einzelfällen Leder
- Pappe (Buchdeckel)
- Karton oder Schrenz (Rückeneinlage)
- Papier (z.B. Kraftpapier für die Hinterklebung des Rückens)
- Gaze (Hinterklebung)
- Schirting
- Holz (Holzdeckel)
Einband
Leder
- Oasenziegenleder von der kleinen Oasen- oder Sudanziege aus Zentralafrika
- Maroquin: Ziegenleder ursprünglich aus Marokko.
- Nigerziegenleder: Ziegenleder aus Nigeria
- Saffianleder: Ziegenleder aus Europa.
- lohgares Leder
- Chagrin
- Juchtenleder
- Kalbleder (sehr feine Narbung)
- Schweineleder (sehr grobe Narbung)
- Menschenhaut. Nur historisch und relativ selten. Siehe in der englischen Wikipedia: Anthropodermic bibliopegy.
Pergament
Buchbinderleinen
- Ballonleinen
- Bibliotheksgewebe
- Büchertuch
- Buckram
- Feingewebe
- Gradl gepresst, Streifgradl
- Kaliko
- Kunstleder
- Lasting oder Molton
- Mattgewebe oder Mattleinen
- Moleskin
- Naturleinen
- Rohhalbleinen
- Samt
- Seidenstoffe, Halbseidenstoffe, Kunstseidenstoffe
- Zellwollgewebe
Papier
Einbandtechniken
- Album
- Beutelbuch
- Blockbuch
- Bradelband
- Broschur
- Dänischer Millimeterband
- Deckenband oder hardcover
- Doppelbuch
- Franzband, Halbfranzband
- Geschäftsbuch, Sprungrückenbuch
- Heft
- Holzdeckelband
- Interimseinband
- Kartonband
- Koperte
- Lappenbuch
- Pappband
- Pergamentband
- mit durchgezogenen Bünden im Falz
- flexibler Pergamentband
- Tafelbuch
- Taschenbuch
Techniken der Einbandverzierung
- Lederintarsie (Ledereinlage)
- Ledermosaik (Lederauflage)
- Malerei (Lackeinband)
- Lederschnitt
- Treibarbeit auf Leder
- Prägung mit Stempeln oder Filete oder Rolle.
- mit Gold (Blattgold, Goldfolie). Siehe Pressvergoldung, Handvergoldung
- mit Farbfolien (Farbprägung)
- blind (Blinddruck)
- Punzierung auf Leder
Siehe auch
Weblinks
- Buchbinder-Abteilung im Gutenberg-Museum Mainz
- Deutsches Buchbindermuseum
- Umfangreiche Website rund ums Buchbinden
- Hobby-Buchbinden
Literatur
- Karl Dratva: Fachkunde für Buchbinder. Freistadt 1966. ISBN 3852074029
- Vorlage:Note Gerhard Zahn: Grundwissen für Buchbinder. Bielefeld 1990. ISBN 380133867
- Kintzel: Bücher perfekt selbst binden (1. Aufl.). München 2005. ISBN 3833435836
- Fritz Wiese: Der Bucheinband. Hannover 1983. ISBN 3877063020
- Brade: Illustriertes Buchbinderbuch (3. Aufl.). Leipzig 1882
- Bauer: Handbuch der Buchbinderei. Weimar 1881
- Fritzsche: Moderne Bucheinbände. Leipzig 1878 ff.
- Abbildungen zu Mustereinbänden aus der Blütezeit der Buchbinderkunst. 40 Tafeln mit Text von Stockbauer, Leipzig 1884.
- Lähnsdorf: Art of bookbinding. London 1880
- Arthur Johnson: The Thames and Hudson Manual of Bookbinding. London 1978.
- Cundall: On bookbinding ancient and modern. London 1881
- Michel: La reliure francaise. Paris 1880
- Annie Persuy, Sun Evrard: La reliure. Paris 1983. ISBN 2207235327
- "Illustrierte Zeitung für Buchbinderei" (17. Jahrg. 1884, Dresden)