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Hanno (Elefant)

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Hanno, 1514; nach einer (verschollenen) Zeichnung von Raffael

Hanno (um 1510–1518, italienisch Annone) war ein Elefant, den König Emanuel I. von Portugal (1469-1521), genannt Manuel der Glückliche, Papst Leo X. zum Geschenk machte. Er kam 1514 nach Rom und wurde das Lieblingstier des Papstes. Über seinen Tod gibt es mehrere Überlieferungen.

Hintergrund

Als diplomatische Geschenke oder Tribute sind Elefanten bereits um 800 nach Europa gelangt, geschickt von morgenländischen Sultanen, indischen Fürsten oder Vasallen aus dem nordafrikanischen Raum; Karl der Große, Kaiser Friedrich II. und Ludwig der Heilige hatten einen bekommen.[1] Seit der frühen Neuzeit wurde das große Tier eine lebende Kostbarkeit, mit der die Herrscher Europas Politik zu machen verstanden. Als eine Art „lebende Münze zum Einkauf von Sympathien“[2] erwies sich das Tier indes langfristig ungeeignet; es überlebte oft weder das ungewohnte Klima noch den Stress der repräsentativen Einsätze. Der Elefant war für die „Zirkulation des Weiterverschenkens“[3] in Europa von der Natur nicht vorgesehen.

Herkunft

Emanuel I. von Portugal auf Hanno (Titelillustration der Leitura Nova)

Die nach der Entdeckung des östlichen Seewegs nach Indien entstandenen portugiesischen Kolonien und deren Erschließung (im wesentlichen durch den Handel mit Gewürzen, Plünderungen und Tribute) ermutigten Emanuel I., sich wie ein Maharadscha auch in seiner Residenz bei Lissabon mit Staatselefanten zu umgeben.[4] Er ließ sich, so wird berichtet, stets von mindestens fünf Elefanten zur Kathedrale begleiten.[5] Der Nachschub war so vorbildlich organisiert, dass auch spätere portugiesische Herrscher gern Elefanten an die verschiedenen Fürstenhäuser in Europa verschenkten.[6]

Emanuel I. kam als abendländischer Herrscher der bis in die Gegenwart gepflegten Sitte, einem neu gewählten Papst ein Geschenk zu machen, mit zwei Dickhäutern nach: einem Rhinozeros und einem Elefanten namens Hanno.[7]

Hannos Schiffsreise 1514 von Lissabon an die italienische Küste verlief stürmisch; Hannos Landgänge wurden zur Sensation und sein Einzug nach Rom zu einem von der portugiesischen Gesandtschaft wohlorganisierten Triumphzug.[8]

Hanno in Rom

Hanno wurde umgehend zum Lieblingstier Papst Leo X. und bekam ein eigenes Gebäude in den vatikanischen Gärten. Sein Betreuer wurde Giovanni Battista Branconi dell'Aquila, Kammerherr des Papstes und ein Freund Raffaels, der eine Zeichnung von Hanno angefertigt haben soll, die aber nicht erhalten ist; zwei ähnliche Zeichnungen (auf dieser Seite zu sehen) gelten als deren Kopien.[9]

Hanno (Holzschnitt in einem Pamphlet von Phliomates, Rom 1514)

Hanno trat bei verschiedenen Anlässen in Rom in Erscheinung, so ist z. B. ein Triumphzug für den Dichter und Hofnarren Barbarello belegt.[10] Als Lorenzo II. de Medici, Neffe des Papstes, Hanno bereits 1514 für eine Veranstaltung nach Florenz ausleihen wollte, lehnte der Onkel ab, weil er befürchtete, Hanno könnte auf der langen Reise Schaden an seiner Gesundheit nehmen .[11]

Hanno wurde nicht alt; er starb infolge eines Triumphzuges am 8. (16.) Juni in Rom. Der Papst ließ ihm von Branconi ein Epitaph herstellen mit einer Inschrift von Filippo Beroaldo[12], die als Hannos Todesursache eine Angina nennt; die Gedenktafel, einst außen an der vatikanischen Mauer angebracht, ist nicht erhalten und nur in einer Zeichnung bezeugt. Dass der Papst seinem Kummer über den Tod des Tieres auch öffentlich Ausdruck verliehen haben könnte, lassen sogleich in Rom, aber auch im protestantischen Norden kursierende Spottschriften vermuten, so z. B. ein „Testament“ Hannos, angeblich von Aretino[13], oder auch Luthers Anmerkungen zur Elefantenliebe des Papstes.[14]

Geschichten aus Hannos Leben

Hanno brachte viele Geschichten hervor. Bereits Hannos Namensgebung ist unklar (siehe dazu auch den Artikel zum Elefanten Hansken). Man vermutete karthagische Ursprünge[15] ebenso wie die Verballhornung des malabarischen Begriffs „ana“ für Elefant.[16] Die Quellen setzen ein mit Hannos Reise von Lissabon nach Rom.

Hannos Epitaph mit Inschrift (Zeichnung von Franciso Orlando, 1539)

Zunächst habe Hanno bei seiner Verladung in Lissabon, so heißt es, das Schiff gar nicht betreten wollen. Sein indischer Wärter habe, um seine Geliebte nicht verlassen zu müssen, ihm Rom in den düstersten Farben geschildert. Unter Androhung der Todesstrafe habe er Hanno dann die Zukunft wunderbar ausgemalt, worauf Hanno brav alle Befehle befolgt und sich auch auf der Reise äußerst friedlich verhalten habe.[17] Südlich von Genua sei das Schiff in einen Sturm geraten, das Rhinoceros über Bord gegangen, geborgen, ausgestopft und später in den Vatikan verbracht worden[18], wo es sich womöglich heute noch befindet.[19]

Bei einigen Landgängen während der Reise habe Hanno nicht nur Volksaufläufe verursacht, sondern auch seine Unterbringungen oft einsturzgefährdet hinterlassen.[20] Der Einzug Hannos in Rom war, folgt man den Berichten,[21] von der portugiesischen Gesandtschaft als Triumphzug gestaltet worden, sein etwa 70 km langer Landweg sei von Musikkapellen und Kavallerien begleitet gewesen; Hanno selbst habe einen prächtigen Turmaufsatz mit den wertvollen Geschenken getragen.[22]

Hanno, als er endlich vor dem Papst angelangt sei, habe das Kunststück vollbracht, dreimal vor ihm niederzuknien, was man nicht für möglich gehalten hatte, da man aus den antiken Schriften fälschlich geschlossen hatte, dass Elefanten keine Kniegelenke besäßen. Außerdem habe Hanno ganz selbstständig mit dem Rüssel Wasser aus einem Eimer gesogen und damit die anwesende Geistlichkeit bespritzt. Leo X. soll sogleich von ihm entzückt gewesen sein.[23]

Barbarello, Hofnarr Leos X., galt als eitel in Bezug auf seine Dichtkünste und wurde eines Tages zum Poeta laureatus gekrönt. Berichtet wird, dass bei dem feierlichen Anlass der Krönung Barbarello auf Hanno habe reiten dürfen und Hanno die Veranstaltung geschmissen habe, indem er durchging – mit Absicht, wie manche meinten – und den stolzen Dichter zur großen Freude des Publikums in den Tiber abgeworfen habe.[24]

Über Hannos Ende sind unterschiedliche Versionen überliefert. Das Epitaph vermerkte eine Erkältung. Eine andere Quelle[25] sagt, Hanno sei anlässlich eines Triumphzugs vergoldet worden und daran erstickt (was jedoch nach heutigem Wissen nicht möglich ist, da die Hautatmung nicht lebensnotwendig ist). Nach einer weiteren Fassung[26] sei Hanno, einen Turm mit Leuten auf dem Rücken, anlässlich der Hochzeit Giuliano de Medicis durch einen Böller erschreckt worden, durchgegangen und mitsamt seinem Gepäck in den Tiber gestürzt.

Literatur

  • Silvio A. Bedini: The Pope's Elephant. Carcanet, Manchester 1997, ISBN 1-85754-277-0 (zitiert nach der US-Ausgabe: J. S. Sanders & Co., Nashville 1998, ISBN 1-87994-141-4)
  • Donald F. Lach: Elephants. In: ders.: Asia in the Making of Europe. Vol. 2. A century of wonder. Book 1. The Visual Arts. University of Chicago Press, Chicago 1970, ISBN 0-226-46750-3, S. 123–158
  • Stephan Oettermann: Die Schaulust am Elefanten. Eine Elephantographia Curiosa. Syndikat, Frankfurt am Main 1982. ISBN 3-8108-0203-4
  • Mathias Winner: Raffael malt einen Elefanten. In: Mitteilungen des kunsthistorischen Instituts in Florenz, 9 (1964); Teil 2-3, S. 71-109
Commons: Hanno – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. Oettermann S. 97ff.
  2. Oettermann S. 31
  3. Oettermann S. 31
  4. Oettermann S. 104
  5. G. de Brito: Os pachidermes do estado d'el rei D. Manuel. In: Revisto de educação e ensino 9 (1894) zit. in Oettermann, S. 105 nach Lach (1970)
  6. vgl. Oettermann S. 105
  7. Oettermann S. 106
  8. L. A. Rebello da Silva: Corpo diplomatico Portuguez. Lissabon, 1862; I, P. 236; zit. in Oettermann, S. 107
  9. vgl. dazu Winner, Bedini
  10. Quelle bei Winner, S. 87; zit. in: Oettermann, S. 108
  11. Oettermann, S. 108
  12. nach Winner, S. 91f.; Übersetzung bei Oettermann S. 108
  13. Oettermannm, S. 108
  14. G. Scheil: Die Tierwelt in Luthers Bildersprache. Bernburg, 1857; zit. n. Oettermann, S. 108
  15. vgl. Winner S. 81, Anm. 82
  16. vgl. Lach (1970) S. 138, Anm. 78
  17. P. Valeriano: Hieroglyphia sive sacris Aegyptiorum literis. Basel, 1556; fol. 21 n. Winner, S. 83f. zit. n. Oettermann S. 106
  18. Valeriano n. Oettermann S. 106
  19. Oettermann S. 106
  20. Valeriano n. Oettermann S. 106
  21. Paulus Jovius (Arzt Leos X. und Historiker): Elegia virorum belle virtute illustrium. ... Basel 1575;, p. 229; n. Winner, Anm. 20. Paris de Grass: Il diario de Leone X. si Paride de Grassi.... Rom, 1884, P. 16; n. Winner ebd.; beide zit. in Oettermann, S. 106
  22. nach einem Bericht des portugiesischen Gesandten Johann de Faria nach Lissabon; nach Rebello da Silva s.o.
  23. Johann de Faria, n. Rebello da Silva s.o.
  24. Rebello da Silva s.o., n. Winner S.87 zit. in Oettermann S. 108
  25. zit. bei Winner S.89 n. Oettermann S. 108
  26. zit. bei A. E. Popham, Elephantographia. In: Life and Letters 5 (1930), S. 179 – 191; S. 183. n. Oettermann S. 108