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Herzogtum Westfalen

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Das Herzogtum Westfalen war ein historisches Territorium im Alten deutschen Reich im Süden der Westfälischen Bucht. Es umfasste am Ende des 18. Jahrhunderts das Gebiet der heutigen Kreise Olpe und Hochsauerland. Hinzu kamen weite Teile des Kreises Soest. Nicht hinzu gehörte freilich das Gebiet der Stadt Lippstadt und seit der Soester Fehde die Stadt Soest. Hinzu kamen auf dem Gebiet des heutigen märkischen Kreises die Stadtgebiete von Menden und Balve sowie den Ortsteil von Iserlohn Sümmern. Östlich der heutigen Grenzen Westfalens lag in Hessen die Exklave Volkmarsen. Neben den fruchtbaren Ebenen der Soester Börde gehörten damit zum Herzogtum Westfalen ein beträchtlicher Teil des gebirgigen Sauerlandes.

Das Herzogtum Westfalen war ein geistliches Territorium eigener Art, da es selbst nicht Sitz eines reichsunmittelbaren Abtes oder eines Bischofs war. Es verfügte weder über eine Kathedrale noch über ein Domkapitel. Das Herzogtum Westfalen war nur deshalb ein geistlicher Staat, weil der Kölner Erzbischof gleichzeitig auch Landesherr in diesem Gebiet war.

Westfalen und Köln im frühen Mittelalter

Die Beziehung der Kölner Bischöfe zu einem Teil Westfalens reichen bis in die karolingische Zeit zurück. Auf der Paderborner Reichsversammlung von 777 hat Karl der Große die Christianisierung des Sauerlandes und des östlichen Teil der Hellwegregion dem Bischöfen von Köln übertragen. Die von Köln ausgehende Mission lies eine frühe Kirchenorganisation entstehen. Von einigen Urpfarreien etwa in Soest, Wormbach (bei Schmallenberg) oder Hüsten wurden im Laufe der Zeit Tochterkirchen gegründet. Mit den Kirchengründungen verbunden waren zahlreichen Güterübertratungen von Seiten des Adels und des Königs zur Ausstattung der Kirchen und der Aufrechterhaltung des Kultes. Dadurch kam die Kölner Kirche bald zu erheblichen Besitzrechten in der Region. Teile davon wurden zur Versorgung von Klöstern und Stiften genutzt. (1014 Schutz des Erzbischofs für das früher gegründete Kanonissenstift Geseke, 1072 Gründung des Kloster Grafschaft, 1170 Stiftung des Klosters Bredelar). Die Klostergründungen trugen zur Festigung der Kölner Stellung in Westfalen stark bei. Daneben blieb ein beträchtlicher Teil unter der direkten Kontrolle Kölns. Um 1100 besaß die Kölner Kirche Güter in und um Soest, Körne (bei Dortmund), Belecke, Recklinghausen, Menden, Hagen, Schwelm, Medebach und Olpe. Einige dieser Rechte (Schwelm, Dortmund, Hagen) gingen später wieder verloren, die übrigen bildeten die Grundlage einer kölner Territoriumsentwicklung in Westfalen im Hochmittelalter.

Entstehung bis 1368

Die Entstehung verdankte es den Machtbestrebungen des Kölner Erzbistums im 12. Jahrhundert. Vor allem in Konkurrenzkampf mit dem regionalen Adel kam es zum Bau oder Erwerb von Burgen (1100 Volmarstein (bei Wetter (Ruhr)), 1120 Burg Padberg bei Marsberg). Zur Stärkung auch der wirtschaftlichen Bedeutung diente die Verleihung von Stadtrechten. (1144 Medebach, es folgten Werl, 1222 Befestigung und Stadtrechte für Attendorn, (1217/20) Brilon, (1217) Geseke). Um 1290 wurde Warstein, 1296 Belecke und 1297 Kallenhardt gegründet. Olpe wurde 1311 zur Stadt erhoben.

Für die Expansionsmöglichkeit in Westfalen entscheident war zunächst die Schwächung der Grafen von Werl bzw. der Grafschaft Arnsberg. Im Jahr 1102 kaufte Erzbischof Friedrich I. aus dem Besitz der Grafen von Werl Hachen (bei Sundern) und Werl. Außerdem wurde der Graf Friedrich von Werl nach der Eroberung der Stadt Arnsberg gezwungen auf die Hälfte seiner Grafschaft zu Gunsten Kölns zu verzichten. Später erfolgte der Erwerb von Rüthen sowie der Grafschaft Volmarstein (mit Schwelm und Hagen). Im Jahr 1164 wurde die Stadt Arnsberg von Erzbischof Reinald von Dassel erneut erobert und die Grafen von Arnsberg gezwungen die Lehnsherrschaft Kölns anzuerkennen.

Nach dem Sturz Heinrichs des Löwen (1180), den Erzbischof Philipp von Heinsberg entscheidend beeinflusste, erhielt dieser den Titel des Herzogs von Westfalen und Engern, wurde also Herzog über den westlichen Teil des ursprünglichen Herzogtums Sachsen. Allerdings brachte der neue Titel den Erzbischöfen keinen direkten Machtzuwachs in Westfalen. Weder waren im Vertrag von Gelnhausen die Grenzen des Herzogtums festgelegt, noch die herzoglichen Rechte, Befugnisse oder Gerechtsame geregelt. Zu den Rechten des Herzogs gehörte es, das militärische Aufgebot des (eben nicht defenierten) Landes zusammenzurufen und zu führen. Hinzu kam das Recht des Burgenbaus, die Gerichtshoheit und die Pflicht zur Wahrung des Landfriedens. Allerdings wurden auch diese Rechte durch die Stärkung der Territorialherren durch die Reichsgesetze von 1220 und 1231 zu weitgehend leeren Titeln. Eine gewisse Bedeutung behielt die Oberaufsicht der Erzbischöfe über die Femegerichte, die vor allem in Spätmittelalter an Bedeutung gewannen.

Über die reale machtpolitische Entwicklung entschied im Wesentlichen das "Recht des Stärken." Allerdings kam den Kölner Bischöfen der prestigeträchtige Herzogstitel durchaus gelegen, um ihre Position in Westfalen auszubauen. Nicht nur Erzbischof Engelbert von Berg (1216-1225) betrieb die planmäßige Ausdehnung des Territoriums und geriet damit in Gegensatz zu den weltlichen Herrschern, denen er die kirchlichen Vogteien entzog. Der Streit gipfelte in der Ermordung des Erzbischof bei Gevelsberg durch eine „Fronde“ westfälischer Adeliger an deren Spitze sein Neffe, Graf Friedrich von Isenberg stand.

Obwohl Köln weiterhin vor allem in den Grafen der Mark und den Grafen von Arnsberg ernstzunehmende Konkurrenten hatte, war der regionale Adel zu schwach und in sich zu zerstritten, um den weiteren Ausbau der kölner Herrschaft zu behindern. Das isolierte Medebach wurde durch die Gründung oder Befestigung der Städte Hallenberg, Schmallenberg und Winterberg gesichert. Im Jahr 1248 erfolgte mit dem Erwerb der Burg und Herrschaft Waldenburg (bei Attendorn) die Festigung bischöflicher Macht im Gebiet des heutigen Kreises Olpe. Verloren gingen dagegen wieder Hagen, Schwelm und Volmarstein. Fortgesetzt wurden die Städtegründungen mit Menden, an der Grenze zur Grafschaft Mark.

Vor allem gegen die Expansionsversuche von Erzbischof Siegfried von Westerburg entwickelte sich aber Widerstand. Abgesehen vielleicht von den Bischöfen von Minden und Münster waren daran fast alle Territorialherren Westfalens beteiligt unter ihnen auch Graf Eberhard II. von der Mark. Die Entscheidung fiel in der Schlacht von Worringen (1288) in deren Verlauf der Bischof gefangen genommen wurde. Als Ergebnis der Schlacht wurde der weitere Aufstieg Kölns in Westfalen gebrochen. Schwelm und Hagen fielen an die Grafschaft Mark. Die Burgen Volmarstein und Raffenberg wurden zerstört. Die Erzbischöfe waren von nun an nur noch ein Landesherr neben anderen. Dagegen gewannen die Grafen von der Mark deutlich an Einfluss.

Zu Beginn des 14. Jahrhunderts verfügte Köln zwar über ein ausgedehntes aber nur teilweise zusammenhängendes Gebiet in Westfalen. Ein Schwerpunkt bildete das Amt Waldenburg mit Attendorn und Olpe. Ein weiterer lag im oberen Sauerland mit Medebach, Winterberg, Hallenberg und Brilon. Ein dritter Schwerpunkt lag im Norden mit Rüthen, Belecke, Soest, Warstein, Werl, Geseke und Erwitte.

Der Vereinigung der Gebiete stand im Wesentlichen die Grafschaft Arnsberg entgegen. Als sich im letzten Drittel des 14. Jahrhunderts abzeichnete, dass Graf Gottfried IV. von Arnsberg kinderlos sterben würde, standen sich Kurköln und die Grafschaft Mark als Konkurrenten um das Erbe gegenüber. Dabei setzte sich Köln durch. Der Erzstuhl kaufte dem Grafen sein Territorium ab und ermöglichte ihm als einzigen weltlichen Fürsten ein Begräbnis im Kölner Dom.

Entwicklung und Verfassung

Die ehemalige Grafschaft Arnsberg wurde daraufhin zum eigentlichen Zentrum des Herzogtums Westfalens. Die Stadt Arnsberg war neben Bonn eine der Residenzen des Kurstaates. Dort residierte als "Marschall von Westfalen" auch der Stellvertreter des Erzbischofs im Herzogtum. Seit 1482 wurde dieser höchste Beamte des Herzogtums als "Landdrost" bezeichnet. Neben dem Drosten gab es z.B. mit dem Landpfennigmeister (zuständig für Finanzen) weitere adelige Funktionsträger. Unterhalb dieser Ebene gab es eine Reihe gelehrter "Räte". Insgesamt bileten Droste und die übrigen Bediensteten die Arnsberger "Kanzlei", die neben administrativen auch judikative Kompetenzen hatte.

Aufgeteilt war das Herzogtum in vier Viertel mit den "Hauptstädten" Brilon, Rüthen, Bilstein und Werl. Als Gliederung der lokalen Verwaltung wurden im Herzogtum etwa seit dem ersten Viertel des 14. Jahrhunderts "Ämter" und Gerichte eingerichtet. Im Jahr 1781 umfasste das Gebiet 43 Ämter und Gerichte mit sehr unterschiedlicher Ausdehnung. Im Quartal Brilon gab es die Ämter Brilon und Medebach, sowie die Gerichte Alme, Bödefeld, Canstein, Meschede, Padberg. Im Quartal Rüthen lagen die Ämter Erwitte und Geseke, sowie die Gerichte Allagen, Belecke, Körbecke, Friedhartskirchen, Hovestadt, Mellrich, Oestinghausen, Rüthen und Scharfenberg. Im Quartal Bilstein lagen die Ämter Bilstein und Fredeburg sowie die Gerichte Attendorn, Eslohe, Reiste, Hellefeld, Lenhausen, Oberkirchen, Oedingen, Olpe, Wenden, Drolshagen und Schliprüthen. Im Quartal Werl lagen die Ämter Balve, Menden und Werl mit den Gerichten Arnsberg, Bergstraße (bei Werl), Neheim, Stockum, Sümmern und Voßwinkel. Die Städte und Freiheiten unterstanden nicht den landesherrlichen Ämtern sondern waren amtsfreie Gemeinden.

Diesen Tendenzen zur Entwicklung eines frühneuzeitlichen Zentralstaates, standen aber die ständischen Beharrungstendenzen der einheimischen Eliten aus Bildungsbürgertum, Adel und Klerus gegenüber.

Im Jahr 1437 kam es nicht nur zur Arnsberger „Reformation der Feme“, sondern mit einer ersten „Erblandesvereinigung“ zwischen Kurköln und 167 Rittern und 16 Städten zu einem deutlichen Ausdruck ständischen Mitspracheanspruchs.

Zu einem Interessenausgleich zwischen Landesherrn und Ständen kam es allerdings nur teilweise. So erkannte im Jahre 1444 die bedeutende Hansestadt Soest die Oberhoheit des Kölner Erzbischofs Dietrich II. von Moers nicht mehr an und unterstellte sich dem Herzog von Kleve. Daraufhin kam es zur Soester Fehde (1444-1449) zwischen dem Erzbischof von Köln und der Stadt Soest. Auf der Seite von Soest standen neben Kleve auch die mit diesem Gebiet dynastisch eng verbundene Grafschaft Mark, aber auch der Herzog von Burgund und zahlreiche westfälische Städte. Bei dieser Auseiandersetzung ging es nicht mehr nur um die Rechte einer Stadt sondern um die Machtverteilung im südlichen Westfalen insgesamt.1447 wurde die Soest von einem 12.000 Mann starken Söldnerheer belagert, konnte aber nicht eingenommen werden. Soest und sein unmittelbares Umland, die Soester Börde, verblieben beim Herzog von Kleve beziehungsweise der Grafschaft Mark. Dagegen behielt Köln die während des Krieges eingenommen Gebiete um Fredeburg und Bilstein. Damit war Territorialentwicklung des "Herzogtums Westfalens" weitgehend abgeschlossen. Das bis zur Soester Fehde in Soest angesiedelte geistliche Offizialatsgericht für das Herzogtum fiel erst an die Stadt Arnsberg und kam zwischen 1478 und 1483 nach Werl. Der Offizialats-Gerichtsstuhl aus dem 18. Jahrhundert existiert noch heute in der Propsteikirche St. Walburga in Werl.

Der Verlust der Stadt Soest mit seinem Umland war nicht nur politisch ein schwerer Schlag für den Kurstaat. Dieses fruchtbare Gebiet war vielmehr für die Versorgung des gebirgigen Teils des Herzogtums von entscheidender Bedeutung. Umgekehrt war der Soester Markt für den Absatz etwa Außerdem verlor das kurkölnische Sauerland damit seinen wichtigsten Markt für gewerblichen und sonstige Produkte. Einige Historiker argumentieren schlüssig, dass diese Niederlage die wirtschaftliche Entwicklung im Rest des Herzogtums erheblich geschwächt hätte. Dies war einer der Gründe für die relative wirtschaftliche Rückständigkeit gegenüber dem Siegerland und der Grafschaft Mark.

Innenpolitisch zeigte sich der Kurfürst geschwächt und 1463 wurde eine zweite Erblandesvereinigung zwischen Kurfürst, Domkapitel und Ständen im Wesentlichen zu Gunsten der Stände abgeschlossen. Eine Bestimmung des Vertrags sah vor, dass ein neu gewählter Erzbischof nur dann mit einer Huldigung der Stände rechnen konnte, wenn er zuvor die Einhaltung bestimmter Bedingungen anerkannt hätte. Diese Vereinbarung wird mehrfach bestätigt. Die Mitregierung der Stände wurde durch die Einrichtung von Landtagen institutionalisiert. Diese sind seit 1482 belegt und seit 1583 sind die Protokolle überliefert. Die Tagungen der Landtagen fanden alljährlich in Arnsberg statt. Landtagsberechtigt waren nebem dem Adel, die Städte und die Freiheiten (d.h. Gemeinden mit stadtähnlichen Rechten). Die Masse der Bevölkerung, also die Bauern und Landarmen waren nicht vertreten. Aber bemerkenswert für ein geistliches Territorium ist, dass auch der Klerus keine eigenen Delegierten stellte.

Reformation und konfessionelles Zeitalter

Erst relativ spät hatte die Reformation auch nennenswerte Auswirkungen auf das Herzogtum Westfalen. Zwar hatte es vereinzelte Anhänger der neuen Lehre gegeben, aber wirklich gefährlich für den geistlichen Kurstaat und das Herzogtum Westfalen war der Übertritt des Erzbischofs Gebhard Truchseß von Waldburg zum Protestantismus im Jahr 1582. Der Kurkölnischen oder truchsessischen Krieg war verbunden mit Plünderungen und Gewalttaten von Anhängern und Gegner des Renegaten. Der 1583 neu gewählte Erzbischof Ernst von Bayern setzte sich schließlich durch. Seither bestand kein Zweifel mehr an der Zugehörigkeit der Region zum katholischen Reichsteil.

Insbesondere in der ersten Hälfte des 17.Jahrhunderts erlebte das Herzogtum eine Welle von Hexenverfolgungen. Der Dreißigjähriger Krieg ging nicht spurlos an der Region vorbei. Dabei waren die direkten Kriegseinwirkungen wie die vergebliche Belagerung Arnsbergs durch General Becker im Jahr 1634 nur von untergeordneter Bedeutung.

Die sozialen und wirtschaftlichen langfristigen Folgen sind dagegen nicht zu unterschätzen. Der im 16. Jahrhundert blühende Erzabbau, die damit verbundene Verhüttung und Verarbeitung erlebten einen schweren Rückschlag. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts hatte sich die regionale Wirtschaft davon erholt. Ähnliches gilt für die Sozialstruktur. Hatte sich die Gesellschaft im vorangehenden Jahrhundert zunehmend differenziert, kam es im 17. Jahrhundert zu einer Entdifferenzierung und zu einer Reagrarisierung des kurkölnischen Sauerlandes. Sozialstrukturell spiegelte sich dies in einem unterdurchschnittlichen Bevölkerungswachstum wieder.

Das Herzogtum im 18.Jahrhundert

Mit der Erholung von den Auswirkungen des dreißigjährigen und siebenjährigen Krieges nahm in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts vor allem in den gewerblichen Gebieten auch die Bevölkerung wieder zu. Ein Aspekt der ständischen Strukturen war jedoch eine strikte Beschränkung des Verkaufs von Landbesitz. Die Folge war ein erheblicher Anstieg der landarmen und landlosen Schichten, die bald deutlich über der Zahl der bäuerlichen Landbesitzer lag.

Im Zusammenhang mit der Aufklärung verstärkten sich auch im Herzogtum Westfalen die Tendenzen zur Eingliederung des Nebenlandes "Herzogtum Westfalen" in den Kurstaat. Bezeichnend für die Beharrungskraft der ständischen Strukturen war allerdings, dass es Kurköln erst 1739 gelang, den Landdrost und die Kanzlei in Arnsberg direkt dem bereits 1597 gegründeten Hofrat in Bonn zu unterstellen. Erst 1786 wurde das neu gegründete Oberappellationsgericht für alle Teile des Kurstaates zuständig.

Diese Reformen standen im Zusammenhang mit aufklärerischen Tendenzen die selbst vor den geistlichen Staaten nicht Halt machten. Im Herzogtum Westfalen versuchte insbesondere der Landdrost Friedrich Wilhelm von Spiegel Veränderungen durchzusetzen. Im Zentrum der Bemühungen stand dabei die Reform und der Ausbau des Bildungswesens. So wurde 1799 eine Schulordnung und die Lehrerausbildung (Friedrich Adolf Sauer) verbessert. Zusätzlich zu den üblichen Elementarschulen entstanden sogenannte "Industrieschulen" zur Vermittlung gewerblicher Fertigkeiten v.a. im Bereich der Textilherstellung. Insgesamt gab es 1802 255 Elementarschulen und 38 Industrieschulen für Jungen und 18 für Mädchen.

Obwohl die Kurfürsten bis zum Ende des Alten Reiches versuchten, ihren Einfluss auszuweiten, blieb der Erfolg gering. Dazu trug auch bei, dass alle Beamten und Funktionsträger aus dem Herzogtum selber kommen mussten. Gegen den Widerstand der meist in Arnsberg tagenden Landständeversammlung mussten alle Versuche einen absolutistischen Staatsaufbau durchzusetzen, scheitern. Das Herzogtum Westfalen blieb daher im Kern ein nur teilweise in den Kurstaat integrierter Ständestaat. Während die bildungsbürgerliche Elite im frühen 19. Jahrhundert diesen Zustand gewissermaßen als Anknüpfungspunkt für eine künftige liberale Gesellschaft priesen, beurteilten die inzwischen an eine straffe preussische Regierung gewöhnten Industriebürger der benachbarten Mark am Ende des 18. Jahrhunderts die Situation im Herzogtum als anachronistisch.

Insbesondere behaupteten Reisende, dass die urtümliche Verfassung das Wirtschaftsleben behindern würde. Tatsächlich war die wirtschaftliche Lage im Herzogtum Westfalen nicht mit dem protoindustriellen Aufschwung in der Grafschaft Mark zu vergleichen. Weite Teile der auch landwirtschaftlich wenig ergiebigen Region verfügten nur über eine gering ausgeprägte gewerbliche Entwicklung. Daran hat auch die Gründung der Industrieschulen nur wenig geändert. Notdürftig versuchte man sich mit Besenbinden oder der Herstellung von Holzwaren über Wasser zu halten. Auch die große Zahl von Wanderhändlern vor allem in den höher gelegenen Regionen zeugt von fehlenden lokalen Erwerbsmöglichkeiten. Die Beobachter von außen übersahen allerdings vielfach, dass es daneben auch ganz beachtliche überwiegend eisenindustrielle Verdichtungsgebiete gab. Dabei war die Fertigwarenherstellung - abgesehen vielleicht von heimgewerblichen Nagelschmieden in einigen Orten - wenig ausgeprägt. Bedeutender war die Erzförderung, die Herstellung von Schmiedeeisen durch Hammerwerke und Halbfertigwaren. Von Bedeutung waren an der Grenze zur Grafschaft Mark die Eisen- und Metallförderung und -verarbeitung bei Balve („Luisenhütte“). Hinzu kamen Gebiete um Sundern, Warstein, Brilon, Marsberg oder Schmallenberg. Das gewerbliche Zentrum des Herzogtums lag jedoch in der Gegend von Olpe. Dort konzentrierte sich vor allem die Herstellung von Blechen. Gemeinsam war den meisten Produktionsstätten, dass sie nicht zuletzt für den Bedarf der bergischen und märkischen Fertigwarenindustrie arbeiteten.

Das Herzogtum am Ende des Alten Reiches

Das Ende des Alten Reiches und die Aufhebung der geistlichen Territorien beim Reichsdeputationshauptschluss bedeuteten auch das faktische Ende des Herzogtums Westfalen. Das Gebiet fiel 1803 an die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt. Als Provinz "Herzogtum Westfalen" mit der Hauptstadt Arnsberg wurde das Gebiet dem hessischen Staat eingegliedert. Die meisten der 24 Klöster und Stifte wurden unmittelbar nach der Besitzergreifung säkularisiert. Im Zuge der rheinbündischen Reformen wurden seit 1806 neben Veränderungen der Finanz- und Justizverwaltung im gesamten hessen-darmstädtischen Territorium auch die Landstände und die kommunale Selbstverwaltung aufgehoben. Hinzu kam das Ende der Steuerbefreiung für den Adel, eine Aufhebung der Eigenbehörigkeit und die Einteilung des Gebiets in etwa gleichgroße Ämter.

Nach der Abdankung Napoleons beschloss der Wiener Kongress (1815), dass das Herzogtum an Preußen fallen sollte. Ein Jahr später im Jahr 1816 nahm Oberpräsident v. Vincke das kurkölnische Sauerland für den preußischen König als Teil der Provinz Westfalen mit der Hauptstadt Münster in Besitz. Die alte Residenzstadt Arnsberg wurde zum Sitz eines Regierungspräsidenten und konnte so in veränderter Form seine Hauptstadtfunktion bewahren.

Literatur

  • Harm Klueting: Geschichte Westfalens. Das Land zwischen Rhein und Weser vom 8. bis zum 20. Jahrhundert. Paderborn, 1998. ISBN 3-89710-050-9
  • Ingrid Reißland (Hrsg.): Vom Kurkölnischen Krummstab über den Hessischen Löwen zum Preußischen Adler. Die Säkularisation im Herzogtum Westfalen 1803-2003. Arnsberg, 2003.
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