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EASY (Erstverteilung der Asylbegehrenden)

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EASY (kurz für: Erstverteilung der Asylbegehrenden)[1] ist eine vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) betriebene IT-Anwendung, mit deren Hilfe in Deutschland die Erstverteilung von Asylbewerbern auf die einzelnen Bundesländer erfolgt.[2][3]Unbegleitete Minderjährige“ werden nicht mit EASY verteilt.[4] Das System dient auch zur Zählung der Asylbegehrenden.

Fakten und Zahlen

Das System wurde unter dem Langnamen „Erstaufnahme Asyl“ im Zuge der Asylrechtsreform im April 1993 zusammen mit damals 50 neugeschaffenen zentralen Aufnahmelagern etabliert.[5][6] Im Jahr 2015 wurden genau 1.091.894 Asylsuchende mit EASY erfasst.[7] Der Leiter des BAMF, Frank-Jürgen Weise, schätzte Ende September 2015 die Zahl der noch nicht EASY-registrierten Flüchtlinge und Migranten auf 290.000.[8]

Unbegleitete Minderjährige gelten als besonders schutzbedürftig und werden nicht mit EASY verteilt. Das Jugendhilferecht schreibt vor, dass sie vom Jugendamt in Obhut genommen werden müssen und nicht über EASY quer durch Deutschland verteilt werden dürfen.[4]

In der EASY-Ersterfassung bzw. der Asylbewerberstatistik nicht erfasst werden Angehörige von Asylberechtigten – Asylbewerbern, denen im Asylverfahren die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde –, die im Rahmen der Familienzusammenführung nach Deutschland kommen, da diese nicht als Asylbewerber, sondern mit einem Visum einreisen.[9]

Das Bundeskriminalamt (BKA) befasste sich im November 2015 in einer vertraulichen Analyse mit Kriminalität im Kontext von Zuwanderung. Asylsuchende aus den Westbalkanstaaten Serbien, Kosovo und Mazedonien fielen danach bis zu viermal häufiger im Zusammenhang mit Straftaten auf, als es ihr Anteil an der Gesamtzahl der mit EASY erfassten Flüchtlinge und Migranten eigentlich erwarten ließ. „Signifikant unterrepräsentiert“ unter den Tatverdächtigen waren laut BKA dagegen Syrer und Iraker.[10]

Auf Grund der Unzulänglichkeiten von EASY bei Verwendung zur Zählung Asylbegehrender korrigiert Innenminister Thomas de Maizière Ende September 2016 die Zahl der 2015 nach Deutschland gekommenen Asylsuchenden auf 890.000.[11][12] Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) schätzte im Oktober 2016 unter Berücksichtigung der Unzulänglichkeiten von EASY die Nettozuwanderung im Jahr 2015 auf rund 900.000 Personen.Referenzfehler: Ungültige <ref>-Verwendung: „ref“ ohne Inhalt muss einen Namen haben.

Verfahrensgrundlagen des Systems

Die Ersterfassung im Computersystem EASY ist für die Flüchtlinge der Startpunkt des Asylverfahrens. Für das Land, dem der Flüchtling zugewiesen wird, ist die Ersterfassung die Grundlage für die Weiterverteilung.[13]

Asylbewerber sind gemäß § 14 Asylgesetz (Deutschland) (AsylG) verpflichtet, in derjenigen Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ihren Asylantrag zu stellen, die der ihnen von EASY zugewiesenen Erstaufnahmeeinrichtung zugeordnet ist. In der durch EASY zugewiesenen Erstaufnahmeeinrichtung selbst erfolgt die Registrierung der Migranten und Flüchtlinge durch das Deutsche Rote Kreuz (DRK). Das DRK-eigene interne Registrierungssystem lässt unter anderem eine personengenaue Prüfung der Belegung in der Aufnahmeeinrichtung zu. An die aufgenommenen Asylbewerber werden nach der Registrierung DRK-Ausweise ausgegeben.[14]

§ 22 AsylG erlaubt es Flüchtlingen, als Erstkontakt mit einer deutschen Behörde eine beliebige Aufnahmeeinrichtung aufzusuchen. Hier erfolgt von EASY die Zuweisung eines Asylsuchenden in die Erstaufnahmeeinrichtung, die für ihn zuständig ist. Eine Meldung in einer Aufnahmeeinrichtung, die in einem Bundesland liegt, in dem bereits Verwandte eines Flüchtlings wohnen, erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass der betreffende Flüchtling von EASY auch einer Erstaufnahmeeinrichtung in diesem Bundesland zugewiesen wird. Dies geschieht allerdings in der Regel nur, wenn das betreffende Land nicht bereits überdurchschnittlich viele Flüchtlinge aufgenommen hat.[15] Ein Recht auf sofortige Familienzusammenführung haben nur Eltern und ihre minderjährigen Kinder.[4]

Die Erstverteilung Asylbegehrender auf einzelne Bundesländer erfolgt gemäß § 45 AsylG.[2] Über die Aufnahmequote entscheidet neben dem Herkunftsland der Königsteiner Schlüssel.[2][3] Im EASY-System wird jeweils der Königsteiner Schlüssel angewendet, der für das vorangegangene Kalenderjahr im Bundesanzeiger veröffentlicht wurde.[2]

In EASY werden keine personenbezogenen Daten aufgenommen, sondern lediglich das Herkunftsland, die Anzahl der Personen, das Geschlecht und die Familienverbände der jeweils vorsprechenden Asylbegehrenden bzw. ohne Visum eingereisten Ausländer.[16] EASY führt also eine anonymisierte Verteilung durch.

Flüchtlingen wird eine Woche Zeit gegeben, sich in derjenigen Erstaufnahmeeinrichtung einzufinden, der sie von EASY zugewiesen wurden. Die für die Reise erforderlichen Fahrkarten erhalten sie von der Registrierungsstelle. Eine Fahrtbegleitung durch Behördenvertreter ist nicht vorgesehen. Wer sich nicht innerhalb einer Woche in der zugewiesenen Einrichtung angemeldet hat, wird der Polizei als „illegal Eingereister“ gemeldet.[17]

Alternative IT-Anwendungen

Die behördliche Ersterfassung Asylbegehrender erfolgt nicht in allen Bundesländern zwangsläufig mit der IT-Anwendung EASY. In Hamburg erfolgt diese durch die ausländerbehördliche IT-Anwendung Paula GO[18] (Langfassung: „Projekt Automation Ausländerwesen Grafische Oberfläche“),[19] welches die Daten dann wiederum an das Ausländerzentralregister (AZR) übermittelt.[20]

Die „EASY-Gap“

Als EASY-Gap wird vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Differenz zwischen der Anzahl der von EASY registrierten Personen und derjenigen Personen bezeichnet, die in dem Bezugszeitraum einen Erstantrag auf Asylgewährung gestellt haben. Da bei EASY keine personenbezogenen Daten erfasst werden, handelt es sich um einen statistischen Vergleich.[21]

Im Jahr 2015 wurden 1.091.894 Asylsuchende im EDV-System EASY registriert und 441.899 Erstanträge auf Asyl beim BAMF gestellt. Die Differenz – die EASY-Gap – für das Jahr 2015 beträgt demzufolge 649.995.[22]Referenzfehler: Ungültige <ref>-Verwendung: „ref“ ohne Inhalt muss einen Namen haben.

Im Juni 2016 stellte Der Spiegel fest, dass trotz der Schließung der Westbalkan-Route die Zahl der nicht abschließend bearbeiteten Asylanträge nicht abnehme. Eine Besserung der Gesamtlage sei nur zu erwarten, wenn es neben den 300.000 Personen aus der EASY-Gap, die noch keinen Erstantrag auf Asyl gestellt haben und dem „Rückstau“ von 400.000 unbearbeiteten Asylanträgen im Jahr 2016 nicht mehr als 300.000 neu registrierte Asylbegehrende gebe.[23] Es ist geplant, die Zahl der Mitarbeiter des BAMF von 7100 (Stand: Juni 2016) auf 7.300 zu erhöhen. Der Stau bei den Asylanträgen soll bis Ende 2016 aufgelöst werden.[24]

Kritik

Im Zuge der Flüchtlingskrise in Deutschland 2015 geriet EASY an die Grenzen seiner Möglichkeiten. Die Erfassung der Daten im EASY dauert rund 20 Minuten für einen Asylbewerber. Da das bei hoher Flüchtlingszahl zu langen Wartezeiten führt, wird seit September 2015 Flüchtlingen erlaubt, die jeweilige Einrichtung ohne Aufnahme in EASY zu verlassen.[25] Einige von ihnen ließen sich daraufhin nicht registrieren, andere mehrfach. Dieses Verhalten sorgt im Kontext der Flüchtlingskrise dafür, dass es schwer ist, die genaue Zahl von Flüchtlingen anzugeben, die sich in Deutschland aufhalten, sowie zuverlässige Auskünfte über ihren tatsächlichen aktuellen Aufenthaltsort zu erteilen.[26] Eine Registrierung aller Flüchtlinge bereits an der Grenze war auch im November 2015 organisatorisch (noch) nicht möglich.[27]

Bei der Erfassung von Flüchtlingen und Migranten mit EASY sind Fehl- und Doppelerfassungen wegen fehlender erkennungsdienstlicher Behandlung und fehlender Erfassung der persönlichen Daten nicht ausgeschlossen.[28]

Weiterreisen, Rückreisen, Rückführungen in sichere Drittstaaten und in die Herkunftsländer der Flüchtlinge bleiben unberücksichtigt.[29]

Um Registrierung und Identitätsfeststellung von Asylbegehrenden zu verbessern, verabschiedete das Bundeskabinett am 9. Dezember 2015 die entsprechende Gesetzesvorlage für das dazu notwendige Gesetz. Das Datenaustauschverbesserungsgesetz (BGBl. I S. 130) wurde am 2. Februar 2016 erlassen. Schon beim Erstkontakt eines Asylbegehrenden mit einer Behörde wird nun ein umfangreicher Datensatz angelegt und ein einheitlicher Ausweis an alle Asylbegehrenden ausgegeben. Auf die Datensätze können alle zuständigen Stellen zugreifen.[30][31] [32] Von den 890.000 im Jahr 2015 nach Deutschland gekommenen Asylsuchenden waren nach Aussage von Innenminister Thomas de Maizière Ende September 820.000 im Kerndatensystem registriert.[33]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Verteilung der Asylbewerber
  2. a b c d Glossar. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge; abgerufen am 24. November 2015.
  3. a b Projektbericht Unterbringung von Asylbewerbern in nordrhein-westfälischen Aufnahmeeinrichtungen. (PDF) Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen, 23. Dezember 2013, S. 29; abgerufen am 24. November 2015
  4. a b c Andrea Grunau: Für Flüchtlinge eine Lotterie – wie Deutschland Asylbewerber verteilt. Deutsche Welle, 25. Dezember 2014.
  5. Am besten nach Sibirien. In: Der Spiegel. Nr. 21, 1993 (online).
  6. Martin Klingst: Nach der Änderung des Grundgesetzes: Die Zahl der Asylbewerber sinkt: Die Heime leeren sich. In: Die Zeit, Nr. 43/1993.
  7. Bericht: 1,1 Millionen Flüchtlinge in Deutschland registriert. Münchner Merkur–Online, 4. Januar 2016, abgerufen am 6. Januar 2016.
  8. Hans Monath: 163.000 Flüchtlinge im September, 290.000 nicht registriert. Der Tagesspiegel–Online, 1. Oktober 2015.
  9. Lucia Weiß: Frauen und Kinder zuletzt. ZDF heute; abgerufen am 29. Dezember 2015.
  10. Jörg Diehl: Straftäter aus Nordafrika. Eine schwierige Klientel. Spiegel-Online, 12. Januar 2016.
  11. „Läuft doch“, Flüchtlingszahl von 1,1 Millionen auf 890.000 korrigiert, SPON, 29. September 2016, abgerufen am 30. September 2016
  12. Noch immer nicht alle Flüchtlinge zentral erfasst. zvw.de/dpa, 2. Oktober 2016.
  13. Reiner Burger, Rüdiger Soldt: Registrierung von Flüchtlingen. Behörden im Handbetrieb. faz.net, 10. Oktober 2015. Abgerufen am 29. November 2015
  14. Döbelns geflüchtete Flüchtlinge tauchen wieder auf. SZ-Online, 27. November 2015.
  15. Wohnen, Umziehen und Residenzpflicht. Niedersächsischer Flüchtlingsrat; abgerufen am 27. November 2015
  16. Bernd Parusel: Unbegleitete minderjährige Migranten in Deutschland: Aufnahme, Rückkehr und Integration; Studie II/2008 im Rahmen des Europäischen Migrationsnetzwerks (EMN) (PDF) Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, 2009, S. 34, Anmerkung 17. Abgerufen am 25. November 2015
  17. Andrea Müller: Wie funktioniert die Verteilung von Asylbewerbern in Deutschland? Mitteldeutscher Rundfunk, 25. November 2015
  18. PAULO GO, die innovative ausländerbehördliche Software für Hamburg! (PDF)
  19. PAULA GO – mehr als eine Standardanwendung für das Ausländeramt. (PDF)
  20. Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Karin Prien (CDU) vom 27.Oktober 2015 und Antwort des Senats / Betr.: Registrierung und Asylantragsstellung (PDF) Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drucksache 21/2041, 3. November 2015, S. 2; abgerufen am 25. November 2015
  21. Regina Jordan: Flüchtlingen Perspektiven geben – Integration durch Bildung und Qualifikation. Ausrichtung der Integrationskurse des BAMF. 26. Januar 2016, S. 3; abgerufen am 9. Juni 2016
  22. Bundesministerium des Inneren, 2015: Mehr Asylanträge in Deutschland als jemals zuvor, Pressemitteilung vom 6. Januar 2016.
  23. Amt und Würde. In: Der Spiegel. Ausgabe 23, 4. Juni 2016, S. 55; abgerufen am 9. Juni 2016
  24. Familiennachzug bei syrischen Flüchtlingen geringer als erwartet. Deutsche Welle. 8. Juni 2016, abgerufen am 10. Juni 2016
  25. Christian Bartlau: Flüchtlingskrise: Der typische Weg eines Asylbewerbers nach der Ankunft in Deutschland. web.de. 10. September 2015. Abgerufen am 26. November 2015
  26. Jeder fährt, wohin er will. In: „Der Spiegel“. Ausgabe 46/2015. 7. November 2015, S. 37
  27. Linda Hinz: Gabriel schockiert mit hoher Zahl. „Etwa die Hälfte der Flüchtlinge nicht erfasst“: Das große Registrierungs-Chaos. focus-online, 3. November 2015; abgerufen am 27. November 2015
  28. Sehr hoher Asyl-Zugang im September. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Stand: 7. Oktober 2015
  29. Eine vorläufige Bilanz der Fluchtmigration nach Deutschland. (PDF) Studie 19/2016 des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) (s. Einführung), abgerufen am 27. Oktober 2016.
  30. Digitalisierung des Asylverfahrens. IT-Planungsrat (Mitteilung über die Sondersitzung des IT-Planungsrats v. 30. November 2015), abgerufen am 4. November 2016
  31. IT-Planungsrat beschließt Schritte zur weiteren Beschleunigung des Asylverfahrens. IT–Planungsrat, 30. November 2015.
  32. Flüchtlingsdaten einheitlich erfassen. In: Tagesschau.de, 5. Februar 2016.
  33. „Läuft doch“, Flüchtlingszahl von 1,1 Millionen auf 890.000 korrigiert, SPON, 29. September 2016, abgerufen am 30. September 2016