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Abschiebung (Recht)

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Die Zwangsmaßnahme der Abschiebung (Schweiz: Ausschaffung) ist der behördliche Vollzug einer in einem rechtsstaatlichen Verfahren festgestellten Ausreisepflicht.

In der Umgangssprache und in den Medien werden die Begriffe Ausweisung und Abschiebung gern synonym verwendet. Der Unterschied zur Ausweisung ist jedoch, dass es sich bei der Abschiebung um das Zwangsmittel handelt, mit der der Aufenthalt beendet wird.

Deutsche Rechtslage

Unter den Voraussetzungen des § 49 Ausländergesetz (AuslG) ist die Ausländerbehörde verpflichtet, die Abschiebung einzuleiten. Nach der Abschiebung entsteht nach § 8 Abs. 2 AuslG ein Einreiseverbot. Die Kosten einer Abschiebung müssen grundsätzlich laut § 82 AuslG durch den Betroffenen bezahlt werden.

Dies betrifft in Deutschland in aller Regel Ausländer, deren Asylantrag vor einem Gericht aus formalen oder inhaltlichen Gründen gescheitert ist. Sie werden dann mit Gewalt gezwungen, gegen ihren Willen in ihr Geburtsland auszureisen und diese Maßnahme selbst zu bezahlen.

Diesem letzten Schritt geht meist ein längerer Prozess von Anträgen, Eingaben und Gerichtsverfahren voraus. In der letzten Phase eines solchen Abschiebeverfahrens kommt es häufig zur Abschiebungshaft für die Betroffenen bis zur endgültigen Entscheidung, die dann meist sofort mit Zwangsmitteln in die Tat umgesetzt wird.

Kritik durch Menschenrechtsorganisationen an der Praxis

Durch eine Reform des Abschiebungsrechts kann die Ausreisepflicht vollziehbar sein, auch wenn gegen die entsprechende gerichtliche Entscheidung noch ein Rechtsmittel gegeben ist, das Verfahren also noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist. An diesem Zustand wird Kritik geübt, weil Eilanträge zum Aufschub einer Abschiebung durch das Schaffen von Fakten in der Realität unwirksam werden. Verstärkt wird kritisiert, dass der gewaltsame Vollzug der Ausreise im Einzelfall zu Todesfällen geführt hat. Auch Selbstmorde von Ausländern in Abschiebehaft sind bereits häufiger vorgekommen. Obwohl die deutsche Rechtslage bei Härtefällen eine Reihe von Ausnahmen von der Abschiebung vorsieht, kann diese in bestimmten Fällen auch dann angeordnet werden, wenn dem Betroffenen in dem jeweiligen Heimatland der Tod droht.

Zuletzt war dieses im März 2005 der Fall bei Sarai Kameli, einer Iranerin, die wegen der Ehescheidung von ihrem muslimischen Mann und dem Übertritt zum Christentum bei erfolgter Abschiebung im Iran mit Steinigung bedroht gewesen wäre. Erst durch massive Proteste von Menschenrechtsgruppen und Kirchenvertretern, z.B. der lutherischen Landesbischöfin Margot Käßmann, wurde der Fall entgegen der Haltung des Innenministers Uwe Schünemann (CDU), der auf der Abschiebung bestand, vom niedersächsischen Landtag neu aufgerollt und als Härtefall zu Gunsten der Betroffenen entschieden. Auch Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) hatte zuvor für die Abschiebung plädiert.

Die Abschiebepraxis der Bundesrepublik ist gesellschaftlich umstritten, soweit Missstände und Tötungen bekannt werden. Die gewaltsame Abschiebung ist jedoch ein von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachteter Bereich, in dem es immer wieder zu schwerwiegenden Verletzungen der Menschenwürde kommt. Dies können Menschenrechtsorganisationen wie "Pro Asyl" an zahlreichen Einzelfällen dokumentieren. Sie setzen sich daher nicht nur für eine Verbesserung der Verfahrensweisen, sondern auch für eine grundlegende Neuorientierung in der Einwanderungspolitik und ein grundsätzliches Bleiberecht für Flüchtlinge ein.

Anderseits gibt es einen hohen Bevölkerungsanteil, der einen zu großen Zuzug von Ausländern durch Asylmissbrauch und Wirtschaftsflüchtlinge befürchtet und schärfere Schutzbestimmungen bis hin zu Grundrechtsänderungen bejaht. Ein Teil meint, dass eine steigende Anzahl von „Scheinasylanten" - so ein dort häufig gebrauchter politischer Kampfbegriff für Wirtschaftsflüchtlinge - die deutsche Bevölkerung mit „Überfremdung" bedrohen kann: Eine solche Auffassung wird besonders in rechtsextremen Parteien von Republikanern bis hin zur NPD vertreten.

Verschärfung des deutschen Abschieberechts

Der unter Juristen und Politikern gebräuchliche Begriff Achteinsfünf (Langfassung: Paragraf 8, Absatz 1, Nummer 5 Ausländergesetz) ist eine Kern-Neuregelung aus den nach dem Bundesinnenminister Otto Schily scherzhaft "Otto-Katalog" benannten Anti-Terror-Maßnahmen. Danach reicht die erwiesene Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen, Terror-geneigten Gruppierung, um eine schnelle Abschiebung ins Herkunftsland zu veranlassen.

An diese Gesetzesnovelle des Bundestages 2001 richteten sich große Erwartungen, Islamisten künftig leichter und in größerer Anzahl "loszuwerden". Diese Hoffnungen haben sich seitdem nicht erfüllt: Wenn die Betroffenen Rechtsmittel einlegten, gab es bisher immer einen jahrelangen Klageweg durch die Gerichtsinstanzen. Bisher wurde der Paragraf "Achteinsfünf" nur einmal erfolgreich angewandt: Der jemenitische Student Nizar al-S. wurde am 15. Dezember 2003 in einer Überrumpelungsaktion zum Präzedenzfall (Bericht des Spiegels Nr. 31/2004).

Falls er indes rechtzeitig Asyl beantragt hätte, so der Leiter der zuständigen Wetterauer Ausländerbehörde, wäre die Abschiebung wohl von Rechts wegen nicht durchzuführen gewesen. Auch sei "glücklicherweise" die Vierwochenfrist für die Einlegung eines Widerspruchs von dessen Anwalt "verbummelt" worden, so dass eine Rückkehr nach Deutschland zwecks Gerichtsverfahren ebenfalls ausgeschlossen ist.

Der Misserfolg der Neuregelung hat einen Kompromiss zwischen Regierung und Bundesrat im Zuwanderungsgesetz begünstigt. Dieses sieht zukünftig vor, dass für Einwanderer ein anderer Rechtsweg als für Asylbewerber gelten soll. Statt des üblichen Instanzenzuges, der bei den unteren Verwaltungsgerichten beginnt, wird in den fraglichen Fällen der Rechtsweg verkürzt und gegen eine vorgesehene Abschiebung unmittelbar beim Bundesverwaltungsgericht Klage einzureichen sein.

Siehe auch