Zum Inhalt springen

Herd

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 12. Oktober 2016 um 14:33 Uhr durch 46.78.105.77 (Diskussion). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Offene Herdstelle, Rekonstruktion des Mainfränkischen Museums Würzburg
Holzherd
Gusseiserner Kohleherd aus dem 19. Jahrhundert
Kochmaschine um 1820 auf Schloss Chenonceau
Ein früher Elektroherd, um 1900
Ein amerikanischer Gasherd

Ein Herd, Kochherd oder Küchenherd, ist ein Gerät zum Kochen, Braten und Backen von Speisen, in seiner ursprünglichen Bedeutung die Feuer- bzw. Kochstelle eines Hauses oder Zeltes.

Geschichte und Bauformen

Ursprünglich befanden sich offene Herdstellen im Freien oder in Gebäuden oder Zelten, als flache Gruben, zwischen Steinen oder auf einer Lehm- oder Steinplatte. Archäologen haben vor der Klisoura-Höhle im Süden Griechenlands die ältesten Tonherde ausgegraben. Die Herde im nordwestlichen Peleponnes sind 23.000 bis 34.000 Jahre alt. Es wurden Reste von Holzasche und Pflanzen gefunden. Die Entdeckung hilft, den Übergang von den ältesten bekannten Herden aus Stein zu den Tonkonstruktionen, wie jenen von Dolní Věstonice in Tschechien, zu erklären. Viel später kamen aufgemauerte Sockel hinzu, die im Mittelalter etwa Tischhöhe erreichten. Gebraten wurde auf Rosten oder an Spießen, gekocht mit Kesseln, die an Kesselhaken über dem offenen Feuer hingen oder auf Dreibeinen standen. Mit Einführung des Rauchfangs rückte die Herdstelle an die Wand.

Im Jahr 1735 entwickelte François de Cuvilliés der Ältere für die Amalienburg im Schlosspark Nymphenburg mit dem Castrol-Herd (oder Topfherd; der Name Castrol ist abgeleitet vom französischen Wort Casseroles = Kochtöpfe) den ersten vollummauerten Kochherd mit durchlöcherter Eisenplatte, auf der die Töpfe standen, und einem Rauchfang.

Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts gibt es echte Kochherde mit vollständig geschlossenem Feuerraum und eisernen oder kupfernen Herdplatten mit Öffnungen über dem Feuer, in die Töpfe und Kessel eingesetzt wurden. Sie entwickelten sich durch das Hinzukommen von Rosten für die Befeuerung und Klappen zum Schließen des Brennraums zu Sparherden, die das Brennmaterial, in der Regel Steinkohle, wesentlich besser ausnutzten. Für verschiedene Topfgrößen konnten die Löcher der Herdplatte mit verschiedenen Ofenringen angepasst werden. Sparherde verfügten meist auch über einen Backofen, einen Tank für Warmwasser – Wasserschiff genannt – und einen Wärmeschrank. Die Entwicklung des Sparherds geht maßgeblich auf den Physiker Benjamin Thompson zurück, der mehrere Modelle nach seinen Anleitungen bauen ließ. Diese Herde wurden zunächst vorwiegend in Volksküchen eingesetzt.

Puppenherd mit Spiritusbrennern

Waren diese Herde noch gemauert, so kamen Mitte des 19. Jahrhunderts die ersten Herde aus Metall auf den Markt. Eine Entwicklungsstufe dieser Zeit war die sogenannte Kochmaschine („Küchenhexe“), ebenfalls eine Herdversion mit verschiedenen innenliegenden Feuerrosten, durch Wärmezüge zu den Kochstellen geleitete Hitze, Heißwasserbereitern, verschiedenen Backröhren und Backöfen und durch Herdringe in der Größe verstellbare Feuerstellen. Durch ihre hohen Kosten waren nur wohlhabende Leute in der Lage, sich derartige Herde zu leisten; in Deutschland setzten diese sich ab 1860 durch. Zu dieser Zeit wurden auch die ersten Puppenherde gebaut; diese verkleinerten Nachbildungen eiserner Feuerherde waren in wohlhabenden Familien ein beliebtes Spielzeug. Einfachere Versionen gehörten seither zur Normalausstattung in Mietskasernen (z. B. in Berlin).

Schon zu Anfang des 19. Jahrhunderts gab es erste Versuche mit gasbefeuerten Herden, allerdings war eine sinnvolle Verwendung an die Verbreitung eines ausreichenden Gasnetzes in den Städten gekoppelt. Auf der Industrieausstellung in London wurde 1851 der erste transportable eiserne Herd gezeigt, der seit den 1860er Jahren in Deutschland serienmäßig hergestellt wurde. Die Herdplatte hatte mehrere herausnehmbare Ringe, die Töpfe wurden in die Öffnung eingehängt. Im ländlichen Raum blieben diese Herde bis weit ins 20. Jahrhundert hinein in Gebrauch. Auf der Weltausstellung 1893 in Chicago wurde der erste Elektroherd vorgestellt, allerdings dauerte es bis 1930, bis dieser sich allgemein verbreiten konnte, was auch seinen Grund in der für derartige Herde notwendigen Infrastruktur hatte.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kamen verschiedene Kombinationen aus Heizofen und Kochherd auf den Markt, teilweise mit seitlich eingebauten Backröhren, mit Aufsätzen zum Backen und Braten, mit einem Wärmekasten für das Essgeschirr.

Moderne Herde werden fast ausschließlich mit Gas oder elektrisch betrieben. Gasherde wurden Mitte des 19. Jahrhunderts eingeführt und setzten sich um 1900 in den Städten allgemein durch. Auch Kombinationsherde, die ein Kochen auf Feuer oder mit Gas bzw. Strom erlaubten, waren bis in die 1960er Jahre verbreitet. Da der mit Holz oder Kohle befeuerte Herd im Winter auch zur Beheizung der Küche diente, kochte man in der kalten Jahreszeit auf Feuer, im Sommer wurde elektrisch oder mit Gas gekocht, da eine Erwärmung der Küche dann nicht nötig und sogar unangenehm war. Durch die zunehmende Verbreitung von Zentralheizungen verschwanden solche Geräte vom Markt.

Neuere Entwicklungen neben Gasherd und Elektroherd sind der Mikrowellenherd und der Induktionsherd. Neben Standgeräten, die Kochfeld oben und Backofen unten verbinden, gibt es heute vielfach getrennte Geräte zum Einbau in Arbeitsplatten und Küchenschränke, die eine größere Flexibilität bei der Kücheneinrichtung und eine bessere Ergonomie ermöglichen.

Anordnungen unter Pfalzgraf Karl IV. aus dem Jahr 1772 dienten auch der Verhütung eines Brandes im Zusammenhang mit häuslichen Feuerstätten. Nach gleichzeitigen Bauvorschriften durften keine Holzschornsteine mehr errichtet, keine hölzernen Schläuche mehr eingebaut werden, die den Rauch der Feuerstätte zum Kamin zu leiten hatten, wie es auch untersagt wurde, Ofenrohre zum Fenster hinauszuführen.[1]

Soziale und religiöse Bedeutung

In den Sippenhäusern früherer Zeiten war die Herdstelle das Zentrum des menschlichen Zusammenlebens und in vielen Fällen das religiöse Zentrum des Hauses. In prähistorischer Zeit wurden die Toten häufig in der Nähe der Herdstelle begraben. Wie wichtig das Herdfeuer war, zeigt, dass die meisten vorchristlichen Kulturen Göttinnen kennen, die für das Herdfeuer zuständig waren. Die griechische Hestia oder die römische Vesta sind prominente Beispiele für solche Göttinnen. In Raum des antiken Griechenlands haben bis heute Zeremonien überlebt, die sich um das heilige Herdfeuer ranken: So wird beispielsweise in Ionien ein Weihnachtsbrauch gefeiert, bei dem feierlich Wein und Öl in das Herdfeuer gegossen werden. Auch in den romanischen Sprachen hat das Herdfeuer als Zentrum des familiären Lebens überlebt: So steht das französische Wort foyer sowohl für Feuerstelle, Heim/Zuhause, aber auch für den Ursprung von etwas.

2,7 Mrd. Menschen weltweit kochen ihr Essen über Holz- oder Dungfeuern, was sie Gesundheitsrisiken aussetzt.[2]

Sonstiges

Das Phänomen eines auf einer heißen Herdplatte „tanzenden“ Wassertropfens ist als Leidenfrost-Effekt bekannt.

Siehe auch

Literatur

  • Gertrud Benker: In alten Küchen. Einrichtung - Gerät - Kochkunst. Callwey, München 1987, ISBN 3-7667-0815-5.
Wiktionary: Herd – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Herd – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Franz-Josef Sehr: Das Feuerlöschwesen in Obertiefenbach aus früherer Zeit. In: Jahrbuch für den Kreis Limburg-Weilburg 1994. Der Kreisausschuss des Landkreises Limburg-Weilburg, Limburg-Weilburg 1993, S. 151–153.
  2. Arm an Energie, SZ, 23. September 2010, S. 16