Shinkansen




Der Shinkansen (jap. 新幹線) ist der Überbegriff für eine Reihe japanischer Hochgeschwindigkeitszüge der verschiedenen JR-Gesellschaften.
Der Name Shinkansen bildet sich aus den Schriftzeichen "Shin" (新) für "Neue", "Kan" (幹) für "Rückgrat", "Sen" (線) für "Linie", und bezeichnet damit die Rückgradfunktion für das übrige Schienennetz, über welche mit einer Höchstgeschwindigkeit von bis zu 300 km/h die japanischen Großstädte verbunden wurden. Aussprache: alle drei Silben gleich betont, das s in sen ist scharf.
Der Shinkansen zeichnet sich weniger durch die absolute Höchstgeschwindigkeit der Triebwagen als durch seine durchgängig hohe Reisegeschwindigkeit auf einem vom Nah- und Güterverkehr komplett getrennten Hochgeschwindigkeitsgleisnetz aus. So erziehlt der Nozomi-Superexpress zwischen Tokio und Nagoya inkl. Bahnhofsaufenthalten eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 206 km/h.
Der Shinkansen gilt als eines der sichersten Verkehrsmittel überhaupt. Vom Beginn in 1964 bis heute ist es zu keinem Unfall mit Todesfolgen gekommen. Selbst bei einem Erdbeben der Stärke 6,4 im Oktober 2004, als zum ersten Mal ein Zug entgleiste, kam es nicht zu Personenschäden.
Bemerkenswert ist, wie genau die Abfahrtszeiten eingehalten werden. Fast ausnahmslos fahren die Züge exakt zur fahrplanmässigen Zeit.
Historisch entwickelte sich in Japan wegen der bergigen Landschaft ein Eisenbahnnetz mit der Schmalspur-Spurweite von 1067 mm (Kapspur), welches bei kurvigen Strecken kostenoptimal ist. Da eine deutliche Erhöhung der Geschwindigkeit auf den alten Strecken nicht möglich war, wurde für den Shinkansen die breitere Normalspur von 1435 mm gewählt und der Streckenverlauf mittels vieler Kunstbauten wie Tunneln und Viadukten gerade gehalten. Die alten, teilweise parallel liegenden Strecken wurde dabei für den Nah- und Güterverkehr beibehalten.
Die erste Strecke mit einer Länge von 515,4 km wurde am 1. Oktober 1964 zwischen der Hauptstadt Tokio und Osaka eröffnet, und ist damit weltweit die älteste Hochgeschwindigkeitsbahn (TGV: 1981, ICE: 1991). Die neueste Erweiterung (13. März 2004) ist die Teilstrecke zwischen Yatsushiro und Kagoshima auf Kyushu. Weitere Strecken Befinden sich im Bau.
Geschichte
Seit Beginn des Eisenbahnbaus in der Zeit der Meiji-Restauration wurden fast ausschließlich Schmalspurstrecken in der Spurweite von 1067 (Kapspur) gebaut. Auch neuere Strecken wurden in dieser Spurweite gebaut, um einen reibungslosen Anschluss an das restliche Netz zu ermöglichen. Insbesondere im Zeitalter der Dampftraktion bedeutete dies aufgrund der kleineren Abmessungen der Lokomotiven eine niedrigere Höchstgeschwindigkeit. So konnte bis in die 1950er Jahre eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h nicht überschritten werden, während in Deutschland schon in den 1930er Jahren Schnellzüge mit bis zu 160 km/h fuhren. Zwar gab es immer wieder Bestrebungen, die Strecken auf Normalspur umzuspuren, die jedoch aufgrund der hohen Kosten und der großen Schwierigkeiten des Umbaus bei laufendem Betrieb nicht verwirklicht wurden.
Erste Erfahrungen mit einem „Hochgeschwindigkeitsverkehr” machten japanische Techniker auf der normalspurigen Minamimanshū-Eisenbahn in der Mandschurei (heute Nordostchina). Ab 1934 bewältigte der von einer stromlinienförmigen Dampflok gezogene Expresszug Ajia mit einer Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h die 701 km lange Strecke zwischen Dairen (Dalian) und Shinkyō (Changchun) in achteinhalb Stunden bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 82 km/h. Während die Höchstgeschwindigkeit wohl für japanische Verhältnisse, im internationalen Vergleich aber auch damals nicht spektakulär war, war die Vollklimatisierung der Wagen wegweisend.
In der zweiten Hälfte der 30er-Jahre nahm der Verkehr auf der Tōkaidō- und Sanyō-Strecke so weit zu, dass man im September 1940 mit dem Bau einer neuen, separaten, normalspurigen Strecke für die sogenannten Geschosszüge (englisch bullet train) begann. Die Geschwindigkeit dieser Züge sollte die des Expresszuges Ajia weit übertreffen, so dass eine Reisezeit von viereinhalb Stunden zwischen Tōkyō und Ōsaka, sowie eine Reisezeit von neun Stunden zwischen Tōkyō und Shimonoseki erreicht werden konnte. Infolge des Kriegsgeschehens musste allerdings der Bau nach und nach eingestellt werden. Als günstig für den späteren Bau des Shinkansens erwies sich, dass der Grunderwerb für die Strecke bereits vor Kriegsende weitgehend abgeschlossen war.
Während man zu Zeiten des Geschosszug-Projekts noch das Antriebskonzept eines mit einer Dampf- oder Elektrolok bespannten Zuges favorisierte, kam man in den 50er-Jahren zur Einsicht, dass insbesondere für die japanischen Streckenverhältnisse mit vielen Steigungen und Kurven ein Triebwagenzug deutlich günstiger ist, da dieser eine höhere Beschleunigung ermöglicht und durch die Lastverteilung den Oberbau weniger belastet. Der 1958 für den Expresszug Kodama (Tōkyō - Ōsaka) in Dienst gestellte Triebwagen der Baureihe 20 (später BR 151) stellte die Vorzüge eines Triebwagenzugs eindrucksvoll unter Beweis, indem er 1959 mit 163 km/h den Geschwindigkeitsrekord für Schmalspurzüge erzielte. Diese guten Erfahrungen führten dazu, dass man beim Shinkansen-Projekt ebenfalls einen Triebwagenzug einsetzte.
Ende der 1950er Jahre hatte sich die japanische Wirtschaft so weit erholt, dass die Tōkaidō-Strecke trotz einer vollständigen Elektrifizierung erneut an ihre Kapazitätsgrenzen stieß. Zu Zeiten, wo man eher Flugzeuge und Autobahnen propagierte, war es dennoch eine mutige Entscheidung, eine Hochgeschwindigkeits-Eisenbahn zwischen Tōkyō und Ōsaka zu bauen, die wohl nicht zuletzt den „Vätern des Shinkansens”, Shima Hideo und Sogō Shinji, zu verdanken ist. 1958 wurde das Projekt genehmigt, und am 20. April 1959 begannen die Bauarbeiten, wobei bereits für das Geschosszug-Projekt errichtete Bauten genutzt werden konnten. Am 1. Mai 1961 erhielt die japanische Staatsbahn (JNR) einen Kredit von 80 Millionen Dollar unter der strengen Auflage, die Strecke bis 1964 zu eröffnen.
Nachdem 1962 erste Testfahrten auf einem Teilabschnitt (zwischen den heutigen Bahnhöfen Shin-Yokohama und Odawara) stattgefunden hatten, konnte pünktlich zu den Olympischen Sommerspielen in Tokyo am 1. Oktober 1964 auf der 515,4 km langen Strecke zwischen Tōkyō und Shin-Ōsaka (Tokaido-Shinkansen) der Verkehr aufgenommen werden. Mit halbstündlich verkehrenden 12-Wagen-Zügen der Baureihe 0 wurde die Transportkapazität der bis dahin vorhandenen Schnell- und Expresszüge deutlich übertroffen. Zwar war mit einer Höchstgeschwindigkeit von 210 km/h eine Fahrzeit von dreieinhalb Stunden ausgelegt, aber da es damals noch keinerlei Erfahrungen mit einem Regelbetrieb bei derart hohen Geschwindigkeiten gab, streckte man anfangs die Fahrzeit des Superexpress-Zugs Hikari auf vier Stunden (gegenüber den sechseinhalb Stunden bis dahin immer noch eine deutliche Verkürzung) und senkte die Höchstgeschwindigkeit auf 200 km/h. Im folgenden Jahr konnte dann die Höchstgeschwindigkeit auf 210 km/h angehoben werden.
1967 beförderte die Tokaido-Linie ihren 100-millionsten Passagier, und bereits 1976 ihren Milliardsten.
Heute bewältigt der Superexpresszug Nozomi der Tokaido-Line die 515,4 km lange Strecke Tōkyō - Shin-Ōsaka in bis zu 2 Stunden 30 Minuten, mit nur vier Zwischenstopps, was einer durchschnittlichen Reiseeschwindigkeit von 206 km/h pro Stunde entspricht. Die Kodama-Züge, die an jeder Station halten, befördern täglich Pendler aus den umliegenden Präfekturen in die Ballungsräume Tōkyō, Nagoya und Ōsaka. Züge bewältigen rund 30 % des Fernverkehrsaufkommens in Japan.
Strecken

Seit der Eröffnung des Tōkaidō Shinkansen von Tōkyō nach Shin-Ōsaka wurde das Netz beständig erweitert.
- JR Central (siehe beige Strecke auf Netzplan)
- JR West (blau)
- JR Kyushu (rot)
- Hakata-Minami-Linie: Hakata – Hakata-minami 8,5 km (1990)
- Kyūshū Shinkansen: Shin-Yatsushiro – Kagoshima-chūō 127,6 km (2004; Hakata-minami – Kumamoto – Shin-Yatsushiro 129,9 km Eröffnung 2010–2012 geplant)
- JR East (grün)
- Tōhoku Shinkansen: Tōkyō – Uëno – Ōmiya – Fukushima – Sendai – Morioka – Hachinohe 593,1 km (Ōmiya – Morioka 1982, Ueno – Ōmiya 1985, Tōkyō – Uëno 1991, Morioka – Hachinohe 2002; Hachinohe – Shin Aomori 81,2 km 2013 geplant)
- Jōetsu Shinkansen: Ōmiya – Takasaki – Niigata 269,5 km (1982)
- Hokuriku Shinkansen oder Nagano Shinkansen: Takasaki – Nagano 117,4 km (1998, Nagano – Toyama 162,1 km Erföffnung 2013 geplant)
- (Hokkaidō Shinkansen: Shin Aomori – Shin Hakodate; Eröffnung 2015 geplant)
Zugnamen
- Tōkaidō/Sanyō Shinkansen: Nozomi (Express), Hikari (Semi-Express), Kodama (hält an jeder Station)
- Kyūshū Shinkansen: Tsubame
- Tōhoku Shinkansen: Yamabiko, Hayate
- Yamagata Shinkansen: Tsubasa (bis Fukushima gekuppelt mit Yamabiko)
- Akita Shinkansen: Komachi (bis Morioka gekuppelt mit Hayate)
- Jōetsu Shinkansen: Toki, Tanigawa
- Nagano Shinkansen: Asama
Technik
Zwar besitzen die Shinkansen-Züge mit 1435 mm dieselbe Spurweite wie die europäischen Hochgeschwindigkeitszüge, jedoch sind die Wagen mit 3,38 m deutlich breiter, so dass bei gleicher Länge eine höhere Sitzkapazität erreicht wird.
Die Züge haben keine getrennten Triebköpfe, sondern die Antriebseinheiten sind im Unterraum der Wagons über den ganzen Zug verteilt. Bei technischen Problemen wird die entsprechende Antriebseinheit abgetrennt ohne das der gesamte Zug betroffenen ist, so wie es insbesondere bei den älteren ICEs oft der Fall war.
Die Züge sind sei Beginn an mit einem hydraulischen Neigesystem ausgestattet, welches ein Durchfahren der Kurven mit erhöhten Geschwindigkeiten ermöglicht.
Markenzeichen der Shinkansen-Züge ist das aerodynamische Zugdesign mit einer langgestreckten, nasenartigen Bugform. Hierdurch wird dem Phänomen "Tunnelknall" entgegengewirkt, das bei der Durchfahrt durch die in Japan häufigen Tunnel auftreten kann.
Einige Altstrecken, die mit 1067 mm eigentlich eine wesentlich niedrigere Spurbreite haben, sind zusätzlich mit einer dritten Fahrschiene ausgerüstet, um so wieder die Normalspur zu erreichen und damit wahlweise auch spezielle Shinkansen aufnehmen zu können. Weil das Lichtraumprofil der Altstrecken schmaler ist als das der Neubaustrecken, ist der Wagenkasten dieser Züge mit 2,95 m nur so breit wie die Züge in Europa. Auf den Altstrecken werden wegen der engen Kurvenführung auch von den Mini-Shinkansen nur maximal 130 km/h erreicht. Hält ein solcher Zug auf dem Bahnhof einer Neubaustrecke, werden Trittbetter ausgeklappt, um den Abstand zwischen Bahnsteigkante und dem schmalen Wagenkasten auszugleichen.
Bauarten
- Baureihe 0 ab 1964, Höchstgeschwindigkeit 220 km/h, 11,84 MW/16-Wagen-Zug (heute nur auf Sanyō-Strecke, früher Tōkaidō/Sanyō)
- Baureihe 200 1980, Höchstgeschwindigkeit 240 km/h, 14,72 MW/16-Wagen-Zug (Tōhoku/Jōetsu-Strecke)
- Baureihe 100 1985-1988, Höchstgeschwindigkeit 230 km/h, 11,04 MW/16-Wagen-Zug, 2 beziehungsweise 4 Doppelstockwagen (heute nur auf Sanyō-Strecke, früher Tōkaido/Sanyō)
- Baureihe 300 1992-1998, Höchstgeschwindigkeit 270 km/h, 12,0 MW/16-Wagen-Zug (Tōkaidō/Sanyō-Strecke)
- Baureihe E1 1994-1995, Höchstgeschwindigkeit 240 km/h, 9,84 MW/12-Wagen-Zug, durchgehend doppelstöckig (Tōhoku/Jōetsu-Strecke)
- Baureihe E2 1995, Höchstgeschwindigkeit 275 km/h, 9,84 MW/8-Wagen-Zug, zweisystemfähig (Nagano/Tōhoku-Strecke)
- Baureihe 500 1997-1998, Höchstgeschwindigkeit 300 km/h, 17,6 MW/16-Wagen-Zug Tōkaidō/Sanyō-Strecke)
- Baureihe E4 1997-1999, Höchstgeschwindigkeit 240 km/h, 6,72 MW/8-Wagen-Zug, durchgehend doppelstöckig (Tōhoku-Strecke)
- Baureihe 700 1999-2003, Höchstgeschwindigkeit 285 km/h, 13,2 MW/16-Wagen-Zug (Tōkaidō/Sanyō-Strecke)
- Baureihe 800 2002-2004, Höchstgeschwindigkeit 260 km/h, 6-Wagen-Zug (Kyūshū-Strecke)
- FASTECH 360 2011- Nächste Generation von Shinkansen Zügen, derzeit in der Testphase. Geplant sind 360 km/h Reisegeschwindigkeit, 405 km/h Höchstgeschwindigkeit
- Mini-Shinkansen
Höchstgeschwindigkeiten sind jeweils die im Plandienst gefahrenen. Auf den Altstrecken werden maximal 130 km/h erreicht. Teilweise fahren die Züge auch in kürzeren Kompositionen (4 Wagen, 6 Wagen, 8 Wagen, 12 Wagen). Gekuppelt werden können:
- Baureihe 200 (12 Wagen) + Baureihe 400/E3 (7 Wagen)
- Baureihe E2 (8 Wagen) + Baureihe E3 (6 Wagen)
- Baureihe E4 (8 Wagen) + Baureihe E4 (8 Wagen)
Unfälle
Der einzige wesentliche Unfall in der Geschichte des Shinkansen ereignete sich bei einem Erdbeben am 23. Oktober 2004 um 17:56 Uhr Ortszeit. Trotz einer automatisch eingeleiteten Schnellbremsung entgleiste der mit 155 Reisenden besetzte Zug Toki 325 nach Niigata zwischen den Bahnhöfen Urasa und Nagaoka. Obwohl acht der zehn Wagen entgleist waren, benötigte der Zug, der mit einer Geschwindigkeit von 200 km/h fuhr, immer noch 1,6 km, bis er zum Stillstand kam. Zwar gab es keine Verletzten, jedoch ragte der erste Wagen so weit ins Nachbargleis hinein, dass es im ungünstigsten Falle zu einem Zusammenstoß mit einem Gegenzug hätte kommen können.
Shinkansen-Technik weltweit
Im August 2004 schloss die chinesische Regierung einen Vertrag mit sechs japanischen Firmen (unter anderem Kawasaki Heavy Industries), die in Kooperation mit dem chinesischen Lokomotiven-Hersteller Nanche Sifang ("China Southern Locomotive and Rolling Stock Industry") die Shinkansen-Techologie auf fünf Strecken mit insgesamt etwa 2000 km Länge in China aufbauen sollen. Realisiert werden soll dabei eine abgewandelte Version des japanischen Shinkansen mit einer Höchstgeschwindigkeit von 275 km/h und einer Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 200 km/h .
Ab dem Jahr 2006 sollen die Züge der Taiwan High Speed Rail mit Shinkansen-Technik auf der Insel Taiwan zwischen Taipeh und Kaohsiung verkehren.