Volksmehr und Ständemehr
In der Schweiz ist neben dem Volksmehr (Mehrheit der Stimmenden) das Ständemehr notwendig für die Annahme einer Verfassungsänderung. Auf diese Weise soll vermieden werden, dass die bevölkerungsreichsten Kantone über die Interessen der kleinen Kantone hinweg bestimmen.
Das Ständemehr ist erreicht, wenn die Mehrheit der Kantone (Stände) zugestimmt hat - zustimmen bedeutet, dass die Mehrheit der Abstimmenden in diesem Kanton die Vorlage angenommen hat.
Die Halbkantone Obwalden, Nidwalden, Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden haben je eine halbe Standesstimme, die übrigen Kantone eine ganze Standesstimme.
Das Ständemehr bevorzugt die kleinen, ländlichen, konservativen Kantone der deutschen Schweiz gegenüber den großen städtischen Agglomerationen und gegenüber der französischen Schweiz (wobei die großen Städte und die französische Schweiz oft ähnlich stimmen).
Das Ständemehr kann aber auch über eine knappe Volksmehrheit hinweggehen, so dass nicht die Entscheidung getroffen wird, die von den meisten Abstimmenden gewünscht ist, sondern jene, welche von der Mehrheit der kleinen Kantone vorgezogen wird.
Die Wurzeln des Ständemehrs liegen in der historischen Autonomie der Kantone in der Alten Eidgenossenschaft. Bei der Schaffung des Bundesstaats 1848 wollten die Kantone nach den Erfahrungen mit der Helvetischen Republik sichergehen, dass es nicht ein weiteres Mal über ihren Kopf hinweg zu einer zentralistischen Verfassung kommen würde.
Siehe auch: Politisches System der Schweiz, Föderalismus, Direkte Demokratie