Baalberger Kultur
Die Baalberger Kultur ist eine voll ausgebildete jungneolithische Kultur in Mitteldeutschland. Benannt wurde sie nach dem Erstfund im Schneiderberg von Baalberge, Kreis Bernburg, in Sachsen-Anhalt. Sie wird als älteste Gruppe der Trichterbecherkulturen angesehen. In Deutschland ist sie die fundreichste Erscheinung der Trichterbecherkulturen. Aufgrund der Probleme beim Kulturbegriff in der Archäologie wird heute vor allem vom Baalberger Keramikstil gesprochen. Dieser ist Teil der Trichterbecherphasen TRB-MES II und III im Mittelelbe-Saale-Gebiet.
Forschungsgeschichte
Als selbstständige Gruppe wurde die Baalberger Kultur zuerst von Niklasson und P. Kupka auf Grund der Gefäßtypen erkannt. Zuvor war sie dem Bernburger Typ zugeordnet.
P. Kupka fasste die nur zum Bestand der Baalberger Kultur gehörenden Funde unter dem Namen 'mitteldeutsche Pfahlbaukeramik' zusammen. Durch P. Grimm erfolgte die erste Aufteilung in eine Früh- Hoch- Spät und Voraunjetitzer Stufe 1937. P. Kupka und C. J. Becker parallelisierten die Baalberger Gruppe mit der nordischen Trichterbecherkultur. J. Preuß unterschied innerhalb der Baalberger Kultur eine älterere und eine jüngere Phase nach Totenorientierung und Gefäßprofilierung. Typenkombination und Horizontalstratigraphie im Gräberfeld von Zauschwitz, Kr. Borna. Naturwissenschaftliche Daten belegen allerdings, dass die chronologische Teilung nicht relevant ist und es sich nach J. Müller eher um soziale Gruppen handelt, die im entsprechenden Typenspektrum sichtbar werden.
Siedlungsforschung
Hauptverbreitungsgebiet ist das mittlere Elbe-Saale-Gebiet. Weitere Fundstellen befinden sich in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Es ist auch ein ausgeprägter Zweig in Böhmen bekannt. Dazu gibt es von Böhmen bis Niederösterreich zahlreiche Einzelfunde. Das Verbreitungsgebiet reicht weiter nach Norden als das der Rössener Kultur. Das Siedlungsgebiet ist in sich geschlossen.
Siedlungen
Siedlungen sind nur unzureichend bekannt. Nur Gruben mit typischem Siedlungsinventar (Ton, Stein, Knochenmaterial), Herdstellen und zusammenhängende Pfostenlöcher, daneben nur wenige Einzelhäuser in zum Teil ausgedehnten Siedlungen (Braunsdorf, Kr. Merseburg).
Hausformen rechteckig bis quadratisch - mittlere Größe. Rechteckig bis ovale Grubenhäuser Siedlungsgruben - Nutzung als Vorrats-, Abfall- und Opfergruben. Größte Siedlung in Pirkau Kr. Hohenmölsen - Notbergungen, aber keine Belege für Häuser. Funde wurden auf der umwallten Siedlung von Halle (Saale) Dölauer Heide gemacht.
Materielle Kultur
Weitgehend unverzierte Ware, die einen klar in Hals, Schulter und Unterteil gegliederten Gefäßaufbau aufweist. Kräftige Profilierung,- rundbauchig ,- alle Gefäße mit deutlich abgesetztem Standboden. Einstich- und Stempelmuster in Hals und Schulterbereich. Hauptformen: Amphoren, Henkelkannen, Tassen Trichterbecher und Trichterrandschalen. Die Gefäßtypen, soweit sie als Grabkeramik Verwendung fanden, werden sehr gut durch die Funde von Halle (Saale), Dölauer Heide, repräsentiert. Typisch für die Baalberger Kultur ist eine graubraune, lederartige Oberfläche. Im Bruch weisen die Scherben eine dunkelgraue bis schwarze Färbung auf. Der gesamte Keramikbestand bildet im Verbreitungsgebiet der Baalberger Kultur einen in sich geschlossenen Formenkreis. Amphoren: zwei-, vier- und mehrhenklig Gefäßform variiert zwischen eiförmig doppelkonisch und rundbauchig
Kannen: Baalberge erste Kultur, die Kannen aufweist Hals meist trichterförmig gestaltet
Tassen: meist kleiner Standfläche
Trichterbecher: hohe schlanke Trichterbecher mit kleiner Standfläche
Schalen: schrägwandige Schalen, ausladende Trichterrandschalen mit abgesetztem Boden und Knickwandschalen
Tongeräte: konische Schöpfer oder Löffelchen
Steingeräte: kurze gedrungene rundnackige Axt aus geschlossenem Fund von (Chörau, Kreis Köthen und Warle, Kreis Wolfenbüttel), Flache Felsgesteinbeile mit rechteckig abgerundetem Querschnitt. Feuersteinkleingerät wie Querschneider, dreieckige Pfeilspitzen (Quenstedt, Kreis Hettstedt), Klingen und Klingenschaber. Die Metallfunde innerhalb der Baalberger Kultur gehören mit zu den ältesten Nachweisen im mitteldeutschen Neolithikum.
Wirtschaftsweise
Nichtspezialisierter Ackerbau und Viehhaltung. Angebaut wurden Emmer, Einkorn, Zwergweizen und Gerste. Haustiere waren Rinder, Schweine, Schafe und Ziegen.
Grab- und Bestattungssitten
Bei den Grabformen handelt es sich hauptsächlich um Einzelgräber. Ein größeres Gräberfeld befindet sich in Zauschwitz (Kreis Borna). Daneben kommen Doppel- (Schalkenburg bei Quenstedt) und Grubenbestattungen vor. Eine Sonderform stellen Siedlungs- und Teilbestattungen dar.
An Grabformen erscheinen einfache Erdgräber sowie als Neuerung Anlagen mit Grabarchitektur. Auch die ersten Hügelgräber zählen zu dieser Periode. Baalberge ist die erste Kultur, die im Grabbau megalithische Einflüsse in Form von Steinkisten und Hügeleinfassungen erkennen lässt. Dazu zählen schwere, entweder in den Boden eingesenkte oder oberirdische Steinkisten, sowie Plattengräber. Andere Grabanlagen lassen Steinpackungen, Holzeinbauten oder die Kombination von Stein- und Holzausbau erkennen.
Hügelgräber: Enthalten Erd- und Steinkistengräber als Primärbestattungen. Im Grabhügel von Latdorf, Kreis Bernburg, fand sich eine eingesenkte Steinkiste, die von einem 25 m langen trapezförmigen Hünenbett umgeben war.
In den Erdgräbern der Baalberger Kultur sind Körpergräber üblich. Rechte Hocker in strenger Ost-West-Orientierung. Für die Toten gilt strenge Seitenlage.
Als Grabbeigaben wurden Gefäße, darunter Kombinationen von Kanne und Tasse gefunden.
Religion und Kult
Ein Glaube an ein Weiterleben nach dem Tod (oder im Grab) ist durch Grabbeigaben belegt.
Kultische Befunde: Erfurt Mechendorf - angekohlte menschliche und tierische Skelettreste in einer Grube Wansleben, Kreis Eilsleben - Schädeldeponierung aufrechtstehender menschlicher Schädel zwischen zwei Sandsteinplatten, darüber Deckplatte mit Rindergehörn.
Chronologisch kulturelle Einbindung
Ältere Ausprägung der Trichterbecherkultur zwischen 3.800 u. 3.400 v. Chr. Der Baalberger Keramikstil gehört den mitteldeutschen Trichterbecherphasen TRB-MES II (3800-3500 v. Chr.) und TRB-MES III (3500-3350 v. Chr.) an. Er entwickelt sich aus der Phase TRB-MES I (4100-3800 v.Chr.), in der südöstliche und westliche Einflüsse zu Innovationen führen (Michelsberg und Spätlengyel).
Es folgt eine komplexere Gesellschaft ab 3350 v.Chr. in der Phase TRB-MES IV mit unterschiedlichen Zierstilen (Salzmünde, Walternienburg, Bernburg).
Literatur
- Hermann Behrens, Die Jungsteinzeit im Mittelelbe-Saale-Gebiet. Veröff. Landesmus. Vorgesch. Halle 27 (Berlin 1973). (veraltet)
- Kulturbund der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Typentafeln zur Ur- und Frühgeschichte [Redaktion R. Feustel/S. Barthel] (Weimar 1972).
- Johannes Müller, Soziochronologische Studien zum Jung- und Spätneolithikum im Mittelelbe-Saale-Gebiet (4100-2700 v. Chr.). Vorgeschichtliche Forschungen 21 (Rahden, Leidorf 2001).
- Johannes Müller, Radiocarbonchronologie – Keramiktechnologie – Osteologie - Anthropologie-Raumanalyse. Beiträge zum Neolithikum und zur Frühbronzezeit im Mittelelbe-Saale-Gebiet. 80. Ber. RGK 1999, 25-211.
- J. Preuß, Das Neolithikum in Mitteleuropa, Kulturen - Wirtschaft - Umwelt vom 6. bis 3. Jahrtausend v.u.Z. (Weißenbach, Beier und Beran 1996).
- Giannina Schindler, Salzmünder Kultur. In: H.-J.- Beier/Ralph Einicke, Das Mittelneolithikum im Mittelelbe-Saale-Gebiet und in der Altmark /Wilkau-Hasslau 1994) 145-158.
- Ernst Probst: Deutschland in der Steinzeit, München 1991 (populäre Darstellung).