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Geschichte der Juden

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Arthur Szyk, Visual History of Nations, Israel (1948), New Canaan

Der Artikel gibt einen kurzen Abriss über mehr als 500 Artikel zum Thema Geschichte der Juden, ursprünglich eines nach dem Stamm und späteren Königreich Juda benannten Volkes. Juden haben über lange Zeit beinahe ausschließlich weltweit zerstreut außerhalb von Eretz Israel gelebt. Das jüdische Volk hat sich über 2000 Jahre hinweg als ein solches begriffen und wurde auch von außen als ein solches verstanden, obwohl ein jüdischer Staat während langer Zeit nicht existierte. Die Geschichte der Juden ist sowohl von Unterdrückung, Verfolgung und Vertreibung als auch Toleranz, friedlichem Miteinander und Gleichberechtigung geprägt. Sie beinhaltet die Geschichte der Juden in der Diaspora und die Gründung des Staates Israel.

Geschichte des jüdischen Volkes in biblischen Zeiten

Tora

Die Geschichte der Juden beginnt mit den Erzählungen der Tora, den fünf Büchern Mose, und mit dem Bund, den Gott mit Abraham schließt (Gen 12 LUT). Die jüdische Tradition sieht Abraham als den Begründer des Monotheismus, des Glaubens an einen einzigen, unsichtbaren Gott. Diesen Bund setzt Gott mit Abrahams Sohn Isaak und dessen Sohn Jakob fort, der seit dem Ringkampf am östlichen Ufer des Flusses Jabbok (Gen 32 LUT) Jisrael genannt wurde. Jakob hatte zwölf Söhne, die als Stammväter der Zwölf Stämme Israels (Israeliten) gelten. Diese ziehen von Kanaan, dem heutigen Palästina bzw. Israel nach Ägypten, wo ihre Nachfahren vom Pharao versklavt werden. Aus dieser Sklaverei werden die von Mosche (Moses) angeführten Hebräer durch Gott befreit, der ihnen am Berg Sinai die schriftliche und mündliche Tora offenbart.

Herkunft, Alter und historische Auswertbarkeit dieser ältesten Stoffe der Tora sind umstritten. Die Tora entstand nach heutigem Forschungskonsens seit etwa 1200 v. Chr., wurde aber erst seit etwa 450 v. Chr. niedergeschrieben. Die Geschichtswissenschaft bezweifelt deshalb die Historizität dieser Darstellung.[1][2] Eine erste außerbiblische Bestätigung gibt die „Israelstele“ des Pharaos Merenptah (um 1210 v. Chr.).[3][4] Die Ansiedlung israelitischer Volksstämme in der Region des heutigen Palästina ist für die Zeit seit etwa 1250 v. Chr. bewiesen.[5]

Das 2. Buch Mose (שִׁמוֹת Schemot; Exodus), das 3. Buch Mose (וַיִּקְרׇא Wajikra; Leviticus) und das 4. Buch Mose (בְמִדְבַּר Bemidbar; Numeri) der Tora stellen die eigentliche Heilsgeschichte des Volkes Israel vom Auszug aus Ägypten und Offenbarung der Zehn Gebote JHWHs am Sinai bis zur Landnahme Kanaans dar. Von der Landnahme selbst berichtet die Tora nicht mehr; das folgt im Buch Josua, das die Geschichte weiterführt. Im Buch der Richter wird die Zeit nach der Landnahme bis kurz vor Beginn der Königszeit unter Saul (ca. 1050 v. Chr.) geschildert. Es folgen die Bücher der Könige, die Chroniken und weitere Schriften bis zu den Büchern der Makkabäer (104 v. Chr.).

Mit dem babylonischen Exil im sechsten vorchristlichen Jahrhundert begann die Geschichte des Judentums im Irak. In hellenistischer Zeit entwickelte sich in der jüdischen Diaspora das Hellenistische Judentum. Als antike Judenfeindschaft wird die Judenfeindlichkeit in der Epoche der antiken Geschichte Israels (etwa 1300 v. Chr. bis 135 n. Chr.) bezeichnet.

Geschichte der Juden in der Spätantike

Modell des Zweiten Tempels

Die Geschichte der Juden in der Spätantike umfasst die Periode vom Ende des 1. Jahrhunderts bis zur Eroberung Palästinas durch die Araber im 7. Jahrhundert. Spätestens seit der Umwandlung des jüdischen Königreichs in eine römische Provinz im 1. Jahrhundert nach Christus unter Tiberius, der Zerstörung Jerusalems durch Titus unter Kaiser Vespasian und der hadrianischen Neugründung mit dem Namen Aelia Capitolina zerstreuten sich die Juden als regional greifbares und geschlossenes Volk endgültig und siedelten zu einem großen Teil innerhalb des Römischen Reiches. In die Spätantike fällt die Kanonisierung des Tanach, der hebräischen Bibel, und die Sammlung und Verschriftung der verschiedenen jüdischen Lehrtraditionen in beiden Talmudim und in zahlreichen Responsen. Diese von den Rabbinen geführte „klassische“ Epoche der jüdischen Geschichte war von der Zerstreuung der Juden im Perserreich und im Römischen Reich, vom Aufstieg des Christentums zur Staatsreligion dieses Reiches (391 n. Chr.) und anderen Faktoren bestimmt.

Ein weiterer bedeutender Anteil der Juden lebte im Perserreich, wo in der Spätantike und dem frühen Mittelalter mit den Akademien von Sura und Pumbedita in Babylonien, damals Teil des Sassanidenreichs, der intellektuelle Schwerpunkt lag.

Geschichte der Juden im Mittelalter

Darstellung der Vernichtung der Deggendorfer Juden in der Schedel’schen Weltchronik von 1493

Die Geschichte der Juden im Mittelalter (ca. 6. bis 15. Jahrhundert) reicht von der Karolingerzeit bis zur Masseneinwanderung von Aschkenasim in Osteuropa nach den Kreuzzügen des Mittelalters. Die Juden lebten als Schutzbefohlene der Landesherren isoliert in eigenen Wohngebieten, umgeben von einer ihnen durch das Christentum feindlich geprägten Bevölkerung. Seit dem Auftreten der Pestpandemie 1348/49 überschatteten die Judenverfolgungen zur Zeit des Schwarzen Todes ihr Leben. Die übrigen Anhänger des Judentums verteilten sich im Hochmittelalter auch in andere Teile Europas, im Spätmittelalter, im Zuge der Pestpogrome und der Ausweisung beispielsweise aus Frankreich, besonders nach Osteuropa, ferner in die islamische Welt und im Anschluss bei der Vertreibung aus Spanien 1492 nach Eretz Israel. In Spanien wurden seit 1391 die Juden offiziell verfolgt und mussten zwischen Hinrichtung und Zwangstaufe wählen. Eine besondere Schärfe erhielten die Verfolgungen, als mit Einführung der Inquisition 1480 unter Ferdinand II. von Aragon und Isabella I. von Kastilien nicht mehr nur die Juden Ziel der Nachstellungen wurden, sondern auch jene, die zwar rein äußerlich zum Christentum konvertiert waren, um ihr Leben zu retten, die aber im Geheimen weiterhin an ihrem alten Glauben festhielten. Juden wurden oft verfolgt, konnten sich stellenweise aber auch unter Beibehaltung von Glaube und Tradition als integraler Bestandteil der lokalen Gesellschaften etablieren.

Geschichte der Juden in der Neuzeit

Napoleon Bonaparte stellt den Kult der Israeliten wieder her. 30. Mai 1806.

Die Geschichte der Juden in der Neuzeit umfasst die Geschichte jüdischer Gemeinschaften und Minderheiten seit der Reformation (1517) bis zur Gegenwart, die sich nach Kontinenten und einzelnen Ländersituationen sehr unterschiedlich entwickelte und die von der Zerstreuung der Sepharden im 16. Jahrhundert bis zur Neugründung des Staates Israel 1948 reicht. Nach der protestantischen Reformation wurden manche Länder Europas toleranter gegenüber den Juden. Erste Anzeichen gab es in England, wo das Commonwealth unter Oliver Cromwell den Juden ab 1650 die Einwanderung anbot. Im 18. Jahrhundert entwickelten sich aus dem Naturrecht die Menschenrechte. Seit der Französischen Revolution im Jahre 1789 wurden die Juden in Europa dadurch nach und nach rechtlich gleichgestellt. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts verschlechterte sich die Lage der jüdischen Bevölkerung in Osteuropa rapide. In Russland kam es zu zahlreichen Pogromen, die ihren Höhepunkt gegen Ende des Jahrhunderts erreichten und bis zur Russischen Revolution 1917 immer wieder aufflammten. Zwischen 1890 und dem Ende des Ersten Weltkriegs emigrierten als Folge der Pogrome rund zwei Millionen Juden aus Russland in die Vereinigten Staaten. Die Judenvertreibungen aus arabischen und islamischen Ländern war der Exodus, die Flucht, Vertreibung und Massenauswanderung von über 1,1 Millionen Juden,[6][7] hauptsächlich sephardischer und mizrachischer Herkunft aus arabischen und muslimischen Ländern von 1948 bis in die 1970er Jahre, die abgeschwächt bis heute anhält.

Geschichte der Juden in der Diaspora

Beit Hatefutsot, Museum der Geschichte der jüdischen Diaspora in Ramat Aviv.

Die Diaspora (Vorlage:ELSalt, Zerstreuung) ist eine Bezeichnung, die ursprünglich ausschließlich auf Juden angewendet wurde, die außerhalb des Heiligen Landes lebten. Im Hebräischen war lange der Begriff Galut (Exil; hebräisch גלות) gebräuchlich. Erst im 20. Jahrhundert wurde als Analogie zum griechischen Begriff Diaspora das Wort Hatefutsot (hebräisch בתפוצות) gebildet. Man versteht darunter die Auswanderung oder Flucht in jüdische Gemeinden außerhalb Palästinas. Als Ursache für die Entstehung der Diaspora werden politische, religiöse oder wirtschaftliche Aspekte angeführt. Der Beginn der Diaspora wird mit der Gründung jüdischer Gemeinden in Babylonien beschrieben, die in Folge der Eroberung Judas durch den babylonischen König Nebukadnezar (Nabû-kudurrī-uṣur II.) im Jahr 587/86 v. Chr. entstanden. Bedeutende Zentren jüdischer Gemeinden waren in der Folge in Ägypten, in Kyrenaika (Teil des heutigen Libyen), Nordafrika, Zypern, Syrien, Kleinasien, mit den vorgelagerten Inseln Chios und Samos, und schließlich in Griechenland und Rom, bis die Vertreibung beziehungsweise Auswanderung sich weltweit ausbreitete.

Seit der Gründung des Königreichs Polen im 10. Jahrhundert war Polen einer der tolerantesten Staaten Europas. Mit dem 1264 von Herzog Bolesław dem Frommen von Polen (1224/27–1279) erlassenen Statut von Kalisch[8] und seiner Bestätigung und Erweiterung durch König Kasimir den Großen im Jahr 1334 erhielten die Juden weitgehende Rechte zugestanden und Polen wurde zur Heimat für eine der größten und vitalsten jüdischen Gemeinden der Welt. Vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges lebten in Polen rund 3.350.000 Juden.

Trotz einer 2000jährigen Geschichte der Juden in Russland bildete das Jahr 1881 einen Wendepunkt. Pogrome und restriktiven Erlasse sowie der administrative Druck führten zu einer Massenauswanderung. Zwischen 1881 und 1914 verließen etwa 2 Millionen Juden Russland, viele unter ihnen emigrierten in die USA. Der Historiker Orlando Figes geht zwischen 1919 und 1920 von weiteren 1200 Pogromen mit 150.000 Toten aus.[9][10]

Weltweit leben 8,1 Millionen Juden in der Diaspora (in Israel 6,2 Millionen), die meisten in den Vereinigten Staaten (5,7 Millionen), gefolgt von Frankreich (467.000), Kanada (386.000), Großbritannien (290.000), Russland (183.000) und Argentinien (181.000); (Stand: 2014).[11]

Geschichte der Juden in Deutschland

Verbreitung der Juden im Deutschen Reich, ca. 1895
Jüdische Soldaten in der deutschen Armee begehen Yom Kippur, am 23. September 1870 während des Deutsch-Französischen Krieges. The Feuchtwanger Collection, Israel-Museum, Jerusalem.

Die Geschichte der Juden in Deutschland ist die einer ethnischen und konfessionellen Minderheit im deutschen Sprachraum Mitteleuropas. Die älteste jüdische Gemeinde siedelte in Mainz (erste Hälfte 10. Jahrhundert). Von dieser Zentralgemeinde aus bildeten sich weitere Gemeinden in Trier (1066), Worms (1084) und Speyer (1090), die SCHUM-Städte (nach den hebräischen Anfangsbuchstaben der drei Stadtnamen) genannt wurden. Ein jüdisches Zentrum war im frühen 11. Jahrhundert Köln. In Regensburg, das für den Osthandel bedeutend war, sind bereits 981 Juden als Einwohner bezeugt. Trotz zahlreicher Verfolgungen, wie im übrigen Mitteleuropa, wurde die jüdische Präsenz im deutschen Sprachgebiet in den folgenden Jahrhunderten kaum je unterbrochen. Zahlreiche berühmte Schriftsteller, Mediziner und Musiker bereicherten die kulturelle Landschaft.[12] In dieser Zeit erlebten sie sowohl Toleranz als auch antijudaistische, später antisemitische Gewalt, die im Holocaust gipfelte. Nach dem Zweiten Weltkrieg blieben etwa 15.000 Juden in der Bundesrepublik Deutschland, [13] die sukzessive das jüdische Gemeindewesen wieder aufbauten. In der DDR schrumpfte bis zum Mauerbau 1961 wegen anhaltender Diskriminierung die Zahl der in den Gemeinden registrierten Juden auf etwa 1500. Gegen Ende des kalten Krieges (1989) lebten in der DDR etwa 400 Juden,[14] in der Bundesrepublik Deutschland etwa 29.000. Im Zeitraum von 1991 bis 2015 wanderten rund 230.000 Juden aus der GUS (Nachfolgestaaten der Sowjetunion) nach Deutschland ein[15] und teilweise wieder aus. Stand 2015 leben 117.000 Juden in Deutschland, 99.695 sind Mitglieder der jüdischen Gemeinden in Deutschland.[16][17] Ohne der Zuwanderer aus der GUS wäre die Mitgliederzahl bereits bis zum Jahr 2000 auf 17.902 gesunken.[18] Schätzungen sprechen von bis zu 200.000 Juden in Deutschland.[19]

Erster Weltkrieg

Im Ersten Weltkrieg (1914–1918) wollten die deutschen Juden ihren Patriotismus beweisen, wie bereits zuvor im Feldzug Preußens und Österreichs gegen Dänemark im Jahre 1864, im Preußisch-Österreichischen Krieg von 1866 und im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71. Doch antisemitische Hetze und Propaganda machten sie später zu Sündenböcken für den verlorenen Krieg. Die Ergebnisse der staatlich angeordneten sog. Judenzählung vom 1. November 1916 zum Nachweis der beim Heer befindlichen wehrpflichtigen Juden wurden bis Kriegsende geheim gehalten. Das verstärkte die Ressentiments gegen jüdische Kriegsteilnehmer erheblich. Der Reichsbund jüdischer Frontsoldaten wurde im Februar 1919 auf Initiative von Leo Löwenstein gegründet. Seine Zielsetzung war die Abwehr des Antisemitismus in Deutschland unter Berufung auf die Tatsache, dass im Ersten Weltkrieg etwa 85.000 deutsche Juden gekämpft hatten, von denen etwa 12.000 fielen.[20]

Zweiter Weltkrieg

Insgesamt kämpften während des Zweiten Weltkriegs 1.406.000 Soldaten oder Widerstandskämpfer jüdischen Glaubens gegen die deutsche Wehrmacht, darunter aus den USA 550.000, von denen geschätzt 11.000 Juden fielen oder als vermisst gemeldet wurden, aus der UdSSR 500.000, Polen 190.000, England 62.000, Frankreich 48.000, Juden aus Palästina 30.000, Kanada 16.000, Griechenland 13.000, Jugoslawien 12.000, Südafrika 10.000, Tschechoslowakei 8.000, Belgien 7.000 und Australien 3.000.[21][22]

Polenfeldzug

Während des Septemberkriegs (Polenfeldzug 1939) nahmen 120.000 polnische Bürger jüdischer Abstammung als Mitglieder der polnischen Armee an den Kämpfen gegen die Deutschen und Sowjets teil. Man nimmt an, dass während des gesamten Zweiten Weltkriegs 32.216 jüdische Soldaten und Offiziere starben und 61.000 von den Deutschen gefangen genommen wurden; die Mehrheit überlebte dies nicht.[23]

Russlandfeldzug

Während des Zweiten Weltkriegs (Unternehmen Barbarossa, 1941) zeichneten sich die jüdischen Soldaten der Roten Armee durch außergewöhnliche Loyalität gegenüber der Sowjetunion aus. Von den 500.000 Juden, die in der sowjetischen Armee dienten, fielen etwa 200.000 im Kampf.

Schoah

Holocaust Gedenkstätte in Berlin

Die Schoah war der nationalsozialistische Völkermord an 5,6 bis 6,3 Millionen europäischen Juden, darunter 2,7 Millionen Juden aus Polen und 2,1 Millionen Juden aus der Sowjetunion. Unter den Ermordeten befanden sich 1,5 Millionen Kinder. Deutsche und ihre Helfer führten ihn von 1941 bis 1945 systematisch, ab 1942 auch mit industriellen Methoden durch, mit dem Ziel, alle Juden im deutschen Machtbereich zu vernichten. Dieses Menschheitsverbrechen gründete auf dem staatlich propagierten Antisemitismus und der entsprechenden rassistischen Gesetzgebung des NS-Regimes. Die Nazis haben während des Dritten Reichs etwa 42.500 Lager errichtet. Im Einzelnen wurden 980 Konzentrationslager gezählt, darunter Vernichtungslager, wie Auschwitz-Birkenau, Treblinka oder Majdanek, 30.000 Arbeitslager einschließlich ihrer oft zahlreichen Außenstellen, 1150 jüdische Ghettos, darunter das größte Ghetto in Warschau mit 450.000 Juden, 1000 Kriegsgefangenenlager und nicht weniger als 500 Zwangsbordelle und Wehrmachtsbordelle. Allein für Berlin wurde eine Zahl von 3000 Zwangsarbeitslagern und sogenannten „Judenhäusern“ ermittelt.[24] Die Gesamtzahl der Opfer deutscher Massenverbrechen wird mit 13,1 bis 13,3 Millionen angegeben.[25]

Im Jahre 1925 erklärten sich 563.733 Personen der jüdischen Religionsgemeinschaft zugehörig, das waren 0,9 % der Gesamtbevölkerung des Deutschen Reiches. Nach der Volkszählung vom 16. Juni 1933, hatte sich ihre Anzahl auf 499.682 reduziert. Die Anzahl der ermordeten Juden während des Nationalsozialismus im Deutschen Reich in den Grenzen von 1933 wird mit 160.000 angegeben.[26] 340.000 Juden sind rechtzeitig geflohen, wurden vertrieben oder sind ausgewandert.

Geschichte der Juden in Österreich

Wien, Judenplatz

Das Judentum auf dem Boden des heutigen Österreichs ist erstmals in der Römerzeit nachweisbar. Zu Beginn des 10. Jahrhunderts gab es mit der Raffelstettener Zollordnung die erste Urkunde, in der Juden in diesem Gebiet als Händler erwähnt werden. In Wien, im Burgenland und östlichen Niederösterreich erzählt eine jahrhundertelange Geschichte vom Bestehen jüdischer Gemeinden. Es gab in nahezu allen Kronländern Österreich-Ungarns größere jüdische Minderheiten, besonders in Galizien und der Bukowina. Nach der rechtlichen Gleichstellung der Juden sowie bedingt durch die Industrialisierung wanderten viele Juden aus den ländlicheren Gebieten in die Städte der Monarchie aus. Juden war Ende des 12. und Anfang des 13. Jahrhunderts der Aufstieg in hohe Stellungen nicht verwehrt. Mit den Toleranzpatenten Josephs II. begann die Emanzipation auch für die traditionell ghettoisierten, damals etwa 1,5 Millionen Juden der Habsburger Monarchie. In der Märzrevolution 1848 engagierten sich Akademiker, darunter viele gebildete Juden, meist für den Liberalismus. Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich flohen rund zwei Drittel der österreichischen Juden vor der NS-Diktatur, etwa 65.000 wurden ermordet. Nur wenige überlebten den NS-Terror, noch weniger kehrten zurück. Nach 1945 wurden in den größten Städten kleine jüdische Gemeinden wiedergegründet. Heute leben vor allem durch Zuwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion zwischen 8000 und 15.000 Juden in Österreich – heute wie damals überwiegend in Wien.

Geschichte der Juden in der Schweiz

Basler Synagoge

Erste Juden kamen mit den Römern in das Gebiet der heutigen Schweiz. Im Jahre 1213 ist die Anwesenheit von Juden in Basel bezeugt, als der dortige Bischof die Rückgabe eines Pfandes anordnete, das er bei einem jüdischen Geldverleiher hinterlegt hatte. Im Laufe des 13. Jahrhunderts wurden zahlreiche jüdische Gemeinden gegründet; die bedeutendsten befanden sich in Bern, Zürich und Luzern.[27] In dieser Zeit waren sie zunehmenden Verfolgungen, oft nach dem Muster der Ritualmordlegende, ausgesetzt. In der Alten Eidgenossenschaft lebten die Juden seit dem frühen 17. Jahrhundert in der Gemeinen Herrschaft Baden unter einem „teuren“ Sonderstatut, letztmals beschlossen von der Tagsatzung 1776. Der Wohnsitz der Juden war auf die beiden Dörfer Endingen und Lengnau beschränkt. Die Helvetik trieb zwar die Idee der Emanzipation voran, setzte sie aber nicht durch. Erst mit der Teilrevision der Bundesverfassung von 1866 wurde den Juden in der Schweiz die Niederlassungsfreiheit und die volle Ausübung der Bürgerrechte gewährt.[28][29] Im Zweiten Weltkrieg wurden an den Schweizer Grenzen mindestens 30.000 Personen abgewiesen, darunter auch viele Juden.[30] In der Schweiz leben heute etwa 18.000 bis 20.000 Juden.

Geschichte des Staates Israel

Schiff der Hagana namens Jewish State („Jüdischer Staat“) im Hafen von Haifa, 1947
Bekleidung der Juden im mittelalterlichen Frankreich

Die Geschichte des Staates Israel begann nicht erst mit seiner Gründung im Jahr 1948. Ihr gingen Bemühungen von Vordenkern des Zionismus über einen Zeitraum von mehr als 100 Jahren voraus, die eine Rückkehr von Juden nach Eretz Israel ermöglichen und später einen souveränen Nationalstaat mit eigenem Staatsgebiet für die Juden schaffen wollten. Die organisierte Einwanderung von russischen Juden begann um das Jahr 1880 mit der Chibbat Zion-Bewegung, einer Vorläuferorganisation des Zionismus. In den nächsten Jahrzehnten, bis um das Jahr 1930, wanderten in den vier ersten Alijot Hunderttausende von Juden aus dem Zarenreich bzw. der Sowjetunion nach Palästina aus. Am 14. Mai 1948 zogen sich die letzten britischen Streitkräfte aus Palästina zurück und David Ben-Gurion verlas die israelische Unabhängigkeitserklärung. Noch in der Gründungsnacht erklärten Ägypten, Saudi-Arabien, Jordanien, Libanon, Irak und Syrien dem jungen Staat den Krieg. Allein in den ersten Jahren zwischen 1948 und 1952 kamen über 600.000 jüdische Immigranten nach Israel und verdoppelten die Gesamtbevölkerung.[31] In der Folge kam es zu mehreren Kriegen, wie dem Sinai-Krieg, dem Sechstagekrieg, dem Jom-Kippur-Krieg oder dem Libanonkrieg 1982, dem Zweiten Golfkrieg und dem Libanonkrieg 2006. Hinzu kamen die Erste Intifada und die Zweite Intifada. Nach dem Amtsantritt von Michail Gorbatschow und der von ihm ins Leben gerufenen Perestroika wurden die Ausreisebestimmungen gelockert. 1989 begann die Masseneinwanderung von jüdischen Menschen aus der Sowjetunion.[32] Insgesamt wanderten bis zum Jahr 2003 über eine Million Menschen aus Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion nach Israel ein.

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Literatur

Einzelnachweise

  1. Berthold Seewald, Der Auszug aus Ägypten - war alles ganz anders?, N24, 23. Dezember 2014. Abgerufen am 1. Oktober 2016 – unter Bezugnahme auf Israel Finkelstein, Das vergessene Königreich – Israel und die verborgenen Ursprünge der Bibel, 2. Auflage 2015. ISBN 978-3-406-66960-6 und Israel Finkelstein, Neil A. Silberman, Keine Posaunen vor Jericho: Die archäologische Wahrheit über die Bibel, 1. Dezember 2004, ISBN 3-423-34151-3.
  2. Werner H. Schmidt: Einführung in das Alte Testament. Walter de Gruyter, 1995, ISBN 978-3-11-014102-3, S. 7– (google.com).
  3. Erich Zenger: Einleitung in das Alte Testament. W. Kohlhammer Verlag, 2008, ISBN 978-3-17-020695-3 (google.com). S. 604
  4. Erich Zenger: Einleitung in das Alte Testament. W. Kohlhammer Verlag, 2008, ISBN 3-17-020695-8, S. 599
  5. William Matthew Flinders Petrie, Wilhelm Spiegelberg: Six Temples at Thebes. 1896. Quaritch, London 1897, S. 13.
  6. Jüdische Flüchtlinge aus arabischen Staaten; VI - The Arab refugees – Eine Einführung, (englisch). Abgerufen am 10. August 2016.
  7. Warren Hoge: Group seeks justice for 'forgotten' Jews. In: The New York Times. 5. November 2007, abgerufen am 12. August 2016.
  8. Susanna Buttaroni, Stanisław Musiał, Susanna Buttaroni, Stanisław Musiał: Ritualmord: Legenden in der europäischen Geschichte. Böhlau Verlag Wien, 2003, ISBN 978-3-205-77028-2, S. 215 (google.com).
  9. Orlando Figes: A People’s Tragedy – The Russian Revolution 1891–1924, Pimlico, 1997, S. 679. ISBN 0-7126-7327-X
  10. Fritz Bauer Institut, Völkermord und Kriegsverbrechen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts , Campus Verlag, Hamburg, (2004) ISBN 3-593-37282-7
  11. Annual Assessment 2015–2016, The Jewish People Policy Institute, S. 16. Abgerufen am 12. August 2016.
  12. Persönlichkeiten, Jüdische Geschichte und Kultur. Abgerufen am 8. August 2016.
  13. Deutschland nach 1945 – Überblick, Jüdische Geschichte und Kultur. Abgerufen am 8. August 2016.
  14. Zentralrat der Juden-Judentum in der DDR. Abgerufen am 14. August 2016.
  15. Sonja Haug/Peter Schimany: Jüdische Zuwanderer in Deutschland. Working Papers 3/2005, Nürnberg 2005, S. 6. Abgerufen am 6. August 2016.
  16. Mitglieder der jüdischen Gemeinden in Deutschland von 2003 bis 2014, Statista. Abgerufen am 10. September 2016.
  17. Wachstum der Mitgliederzahl von 1990 bis 2015. Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland. Abgerufen am 12. September 2016.
  18. Mitgliederstatistik 1990-2000 Auszüge. Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland. Abgerufen am 12. September 2016.
  19. Editorial, Bundeszentrale für politische Bildung. Abgerufen am 10. September 2016.
  20. Cora Stephan, 12.000 jüdische Soldaten fielen für Kaiser Wilhelm, DIE WELT, 06. Oktober 2015. Abgerufen am 17. September 2016.
  21. Arno Lustiger, Der Anteil der Juden am Sieg der Alliierten im Zweiten Weltkrieg: Jüdische Soldaten im Kampf gegen den Faschismus. In: Hans Erler, „Gegen alle Vergeblichkeit" : jüdischer Widerstand gegen den Nationalsozialismus, Campus-Verlag, 2003. ISBN 3-593-37362-9. Abgerufen am 3. Oktober 2016.
  22. Jüdische Soldaten in den Armeen der Alliierten Yad Vashem. Abgerufen am 3. Oktober 2016.
  23. Christoph Studt: Das Dritte Reich in Daten. Beck, München 2002, ISBN 978-3-406-47635-8, S. 115.
  24. US-Forscher: 42 500 Lager in der Nazizeit in Der Tagesspiegel, 3. März 2013. Abgerufen am 13. August 2016.
  25. Hellmuth Auerbach: Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Legenden, Lügen, Vorurteile. Ein Wörterbuch zur Zeitgeschichte. Dtv, Neuauflage 1992, ISBN 3-423-04666-X, S. 161 f.
  26. Wolfgang Benz (Hrsg.): Dimension des Völkermords. Die Zahl der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus. DTV, München 1996, ISBN 3-423-04690-2.
  27. Fred Skolnik, Encyclopaedia Judaica. 2. Auflage, Macmillan Reference USA, Band 15, S. 554, 12. Dezember 2006. ISBN 0-02-865928-7.
  28. 150 Jahre Gleichberechtigung der Schweizer Juden – Der lange Weg aus dem Ghetto in Neue Zürcher Zeitung vom 16. Januar 2016. Abgerufen am 6. August 2016.
  29. Der lange Weg der Schweizer Juden zur Gleichstellung in Berner Zeitung vom 13. Januar 2016. Abgerufen am 6. August 2016.
  30. Veröffentlichungen der Unabhängigen Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg – Band 17. Abgerufen am 6. August 2016.
  31. Historische Entwicklung der jüdischen Einwanderung, Bundeszentrale für politische Bildung. Abgerufen am 2. Oktober 2016.
  32. Informationen zur politischen Bildung, Israel, Nr. 287, S. 80