Plattenbau
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Plattenbauten sind vorwiegend aus Betonfertigteilplatten hergestellte Wohngebäude.
Geschichte
Die ersten Häuser, bei denen vorgefertigte Großplatten in Stahlbetonbauweise verwendet wurden, entstanden 1918 in der Siedlung Forest Hills in Long Island/New York in den USA. Benannt nach dem Ingenieur Grosvenor Atterbury wurde das Konstruktionsprinzip als System Atterbury bekannt. Vorangegangen waren namentlich in Großbritannien und Frankreich Experimentalbauten und Serienfertigung sowohl mit anderen Ausgangswerkstoffen (Holz, Metall, Stampfbeton), als auch mit kleinerformatigen Betonelementen.
In Deutschland wurden die ersten Gebäude in Tafelbauweise in den Jahren 1926 bis 1930 in Berlin-Lichtenberg, Ortsteil Friedrichsfelde, nach Entwürfen des damaligen Stadtbaurats Martin Wagner errichtet. Es handelt sich um einen zwei- bis dreigeschossigen Siedlungsbau mit ursprünglich 138 Wohnungen, der heute den Namen Splanemann-Siedlung trägt.
Starke Verbreitung fanden die Plattenbauten nach dem Zweiten Weltkrieg in den 1960er bis in die 1980er Jahre in der DDR und anderen realsozialistischen Staaten als Form des industriellen Wohnungsbaus unter Anlehnung an die Bauhausarchitektur. Auch in Staaten wie den USA, Großbritannien, Frankreich oder der BRD wurden und werden nach wie vor größere Wohnbauten, Bürohochhäuser, Industriebauten und andere Großbauten aus vor Ort oder werkseitig gegossenen Betonplatten und aus vorproduzierten Fertigteilen wie Glasfronten, Fassadenplatten und Betonfertigteilen aufgebaut. Der in der BRD gebräuchliche Begriff für Plattenbauten ist "Bauten in Großtafelbauweise". Prominentes Beispiel ist das Hansaviertel im damaligen Westteil von Berlin. In der Schweiz werden Plattenbauten als "Bauten in Elementbauweise" bezeichnet. Hier sind vor allem die "Göhnerbauten" bekannt.
Der Begriff ‚Plattenbau‘ wird häufig abwertend gebraucht. Insbesondere durch die fabrikmäßige Herstellung können auch Plattenbauten eine gute Qualität haben, sofern der notwendige Unterhalt durchgeführt wurde und man von der oft mangelhaften Wärmedämmung absieht.
DDR
Mit Beschluss des Wohnungsbauprogramms 1972 in der DDR, welches der Beseitigung des Wohnraummangels dienen sollte, wurde der Plattenbau zum wichtigsten Wohnungstyp. Neue Stadtteile oder ganze Städte (z.B. Halle-Neustadt mit bis zu 100.000 Einwohnern) wurden meist gänzlich in Plattenbauweise errichtet. Insgesamt wurden über 3 Millionen Plattenbauwohnungen fertiggestellt (häufig vorkommender Typ WBS70).
Während anfänglich die Plattenbauten einfache Lochfassaden und nur wenige Verzierungen aufwiesen, wurde zu Beginn der 1980er Jahre an städtebaulich wichtigen Punkten, die repräsentativ aussehen sollten, versucht, die Plattenbauten in ihrer Fassadenstruktur dem umgebenden Bestand durch historisierende Formen anzupassen. Das gilt beispielsweise für die Bauten an der Friedrichstraße und am Gendarmenmarkt in Berlin, aber auch für die aufwändig wiederaufgebauten Gebäude im Nikolaiviertel, deren kleines Format und spitze Giebel im Plattenbau fast schon überraschend wirken.
Leider galt das nicht für viele Neubaugebiete außerhalb der Hauptstadt. So gab es beispielsweise im Bautzener Stadtteil Gesundbrunnen nur die Farben Dunkelgrau und Hellgrau an den Fassaden. Nachfolgearbeiten wie Wärmedämmung und Begrünung wurden oft mit jahrelanger Verzögerung ausgeführt. Es entstanden so genannte ‚Mondlandschaften‘ um die Wohnhäuser. Teilweise wurden Gelder, die für den Ausbau der Wohngebiete vorgesehen waren, nach Berlin abgezogen. Verständlich, dass die Bewohner dieser Plattenbauten die Entwicklung der Architektur in Berlin mit gemischten Gefühlen sahen. Dieses Gefühl der Benachteiligung gegenüber den Hauptstadtbewohnern trug nicht unwesentlich zum Unmut bei, der sich letztlich in den Demonstrationen der Wendezeit entlud.
Dennoch waren die Plattenbauwohnungen zur Zeit ihrer Entstehung bei den DDR-Bürgern beliebt und begehrt. Jeder, der eine Zuweisung für eine derartige Wohnung bekam, war glücklich darüber, waren diese Wohnungen doch mit Komfort ausgestattet, wie fließendem warmen und kalten Wasser, Heizung ohne Kohlenschleppen, Toilette in der Wohnung, Badewanne usw., den es in Altbauwohnungen oft nicht gab. Die Mieten waren zwar höher als für eine Altbauwohnung, für heutige Begriffe jedoch minimal (z. B. 3½ Zimmer-Wohnung, 68qm, mit Balkon - Warmmiete: 118 Mark)
Das Wohnungsbauprogramm war ein ehrgeiziges Programm, wie es in vergleichbarer Form anderswo nicht zu finden war. Ein nicht geringer Teil des Staatshaushaltes wurde dafür verwendet. Leider wurden die älteren Gebäude in den historischen Stadtkernen nicht in gleicher Weise gefördert. Diese Häuser - oft in Privatbesitz - konnten bei festgeschriebenen niedrigen Mietpreisen in der Regel nicht die Einnahmen erwirtschaften, die notwendig waren, um sie zu erhalten. Somit war der teilweise Verfall der historischen Innenstädte eine Kehrseite des DDR-Wohnungsbauprogramms. Seit Beginn der 1980er Jahre wurde auch in die Komplexsanierung von Altbauten in den Innenstädten investiert, was aber teilweise zu Flächenabriss zugunsten innerstädtischer Plattenbauten führte.
Wahrnehmung
Als Synonym für Plattenbauten wurde in der ehemaligen DDR häufig Arbeiterschließfach oder Schnarchsilo verwendet.
In Westdeutschland wurde das Wort "Platte" oft abwertend als Inbegriff von ‚DDR-Baukultur‘ verwendet, doch sind Plattenbauten nicht nur in den sozialistischen Ländern gebaut worden, sondern auch in den Großsiedlungen Westeuropas der 1960er und 1970er Jahre. Beispiele von Großsiedlungen in Großplattenbauweise in den alten Bundesländern sind u.a. Berlin-Gropiusstadt, Bremen-Blockdiek, Frankfurt am Main-Nordweststadt und Hamburg-Mümmelmannsberg, die heute meist als soziale Brennpunkte bekannt sind.
Probleme
Bedingt durch die Ost-West-Migration in Deutschland stehen heute besonders viele Plattenbauten im Osten Deutschlands leer. Inzwischen bemühen sich Architekten und Stadtplaner, die Attraktivität von Plattenbauhäusern und -siedlungen zu steigern. Durch Grundrissänderung, Modernisierung, Wohnumfeldverbesserung, Infrastrukturmaßnahmen. z.T. auch Verringerung der Geschosszahl, soll die Vermietbarkeit erhöht und Leerstand vermieden werden. Die Bundesregierung vergibt heute oftmals nur dann Fördermittel an Städte und private Wohnungsgesellschaften, wenn eine bestimmte Abrissquote vorgewiesen wird, die aber nicht bei privaten Altbauten - und seien sie noch so marode - durchgesetzt werden kann, sondern bei Neubauten aus der DDR-Zeit, die häufig kommunalen Wohnungsgesellschaften gehören.
In Abhängigkeit von örtlichen Gegebenheiten gibt es auch diverse Wohnviertel, die nach Modernisierung und ggf. architektonischer Aufwertung praktisch keinen Leerstand aufweisen, da sie eine begehrte Wohnlage darstellen, beispielsweise das Salvador-Allende-Viertel im Berliner Stadtteil Köpenick.
Forschung
Das Institut für Erhaltung und Modernisierung von Bauwerken e.V. (IEMB) an der TU Berlin erforscht und dokumentiert Technik und Probleme von Plattenbauten, insbesondere im Zusammenhang mit der Erhaltung und Modernisierung von Wohngebäuden in den neuen Bundesländern. Modellhaft wurde zudem die Wiederverwendung von Platten bei neu errichteten Einfamilienhäusern erprobt.
Im Juli 2004 wurde in Dresden eine Plattenbauausstellung eröffnet.