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Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf

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Mahn- und Gedenkstätte Landeshauptstadt Düsseldorf, Stadthaus

Die Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf für die Opfer nationalsozialistischer Gewaltherrschaft wurde 1987 in Düsseldorf eröffnet und erinnert an alle Opfer des NSDAP-Regimes. Sie befindet sich im historischen Stadthaus in der Altstadt. Sie zeigt seit Mai 2015 die Dauerausstellung „Düsseldorfer Kinder und Jugendliche im Nationalsozialismus“.[1][2][3]

Gedenkstätte im historischen Stadthaus

Raum des Luftschutzbunkers im Keller der Gedenkstätte

Die Gedenkstätte befindet sich im Westteil des alten Stadthauses. Die Räume dienten in der Zeit des Nationalsozialismus als Büros, Vernehmungsräume und Haftzellen der Polizei. 1926 bis Anfang 1934 hatte hier das Polizeipräsidium seinen Sitz, dem zwischen April 1933 und März 1934 auch die neu entstandene Staatspolizeileitstelle Düsseldorf (Gestapo) untergeordnet war. Später bezog das Wehrbezirkskommando das Haus, ferner waren städtische Behörden untergebracht, die an der Verfolgung und Ausgrenzung von Juden, Sinti und Homosexuellen beteiligt waren oder für den „Arbeitseinsatz“ der rund 40.000 Zwangsarbeiter auf Düsseldorfer Stadtgebiet (Arbeitsamt) verantwortlich zeichneten. Auch war die 20. SS-Standarte Mieterin im Stadthaus. Im Krieg wurden die Kellerräume als öffentliche Luftschutzräume genutzt, die noch heute zu besichtigen sind.

Entstehung

Bereits kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde vorgeschlagen, eine Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus in Düsseldorf zu errichten. Beschlossen wurde zunächst die Errichtung eines zentralen Mahnmals, das aber erst 1958 am Nordfriedhof durch den Künstler Jupp Rübsam realisiert werden konnte.

Infolge des Prozesses gegen ehemalige Angehörige der Kommandantur und der Wachmannschaften des Konzentrationslagers Majdanek (Majdanek-Prozess), die 1975 bis 1981 vor dem Landgericht Düsseldorf stattfanden, wurden die Überlegungen, eine zentrale Gedenkstätte einzurichten, von Jugendverbänden, den Kirchengemeinden, der Jüdischen Gemeinde, dem 1982 gegründeten Landesverband Deutscher Sinti und Roma NRW und der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) wieder aufgegriffen. Im Jahre 1986 stimmten schließlich alle im Rat vertretenen Parteien für die Einrichtung einer zentralen Gedenkstätte. Der Düsseldorfer Jugendring hatte besonders hierfür plädiert; alle Gruppen engagierten sich für die Einrichtung, die schließlich am 17. September 1987 als Kulturinstitut der Landeshauptstadt Düsseldorf eröffnet werden konnte. Die Gedenkstätte wurde von 1988 bis zum 31. Dezember 2010 von der Historikerin und Pädagogin Angela Genger geleitet, die zuvor Leiterin der Alten Synagoge Essen gewesen war; ihr Nachfolger wurde 2011 der Historiker Bastian Fleermann.

Konzept und Aufgaben

Büros und Archiv, Mühlenstraße 6

Die Mahn- und Gedenkstätte widmet sich der Befragung von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen und dokumentiert und analysiert die Zeit des Nationalsozialismus in Düsseldorf. Sie verfügt über umfangreiche Archiv- und Sammlungsbestände sowie über eine Präsenzbibliothek mit über 8000 Bänden zur Zeitgeschichte. Zu besichtigen war bis 2011 die in den Jahren 1986/87 erstellte Dauerausstellung Verfolgung und Widerstand in Düsseldorf 1933–1945. Die Ausstellung, die maßgeblich durch die Historiker Bernd-A. Rusinek und Kerstin Griese konzipiert wurde, informierte über die Situation der katholischen und evangelischen Kirche und deren Mitglieder, über die Zeugen Jehovas, über die politischen Parteien wie SPD und KPD sowie über die Anarchisten. Düsseldorfer Künstler unter dem Nationalsozialismus wurden vorgestellt, ebenso dargestellt wurden die Euthanasie, die Verfolgung der Sinti und Roma und deren Ermordung. Ein eigener Raum erinnerte zudem an die ausgegrenzten, vertriebenen und ermordeten Juden in Düsseldorf. Diese Dauerausstellung wurde 2011 abgebaut.[4][5][6] Archiv- und Verwaltungsräume sind seit 2009 dauerhaft im nahe gelegenen Haus Mühlenstraße 6 angesiedelt.[7]

Umbau und Neukonzeption 2011 bis 2015

Nach vierjähriger Umbauphase, Modernisierung und Erweiterung wurde das Haus am 14. Mai 2015 mit verdreifachter Gesamtfläche durch Oberbürgermeister Thomas Geisel wiedereröffnet. Seitdem ist auch die neue, biografisch-erfahrungsgeschichtlich ausgerichtete Dauerausstellung „Düsseldorfer Kinder und Jugendliche im Nationalsozialismus“ zu sehen. Anhand von Beispielen wird der Frage nachgegangen, wie sich junge Menschen während der Zeit des Nationalsozialismus verhalten haben, welche Alltagserfahrungen und Prägungen sie erfahren haben und was aus ihnen wurde. In einem neuen Anbau im ehemaligen Innenhof („Forum“) thematisiert eine kleinere Dauerausstellung die Nachgeschichte des Nationalsozialismus in Düsseldorf von 1945 bis heute. Im Hinterhaus befinden sich der „Julo-Levin-Raum“ für Veranstaltungen, Sonderausstellungen und die didaktische Arbeit sowie ein „Offenes Archiv“ und die Bibliothek. Der Luftschutzkeller ist weiterhin zu besichtigen. Die neu konzipierte Gedenkstätte ist barrierefrei, multimedial vernetzt und mit Hilfe eines Audioguides für englischsprachige Besucher erschließbar.

Gedenk- und Lernort

Das Institut richtet im Auftrag der Stadt Gedenkveranstaltungen aus, beispielsweise zum 9. November oder an der Statue Ehra oder Kind mit Ball am alten Hafen in der Carlstadt (Mahnmal für die ermordeten Sinti und Roma). Die Gedenkstätte initiierte das Projekt Weg der Befreiung, das 2011 fertiggestellt werden konnte. Auch betreute es die Errichtung eines zentralen Mahnmals auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs Derendorf, das seit April 2012 an die Deportation der rheinischen Juden zwischen 1941 und 1945 erinnert. Das Institut hat sich für die Einrichtung zahlreicher Düsseldorfer Gedenkorte für Opfer des Nationalsozialismus eingesetzt.

Es finden Veranstaltungen und Sonderausstellungen, Schulprojekte, Führungen und Stadtrundgänge statt. Eine umfangreiche Bildungs- und Vermittlungsarbeit wird angeboten, verschiedene Publikationen sind erhältlich. Zwischen 1991 und 2007 wurde das Periodikum Augenblick. Berichte, Informationen und Dokumente der Mahn- und Gedenkstätte mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten herausgegeben (34 Ausgaben). Im Jahr 2015 besuchten mehr als 25.000 Menschen das Museum.

Die städtische Gedenkstätte ist im landesweiten Arbeitskreis der NS-Gedenkstätten und -Erinnerungsorte in NRW organisiert.

Förderverein

Der am 27. Januar 1998 gegründete Förderkreis der Gedenkstätte hat rund 270 Mitglieder.(Stand 2016) Seit März 2013 unterstützen Düsseldorfer Prominente auf der Internetseite des Förderkreises die Gedenkstätte in Form einer Imagekampagne, darunter etwa die Kabarettisten Volker Pispers und Dieter Nuhr, Campino, Spieler der Fortuna Düsseldorf, die Künstler Thomas Struth und Andreas Gursky, Doro Pesch, Christian Ehring und Günther Uecker.[8]

Themenaspekte und größere Forschungsprojekte

Eine Auswahl von Themenaspekten, mit denen sich die Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf auseinandersetzt:

Die Deportation ins Ghetto Litzmannstadt 1941 (2004–2012)

Ziel dieses Projekts war es, die erste Deportation aus dem Regierungsbezirk Düsseldorf am 27. Oktober 1941 in das Ghetto Litzmannstadt (Lodz) zu dokumentieren und die Lebenswege der Deportierten zu erforschen. Zahlreiche Archive und Forschungseinrichtungen im In- und Ausland wurden konsultiert. Ergebnisse: Eine umfassende Buchpublikation (2010), eine CD-ROM mit 1003 Biografien (2011) und ein Ausstellungskatalog (2012) wurden veröffentlicht; eine Wanderausstellung in Zusammenarbeit mit dem NS-Dokumentationszentrum Köln wurde 2011 erarbeitet.

Ort des Gedenkens auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs Derendorf (2004–2012)

Ziel des Projekts war es, verschiedene Gedenkkonzepte in Erinnerung an die Deportationen aus Düsseldorf 1941 bis 1945 zu bündeln und zu einem Ort des Gedenkens im öffentlichen Raum zu gestalten. Ergebnis: Der Ort des Gedenkens wurde am 22. April 2012 eingeweiht.

Gedenkkonzept „Weg der Befreiung“ (2008–2011)

Das Projekt beabsichtigte dauerhaft im Stadtbild an die Befreiung Düsseldorfs vom Nationalsozialismus im April 1945 und an den Widerstand der Gruppe „Aktion Rheinland“ um Dr. August Wiedenhofen, Aloys Odenthal, Franz Jürgens und anderen zu erinnern. Ergebnisse: Eine längerfristige Zusammenarbeit mit dem Fachbereich Architektur der Hochschule Düsseldorf, Professor Tanja Kullack, erfolgte zwischen 2008 und 2009 und mündete in einer Ausstellung. Der historische Pfad „Weg der Befreiung“, der aus 6 Stelen besteht und bis nach Mettmann führt, wurde am 17. April 2011 eingeweiht.

Museumskoffer „Jüdische Kindheit in Düsseldorf gestern und heute“ (2012)

Ziel war es, Kindern und Jugendlichen über vier beispielhafte Biografien vielfältige Aspekte des Lebens jüdischer Kinder in den 1930er bis 1950er Jahren in Düsseldorf anschaulich zu vermitteln. Mit Materialien und Objekten in einem historischen Reisekoffer werden die Kinder zur Beschäftigung damit und darüber hinaus angeleitet. Laufzeit: bis 2012. Ergebnisse: Auf Basis von vier Interviews, die im Archiv der Mahn- und Gedenkstätte vorhanden sind, entstanden Arbeitsmaterialien, die durch Fotos, Dokumente, Objekte und Literatur erweitert das Thema „Jüdische Kindheit“ erfahrbar machen. Einführende Texte für Lehrkräfte und Betreuer führen ins Thema ein und geben didaktisch-methodische Hinweise. Ein mobiles Outreach-Angebot der Gedenkstätte für Kinder und Jugendliche der schulischen und außerschulischen Jugendarbeit zwischen 9 und 14 Jahren. Eine Vorstellung des Koffers erfolgte 2012.

Die Gestapo(leit)stelle Düsseldorf (2010–2012)

Ziel des Projekts war es, grundlegende Informationen zu einer der größten Leitstellen der Gestapo im Reichsgebiet zusammenzutragen und sie für ein breiteres Lesepublikum aufzubereiten. Hierbei wurde mit der Bezirksregierung Düsseldorf und dem Landesarchiv Nordrhein-Westfalen zusammengearbeitet. Eine Publikation wurde in Zusammenarbeit mit der Bezirksregierung Düsseldorf 2012 veröffentlicht.

Die Geschichte der Kriminalpolizei Düsseldorf in Weimarer Republik und NS-Staat (seit 2015)

Erforscht wird die Bedeutung der Kriminalpolizeileitstelle Düsseldorf, deren Einzugsbereich fast ganz Westfalen sowie das nördliche Rheinland umfasste, für die Verfolgung von „Asozialen“, „Berufsverbrechern“, Sinti und Roma unter den Aspekten einer „vorbeugenden Verbrechensbekämpfung“ und der polizeilichen Vorbeugungshaft in Konzentrationslagern. Der Untersuchungszeitraum umfasste die Jahre 1926 bis 1945.

Museumskoffer „Antisemitismus? Nein, danke!“ (2015–2016)

Der Koffer soll an Schulen und Bildungseinrichtungen verliehen werden und dort im Rahmen schulischer oder außerschulischer Projektarbeit der Antisemitismus-/Rassismus-Prävention dienen.

Veröffentlichungen

Schriftenreihe

Seit 2012 gibt der Förderkreis der Gedenkstätte eine Kleine Schriftenreihe der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf im ortsansässigen Droste-Verlag heraus:[9]

  • Bastian Fleermann, Hildegard Jakobs, Frank Sparing: Die Geheime Staatspolizei in Düsseldorf 1933–1945. Geschichte einer nationalsozialistischen Sonderbehörde im Westen Deutschlands. 2012, ISBN 978-3-7700-1486-6.
  • Bastian Fleermann, Hildegard Jakobs: Herrschaft der Gewalt. Die nationalsozialistische Machtübernahme 1933 in Düsseldorf. 2013, ISBN 978-3-7700-1493-4.
  • Barbara Suchy, Ulrich Knufinke: Synagogen in Düsseldorf von 1712 bis zur Gegenwart. 2013, ISBN 978-3-7700-1512-2.
  • Bastian Fleermann, Peter Henkel, Frank Sparing: Das Düsseldorfer Stadthaus. Jesuitenkloster, Polizeipräsidium, Gedenkstätte und Hotel De Medici an der Mühlenstraße. 2014, ISBN 978-3-7700-1532-0.
  • Bastian Fleermann, Hildegard Jakobs: Düsseldorfer Deportationen 1933–1945. 2015, ISBN 978-3-7700-6001-6.
  • Peter Henkel: Die Düsseldorfer KZ-Außenlager: Der Einsatz von KZ-Häftlingen in Düsseldorf zwischen 1942 und 1945. 2016, ISBN 978-3-7700-6010-8.

Aus der Forschungsarbeit der Gedenkstätte

  • Karola Fings, Frank Sparing: „z. Zt. Zigeunerlager“. Die Verfolgung der Düsseldorfer Sinti und Roma im Nationalsozialismus. 1992.
  • Bastian Fleermann, Angela Genger (Hrsg.): Novemberpogrom 1938 in Düsseldorf. Klartext, Essen 2008.
  • Angela Genger, Kerstin Griese (Hrsg.): Aspekte jüdischen Lebens in Düsseldorf und am Niederrhein. Verlag Mahn- und Gedenkstätte, Düsseldorf 1997, ISBN 3-9805963-1-1.
  • Angela Genger: Verfolgung und Widerstand in Düsseldorf 1933–1945. 1990. Ausstellungskatalog
  • Hildegard Jakobs: Zeitspuren in Düsseldorf 1930–1950. Ein Stadtführer. 2002.
  • Christoph Moß (Hrsg.): Verfolgung und Widerstand der „Ernsten Bibelforscher“ (Zeugen Jehovas) während der NS-Zeit in Düsseldorf. 2000.
  • Frank Sparing: „Wegen Vergehen nach § 175 …“. Die Verfolgung der Düsseldorfer Homosexuellen während des Nationalsozialismus. 1997.
  • Frank Sparing, Marie-Luise Heuser (Hrsg.): Erbbiologische Selektion und „Euthanasie“ Psychiatrie in Düsseldorf während des Nationalsozialismus. Klartext, Essen 2001.
Commons: Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Gedenkstätte öffnet ihre Pforten. auf welt.de
  2. Düsseldorfer Schicksale : Gedenkstätte öffnet nach langer Renovierung. auf: juedische-allgemeine.de
  3. Herr Katz besucht sich im Museum. auf: rp-online.de
  4. Angela Everts: Interview mit Bastian Fleermann: „Die Menschen gehen offener mit der Vergangenheit um“. In: Westdeutsche Zeitung. 27. Mai 2013, abgerufen am 7. März 2015.
  5. Michael Brockerhoff: Mahn- und Gedenkstätte wird um ein Hofgebäude erweitert. In: Rheinische Post. 12. September 2013, abgerufen am 7. März 2015.
  6. In einem Jahr soll alles fertig sein. DerWesten.de, 5. September 2013, abgerufen am 7. März 2015.
  7. Sema Kouschkerian: Auf Augenhöhe mit den Kindern. In: Westdeutsche Zeitung. 10. August 2011, abgerufen am 8. Juni 2015.
  8. Sema Kouschkerian: Prominente werben für Gedenkstätte. In: Westdeutsche Zeitung. 1. August 2013, abgerufen am 7. März 2015.
  9. DNB 1025229746

Koordinaten: 51° 13′ 38,1″ N, 6° 46′ 21″ O