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Hugo Lederer

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Hugo Lederer mit der Fotografin Yva

Hugo Lederer (* 16. November 1871 in Znaim/Österreich-Ungarn; † 1. August 1940 in Berlin) war ein österreichischer Bildhauer und Medailleur[1]. Er lebte und wirkte im Berlin der Regentschaft Kaiser Wilhelms II. und der ersten deutschen Demokratie; seine Kunst war dekorativ und apolitisch. Er erhielt zahlreiche Orden und Auszeichnungen, u.a. den Orden pour le merite für Wissenschaft und Kunst (Preußen, 1923), den Maximilians-Orden für Kunst und Wissenschaft (Bayern,1929), den Nordstern-Orden (Schweden,1914), den Titel eines Dr.h.c. von der Universität Breslau (1908). Er war verheiratet mit Anny, geb. Lauffs (1877-1952); das Paar hatte drei Kinder: Heinz (* 1905), Hilde (1907-1984) und Helmut (* 1912).[2] Zur Erinnerung an den bedeutenden Künstler ließ die Direktion des Südmährischen Museums in Znojmo (ehemals Znaim) 2011 eine Bronzetafel an seinem Elternhaus anbringen.[3]

Ausbildung und erste Erfolge

In den Jahren 1884 bis 1888 besuchte Lederer die k.u.k.Fachschule für Tonindustrie in Znaim. Sofort nach seinem Abschluss engagierte ihn Adalbert Deutschmann für sein Kunstgewerbeatelier in Erfurt. Eine akademische Ausbildung hat Lederer nicht erhalten.

1890 wechselte Lederer nach Dresden in die Werkstatt des Bildhauers Johannes Schilling. Zwei Jahre später warb ihn der Bildhauer Christian Behrens nach Breslau ab. Aber noch im selben Jahr ging Lederer nach Berlin zu Robert Toberentz.

1895 machte er sich als freier Bildhauer selbstständig und ließ sich in Berlin nieder. Eine Zeitlang- bis 1924- wohnte und arbeitete er im Atelierhaus Siegmundshof 11 in Berlin-Tiergarten, wo August Gaul und seit 1912 auch Käthe Kollwitz ihre Bildhauer-Ateliers hatten. Danach zog er in der Knesebeckstraße 45 und erhielt Atelierräume in der Hardenbergstraße 34 in der Akademie der Künste. Seinen ersten öffentlichen Auftrag, eine Genius-Gruppe für Krefeld, erhielt er 1898. Es folgte das Bismarck-Denkmal in Wuppertal-Barmen. 1901 gewann sein Entwurf ‚Der Jugend den Mut, dem Alter die Weisheit’ (Fechterbrunnen) im Wettbewerb für einen Schmuckbrunnen auf dem Universitätsplatz zu Breslau den II. Preis (600 M.)- er wurde zur Ausführung bestimmt und 1904 eingeweiht [4]. Seinen größten Erfolg errang er 1902 bei dem Wettbewerb für ein kolossales Bismarck-Denkmal in Hamburg, als einer seiner zwei zusammen mit dem Architekten Johann Emil Schaudt eingereichten Entwürfe, der Roland-Bismarck, prämiert und zur Ausführung bestimmt wurde- die Denkmalseinweihung fand 1906 statt. Im Jahr 1903 verlieh ihm eine Jury auf der Großen Berliner Kunstausstellung die Kleine Goldmedaille. Zusammen mit Hermann Feuerhahn und anderen Bildhauern gründete er 1905 die Werkstätten für Friedhofskunst. Als er 1909 zum Professor ernannt wurde, wählte ihn die Genossenschaft der ordentlichen Mitglieder der Königlichen Kunstakademie (und zwei weitere Künstler) zu „hiesigen ordentlichen Mitgliedern“ [5] der Akademie der Künste.

Foto der Heine-Statue von Hugo Lederer, PAN, 23. Dezember 1913, zwischen S. 726 und 727

Vom Wohlwollen der Kunstkritik begleitet[6] begann er 1911 am Heine-Denkmal für Hamburg zu arbeiten; am 8. Juli 1913 wurde die 2,25 m hohe Bronze-Statue gegossen (die Aufstellung erfolgte 1926). Gleichzeitig fertigte er das Reiterdenkmal für Kaiser Friedrich III. in Aachen an, es wurde 1911 im Beisein von Seiner Majestät Kaiser Wilhelm II. enthüllt[7]. Letzterer sorgte dann dafür, dass Lederer die Leitung der Bildhauerklasse an der Hochschule für Bildende Künste übertragen wurde, als Nachfolger von Prof. Ernst Herter.

Erster Weltkrieg und Weimarer Republik

Lederer gehörte seit 1915 dem politischen Club Deutsche Gesellschaft 1914 an und war beratender Sachverständiger der 1916 gebildeten staatlichen Beratungsstelle für Kriegerehrungen. 1915 bestellte Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg ihn und andere Künstler in das Oberkommando des Heeres an der Ostfront (Ober Ost) nach Kowno, um sich von ihnen medienwirksam porträtieren zu lassen. Vermutlich blieben ihre Leistungen hinter den Erwartungen zurück, denn im November 1915 wurde noch Akademiepräsident Ludwig Manzel zugezogen, und erst seine Porträt-Büste und –Statuette fanden Hindenburgs uneingeschränkte Zustimmung. [8] 1919 berief die Akademie der Künste in Berlin Lederer in ihren Senat und als Nachfolger von Louis Tuaillon zum Vorsteher eines staatlichen Meisterateliers für Bildhauerei [9]. Am 13. April 1921 wurde er verbeamtet. Der „Ausschmückungs-Kommission“ des Reichstags, bestehend aus dem Reichstagspräsidenten, dem Reichstagsdirektor und einer größeren Zahl von Abgeordneten gehörte er zusammen mit Geheimrat Hoffmann und Arthur Kampf als nicht-stimmberechtigter Beirat an[10]. Am 7. Juni 1923 wurde er neben Albert Einstein, Max Liebermann und Felix Klein in den Orden Pour le Mérite für Wissenschaft und Künste aufgenommen. [11] 1925 ernannte ihn die Akademie der Bildenden Künste in München zum Ehrenmitglied. Er war auch Mitglied der Deutschen Gesellschaft der Wissenschaften und Künste für die Tschechoslowakische Republik und schuf zwischen 1922 und 1932 mehrere Werke für dortige Auftraggeber, z.B. für die Hüttenwerksgesellschaft in Brno (Brünn), die Schicht-Werke in Ústí nad Labem (Aussig). Er schuf ein Goethe-Denkmal für Teplice (Teplitz)- die feierliche Enthüllung fand in Lederers Anwesenheit am 9. Mai 1932 statt. Schon 1910 und 1914 waren seine Werke in Brünn bzw. Znaim ausgestellt worden, 1928 erneut in Brünn. [12]

Als in Berlin 1926-1928 das Deutsche Sportforum erbaut wurde, sind mehrere seiner Plastiken mit Sport-Bezug (Ringer/Sieger von 1908, Bogenschütze von 1916/21, Diana von 1916, Sieger von 1927, Läufergruppe von 1928) im Stadtgebiet von Berlin öffentlich aufgestellt worden, und der Amorbrunnen von 1928 auf dem Gelände des Sportforums selbst. [13] Unter Berliner Lokalpolitikern hatte er potente Gönner, u.a. Oberbürgermeister Gustav Böß[14], so dass er weitere post-wilhelminische Skulpturen und Anlagen zur Dekoration des öffentlichen Raumes an die Stadt veräußern konnte: den Bärenbrunnen am Werderschen Markt, die Säugende Bärin vor dem Rathaus Zehlendorf und den Fruchtbarkeitsbrunnen auf dem Arnswalder Platz- diese Werke existieren noch heute. Aber auch Großindustrielle aller Sparten bestellten Werke bei Lederer, wie z.B. der „Stahlbaron“ Friedrich Krupp (Denkmäler, Gebäudeausschmückungen, Porträtbüsten) und der kunstsinnige Giftgas-Erfinder Friedrich Carl Duisberg (Porträt-Büste, Caritas-Brunnen). Lederer porträtierte Gustav Stresemann und wurde 1929 mit der Abformung der Totenmaske und der Gestaltung der Grabstätte des verstorbenen Friedensnobelpreisträgers beauftragt. In Opposition zu Lederer standen mehr oder weniger deutlich u.a. der Reichskunstwart Edwin Redslob, die Kritiker Karl Scheffler und Alfred Lichtwark, die Künstlerkollegen Max Liebermann, Ernst Barlach, Georg Kolbe, Heinrich Zille, und das Zentralorgan der KPD „Rote Fahne“. Für das 1924 von der Politik (einschließlich Redslob) initiierte Projekt einer nationalen Gedenkstätte für die Gefallenen des Weltkriegs (Reichsehrenmal) entwarf Lederer ungefragt ein Modell, das 1929 von Vertretern der Frontsoldaten-Verbände (Stahlhelm, Reichsbund jüdischer Frontsoldaten, Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold) im Atelier inspiziert und gutgeheißen wurde. Als 1931 trotzdem noch ein Wettbewerb ausgeschrieben wurde und sein Entwurf unterlag, reagierte er mit persönlichen Ausfällen, die am 13.7.1932 von der Presse publik gemacht und letztlich (u.a. von Redslob) seiner psychiatrischen Erkrankung angelastet wurden [15].

Die Zeit des Nationalsozialismus

Er zählte weder zu den „entarteten“ Künstlern, noch zu den Vertretern der „wahren Deutschen Kunst“, die auf den „Großen Deutschen Kunstausstellungen“ in München 1937-1944 ausgestellt wurden. Die NS-Kontroverse um die Definition der „deutschen Kunst“ 1933-36 nahm von Lederer keine Notiz, vergl.[16]. Sein Porträt-Stil wurde als hohl und aufgeblasen und für das NS-Regime veraltet erachtet. [17] Während vor dem 1. Weltkrieg und in der Weimarer Republik seine Werke auch und besonders vom jüdischen Großbürgertum geschätzt und gekauft wurden, u.a. von Eugen Gutmann, Heinrich Braun und Rudolf Mosse, erzielte Lederer aus künstlerischer Tätigkeit in der NS-Zeit kein nennenswertes Einkommen mehr. Er blieb längere Zeit seine Pflichtbeiträge zur Reichskulturkammer schuldig und beantragte 1937 die Beitrags-Befreiung wegen Mittellosigkeit - dem Antrag wurde stattgegeben, siehe [18]. Im Gegensatz zu zahlreichen anderen Künstlern (Albiker, Wackerle, Mages, Meller, Raemisch, Kolbe, Breker, Strübe, Thorak und Wamper) wurde er für die bildnerische Ausgestaltung des Olympiageländes 1936 nicht benötigt. Auch anderweitige öffentliche Aufträge erhielt er nicht mehr. Die Familie Krupp beauftragte ihn 1936 mit einem Denkmal, dieses Werk wurde sein letztes.

Die Regierung Hitler erließ am 7. April 1933 ihr „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“. Wer seinen Beamtenstatus nicht verlieren wollte, musste gemäß §§ 2 und 4 seine Loyalität zur „Regierung der nationalen Erhebung“ bzw. zum „nationalen Staat“ dokumentieren und gemäß § 3 „arische Abstammung“ nachweisen. Daraufhin traten Millionen von Beamten in die NSDAP oder deren Organisationen ein, gemäß §§ 2 und 4. Der preußische Beamte Lederer, gebürtiger Österreicher mit deutschem Pass, tat es am 1.5.1933 (NSDAP Mitgliedsnummer 2 673 576)[19]. Jedoch weigerte er sich, wie 27 seiner Akademie-Kollegen, § 3 zu entsprechen, woraufhin der damalige Präsident der Akademie der Künste, Max von Schillings, den „Sachverständige(n) für Rasseforschung beim Reichsministerium des Inneren“ zu Ermittlungen einschaltete. Bezüglich Lederer erfolglos, denn sein Abstammungsnachweis lag auch 1939 noch nicht vor. [20] [21]

Im August 1933 wurde sein Hamburger Heine-Denkmal vom NS-Senat abgeräumt (und ca. 1943 verschrottet und eingeschmolzen) - Reaktionen Lederers zu diesem Vorgang sind nicht dokumentiert.

1934 wandte Lederer sich direkt an Reichspräsident Hindenburg mit einer Initiative für eine Krieger-Gedenkstätte. Der eineinhalb Seiten lange, eindeutig paranoide Text, verfasst „bei sonniger Morgendämmerung, 5 Uhr früh am 5. Juli 1934“, verweist auf die unheilbare Erkrankung (progressive Paralyse, d.h. Gehirnerweichung), an der Lederer seit etwa 1924 litt und schließlich 1940 versterben sollte. Für den mit Kastanien bepflanzten Platz hinter der Neuen Wache unter den Linden in Berlin bestimmte er: „Nun soll im Kastanienwäldchen zur Ordnung, im Sinne Schinkels, geschritten werden. Meine Einteilung, erzeugt durch Aufstellung von 8 Vasen und in der Mitte eine sechzehneckige Platte mit einer Säule, auf dieser Schwerter, Schild und Helm. Alles in Kupfer getrieben, der Helm vergoldet. Dicht neben der Säule zwei hochstrebende Wasserstrahlen, ein Hirsch und eine äsende Hirschkuh. Diese sollen die Brandenburgische Landschaft versinnbildlichen. Die Namen der großen Heerführer – vom großen Kurfürsten bis zu Hindenburg – sollen angebracht und vergoldet werden. Z u S e d a n – Moltkes großem Tag – soll der Grundstein gelegt werden. Ein Gebet soll es sein!“ Sorgfältig mit Schreibmaschine geschrieben und mit Tinte signiert, gab er all dies der Akademie der Künste in Durchschrift zur Kenntnis; Sekretär Amersdorffer paraphierte das Schreiben [22]- weitere Reaktionen sind nicht bekannt.

Lederer unterzeichnete den "Aufruf der Kulturschaffenden" 1934 zugunsten Adolf Hitlers nicht[23]. Als er am 1.4.1937 wegen Erreichen der Altersgrenze regulär pensioniert wurde, bat er, über seine Atelierräume in der Akademie weiter verfügen zu dürfen, was ihm zunächst gestattet wurde[24]. Am 15.7.1937 wurden er und einige andere ordentliche Akademiemitglieder in die vom NS-Regime neu definierte Kategorie der „inaktiven Mitgliedschaft“ herabgestuft, damit „für ein Nachwachsen jüngerer Kräfte laufend Raum geschaffen“ würde, d.h. für dem NS-Regime genehmere Personen wie u.a. Professor Arno Breker[25], Professor Josef Thorak, Gerhard Marcks, Wilhelm Furtwängler, Albert Speer (VC 2022 (a), zitiert nach Brenner [26]). 1938 wurde Lederers akademische Stelle eines Professors und Vorstehers eines Meisterateliers für Bildhauerei mit Arnold Waldschmidt, einem überzeugten Hitlerfaschisten, NSDAP- und SS-Mitglied, wiederbesetzt. Die Korrespondenz mit dem Reichsministerium für Wissenschaft, der Reichskanzlei und der Akademie der Künste u.a. wegen der von ihm andauernd belegten Atelierräume führte 1939 gelegentlich Gattin Anny bzw. Sohn Heinz [27].

Im Alter von 68 Jahren verstarb er nach langer schwerer Krankheit am 1. August 1940 im St. Franziskus-Krankenhaus in Berlin. Am 5. 8. fand in der Krankenhauskapelle eine schlichte Trauerfeier statt, es sprachen Pfarrer Schubert und Akademie-Sekretär Professor Amersdorffer. Propagandaminister Goebbels hatte einen Kranz gesandt[28].[29] Seine letzte Ruhestätte fand Hugo Lederer auf dem Wilmersdorfer Waldfriedhof Stahnsdorf, desgleichen 1952 seine Gemahlin Anny. Seinen künstlerischen Nachlass, den er dem Museum seiner Heimatstadt vermacht hatte, brachte Sohn Heinz 1941 nach Znaim.

Kunsthistorische Einordnung

Lederers Frühwerk stand in der Tradition von Reinhold Begas und dessen neubarockem Stil, der von Kaiser Wilhelm II. bevorzugten und von vielen Intellektuellen damals verachteten Kunstrichtung der Gründerzeit. Mit seinem Roland-Bismarck wandte sich Lederer erstmals dem u.a. von Aby Warburg (1866-1929) begrüßten neoklassizistischen Stil Adolf von Hildebrands zu (Warburg: „los vom theatralischen Barockstyl und der Momentphotographie“)[30]. Warburg konstatierte, dass dem „[…] großen Publikum […] der Zugang zu dem Mann im Kunstwerk nicht durch kollegiale Gleichsetzung, oder liebenswürdiges Entgegenkommen, sondern nur durch Distanz haltende, objektive Vertiefung gewährt wird […]“, das Denkmal also „eine gemütliche Annäherung zwischen Objekt und Beschauer“ nicht zuliess [31] - was auch für Lederers deutlich kleinere spätere Standbilder zutraf, u.a. das Heine-Denkmal. Lederers Fähigkeit zum „zusammenfassenden, großen Formenausdruck“ wurde auch vom Kritiker Max Osborn betont, der im übrigen den Kunstgeschmack der Hohenzollern betreffend prognostizierte: „ Der Roland-Bismarck am Elbhafen wird vielleicht als einziges Werk der denkmalfrohen letzten Kaiserzeit vor der Zukunft bestehen.“[32] Nach dem Tod von Louis Tuaillon am 21.2.1919 übernahm Hugo Lederer dessen Meisteratelier in der Akademie. Er wurde dem Publikum als ebenbürtiger Nachfolger vorgestellt: „Tuaillon und Lederer, das waren schließlich die beiden Bildhauer, die das geschmackvollere Deutschland zu repräsentieren hatten für den großen Denkmalsbedarf der Vorkriegszeit. Der Bremer ‚Kaiser Friedrich’ (Tuaillon) und der Hamburger ‚Bismarck’ (Lederer) waren Denkmäler, mit denen man auftreten konnte gegen alles, was zwischen Siegesallee und Leipziger Völkerschlachtskoloß entstanden war. Beide: Tuaillon und Lederer waren frei des Schwulstes, der falschen und verstiegenen Pathetik, waren in ihrer Formgebung diszipliniert und zugleich verfügten sie doch über jene Dosis Akademikertum, ohne die offizielle Denkmalsaufträge in Deutschland- und…in der ganzen Welt nicht möglich wären.“ [33] Lederer stand im schroffen Gegensatz zum Impressionismus, denn er begeisterte sich für die Schönheit antiker Plastiken: „Ich habe ein sehr starkes Verhältnis zur Antike. Je älter ich werde, desto stärker wird dieses Verhältnis. Ich gehe fast jeden Sonntag und auch häufig in der Woche in das archäologische Museum in der Universität, um mir diese wunderbaren Gipse anzusehen; das ist für mich wie ein Gottesdienst.“ [34] 1925 kritisierte er in exaltierter Weise eine von Georg Kolbe impressionistisch modellierte Büste des verstorbenen Reichspräsidenten Friedrich Ebert als „geradezu beleidigend […] für den Zweck, dem sie geweiht sein soll, für das ganze Volk“ [35] und wurde dafür von der impressionismusfreundlichen Kunstkritik niedergemacht („pathologische Erregung“). [36] Tatsächlich befand sich Lederer damals in psychiatrischer Behandlung[37]. Für die Gestaltung seiner Figuren bediente er sich aus dem „Formenschatz der Antike“, beispielsweise 1920 im Wettbewerb um das Denkmal für die Gefallenen der Universität zu Berlin unter dem Motto von Reinhold Seeberg „invictis victi victuri“ (d.h. den Unbesiegten die besiegten Sieger der Zukunft)[38] . Lederer gewann die Konkurrenz mit der Figur eines unterlegenen schicksalsergebenen, körperlich unversehrten, antikisch-nackten Kriegers, korrespondierend dem Bildmotiv „Tod des Orpheus“ bzw. „Kniender Perser“, vergl. [39] [40]. Hatte er dem Gipsentwurf noch einen modernen Stahlhelm auf das demütig gesenkte Haupt gesetzt, so bevorzugte er für die definitive Granitfigur von 1926 einen archaisch stilisierten Haarkranz. [41][42]. Unter anderem durch seine formale Rückbindung an die Antike unterschied sich Lederer von NS-Kunst, die - laut Breker 1936 - die triviale Nachahmung der Natur pflegte[43].

Mit den konkurrierenden Stilrichtungen Kubismus, Konstruktivismus, Expressionismus, Dadaismus, Neue Sachlichkeit, Futurismus setzte er sich nicht auseinander. Wenngleich er selbst keine eigene Bildhauertradition begründete, so brachte er doch viele künstlerisch produktive Schüler hervor, u.a. Karl Müller, Kurt Lauber, Paul Gruson, Fritz Melis, Wilhelm Heiner, Josef Thorak, Gustav Seitz, Emy Roeder, Hans Mettel, Katharina Heise, Ulrich Kottenrodt, Kurt Harald Isenstein, Otto Weissmüller, Frieda Riess, Theo Akkermann und gewissermaßen auch Waldemar Grzimek.

Werke (Auswahl)

Detail vom Bismarck-Denkmal in Hamburg
Das Schicksal, Friedhof Ohlsdorf

Ansicht weiterer Werke

Dauerausstellung

Eine Ausstellung einiger Entwürfe seiner Werke findet sich in der Südmährischen Galerie im Stadtmuseum Retz (Niederösterreich).

Literatur

  • Hugo Lederer. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 5, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1972, S. 83.
  • Felix Bornemann: Hugo Lederer, sein Leben und sein Werk. Geislingen/Steige: Südmähr. Landschaftsrat, 1971.
  • Ilonka Jochum-Bohrmann: Hugo Lederer, ein deutschnationaler Bildhauer des 20. Jahrhunderts. Frankfurt/M: Lang, 1990. ISBN 3-631-42632-1
  • Hans Krey: Hugo Lederer, ein Meister der Plastik. Berlin: Schroeder, 1931.
  • Illustrirte Zeitung, Leipzig, Nr. 3564 vom 19. Oktober 1911
  • Georg Biermann: Hugo Lederer. In: Illustrirte Zeitung (Leipzig) 139 (1912), S. 611-614.
  • Manfred Höft: Altdammer Denkmäler. In: Pommersche Zeitung vom 20. April 1985
  • Rittmeister Bronsart von Schellendorf (Bearb.): Geschichte des Kavallerie-Regiments 6. Schwedt a.O., 1937.
  • Dietrich Schubert: Lederer, Hugo. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 14, Duncker & Humblot, Berlin 1985, ISBN 3-428-00195-8, S. 41 f. (Digitalisat).
  • Libor Šturc: Der Bildhauer Hugo Lederer und sein Werk : *1871 Znaim (Tschechien), +1940 Berlin. In: Aachen und Prag - Krönungsstädte Europas. Hrsg.: Blazek, Vera. – Prag, 2010. – (Beiträge des Kulturvereins Aachen-Prag ; 3, 2006 - 2010). – S. 54-64
  • Libor Šturc: Hugo Lederer (1871-1940). Sochařské dílo ve sbírce Jihomoravského muzea ve Znojmě (Das bildhauerische Werk in der Sammlung des Südmährischen Museums in Znaim). Diplomarbeit. Kunstgeschichtliches Seminar der Philosophischen Fakultät der Masaryk-Universität in Brünn, Brno/Tschechische Republik 1997.
  • Eduard Trier: Ein Denkmal der Arbeit von Hugo Lederer. In: Wallraf-Richartz-Jahrbuch/Westdeutsches Jahrbuch für Kunstgeschichte. Band 46-47. Dumont Buchverlag, Köln 1986, S. 235–246.
Commons: Hugo Lederer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Prof. Hugo Lederer. Künstler. Deutsche Gesellschaft für Medaillenkunst e.V., abgerufen am 25. November 2015.
  2. Lederer, Hugo. In: Reichshandbuch der deutschen Gesellschaft. Das Handbuch der Persönlichkeiten in Wort und Bild. Band 2. Deutscher Wirtschaftsverlag AG, Berlin 1931, S. 1084–1086.
  3. Bericht der Lokalnachrichten aus Znojmo vom 20.9.2011, abgerufen am 6. Juli 2016
  4. Berliner Architekturwelt. Ausgabe 4(1902) Heft 5, S.182
  5. Königlich privilegirte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen (Vossische Zeitung) > Kunst, Wissenschaft und Literatur, 6. März 1909; Abendausgabe, S. 2; abgerufen am 19. April 2015.
  6. Der Cicerone. Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers und Sammlers. Jahrgang 3, 1911, S.606, abgerufen am 30. Juni 2016.
  7. vergl. Postkarte von Frau Anny Lederer an Poldi Lederer in Wien :"L.P. viele herzl.Grüße aus Aachen! die Enthüllung war sehr feierlich S.M. war sehr guter Stimmung. Heinz und Hilde hatten viel Freude an der festlich geschmückten Stadt! Anny" Anny Lederer zur Enthüllung des Denkmals für Kaiser Friedrich III. in Aachen,abgerufen am 25. August 2016
  8. Wolfgang Pyta. Hindenburg. Herrschaft zwischen Hohenzollern und Hitler, München 2007, S. 135-138
  9. Hans Krey: Hugo Lederer, ein Meister der Plastik. Berlin: Schroeder, 1931.
  10. Akademie der Künste, Berlin, Historisches Archiv Sign. PrAdK 1236. Bl.262 ff
  11. Mitteilung des Ordens Pour le mérite, abgerufen am 29. Juni 2016
  12. Libor Šturc: Bismarckovi face to face. Hugo Lederer v ceskem a moravskem prostredi. In: Anna Habanova, Ivo Haban (Hrsg.): Ztracena generace? Eine Verlorene Generation? Deutschböhmische bildende Künstler der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts zwischen Prag, Wien, München und Dresden. Technicka univerzita v liberci, Liberec 2013, ISBN 978-80-7494-025-5, S. 145–159.
  13. Bettina Güldner, Wolfgang Schuster. Das Reichssportfeld. In: Skulptur und Macht, Katalog Berlin 1983, S.61-94
  14. Kunst und Künstler 1926, Band 24, Heft 7, S. 296, http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kk1926/0323?sid=c62e0fee75cb20e7b349421562b63295, abgerufen am 1.September 2016
  15. Henrik Hilbig.Das Reichsehrenmal bei Bad Berka. Entstehung und Entwicklung eines Denkmalprojekts der Weimarer Republik.Shaker Verlag Aachen.2006,ISBN 978-3-8322-5725-5,S.239-261.
  16. Walter van Rossum. Arbeit am schönen Schein. Warum Goebbels die Kunstkritik verbot. Dossier. Deutschlandfunk 18.November 2011.pdf, abgerufen am 6. Juli 2016
  17. Vergl. Fritz Hellwag. Frühjahrsausstellung der Preußischen Akademie, in: Die Kunst für Alle. 49. Jahrgang 1933-1934, Heft 9, Juni 1934, S.253-260. Zitat Hellwag: „[…] Nur überdimensioniert sind der Hindenburgkopf von Trumpf und die leere Kolossalbüste Litzmanns von Lederer. Konstantin Starck ist, um Hitler zu modellieren, viel zu klassizistisch. […] Was würde ein Berufener aus dem leidenschaftlich-tragischen Kopf von Dr.Goebbels oder dem des Führers herausholen können! […] Es ist gesagt worden, was möglich war. Einem unerklärbaren Druck, der über der ganzen Ausstellung lastet, konnte sich auch der Kritiker nicht entziehen. Laßt den Künstlern ihre Unbefangenheit!“ http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kfa1933_1934/0284?sid=206ddc8b2d828823f10102c23d186483
  18. Bundesarchiv R/9361/V Archivnr. 102652
  19. Parteistatistische Erhebung der NSDAP 1939. Bundesarchiv R/9361/I, Archivnummer 1998
  20. Hildegard Brenner. Ende einer bürgerlichen Kunst-Institution. Die politische Formierung der Preußischen Akademie der Künste ab 1933. Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Band 24, Stuttgart 1972. ISBN 3-421-01587-2 S.128-131
  21. Schreiben des Präsidenten der Reichskammer der bildenden Künste an Hugo Lederer, 6.5.1939. Bundesarchiv R/9361/I Archivnummer 102652
  22. Akademie der Künste, Berlin, Historisches Archiv, Sign. PrAdK I/297
  23. Völkischer Beobachter, Ausgabe A/Norddeutsche Ausgabe. Jg. 47, Nr.230 vom 18.8.1934
  24. Akademie der Künste, Berlin, Historisches Archiv, Sign. PrAdK I/079
  25. Magdalena Bushart. Arno Breker (geb. 1900)- Kunstproduzent im Dienst der Macht. In: Skulptur und Macht, Katalog Berlin 1983, S. 155-158
  26. Hildegard Brenner. Ende einer bürgerlichen Kunst-Institution. Die politische Formierung der Preußischen Akademie der Künste ab 1933. Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Band 24, Stuttgart 1972. ISBN 3-421-01587-2 S. 153-154
  27. Akademie der Künste, Berlin, Historisches Archiv PrAdK Sign.1133
  28. Trauerfeier für Prof.Dr.Hugo Lederer. Deutsche Allgemeine Zeitung, 6. August 1940
  29. Völkischer Beobachter (Berliner Ausgabe) Nr. 219 vom 6. August 1940, S. 5. Trauerfeier für Professor Dr. Hugo Lederer. Zitat: „Reichsminister Dr.Goebbels, die Preußische Akademie der Künste in Berlin, die Akademie der Künste in München und die Wiener Akademie der Künste hatten als letzte Ehre für den Entschlafenen Kränze am Sarge niederlegen lassen.“
  30. Claudia Wedepohl. Walpurgisnacht auf dem Stintfang. Aby Warburg kunst-politisch. In: Das Bismarckdenkmal in Hamburg 1906-2006. Bearbeitet von J.Schilling. Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Hamburg Nr. 24. Herausgeber Kulturbehörde Hamburg/Denkmalschutzamt.2006. S. 60-68 Zitat Aby Warburg: „Es ist nun überaus interessant zu beobachten und von geradezu epochemachender Bedeutung, dass man in dem preisgekrönten Entwurf von Lederer und Schaudt das siegreiche Durchdringen zu einer concentrierten/vereinfachten Formensprache, in der sich Architektur und Plastik auf ihre eigensten Mittel besinnen, um so schärfer beobachten kann, weil auch von demselben Lederer ein zweiter nicht prämierter Entwurf vorhanden ist, der ihn noch im Konflikt mit der älteren Tradition des dekorativen patriotischen Ausstellungsstücks zeigt.“ Warburg Institute Archive, III.27.2.3[1]
  31. Claudia Wedepohl: Walpurgisnacht auf dem Stintfang. Aby Warburg kunst-politisch. In: Kulturbehörde Hamburg/Denkmalschutzamt (Hrsg.): Das Bismarckdenkmal in Hamburg 1906-2006. Bearbeitet von J.Schilling. Nr. 24, 2006, S. 62–68.
  32. M.O (Max Osborn): Hugo Lederer. Zum 60.Geburtstag am 16.November. In: Vossische Zeitung. 15. November 1931, S. 22.
  33. Paul Westheim. Louis Tuaillon. Weser-Zeitung, Bremen, 4.3.1919; zitiert nach Waldemar Grzimek. Deutsche Bildhauer des zwanzigsten Jahrhunderts. Verlag Heinz Moos, München Gräfelfing 1969. S. 33
  34. Hans Krey. Hugo Lederer. Ein Meister der Plastik, Berlin 1931. S.73
  35. Der Querschnitt 1925, Band 5, Heft 9, S.817-818, Lederer contra Kolbe 1925, abgerufen am 29. Juni 2016
  36. Vergl. Kunst und Künstler 1925, S. 452 http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kk1925/0467
  37. Akademie der Künste, Berlin, Historisches Archiv Sign. PrAdK I/127
  38. Invictis victi victuri. Das Gefallenendenkmal der Universität- Schwarzweißrote Enthüllungsfeier.Berliner Volkszeitung 10. Juli 1926, S.2, abgerufen am 7. September 2016
  39. Aby Warburg. Dürer und die italienische Antike. Vortrag 1905, abgerufen am 29. Juni 2016
  40. Albrecht Dürer, Tod des Orpheus, abgerufen am 29. Juni 2016.
  41. Denkmal für die im 1. Weltkrieg gefallenen Angehörigen der Berliner Universität, abgerufen am 27. Juli 2016
  42. Gefallenendenkmal Berliner Universität, abgerufen am 27.August 2016
  43. vergl. Arno Breker. Im Strahlungsfeld der Ereignisse. K.W. Schütz, Preußisch Oldendorf 1972; S. 90. Zitat: „’Sie arbeiten nach der Antike,’ stellte Hitler fest; ich widersprach: ’Nein, mein Führer, meine beiden Bronzen im Reichssportfeld sind Porträts nach hervorragenden Sportlern.’“
  44. https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/kultur-und-wissenschaft/skulpturen-und-denkmale/artikel.156677.php
  45. Kronthal-Brunnen 2015; abgerufen 7. Juli 2016
  46. Landeskonservator Rheinland Denkmälerverzeichnis. 1.2 Aachen übrige Stadtteile. Unter Mitwirkung von Hans Königs bearbeitet von Volker Osteneck. Stand: 1974–1977. Rheinland Köln, 1978. S.34.
  47. bpk-images Nr. 10026042, siehe http://www.bpk-images.de/shop abgerufen am 31.August 2016
  48. Merkur-Brunnen 2012, abgerufen 7. Juli 2016
  49. Kathrin Hoffmann-Curtius. Das Kriegerdenkmal der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität 1919-1926: Siegexegese der Niederlage. Jahrbuch für Universitätsgeschichte 5(2002) S.87-116
  50. Christian Welzbacher: Die Staatsarchitektur der Weimarer Republik. Lukas Verlag, Berlin 2006, ISBN 978-3-936872-62-0, S. 63 ff.
  51. Aureus-Friedhof Mainz Nr. 12, Deutscher Ehrenhof. In: Wo sie ruhen. wo-sie-ruhen.de, abgerufen am 28. Juni 2016.
  52. Brunnenanlage Berlin Arnswalder Platz um 1934, abgerufen am 29. Juni 2016;
  53. Fruchtbarkeits-Brunnen 2010, abgerufen am 7. Juli 2016
  54. Anna Pawlowna, ein Reh fütternd. Gipsmodell, abgerufen am 13. Juli 2016. Vergl. auch Hugo Lederer. Erinnerungen an Anna Pawlowa. In: Der Tanz. Monatsschrift für Tanzkultur. IV.Jahrgang (1931), Heft 3; S. 6-7