Victor Capoul

Joseph-Amédée-Victor Capoul (27. Februar 1839 in Toulouse – 18. Februar 1924 in Pujaudran) war ein französischer Opernsänger der Stimmlage Lyrischer Tenor, weiters Librettist, Gesangslehrer und Opernregisseur.
Biographie
Capoul begann seine Studien in seiner Heimatstadt Toulouse und wurde 1859 am Conservatoire de Paris aufgenommen. Seine Lehrer waren für Gesang der Tenor Louis-Benoît-Alphonse Révial (1810-1871) und für szenische Gestaltung der Tenor und Chefregisseur Toussaint Eugène Ernest Mocker (1811–nach 1885). Bereits 1860 wurde er zum Concours zugelassen und gewann jeweils den zweiten Preis in den Kategorien Gesang und Opéra comique, im folgenden Jahr erlangte er den premier prix d’opéra-comique und schloss sein Studium ab.
Erfolge in Paris
Am 26. August 1861 debütierte der Sänger an der Opéra-Comique von Paris als Daniel in Le Châlet von Adolphe Adam[1] und zählte sofort zu den Stützen des Ensembles. Bis 1870 sang er an der Opéra-Comique eine Vielzahl von Rollen des französischen Repertoires, fallweise auch des italienischen, darunter den Nourredin in Lalla Roukh von Félicien-César David, den Bénédict in L'Ambassadrice von Auber (mit Marie Cabel als Partnerin) sowie die Titelpartie in Aubers Fra Diavolo. Er übernahm eine Reihe von Uraufführungen, beispielsweise der Komponisten Auber, Lefébure-Wély, Massé und Poise, und wurde weiters in einer Reihe von Repertoire-Stücken eingesetzt, darunter La fille du régiment, La part du diable, La dame blanche, Le Pré aux clercs und L’étoile du nord. Am 1. Juli 1864 – während einer vorübergehenden Schließung der Salle Favart – brillierte der Tenor als Graf Almaviva in Rossinis Der Barbier von Sevilla im Théâtre de la Porte Saint-Martin. Am 4. Januar 1866 sang er im Conservatoire die Kantate Renaud dans les jardins d'Armide, getextet von Camille du Locle und komponiert von Charles Lenepveu.[2]
Zu seinen Glanzrollen zählten der Titelheld in Meyerbeers Robert le diable und der Roméo in Gounods Roméo et Juliette, für dessen Uraufführung er ursprünglich vorgesehen war. Es entwickelte sich ein Disput zwischen Opéra-Comique und dem Théâtre Lyrique, welches den Sänger zu engagieren trachtete – nicht nur seiner formidablen Stimme wegen, sondern auch aufgrund seines guten Aussehens und seiner Bühnenpräsenz. Den Auftrag bekam allerdings schließlich der sieben Jahre ältere Pierre-Jules Michot.[3] Im selben Jahr feierte Capoul jedoch Triumphe in der Titelrolle von Méhuls Joseph in der Salle Favart.[2] 1869 schrieb ihm Offenbach die Rolle des Valentin/Vert-Vert in seiner komischen Oper Vert-Vert auf den Leib und die Uraufführung am 10. März 1869 wurde zu einem substantiellen Erfolg.[2]
Offenbach komponierte auch die Titelrolle von Fantasio, seiner nächsten komischen Oper, für Victor Capoul, jedoch flüchtete der Sänger aufgrund des Deutsch-Französischen Krieges 1870 nach London und stand nicht mehr zur Verfügung. Offenbach schrieb daraufhin die Titelrolle von Tenor auf Mezzosopran um und übertrug sie Célestine Galli-Marié.
Capoul sollte erst wieder 1876 in Paris auftreten.
Internationale Karriere
1871 debütierte der Sänger in London und New York, in beiden Städten mit Rollen des französischen Repertoires. Im London Drury Lane Theatre gab er die Titelpartie in Gounods Faust und den Wilhelm Meister in Mignon von Ambroise Thomas. In der New Yorker Academy of Music, damals das bedeutendste Opernhaus der Stadt, sang er ebenfalls den Wilhelm Meister in Mignon, ebenso mit Erfolg. Die Premiere fand am 22. November 1871 statt, die Titelrolle sang die schwedische Sopranistin Christine Nilsson, die damals bereits ein Star war und der Oper in London und New York zum Durchbruch verhalf.
Fortsetzung folgt
Lehrer, Regisseur, Librettist
In den Jahren 1892 bis 1897 arbeitete er am National Conservatory of Music of America in New York, wo er Gesang unterrichtete, trat aber in der Spielzeit 1895/96 nochmals an der Metropolitan Opera auf. Danach ging er nach Paris zurück und wurde 1899 von Pierre Gailhard, dem langjährigen Direktor der Grand Opéra, an sein Haus verpflichtet. Über Capouls genaue Funktion am Palais Garnier gibt es verschiedene Angaben, jedoch steht fest, dass er dort eine Reihe von Opern inszenierte, darunter am 26. April 1901 die Uraufführung von Le Roi de Paris, ein drame lyrique von Henry Bouchut, vertont von Georges Hüe.[4][5] Er blieb bis 1905 an der Grand Opéra tätig.[6]
Auch in Paris arbeitete er als Gesangslehrer. Zu seinen namhaften Schülerinnen zählten Bessie Abott, Mme. Charles Cahier und Geraldine Farrar.[7] Capoul komponierte auch einige Lieder und muss auch als Liedsänger tätig gewesen sein. Dafür spricht, dass ihm das Lied La coccinelle nach einem Text von Victor Hugo, vertont von Camille Saint-Saëns, gewidmet wurde.[8]
1905 wurde er vom Label Fonotipia eingeladen, eine der frühesten Schallplattenaufnahmen der Geschichte zu bestreiten. Er sang das Wiegenlied aus der Oper Jocelyn, an deren Uraufführung er an der Opéra-Comique beteiligt gewesen war. Er soll zu dieser Zeit bereit ertaubt gewesen sein, was auch seinen Rücktritt als Regisseur der Grand Opéra erklären könnte.
Als der Bankier, Kunstsammler und Mäzen Isaac de Camondo eine Oper komponieren wollte, verfasste Victor Capoul das Libretto.[9] Das Werk trägt den Titel Le Clown und wurde 1906 im Pariser Nouveau Théâtre mit der amerikanischen Sopranistin Geraldine Farrar, einer seiner Schülerinnen, uraufgeführt.[9] Weitere Aufführungen der Oper fanden 1908 und 1909 an der Opéra-Comique und ebenfalls 1909 in Marseille statt.[9] Es folgten Aufführungen 1910 in Vichy,[9] 1911 in Antwerpen und 1912 in Köln.[10]
Die Bibliothèque nationale de France verweist auch auf einen Auftritt im Théâtre des Capucines im Jahr 1909, wo er in der Operette Afgar ou Les loisirs andalous mit Musik von Charles Cuvillier die Rolle des Oporto übernahm.[11]
Der Künstler soll durch Spekulationen sein gesamtes Vermögen verloren haben – mit Ausnahme eines kleinen Bauernhofes in Südwestfrankreich, des Château de Lartus, wohin er sich zurückzog. Dort soll er alle Erinnerungsstücke (Schallplatten, Fotografien, Programmhefte etc.) verbrannt haben.[6][12]
Rollen
Repertoire
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Uraufführungen
- 1861 Lefébure-Wély: Les recruteurs (Libretto: Amédée de Jallais und Alphonse Vulpian), Opéra-Comique, Paris (11. Dezember)
- 1864 Poise: Les Absents (Libretto: Alphonse Daudet), Opéra-Comique (26. Oktober) – als Eustache
- 1865 Auber: Le premier jour de bonheur, (Libretto: Adolphe d’Ennery), Opéra-Comique (15. Februar) – als Gaston de Maillepré
- 1869 Offenbach: Vert-Vert (Libretto: Henri Meilhac und Charles Nuitter), Opéra-Comique (10. März) – als Valentin/Vert-Vert
- 1876 Massé: Paul et Virginie (Libretto: Jules Barbier and Michel Carré), Théâtre Lyrique, Paris (15. November)
Trivia
Victor Capoul pflegte eine charakteristische, ihm zugeschriebene Haartracht, die so bekannt wurde, dass heute noch im Wallonischen die Redewendung besteht: se faire des capouls bzw. avoir des capouls. Aufgrund seiner Frisur wurde der Sänger auch häufig Objekt von Zeichnern und Karikaturisten.
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Le Bouffon, 1868 -
In Paul et Virginie, mit Frisur à la Capoul
Gedenken
Zumindest vier öffentliche Verkehrswege in Frankreich sind nach dem Künstler benannt:
- die Rue Victor-Capoul in seiner Geburtsstadt Toulouse,
- die Avenue Victor Capoul in Pujaudran, der Ortschaft, in der er verstarb,
- die Place Victor Capoul in L’Isle-Jourdain sowie
- die Allée Victor Capoul in Colomiers.
Quellen: [12][13] Lange Zeit trug das Novotel in Toulouse den Namen des Sängers. Noch heute ist die dortige Brasserie nach ihm benannt.[14]
Im Jahr 2015 wurde eine Crowdfunding-Aktion gestartet, um die Renovierung der Familiengruft in Pujaudran, in welcher der Sänger gemeinsam mit seiner Eltern begraben liegt, zu finanzieren.[12]
Literatur
- François-Joseph Fétis, Arthur Pougin: Biographie universelle des musiciens et bibliographie générale de la musique, Paris, Firmin-Didot, 1881, S. 149-150.
- Karl-Josef Kutsch, Leo Riemens: Großes Sängerlexikon. 4. Auflage, Walter de Gruyter 2004, ISBN 3-598-44088-X, S. 711–712 (online über De Gruyter online, Subskriptionszugriff).
Weblinks
- Bibliothèque nationale de France, Stichwort: Victor Capoul, abgerufen am 9. September 2016
Einzelnachweise
- ↑ J. Martin: Nos artists; portraits et biographies. Paul Ollendorff, Paris, 1895. View p. 67 im Internet Archive.
- ↑ a b c A. Soubies, C. Malherbe: Histoire de l'opéra comique – La seconde salle Favart 1840–1887. Flammarion, Paris, 1893.
- ↑ Huebner S. The Operas of Charles Gounod. Oxford, Oxford University Press, 1992.
- ↑ Le Roi de Paris. Drame lyrique en 3 actes de Henry Bouchut. Musique de Georges Hüe. Reliure inconnue, Paris 1901
- ↑ Bibliothèque nationale de France: Le roi de Paris, abgerufen am 9. September 2016.
- ↑ a b Karl-Josef Kutsch, Leo Riemens: Großes Sängerlexikon. 4. Auflage, Walter de Gruyter 2004, ISBN 3-598-44088-X, S. 712.
- ↑ Elizabeth Nash: Geraldine Farrar: Opera's Charismatic Innovator, 2d ed., McFarland 2012, S. 8, 14 und 29, Online: [1], abgerufen am 9. September 2016.
- ↑ Bibliothèque nationale de France: La coccinelle, mélodie, abgerufen am 9. September 2016.
- ↑ a b c d Marie-Noël de Gary: The Camondo legacy : the passions of a Paris collector. Thames & Hudson, London 2008, ISBN 0-500-51410-0. Seite 311.
- ↑ Marie-Noël de Gary: The Camondo legacy Seite 312.
- ↑ Bibliothèque nationale de France: Afgar ou Les loisirs andalous, abgerufen am 9. September 2016.
- ↑ a b c Sylvie Roux: Qui veut participer à la restauration de la tombe du grand ténor Victor Capoul?, La Dépêche du Midi (Toulouse), 8. Dezember 2015, abgerufen am 6. September 2016.
- ↑ Falk.de - Routenplaner, Stadtpläne und mobile Navigation, Stichwort: Victor Capoul, abgerufen am 6. September 2016.
- ↑ Novotel Toulouse: La Brasserie du Capoul, abgerufen am 6. September 2016.
Personendaten | |
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NAME | Capoul, Victor |
ALTERNATIVNAMEN | Capoul, Joseph-Amédée-Victor (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | französischer Opernsänger, Librettist, Gesanglehrer und Regisseur |
GEBURTSDATUM | 27. Februar 1839 |
GEBURTSORT | Toulouse |
STERBEDATUM | 18. Februar 1924 |
STERBEORT | Pujaudran |