Zum Inhalt springen

Ostpreußen

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 18. April 2006 um 10:57 Uhr durch Masuren-1934 (Diskussion | Beiträge). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Die preußische Provinz Ostpreußen war von 1871 bis 1945 der nordöstlichste Landesteil des Deutschen Reiches. Das Alte Preußenland war das Stammland der baltischen Pruzzen. Aus deren Gebiet ging der Ordensstaat und durch dynastische Vereinigung mit Brandenburg das Brandenburgische Preußen , auch Herzogtum Preußen benannt, sowie das Königliche Preußen und schließlich seit 1701 das Königreich Preußen hervor. In seiner Hauptstadt Königsberg krönte sich am 18. Januar 1701 der brandenburgische Kurfürst Friedrich III. als Friedrich I. selbst zum preußischen König. Als Hymne von Ostpreußen gilt das Ostpreußenlied.

Kriegsfolgen

Durch seine exponierte Lage vor der russischen Grenze, seine Frontstellung im Ersten Weltkrieg, seine Abtrennung vom übrigen Reichsgebiet durch den Vertrag von Versailles 1919, die Gewaltexzesse bei der Besetzung durch die Rote Armee 1945, Flucht und Vertreibung der Bevölkerung wurde Ostpreußen zum Symbol sowohl für die Nationalisten aller beteiligten Parteien als auch für die Schrecken des Krieges und Verbrechen an der Zivilbevölkerung im Allgemeinen. Gerade an der heutigen Situation dort kann man die fatalen Auswirkungen systematisch geplanter und begangener "ethnischer Säuberungen" erkennen, sowohl auf das kulturelle Erbe als auch auf die langfristige wirtschaftliche Entwicklung.

Gebiet und Bevölkerung

Ostpreußen liegt an der Ostseeküste, zwischen Litauen und Polen, seine nördliche Hälfte bildet heute das russische Kaliningrader Gebiet, die südliche die polnische Woiwodschaft Ermland-Masuren. Mit einer Fläche von rund 39000 km² hatte Ostpreußen 1939 2,6 Millionen Einwohner und war mit 66,6 Einwohnern je km² vergleichsweise dünn besiedelt. Allein in der Hauptstadt Königsberg lebten damals 372.000 Einwohner. Das ganz im Norden gelegene, recht schmale Memelland, das zur Region Ostpreußen gehört, ist heute litauisch. Da Ostpreußen kein zusammengehöriges politisches Gebiet mehr ist, wird der Begriff „Ostpreußen“ nur noch seltener in den nicht fachspezifischen Medien für die aktuelle Region verwendet, wenn die politische Zugehörigkeit keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielt (z. B. in Naturkundefilmen).

Ostpreußen um 1881

Ostpreußen umfasste im Mai 1939 39.840 km² (einschließlich Memelland) mit 2.649.017 Einwohnern.

Geschichte

Vorgeschichte

Archäologische Funde bezeugen menschliche Besiedlung an der Südküste der Ostsee seit 2000 v. Chr.

98 n. Chr. berichtete Tacitus in seiner Germania über die Aesti gentes. Allerdings hatte Tacitus diese Gebiete selber nie besucht, und fasste auch alle an der Ostsee (Mare Suebicum) lebenden Stämme (unter anderem Lombarden, Burgunder, Semnonen, Wandalen, Lugier, Silinger, Goten) als Suebi (Schwaben) zusammen, so dass man wenige schriftliche Einzelheiten zur frühen Geschichte findet. 550 n. Chr. zählt der byzantinische Geschichtsschreiber Jordanes die Aesti zum gotischen Reich.

Etwa um 850 n. Chr. spricht ein Bayerischer Geograph von den Brus.

Wulfstan von Haithabu (Schleswig) berichtete in seinen Reiseberichten über das Land und die Leute jener Gegend. Die ostbaltischen Litauer wurden im 11. Jahrhundert erstmals beschrieben, während die Prussen Westbalten waren. Doch erst mit der Zeit der Christianisierung und des damit verbundenen Kirchenbaues fing man lokal an, schriftliche Dokumente zu führen, die detaillierte Informationen enthalten.

Die englische Bezeichnung Spruce (Fichte) wird etymologisch auch von Pruce (Preußen) abgeleitet und als Hinweis auf Handel mit Preußen gesehen. Die älteste Verwendung dieses Wortes findet sich vor 1400 in der altenglischen Sprache. Die gleiche Entwicklung findet man in der franko-kanadischen Mundart von Akadien, in der der Begriff prusse zur Bezeichnung verschiedenster Baumarten - je nach Region - (Tanne, Rottanne, Hemlocktanne; Schwarz-Fichte, Schimmel-/Weiß-Fichte, Amerikanische Rot-Fichte; Lärche) dient.

Staatenbildung

Ursprünglich war Ostpreußen das Stammland der Pruzzen (Altes Preußenland) an der Ostseeküste, nördlich des späteren Polen und westlich von Litauen; die südwestliche Grenze war westlich der Weichsel, nordöstlich etwa die Stadt Memel nördlich des Flusses Memel. Das Stammgebiet der Pruzzen ging auch südlich über die Grenzen des Ordensstaates Preußen oder Ostpreußen hinaus, siehe alte Karte des Alten Preußenlandes Weblink unten)

Das von baltischen Stämmen an der Ostseeküste besiedelte Gebiet wurde seit dem 10. Jahrhundert zur Interessensphäre der entstehenden und expandierenden deutschen und polnischen Staaten.

Mieszko I., ein Fürst aus dem Hause der Piasten, gab Markgraf Gero und Kaiser Otto I. im zehnten Jahrhundert den Lehnseid und erhielt vom Kaiser und dessen Nachfolger Otto II. und Otto III. Land als Lehen.

Die Piasten versuchten nach dem Tode der Kaiser, das kaiserliche Lehen für sich zu behalten und weiteres Land zu erobern. 997 n. Chr. kam Adalbert von Prag mit Soldaten des Piasten Boleslaw I. Chrobry nach Ostpreußen, um die Pruzzen zu unterwerfen. Sie drangen in der Gegend um Danzig bis zur Ostsee vor. Die Pruzzen konnten sich jedoch wehren und die Soldaten Boleslaws zurückdrängen, worüber die Vita Sankt Adalbert berichtet.

In der Folgezeit versuchte Polen mehrmals ohne Erfolg, das Siedlungsgebiet der Pruzzen und der Pomeranen (Pommern) zu erobern, um einen Zugang zur Ostsee zu erhalten. Die von Konrad von Masowien ebenfalls unter dem Vorwand der Missionierung durchgeführten Kriegszüge scheiterten am Widerstand der Pruzzen; Teile des eroberten Kulmerlandes konnte er nur kurzzeitig halten. Schon 1209 war er erfolglos gegen die Pruzzen und um eine sichere Nordgrenze zu erreichen, bot Konrad von Masowien dem Deutschen Ritterorden Landrechte im Gegenzug für militärische Unterstützung an. Diese Landrechte wurden 1226 durch den deutschen Kaiser Friedrich II. in der Goldenen Bulle von Rimini und 1234 von Papst Gregor IX. in der Goldenen Bulle von Rieti formell bestätigt.

Der Ordensstaat

Festungsanlage des Deutschen Ordens, die Marienburg

Altpreußen (das spätere Ostpreußen, Ermland und Teile von Westpreußen) bestand im Jahre der Goldenen Bulle von Kaiser Friedrich II. aus den folgenden Gebieten:

Schon im Jahre 1224 war Wilhelm von Modena vom Papst zum Legaten für u. a. Preußen und Samland benannt worden.

Ab 1226 begann der Deutsche Orden unter Hochmeister Hermann von Salza die Christianisierung Preußens, das durch die Goldene Bulle von Rimini (1226) von Kaiser Friedrich II. und eine päpstliche Bulle von 1234 unter die Herrschaft des Deutschen Ordens gestellt wurde. 1245 teilte der päpstliche Legat Wilhelm von Modena das Preußenland in vier Bistümer ein: Ermland, Kulmerland, Pomesanien und Samland. Die vier Bistümer unterstanden dem Erzbischof von Riga (siehe auch Liste der Erzbischöfe von Riga). Es dauerte jedoch bis 1283, ehe die heidnischen Preußen besiegt waren. Der Orden gewann 1309 auch Pommerellen mit Danzig und konnte das Land gegen die heidnischen Litauer verteidigen.

Der erste Bischof Preußens war der Mönch Christian aus dem Zisterzienserkloster Oliva, vorher Lekno bei Gnesen. Sitz des Ordens war erst Venedig, dann in Preußen die Ordensburg Marienburg, nach der Schutzheiligen des Deutschen Ordens Maria benannt.

Nach der Niederlage in der Schlacht bei Tannenberg von 1410 und dem 13 Jahre dauernden Städtekrieg innerhalb Preußens von 1454 bis 1466 verlor der Deutsche Orden Westpreußen und musste die polnische Lehnshoheit Ostpreußens anerkennen. Dieses war jedoch weder vom Papst noch vom Kaiser anerkannt und 1494 erhob Kaiser Maximilian I. den Deutschmeister zum Reichsfürsten. Ermland wurde exemptes eigenständiges Fürstbistum. 1511 wurde Albrecht von Brandenburg-Ansbach-Preußen Hochmeister des Deutschen Ordens. Wie auch die vorherigen Hochmeister verweigerte er dem polnischen König den Lehnseid.

Kaiser Maximilian I. schloss im Jahre 1515 auf dem Wiener Fürstentag Verteidigungs- und Heiratsbündnisse mit den Jagiellonen und erklärte, daß er den Deutschen Orden in Preußen nicht unterstützen wird.

Albrecht versuchte in einem 4-jährigen Reiterkrieg erfolglos und vom Kaiserreich im Stich gelassen, die Bindung an Litauen-Polen zu verhindern. Albrecht ging dann ein persönliches Familienbündnis mit seinem Onkel Sigismund I. ein.

Herzogtum Preußen

Statue von Albrecht von Brandenburg in Marienburg

1525 wurde Preußen ein Herzogtum unter Albrecht von Brandenburg-Ansbach. Es wurde Brandenburgisches Preußen genannt. Der Deutsche Orden setzte einen neuen Hochmeister ein, Walther von Cronberg, welcher aber nicht wie bisher in Königsberg, sondern in Mergentheim seinen Sitz einnahm. 1527 erhielt Cronberg vom Kaiser die Berechtigung, sich Administrator des Hochmeistertums zu nennen. Auf dem Reichstag zu Augsburg 1530 wurde der Hochmeister mit den Deutschen Ordens Regalien und dem Lande Preußen belehnt. (Noch der Sohn Kaiser Maximilians II. war bis 1618 Administrator Preußens. Dann nannte man das Amt Hoch- und Deutschmeister. Die Hoch-und Deutschmeister des Deutschen Ordens hatten durch den Kaiser seit 1526 den gleichen Stand im Imperium, wie ein Fürstbistum). 1532/34 wurde Herzog Albrecht unter Bann gesetzt. 1544 gründete Herzog Albrecht die Universität Albertina in Königsberg. Die kulturellen Leistungen in seiner Amtszeit waren die Prutenischen Tafeln, die Erstellung preußischer Landkarten sowie eine Münzreform unter Leitung Nikolaus Kopernikus. In diese Zeit fielen auch die Aufnahme evangelischer Flüchtlinge und besonders die erstmaligen Übersetzungen religiöser Schriften in verschiedene Sprachen der neuen preußischen Bürger aus den Nachbarländern. Nach dem Tode Herzog Albrechts im Jahre 1568 kam dessen fünfzehnjähriger Sohn Albrecht Friedrich an die Regierung; dessen Geisteskrankheit bedingte, dass seit 1577 an seiner Stelle brandenburgische Kurfürsten aus der Linie der Hohenzollern regierten, da sie gemeinsam 1569 das Amt eines Herzog von Preußen geerbt hatten. 1618 endete die preußischen Linie der Hohenzollern, als Albrecht II. starb.

Brandenburg-Preußen

Das Herzogtum Brandenburgisches Preußen (ohne das Fürstbistum Ermland) fiel an die brandenburgische Linie der Hohenzollern, zu diesem Zeitpunkt unter Johann Sigismund. Fortan fanden sich beide Regionen in einem Land wieder, dem späteren (ab 1701) Königreich Preußen. Trotz des Namens lag das Kerngebiet dieses Landes in der Mark Brandenburg.

Königreich Preußen

Nachdem im 18. Jahrhundert Polen aufgeteilt wurde (1772 erste Teilung Polens) und westliche Teile Preußens Friedrich II. huldigten, ordnete der König am 31. Januar 1773 an, die Wiedererwerbungen als Westpreußen und das bisherige Herzogtum Preußen als Ostpreußen zu bezeichnen. Ermland mit Allenstein und Braunsberg,seit Jahren exemtes Fürstbistum in Preußen, kam wieder unter gemeinsame Regierung, die des Königs von Preußen. Hauptstadt Ostpreußens war bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs Königsberg.

Nach dem Wiener Kongress 1815 wurden Ostpreußen und Westpreußen als Provinzen errichtet. Von 1824 bis 1829 waren sie personell und von 1829 bis 1878 real zur Provinz Preußen vereinigt. 1878 wurde diese wieder geteilt, bis 1919 bildeten die Provinzen Ostpreußen (Hauptstadt: Königsberg) und Westpreußen (Hauptstadt: Danzig) den nordöstlichen Teil des Deutschen Reichs.

Durch seine gemeinsame Grenze mit Russland und seine vorgeschobene geographische Lage wurde Ostpreußen im Ersten Weltkrieg zu einem wichtigen Schauplatz der Ostfront, hier lagen die einzigen Gebiete des Reichs, die während des Weltkriegs von fremden Truppen besetzt waren (abgesehen von kleinen Gebieten des Oberelsass, die verlustreichen Schlachten an der Westfront fanden auf französischem und belgischen Territorium statt).

Propagandistische Darstellung des Führungsduos Hindenburg/Ludendorff

Der russische Vormarsch wurde in der zweiten Schlacht von Tannenberg zum stehen gebracht, die verantwortlichen Generale Hindenburg und Ludendorff legten hier die Grundlage zu ihrer großen Popularität, die sie während der Weimarer Republik auf unterschiedliche Weise nutzten: Hindenburg als konservativer Reichspräsident, Ludendorff als Putschist und Verbündeter Hitlers.

Der Versailler Vertrag

Mit dem Inkrafttreten des Versailler Vertrages wurde Westpreußen überwiegend ohne Volksabstimmung zwischen Polen und der vom Deutschen Reich abgetrennten Freien Stadt Danzig aufgeteilt. Im östlichen Teil fand eine Volksabstimmung statt, in der die Bewohner zu 8 % für eine Angliederung an Polen und zu 92 % für einen Verbleib bei Deutschland votierten. Der östliche Teil wurde daraufhin der Provinz Ostpreußen als Regierungsbezirk Westpreußen mit Verwaltungssitz in Marienwerder angegliedert, beziehungsweise der neugebildeten Grenzmark Posen-Westpreußen angeschlossen.

Am 10. Januar 1920 wurde der südwestliche Teil des Kreises Neidenburg ohne Volksabstimmung an Polen abgetreten, hauptsächlich deswegen, weil eine wichtige Eisenbahnlinie durch den Hauptort Soldau (Dzialdowo) lief. Daraus wurde der neue Kreis Dzialdowo (Soldau) gebildet, der zur polnischen Woiwodschaft Pomerellen gehörte.

Im südlichen Ostpreußen (Masuren) fand 1920 eine Volksabstimmung über die künftige Gebietszugehörigkeit statt. Hintergrund der Volksabstimmung war, dass ein erheblicher Teil der Bevölkerung in Masuren neben Deutsch als Verkehrssprache auch das „Masurische“, einen polnischen Dialekt gebrauchte. Deutschland sollte Masuren nach dem Erstentwurf des Versailler Vertrages ohne Volksabstimmung an Polen abtreten. Erst nach Protest der Regierung Ebert einigten sich die Parteien bei den Verhandlungen in Versailles auf eine Volksabstimmung. Die Bewohner konnten bei der Volksabstimmung wählen zwischen den Alternativen „Polen“ und „Ostpreußen“. 97 % der Bewohner entschieden sich dafür, weiterhin zu Ostpreußen gehören zu wollen.

Das Memelgebiet, welches gemäß dem Versailler Vertrag ein Freistaat werden sollte, und seit 1920 von französischen Truppen besetzt war, wurde 1923 von litauischen Verbänden besetzt und in der Folge annektiert.

Weimarer Zeit und Drittes Reich

1922 wurde vom Reichsverkehrsministerium der Seedienst Ostpreußen eingerichtet, der über den Seeweg eine Verbindung zwischen Ostpreußen und dem Kernland des Deutschen Reiches herstellte. Der Seedienst Ostpreußen bestand bis 1944.

Der Verkehr zwischen dem Deutschen Reich und Ostpreußen auf dem Landweg war wegen des sogenannten polnischen Korridors (die Landverbindung zwischen dem eigentlichen Polen und der Ostsee durch das bisherige Westpreußen) nicht unproblematisch. Der Bahnverkehr erfolgte in verplombten Zügen, bei denen zum Teil sogar die Fenster zugehängt wurden. Auch der Straßenverkehr zwischen Ostpreußen und dem Reichsgebiet wurde durch die polnischen Behörden erschwert. Das Verhältnis zwischen der Weimarer Republik und dem seit dem Putsch von Marschall Pilsudski 1926 autoritär-antidemokratisch regierten polnischen Staat war äußerst feindselig, immer wieder kam es entlang der gemeinsamen Grenze zu bewaffneten Auseinandersetzungen.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 konnten diese in der Bevölkerung unter anderem auch durch das Unterlaufen des in Deutschland als Demütigung empfundenen Versailler Vertrags Popularität gewinnen. Gauleiter und damit eigentlicher lokaler Machthaber in Ostpreußen wurde der aus dem Rheinland stammende Erich Koch. Die erneute Aufrüstung Deutschlands erfolgte zunächst versteckt, später dann ganz offen. In Folge der nationalsozialistischen Expansionspolitik wurden im Westen (Saargebiet) und Südosten (Österreich, Sudetenland) deutschsprachige Gebiete an das Reich angeschlossen, ohne bei den Westmächten Frankreich und Großbritannien wegen deren Unentschlossenheit und Appeasement-Politik auf ernsthaften Widerstand zu stoßen. Für die deutschen Forderungen im Nordosten, den Wiederanschluss Danzigs und die Rückgabe des „Korridors“, signalisierten sie jedoch im Falle einer Besetzung den Casus belli (Kriegsfall). Lediglich Litauen gab am 23. März 1939 auf massiven deutschen Druck hin das Memelgebiet an das Deutsche Reich zurück.

Ein knappes halbes Jahr später begann mit dem deutschen Angriff auf Polen der Zweite Weltkrieg. Nach der schnellen Besetzung dieses Landes wurden neben den 20 Jahre zuvor abgetretenen Provinzen Westpreußen und Posen weitere Teile Polens annektiert. Noch 1939 wurde dort ein neuer Regierungsbezirk Zichenau gebildet, der der Provinz Ostpreußen zugeordnet wurde. Ferner trat der neue Landkreis Suwalki (später Sudauen) zur Provinz, während die früher westpreußischen Gebiete um Elbing und Marienwerder an den neuen Reichsgau Westpreußen, später Danzig-Westpreußen, fielen. Die neu an Ostpreußen angegliederten Gebiete waren jedoch ethnisch praktisch rein polnische Gebiete, die auch historisch nie zuvor in engerer Verbindung mit Ostpreußen gestanden hatten (abgesehen von einer kurzen Episode nach den polnischen Teilungen).

Eroberung, Kriegsende und Vertreibung

Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Ostpreußen von der Roten Armee nach blutigen Kämpfen erobert. Die nationalsozialistische Gauleitung unter Gauleiter Erich Koch unterließ die rechtzeitige Evakuierung der Bevölkerung und stellte selbständige Fluchtbewegungen unter schwere Strafe. Die Evakuierung und Flucht setzte erst viel zu spät ein und verlief vielfach ungeordnet. Dadurch wurde ein Großteil der Zivilbevölkerung unmittelbar in die Kampfhandlungen verwickelt. Nach dem Ende der Kampfhandlungen zurückkehrende Bewohner oder vom Vormarsch der Roten Armee eingeholte Flüchtlinge wurden vielfach von durch die antideutsche Propaganda aufgestachelten Soldaten der Roten Armee, umgebracht, misshandelt, vergewaltigt und zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion verschleppt. Ein Teil der Bevölkerung konnte sich über das Land mit Flüchtlingstrecks nach Westen retten, ein anderer Teil wurde über die Ostsee, vor allem über den Hafen Pillau evakuiert. Insgesamt forderte die überstürzte Flucht unter Kriegsbedingungen größtenteils im Winter einen sehr hohen Blutzoll. Es wird geschätzt, dass von den bei Kriegsende ca. 2,4 Millionen Bewohnern Ostpreußens ca. 300 000 unter größtenteils elenden Bedingungen ums Leben gekommen sind. Unter den Menschen, die bei der Versenkung der "Wilhelm Gustloff", der "General von Steuben" und der "Goya" im Frühjahr 1945 ums Leben kamen, befanden sich auch viele Flüchtlinge aus Ostpreußen. Alexander Solschenizyn und Lew Kopelew waren Augenzeugen und haben sich gegen die von der Roten Armee begangenen Greueltaten wie beispielsweise in Nemmersdorf ausgesprochen. Sie kamen beide darauf in Zwangsarbeitslager (Gulags).

Die überlebenden Bewohner wurden bis 1947 fast vollständig aus ihrer Heimat nach dem verbliebenen Deutschland ausgesiedelt. Ein geringer Prozentsatz konnte dennoch bleiben, so gab es im heute polnischen Teil Ostpreußens die Möglichkeit, sich zum Polentum zu bekennen und dadurch in der Heimat zu verbleiben, wenn auch unter beschwerlichen Lebensbedingungen. Diese Möglichkeit wurde besonders den Masuren angeboten, die neben Deutsch den dem Polnischen verwandten masurischen Dialekt als Muttersprache hatten. Facharbeitern wurde ebenfalls ein Bleiberecht eingeräumt, da man auf diese meist nicht verzichten konnte. Die überwiegende Mehrheit der vertriebenen Einwohner Ostpreußens fanden ihre neue Heimat in den westlichen Besatzungszonen, die meisten davon in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bayern. Nach dem Potsdamer Abkommen wurde Ostpreußen zwischen Polen und der Sowjetunion aufgeteilt. Der sowjetische Anteil wurde der russischen Sowjetrepublik zugeteilt und mit Russen aus Zentralrussland und dem Gebiet des heutigen Föderationskreises Wolga sowie mit Weißrussen besiedelt. Der polnische Anteil wurde auf die neugegründeten Woiwodschaften Danzig, Allenstein und Suwalki aufgeteilt. Hier wurden in erster Linie Polen aus Zentralpolen und im Rahmen der Aktion Weichsel aus Südostpolen vertriebene Ukrainer angesiedelt. Die Hauptstadt Königsberg wurde 1946 zu Ehren des sowjetischen Politikers Michail Iwanowitsch Kalinin in Kaliningrad umbenannt, ebenso wurden sämtliche Orte im sowjetischen Anteil – sofern sie nicht aufgelöst wurden – umbenannt.

Das "Haus der Sowjets", gebaut neben dem früheren Standort des Königsberger Schlosses

Anerkennung der Grenzziehung

Die Deutsche Demokratische Republik - DDR erkannte 1950 die Oder-Neiße-Linie als ihre Grenze zu Polen an. Dieser Anerkennung wird allerdings die völkerrechtsverbindliche Wirkung abgesprochen. Aber auch die Bundesrepublik Deutschland - BRD, welche das Alleinvertretungsrecht für Deutschland und alle Deutschen, also auch für die Staatsbürger der DDR und deren Staatsgebiet, beanspruchte, betrieb unter ihrem Kanzler Willy Brandt im Rahmen der neuen Ostpolitik in den frühen 1970er Jahren die Anerkennung der Grenzziehung vorbehaltlich eines endgültigen Friedensvertrages. Im Zuge des Beitrittes der DDR zur BRD musste die „alte“ BRD zuvor (am 14. November 1990) einen deutsch-polnischen Grenzvertrag unterzeichnen und damit ihre Ansprüche auf die ehemaligen deutschen Ostgebiete und damit auch auf Ostpreußen aufgeben. Ohne diesen Grenzanerkennungsvertrag wäre die deutsche „Wiedervereinigung“ gefährdet gewesen.

Heutige Situation

Nach der Verwaltungsreform 1975 wurde das polnische Ostpreußen in die neuen Bezirke (Woiwodschaften) Elbląg, Olsztyn, Ciechanów und Suwałki geteilt. Nach einer erneuten Bezirksreform am 1. Januar 1999 im polnischen Südteil bildet dieses Gebiet seither fast in seiner Gesamtheit die Woiwodschaft Ermland-Masuren mit der Hauptstadt Olsztyn (Olsztyn), der nördliche Teil bildet heute die russische Oblast Kaliningrad mit der Hauptstadt Kaliningrad. Nach der Auflösung der Sowjetunion ist diese Oblast nun eine Exklave Russlands. Einige russische Einwohner nennen die Stadt heute häufig „Kjonigsberg“, „Kenig“ oder „Kenigsberg“, weshalb eine Rückbenennung in den alten Namen, wie bei St. Petersburg geschehen, ein ständiges Thema ist.

Verwaltungsgliederung der Provinz Ostpreußen

In der Zeit von 1878 bis 1945 hat sich die territoriale Verwaltungsgliederung innerhalb der überwiegend landwirtschaftlich strukturierten Provinz Ostpreußen nur allmählich verändert. Allerdings sind 1920 und 1939 die Außengrenzen erheblich verändert worden.

Regierungsbezirke

Von 1878 bis 1945 bestanden die beiden Regierungsbezirke Gumbinnen und Königsberg. Aus den südlichen Kreisen dieser Bezirke entstand am 1. November 1905 der neue Regierungsbezirk Allenstein.

Der früher westpreußische Regierungsbezirk Marienwerder wurde teilweise, gemeinsam mit einigen Kreise aus dem ehemaligen Regierungsbezirk Danzig (Elbing und Marienburg) zum 1. Juli 1922 als Regierungsbezirk Westpreußen mit dem Sitz in Marienwerder der Provinz Ostpreußen angegliedert und trat am 26. Oktober 1939 zum neuen Reichsgau Danzig-Westpreußen.

Am 26. Oktober 1939 wurde aus annektierten polnischen Gebieten der neue Regierungsbezirk Zichenau (Ciechanów) der Provinz Ostpreußen einverleibt. Ab 1. August 1941 entstand aus besetzten sowjetischen (weißrussischen, bis 1939 polnischen) Gebieten der neue Bezirk Bialystok. Dieser wurde vom ostpreußischen Oberpräsidenten und Gauleiter Erich Koch als Chef der Zivilverwaltung mitverwaltet und faktisch wie Reichsgebiet behandelt, allerdings nicht förmlich nach Ostpreußen eingegliedert.

Stadtkreise

Außer dem bereits 1818 bestehenden Stadtkreis Königsberg i. Pr. entstanden im Laufe der Zeit die folgenden weiteren Stadtkreise: Es wurden die Städte Tilsit (1896), Insterburg (1901), Allenstein (1910) und Memel (1918) aus ihren Landkreisen ausgegliedert und bildeten eigene Stadtkreise. Das westpreußische Elbing war bereits seit 1874 Stadtkreis und gehörte von 1922 bis 1939 zu Ostpreußen.

Landkreise

  Folgende Kreise wurden aufgelöst oder umbenannt: während die folgenden Kreise neu entstanden (teilweise unter neuem Namen):
1819–1918
1919–1933
1933–1938
1939–1945
Verwaltungsgliederung Ostpreußens
Stand 31. Dezember 1937 Stand 1. Januar 1945

Regierungsbezirk Allenstein

Stadtkreis

  1. Allenstein

Stadtkreis

  1. Allenstein

Landkreise

  1. Allenstein
  2. Johannisburg
  3. Lötzen
  4. Lyck
  5. Neidenburg
  6. Ortelsburg
  7. Osterode i. Ostpr.
  8. Rößel [Sitz: Bischofsburg]
  9. Sensburg

Landkreise

  1. Allenstein
  2. Johannisburg
  3. Lötzen
  4. Lyck
  5. Neidenburg
  6. Ortelsburg
  7. Osterode i. Ostpr.
  8. Rößel [Sitz: Bischofsburg]
  9. Sensburg

Regierungsbezirk Gumbinnen

Stadtkreise

  1. Insterburg
  2. Tilsit

Stadtkreise

  1. Memel
  2. Insterburg
  3. Tilsit

Landkreise

  1. Angerburg
  2. Darkehmen
  3. Goldap
  4. Gumbinnen
  5. Insterburg
  6. Niederung [Sitz: Heinrichswalde]
  7. Pillkallen
  8. Stallupönen
  9. Tilsit-Ragnit [Sitz: Tilsit]
  10. Treuburg

Landkreise

  1. Angerapp
  2. Angerburg
  3. Ebenrode
  4. Elchniederung [Sitz: Heinrichswalde]
  5. Goldap
  6. Gumbinnen
  7. Heydekrug
  8. Insterburg
  9. Memel
  10. Schloßberg (Ostpr.)
  11. Sudauen
  12. Tilsit-Ragnit [Sitz: Tilsit]
  13. Treuburg

Regierungsbezirk Königsberg

Stadtkreis

  1. Königsberg (Pr)

Stadtkreise

  1. Königsberg (Pr)

Landkreise

  1. Bartenstein
  2. Braunsberg
  3. Fischhausen
  4. Gerdauen
  5. Heiligenbeil
  6. Heilsberg
  7. Königsberg (Pr)
  8. Labiau
  9. Mohrungen
  10. Preußisch Eylau
  11. Preußisch Holland
  12. Rastenburg
  13. Wehlau

Landkreise

  1. Bartenstein (Ostpr.)
  2. Braunsberg (Ostpr.)
  3. Gerdauen
  4. Heiligenbeil
  5. Heilsberg
  6. Labiau
  7. Mohrungen
  8. Preußisch Eylau
  9. Preußisch Holland
  10. Rastenburg
  11. Samland [Sitz: Königsberg (Pr)]
  12. Wehlau

Regierungsbezirk Westpreußen (Sitz: Marienwerder)

Stadtkreis

  1. Elbing

Landkreise

  1. Elbing
  2. Marienburg (Westpr.)
  3. Marienwerder
  4. Rosenberg i. Westpr.
  5. Stuhm

Regierungsbezirk Zichenau

Landkreise

  1. Mackeim
  2. Mielau
  3. Ostenburg
  4. Plöhnen
  5. Praschnitz
  6. Scharfenwiese
  7. Schröttersburg
  8. Sichelberg
  9. Zichenau

Politik

Oberpräsidenten

Wahlen zum Provinziallandtag

1921: DNVP 27,1 % – 23 Sitze | SPD 23,5 % – 20 Sitze | DVP 15,3 % – 13 Sitze | Zentrum 9,4 % – 8 Sitze | KPD 7,2 % – 6 Sitze | USPD 7,1 % – 6 Sitze | DDP – 7,0 % – 6 Sitze | Polen – 1,3 % – 1 Sitz | WP 1,2 % – 1 Sitz | Landliste 1,1 % – 1 Sitz
1925: DNVP/DVP 45,6 % – 40 Sitze | SPD 24,8 % – 22 Sitze | Zentrum 6,9 % – 6 Sitze | KPD 6,9 % – 6 Sitze | WP 4,2 % – 4 Sitze | DVFP 4,2 % – 4 Sitze | DDP 3,6 % – 3 Sitze | Aufwertungspartei 2,4 % – 2 Sitze
1929: DNVP 31,2 % – 27 Sitze | SPD 26,0 % – 23 Sitze | DVP 8,7 % – 8 Sitze | KPD 8,6 % – 8 Sitze | Zentrum 8,1 % – 7 Sitze | NSDAP 4,3 % – 4 Sitze | WP 4,0 % – 4 Sitze | CSVD 3,0 % – 3 Sitze | DDP 2,8 % – 3 Sitze
1933: NSDAP 58,2 % – 51 Sitze | SPD 13,6 % – 12 Sitze | DNVP 12,7 % – 11 Sitze | Zentrum 7,0 % – 7 Sitze | KPD 6,0 % – 6 Sitze
An 100 % fehlende Stimmen = Nicht im Provinziallandtag vertretene Wahlvorschläge.

Bekannte Ostpreußen

Siehe auch Liste bedeutender Ostpreußen

Sprache

Die ostniederdeutschen Dialekte, die in Ostpreußen gesprochen wurden, werden erfasst und beschrieben im Preußischen Wörterbuch.

Siehe auch

Literatur

  • Andreas Kossert: Ostpreußen. Geschichte und Mythos. Siedler-Verlag, München 2005. ISBN 3-88-680808-4
  • Fritz Mielert: Ostpreußen. Nebst dem Memelgebiet und der Freien Stadt Danzig. (Reihe: Monographien zur Erdkunde, Bd. 35). Velhagen & Klasing. Bielefeld. 1926. 163 S. (Nachdruck: Bechtermünz Verlag. Augsburg. 1999. ISBN 3828902723)
  • Walter Frevert: Rominten (1. Teil der so genannten "Ostpreußen-Trilogie"). BLV, Bonn, München und Wien 1957
  • Hans Kramer: Elchwald. Der Elchwald als Quell und Hort ostpreußischer Jagd (3. Teil der so genannten "Ostpreußen-Trilogie"). Jagd- und Kulturverlag, Sulzberg im Allgäu 1985 (2., verbesserte Auflage), ISBN 3-925456-00-7
  • Ehrhard u. Pollmann: Ostpreußen (Länderportrait, aktuelle Bilder aus dem ehemaligen Ostpreußen). Bruckmann-Verlag, München 2004, ISBN 3-7654-3877-4