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Gotthard Günther

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Gotthard Günther, Sohn eines schlesischen Landpfarrers, (* 15. Juni 1900; † 29. November 1984) war ein deutscher Philosoph. Günther entwarf eine über Aristoteles hinaus gehende (mehrwertige) Logik, indem er u. a. auf das Axiom des tertium non datur verzichtete.


Gotthard Günther, Sohn eines schlesischen Landpfarrers, (* 15. Juni 1900; † 29. November 1984) war ein deutscher Philosoph. Günther entwarf eine über Aristoteles hinaus gehende (mehrwertige) Logik, indem er u. a. auf das Axiom des tertium non datur verzichtete.

Die „Güntherlogik“

Um Reflexion auf Anderes und zugleich auf sich selbst („Selbstreferentialität“) formal widerspruchsfrei darstellen zu können – das heißt, um das „Ich“ als Subjekt und zugleich als Objekt seines eigenen Denkens formal unterscheidbar zu machen –, konzipierte Gotthard Günther die „Polykontexturallogik“, mitsamt einer zugehörigen Morpho- und Kenogrammatik. Seine Beiträge zur Philosophie der Kybernetik (vgl. Das Bewusstsein der Maschinen, 1963), aber auch seine Anregungen für Mathematik, Physik, Psychiatrie oder Soziologie sind beachtlich (bedeutsam wurde dort z. B. seine Ermöglichung, das Problem der selbsterfüllenden bzw. zerstörenden Prognose formallogisch zu bearbeiten). Seine intrikaten, bei kleiner Einarbeitung jedoch gut nach vollziehbaren Formalismen standen dabei einem öffentlichen Erfolg durchaus im Wege.

Leben

Günther studierte Sanskrit, Sinologie und Philosophie ab 1921 in Heidelberg, dann Berlin. 1933 Dr. phil. (bei Eduard Spranger über Hegel). 1935-37 Assistent von Arnold Gehlen an der Universität Leipzig, publiziert er 1937 mit Helmut Schelsky Christliche Metaphysik und das Schicksal des modernen Bewusstseins. Im gleichen Jahr folgt er seiner 1933 nach Italien emigrierten jüdischen Frau, der Psychologin Dr. Marie Günther, nach Italien, geht mir ihr nach Südafrika und 1940 in die USA (1948 eingebürgert). Beide schlagen sich lange in kleinen akademischen Anstellungen durch. Er entwickelt dort seine mehrwertige Logik und entdeckt die frühe, technisch-utopisch orientierte Science Fiction (später gibt er in Deutschland als Erster Isaac Asimows I, Robot heraus). 1959 erscheint bei Meiner in Hamburg Die philosophische Idee einer nicht-Aristotelischen Logik. 1960 geht er (bis 1972) als Forschungsprofessor der Philosophie ans Department of Electrical Engineering der Universität Urbana/Illinois und wirkt dort im Verbund mit Warren Sturgis McCulloch, Heinz von Foerster, Humberto Maturana u. a. 1962 publiziert er Cybernetic Ontology and Transjunctional Operations („ich konnte meiner chinesischen Assistentin deutsche idealistische Philosophie nur erklären, wenn ich Schelling, Fichte und Hegel computerreif machte“). Er liest dann bis zu seinem Tode 1984 regelmäßig an der Universität Hamburg. Er liegt dort mit Marie Günther bei den jüdischen Gräbern auf dem Ohlsdorfer Friedhof, sein Grab wird gelegentlich mit geschändet; sein Nachlass befindet sich in der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.

Werke und Wirkung

Sein deutsch- und englischsprachiges Œuvre ist umfangreich, einen vorzüglichen Überblick geben seine drei Bände Beiträge zur Grundlegung einer operationsfähigen Dialektik, Hamburg (Meiner) 1976, 1979 und 1980. Lesenswert ist auch seine Selbstdarstellung im Spiegel Amerikas (in: L. S. Pongratz (Hg.), „Philosophie in Selbstdarstellungen“, Bd. 2, Hamburg 1979: 1-76). Eine gute Einführung mit umfangreichen Verweisen auf Sekundärliteratur sowie weiterführende Arbeiten liefert die 3. Auflage seines Werkes "Das Bewusstsein der Maschinen, Eine Metaphysik der Kybernetik", Baden-Baden 2002.

Gut führt ein Kurt Klagenfurt, Technologische Zivilisation und transklassische Logik, Frankfurt am Main (Suhrkamp) 1995, ISBN 3-518-28766-4.

Um sein Fortwirken an einer Namensauswahl fest zu machen: Unter den Philosophen haben Claus Baldus, Wilhelm Berger und Elena Esposito güntherlogische Ansätze weiter geführt, Jürgen Habermas hat Günthers fulminante Abfertigung nicht zur Kenntnis genommen. Unter den Mathematikern sind Rudolf Kaehr, Ernst Kotzmann und Engelbert Kronthaler zu nennen, unter den Soziologen Arno Bammé, Walter L. Bühl, Lars Clausen, Elke M. Geenen und Reinhard Strangmeier. Eine interdisziplinäre „Gotthard-Günther-Arbeitsstelle“ wirkt an der Universität Klagenfurt.

Hinweise

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