Tobin-Steuer
Die sogenannte Tobin-Steuer ist die Idee einer Steuer auf internationale Devisengeschäfte, genauer die Besteuerung kurzfristiger Spekulationen mit ausländischen Währungen zum Beispiel im Interbankenhandel, welche 1972 von James Tobin (1918-2002), Nobelpreisträger für Wirtschaft, vorgeschlagen wurde. Auf diese Weise sollte es ermöglicht werden, Finanzspekulationen einzudämmen, die vor allem kleineren Wirtschaftssystemen mit "schwachen" Währungen große Probleme oder gar Katastrophen bereiten.
Der von Tobin erdachte Steuersatz dafür liegt extrem niedrig (zwischen 0,05 und ein Prozent). Besteuert würden alle grenzüberschreitenden Geldtransfers mit dieser einheitlichen Steuerlast. Für den Laien mag der von Tobin vorgeschlagene Steuersatz zu niedrig erscheinen, um wirklich etwas bewirken zu können. Tatsächlich sind für Devisenhändler aber selbst vier Stellen hinter dem Komma (genannt Pip) relevant. Da es sich beim spekulativen Devisenhandel oft um das so genannte second trading oder minute trading handelt, wirkt sich eine Besteuerung auf die Geschäfte eines Traders also stark aus.
Die frühere Forderung Tobins nach einer Umverteilung von Kapital mittels der Besteuerung des Devisenhandels wurde von den Globalisierungskritikern, speziell von Attac aufgegriffen. Attac schlägt die Einrichtung einer übernationalen Organisation vor, die mit den Einnahmen Umweltprojekte in den Entwicklungsländern fördern soll.
Tobin selbst hat sich in den letzten Jahren seines Lebens von der Tobin-Steuer distanziert, unter anderem weil er seinen Namen von den globalisierungskritischen Bewegungen vereinnahmt sah und weil die Diskussion in wesentlichen Punkten und Zielsetzungen von seinem ursprünglichen Konzept abweicht, das die Steuerung von Devisenströmen im Blick hat und nicht die Finanzierung von Entwicklungshilfe.
Bewertung
Analyse der Tobin-Steuer
Paul Bernd Spahn, Inhaber des Lehrstuhls für öffentliche Finanzen an der Universität Frankfurt, veröffentlichte 2002 im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) eine Machbarkeitsstudie in Bezug auf die Tobin-Steuer. Er beschränkte sich dabei auf die Aspekte der Einnahmenerzielung und der Wechselkursstabilität. Die systemtechnischen Veränderungen durch die Tobin-Steuer streifte er kurz und kam zu dem Ergebnis, dass die - oft idealistisch gefärbten - politischen Sichtweisen der Tobin-Steuer oft die wirtschaftlichen Folgen außer Acht ließen und nicht beachten würden, dass die Devisentransaktionssteuer im Wechselkurssystem des Bretton Woods erdacht wurde. Ebenfalls würden die Befürworter die Gefahren für die Liquidität der Volkswirtschaften außer Acht lassen. Seine Empfehlung war die Einführung einer politically feasible Tobin Tax (dt. politisch machbare Tobin-Steuer, kurz PFTT. Diese setzt sich aus der eigentlichen Tobin-Steuer, fokussiert auf den Aspekt der Einnahmeerzielung und einer Spekulationsabgabe, der Exchange Rate Normalization Duty (ERND), zusammen. Die ERND zielt besonders auf Schwellen- und Transformationsländer, die von anderen Währungen abhängig sind. Euro und US-Dollar sollen explizit ausgenommen werden und sich nur noch in einer festgelegten Bandbreite bewegen können. Das BMZ bewertete die Studie kritisch und befürchtete negative Auswirkungen auf die Entwicklungspolitik. Für Spahn stellte die Tobin-Steuer allerdings kein geeignetes Instrument der Entwicklungspolitik dar. Für ihn ist die politische Verwirklichung von Menschenrechten, Demokratie und Bildung hilfreicher als der unkontrollierte Zufluss von Kapital.
Befürworter
Die Tobin-Steuer soll, so die Befürworter, den kurzfristigen Handel mit Devisen unterbinden, da dieser ihrer Meinung nach negative Auswirkungen auf Volkswirtschaften hat, nicht aber den für diese unbedenklichen längerfristigen Devisenhandel.
Die dadurch entstehenden Einnahmen sollten durch die Weltbank weitergeleitet werden. Die Einnahmen sollen der Allgemeinheit zu Gute kommen und der zu hohen Besteuerung geringer Einkommen entgegenwirken. Sehr populär ist auch die Idee, die Einkünfte aus der Tobinsteuer zur Erhöhung der Entwicklungshilfe und zum Abbau der Schuldenlast der ärmsten Entwicklungsländer zu verwenden.
Ein Beispiel für die Auswirkungen von kurzfristigem Devisenhandel, der durch die Tobin-Steuer beschränkt wäre, bietet Thailand. Mitte der 90iger trieben Finanzspekulanten das Land, welches bis zu diesem Zeitpunkt wirtschaftlich florierte, in eine tiefe Krise. Die nationale Währung, der Baht, verfiel (das Verhältnis Dollar zu Baht änderte sich von 1:25 zu 1:56). In Thailand verloren hunderttausende ihre Arbeit und viele Sozialeinrichtungen wurden geschlossen (auf Betreiben des IWF). Der Vollständigkeit halber muss erwähnt werden, dass Thailand, als ein hoch entwickeltes Land, den Weg aus der Krise fand. Dennoch liegen die Zahlen noch deutlich unter dem Niveau vor der Krise. Den Menschen in Thailand wäre eine solche Tobin-Steuer sicher recht gewesen!
Kritiker
Kritiker sehen darin allerdings genau den gegenteiligen Effekt. Das Element der Spekulation werde damit nicht unterbunden, da Spekulanten folglich dafür sorgen würden, dass es zu stärkeren Kursbewegungen kommt. Gerade diese stärkeren Bewegungen seien es jedoch, die Volkswirtschaften schädigen, die kleinen Anpassungen hingegen verhinderten Ungleichgewichte und hätten positive Effekte.
Zusätzlich besteht die Befürchtung, Ziel wäre lediglich eine Erhöhung der Steuereinnahmen und das Argument, Entwicklungshilfe- oder Umweltprojekte zu unterstützen, sei nur vorgeschoben.
Das größte Problem der Tobin-Steuer liegt jedoch in der weltweiten Umsetzbarkeit, damit keine Abwanderung von Kapital in nicht-besteuerte Gebiete (Steuerparadiese) entsteht.
Tiefergehende Kritik gibt es von Seiten freiheitlich orientierter radikaler Kapitalismus-Befürworter wie den Vertretern der Österreichischen Schule der Nationalökonomie, des Libertarismus und des Anarchokapitalismus. Nach ihrer Auffassung geht die Tobin-Steuer nicht weit genug. Sie ziele lediglich auf ein Symptom ab, nicht jedoch auf die grundsätzliche Ursache, das internationale Fiat Money-Währungssystem. Dieses sollte durch einen freien Markt für Währungen, mindestens jedoch durch einen vollen Goldstandard ersetzt werden.
Umsetzung
Sowohl die Parlamente von Frankreich als auch Belgien haben die Einführung der Tobin-Steuer beschlossen, allerdings nur, wenn alle EU-Mitgliedsländer diese einführen. Ende Januar 2005 haben sich zuerst Frankreichs Staatspräsident Chirac und anschließend auch Ex-Bundeskanzler Schröder erstmals für eine Besteuerung internationaler Devisengeschäfte zugunsten von Entwicklungsländern ausgesprochen. Kritiker meinen, dies sei vor dem Hintergrund zu sehen, dass eine solche Steuer international nicht konsensfähig sei, da sie vor allem von der amerikanischen Regierung abgelehnt werde und somit keine Aussicht auf Realisierung solcher Vorschläge bestehe.
Der österreichische Bundeskanzler Schüssel hat im Juli 2005 vorgeschlagen, die EU möge die Tobin-Steuer einführen (s. Weblink). Damit solle sich die EU eigene Mittel verschaffen können. Und - das war das eigentliche Ziel Schüssels - damit wäre die Budgetplanung der EU wesentlich konfliktfreier. Diese Budgetplanung (für 2007 - 2013) scheiterte Ende Juni 2005. Die EU-Kommission sprach sich gegen die Einführung einer Tobin-Steuer aus. Österreich hat zum 1. Januar 2006 die EU-Ratspräsidentschaft übernommen.
Literatur
- Matthias Catón: Tobin-Steuer. In: Dieter Nohlen (Hrsg.): Lexikon Dritte Welt. 12. Auflage, Rowohlt, Reinbek 2002, S. 792–793, ISBN 3-499-61468-5
- Andreas Thiemer: Tobin Tax. In: Das Wirtschaftsstudium (WISU), 27. Jg., Heft 3 (März 1998), S. 235.