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Wartheland

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Reichsgaue um 1941

Der Reichsgau Wartheland bestand im Verband des Deutschen Reiches von 1939 bis 1945.

Geschichte

Annexion des Gebietes von Polen

Die von 1939 bis 1945 als Wartheland bezeichnete Region war vor dem Angriff Deutschlands auf Polen im September 1939 polnisches Staatsgebiet.

Bereits vor Ende des Polenfeldzugs im September 1939 wurde im westlichen Polen der deutsche Militärbezirk Posen eingerichtet. Dieser umfasste ganz oder teilweise die westlichen Woiwodschaften Polens. Er grenzte im Nordwesten, Westen und Südwesten an die alte deutsche Reichsgrenze von 1937/39 (preußische Provinzen Pommern, Mark Brandenburg und Schlesien) und folgte im Norden im Wesentlichen dem Lauf der Netze und der mittleren Weichsel. Im Osten verlief die Abgrenzung von der Weichsel westlich an Łódź vorbei bis zur schlesischen Grenze. Zum Chef der Zivilverwaltung in Posen wurde der ehemalige Senatspräsident Arthur Greiser aus Danzig bestellt.

Mit dem 26. Oktober 1939 wurde der Militärbezirk Posen in das Deutsche Reich eingegliedert und zwar nicht als neue Provinz in das Land Preußen, sondern in seinen bisherigen Grenzen als neuer Reichsgau Posen.

Die zunächst noch ungeklärte Grenze zum neuen Generalgouvernement für die besetzten polnischen Gebiete wurde am 9. November 1939 durch Eingliederung des Industriegebietes von Łódź, jetzt Lodsch genannt, nach Osten verschoben und am 20. November 1939 endgültig abgerundet und festgelegt. Bestrebungen, diese Grenze noch weiter nach Osten auszudehnen, wurden für die Dauer des Krieges zurückgestellt und kamen damit nicht mehr zum Zuge.

Verwaltungssitz wurde die Stadt Posen (polnisch Poznań). Reichstatthalter in Posen wurde der ehemalige bisherige Chef der Zivilverwaltung Arthur Greiser in Posen.

Seit dem 29. Januar 1940 galt für den Reichsgau die Bezeichnung Wartheland.

Vertreibung von Polen und Juden

Im Rahmen des Hitler-Stalin-Paktes vereinbarten das Dritte Reich und die Sowjetunion vertraglich eine Aussiedlung deutschstämmiger Bevölkerung im sowjetischen oder als der Sowjetunion zugehörig betrachteten Gebiet. Dies betraf vorwiegend die baltischen Staaten. Die betroffenen Menschen hatten die Option, sich zwischen Ausreise und Dableiben zu entscheiden, jedoch wählten die meisten auf Grund der drohenden Annexion Estlands, Lettlands und Litauens die Ausreise.

Die von Deutschland aufgenommene Bevölkerung sollte im Warthegau angesiedelt werden. Dazu ordnete der Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei Heinrich Himmler bereits am 30. Oktober 1939 die Germanisierung des Gebiets und somit die logisch mit einhergehende Vertreibung der polnischen und jüdischen Bevölkerung an. Himmler war am 7. Oktober zum Reichskommissar für die Festigung des Deutschen Volkstums ernannt worden.

Die Vertreibung erfolgte unter der Aufsicht des SD und mit der Unterstützung von Gendarmerie, Schutzpolizei, Selbstschutz sowie SA- und SS-Einheiten. Die Vertriebenen kamen zunächst in speziell eingerichtete Übergangslager, von denen das größte in Posens Stadtteil Glówna eingerichtet wurde. Die Existenzbedingungen in diesen Lagern waren schlecht - die Internierten litten unter Hunger, Kälte, Krankheit und schlechten Sanitärverhältnissen. Von den Durchgangslagern aus wurden die Vertriebenen weiter ins Generalgouvernement deportiert. Dies geschah zumeist mit Güterwaggons. Den Vertriebenen wurde meist nur eine Stunde Zeit gelassen, Hab und Gut einzupacken. Es war nur die Mitnahme von warmer Kleidung, Decken, Trink- und Essgefäßen, Lebensmittel für einige Tage, einer kleinen Menge Geld (ab Dezember 1940: Polen 50 Reichsmark, Juden 25 Reichsmark) und Dokumenten erlaubt. Ein Gesamtgewicht von zunächst 12 kg, später 25 oder 30 kg pro Erwachsenem durfte nicht überschritten werden (für Kinder galt jeweils die Hälfte). Widerstand gegen die Vertreibung wurde mit Waffengewalt gebrochen.

Der gesamte Prozess wurde von den verantwortlichen deutschen Instanzen stufenweise vollzogen. Der sogenannte Erste Nahplan wurde bis zum 17. Dezember 1939 realisiert und umfasste die Deportation von 87.883 Menschen (vorwiegend ethnische Polen). Im Zuge des Zwischenplans wurden vom 10. Februar bis zum 15. März 1940 insgesamt 40.128 Menschen deportiert. Die größten Deportationen fanden im Rahmen des Zweiten Nahplans statt und betrafen insgesamt 121.594. Der Zweite Nahplan wurde von Mai 1940 bis zum 20. Januar 1941 realisiert. Darüber hinaus wurden bis zum 15. März 1941 offiziell weitere 19.226 Personen ins Generalgouvernement gebracht. Diese zeitgenössischen deutschen Angaben ergeben zusammen eine Deportiertenzahl von 280.606 Vertriebenen. Heutige Schätzungen gehen von einer möglicherweise noch größeren Zahl von bis zu 650.000 aus (siehe dazu Artikel Vertreibung). Nach März 1941 konzentrierte man sich zunehmend auf die Ansiedlung deutscher Bevölkerung in den "gesäuberten" Gebieten.

Zusätzlich zu diesen Maßnahmen der Vertreibung polnischer und jüdischer Menschen aus dem Warthegau wurden im Ghetto von Łódź, welches von den Deutschen in Litzmannstadt umbenannt worden war, insgesamt 160.000 Juden konzentriert und mussten dort unter menschenwidrigen Bedingungen leben.

  • Literaturhinweis: Maria Rutowska, Wysiedlenia ludnosci polskiej z Kraju Warty do Generalnego Gubernatorstwa 1939 - 1941 (Prace Instytutu Zachodniego Nr. 71); Instytut Zachodni, Poznan 2003; ISBN 83-87688-42-8 (polnisch)
  • Link mit einer Zusammenfassung der Inhalte des obigen Buches (auf deutsch): [1]

Besetzung durch die Rote Armee

Im Januar 1945 wurde das Wartheland innerhalb von 14 Tagen von der Roten Armee auf ihrem Vormarsch zur Oder in Richtung Berlin besetzt.

Politik

Verwaltungsgliederung

Das Wartheland teilte sich in drei Regierungsbezirke mit der entsprechenden Anzahl von Stadt- und Landkreisen. Während die Grenzen der Regierungsbezirke völlig neu bestimmt wurden, blieb es hinsichtlich der Kreise im Wesentlichen bei den früheren polnischen Abgrenzungen.

Zum Sitz der Regierungsbezirke wurden die Städte Hohensalza (Inowrocław), Kalisch (Kalisz) und Posen (Poznań) bestimmt.

Nach der endgültigen Festlegung der Ostgrenze östlich der Stadt Lodsch verlegte der Regierungspräsident in Kalisch zum 1. April 1940 seinen Sitz nach Lodsch. Am 11. April 1940 wurde diese Stadt zu Ehren des deutschen Generals Karl Litzmann, der dort als Kommandeur der 3. Garde-Infanterie-Division im Ersten Weltkrieg erfolgreich gekämpft hatte, in Litzmannstadt umbenannt.

Zum 15. Februar 1941 änderte sich auch die Bezeichnung des Regierungsbezirkes Kalisch in Litzmannstadt.

Der Reichsgau Wartheland bildete damit bis 1945 einen integralen Bestandteil des Deutschen Reiches.

Allerdings hatte er insoweit eine Sonderstellung inne, als er vom alten Reichsgebiet weiterhin durch eine Polizeigrenze getrennt blieb (mit Passierscheinzwang). Diese sollte sicherstellen, dass keine unkontrollierte Bevölkerungsfluktuation zum Altreich stattfand.

Im übrigen unterstanden dem Reichsstatthalter in Posen auch alle staatlichen Sonderverwaltungen mit Ausnahme der Reichspost und der Reichsbahn. Das galt insbesondere auch für die Justiz. So sollte der Reichsgau als „Experimentierfeld“ genutzt werden können.

Kommunalverfassung

Zum 1. Januar 1940 wurden die Städte, die bereits nach polnischem Recht außerhalb eines Kreisverbandes standen, als Stadtkreise nach deutschem Recht anerkannt. Ihnen wurde gleichzeitig die Deutsche Gemeindeordnung verliehen. Mit dem 1. April 1940 wurde in allen übrigen Gemeinden die Verwaltung durch deutsche Amtskommissare eingeführt, die in den meisten größeren Städten später nach der Einführung der Deutschen Gemeindeordnung durch Bürgermeister abgelöst wurden. Die erste kreisangehörige Stadt, der die Deutsche Gemeindeordnung verliehen wurde, war Kempen (1. April 1941) im gleichnamigen Kreis, die letzte Zirke im Landkreis Birnbaum (Wartheland) zum 1. April 1944.

Die Landkreise wurden in entsprechender Anwendung des Sudetengaugesetzes vom 14. April 1939 verwaltet. Danach waren sie sowohl staatliche Verwaltungsbehörden als auch Selbstverwaltungskörperschaften. Der Landrat, der meist zugleich Kreisleiter der NSDAP war, führte die gesamte staatliche Verwaltung in der Kreisstufe. Damit sollte ein Eigenleben von Sonderbehörden verhindert werden.

Durch unveröffentlichten Erlass vom Dezember 1939 galten vorläufig hinsichtlich der bisher polnischen Ortsnamen die bis 1918 gültigen deutschen Ortsnamen. Diese globale Rückbenennung war möglich, da noch das gesamte deutsche Kartenwerk für die 1920 an Polen abgetretenen Gebiete (auch) die früheren deutschen Ortsnamen weitergeführt hatte. Für die polnischen Gebiete östlich der Reichsgrenze von 1918 galten vorläufig weiterhin die bislang polnischen Bezeichnungen.

Im Laufe der nächsten Jahre erfolgten teilweise wilde Eindeutschungen von Ortsnamen, meist auf Kreisebene. Ab 18. Mai 1943 legte der Reichsstatthalter mit Zustimmung des Reichsministers des Innern alle Namen von Orten mit Postdienststellen, Bahnhöfen, Haltepunkten und Güterladestellen endgültig in einer deutschen Form fest. Die vorbereitete Umbenennung der restlichen Orte kam nicht mehr zum Zuge.

NSDAP

Deckungsgleich mit dem Gebiet des staatlichen Reichsgaues war das Gebiet des (Partei-) Gaues Wartheland der NSDAP (verkürzt auch Warthegau genannt). Er gab im Nachhinein auch dem staatlichen Bezirk seinen Namen, der zunächst Reichsgau Posen geheißen hatte.

Der Sitz der Gauleitung befand sich in Posen unter der Führung des Gauleiters Arthur Greiser.

Der Gau Wartheland gliederte sich entsprechend der staatlichen Einteilung in Kreise der NSDAP, an deren Spitze Kreisleiter standen. Wegen des geringen deutschen Bevölkerungsanteils umfassten einige Kreise der NSDAP das Gebiet mehrerer staatlicher Kreise.

Wehrmacht

Das Wartheland war in die Wehrersatzorganistaion des Deutschen Reiches einbezogen und bildete dort den Wehrkreis XXI.

An größeren Übungsplätzen für die Wehrmacht bestanden der bereits in der Kaiserlichen Zeit angelegte Truppenübungsplatz Warthelager nordwestlich von Posen und in den bis 1939 polnischen Gebieten der Heeresgutsbezirk Schieratz im gleichnamigen Landkreis. Dieser war so groß angelegt, dass dort mehrere Divisionen gleichzeitig üben konnten.

Wirtschaft und Infrastruktur

Im Wartheland bestand für Lenkung und Überwachung des Wirtschaftslebens eine Wirtschaftskammer in Posen, ferner wurde zur Selbstverwaltung der Wirtschaft eine Industrie- und Handelskammer und eine Handwerkskammer eingerichtet. Im Rahmen des Einsatzes für den totalen Krieg wurden ab 1. Januar 1943 diese Institutionen in einer Gauwirtschaftskammer in Posen zusammengefasst.

Arbeit

Im Wartheland bestanden für die Arbeitsverwaltung und die Lenkung und Steuerung des nationalsozialistischen „„Arbeitseinsatzes“ unter der Leitung des Reichsstatthalters in Posen eine entsprechende Anzahl von Arbeitsämtern zur Verfügung. Im Rahmen des Einsatzes für den totalen Krieg wurden in jedem Reichsverteidigungsbezirk Gauarbeitsämter eingerichtet, denen die Aufgaben der bisherigen Landesarbeitsämter und der Reichstreuhänder der Arbeit übertragen wurden. Damit entstand in Posen das entsprechende Gauarbeitsamt Wartheland, das am ab 1. September 1943 seinen Dienstbetrieb aufnahm.

Justiz

Das Wartheland bildete den Oberlandesgerichtsbezirk Posen. Es bestanden ferner die Landgerichte Gnesen, Hohensalza, Kalisch, Leslau (seit dem 1. Januar 1941), Lissa, Litzmannstadt, Ostrowo und Posen mit der entsprechenden Anzahl von Amtsgerichten. Wegen kriegsbedingten Personalmangels wurden ab 1. April 1944 die Aufgaben des Landgerichts Ostrowo vom Landgericht Kalisch übernomment.

Ferner gab es wie im Deutschen Reich Sondergerichte, und zwar in Hohensalza, Kalisch, Litzmannstadt und Posen.

Post

Das Post- und Fernmeldewesen wurde seit dem 13. September 1939 durch die „Deutsche Dienstpost Osten“ wahrgenommen. Deren Leitung wurde zunächst von den Postbeauftragten bei den Militärbefehlshabern in Posen und Łódź und von den Beauftragten bei den Reichspostdirektionen in Breslau und Frankfurt (Oder) wahrgenommen. Nach der Eingliederung in das Deutsche Reich wurde allein der Aufbaustab der Reichspostdirektion in Posen zuständig. Am 1. Dezember nahm die Reichspostdirektion in Posen ihren vollen Betrieb auf und ab April 1940 war im gesamten Gebiet des Warthelandes der Postbetrieb soweit sichergestellt, dass die Deutsche Dienstpost Osten aufgehoben werden konnte. Nunmehr war allein die Reichspost zuständig.

Seit Oktober 1943 war das Wartheland in das reichsdeutsche System der Postleitzahlen eingebunden. Es galt für das gesamte Gebiet die Postleitzahl 6.

Landwirtschaft

Im Rahmen der Organisation des nationalsozialistischen Reichsnährstandes wurde für das Gebiet des Reichsgaues die Landesbauernschaft Wartheland eingerichtet.

Bei der Behörde des Reichsstatthalters in Posen wurde ferner ein Landesforstamt gebildet mit der entsprechenden Anzahl von Forstämtern zur Verwaltung der privaten und staatlichen Forsten.

Verkehr

Im Laufe des Vormarsches der Wehrmacht im Polenfeldzug wurden zur Sicherung und Wiederherstellung des polnischen Eisenbahnnetzes die Eisenbahndirektionen in Posen und Lodsch gegründet, die später seit dem 1. Dezember 1939 zur neuen Reichsbahndirektion in Posen zusammengelegt wurden. Das Bahnnetz umfasste den gesamten Reichsgau.

Seit Oktober 1940 wurden durch das „Otto“-Programm die West-Ost-Strecken zum Aufmarsch gegen die Sowjetunion so weit ausgebaut, dass sich ihre Transportkapazität vervielfachte.

Das Unterscheidungskennzeichen im Kraftverkehr für im Wartheland zugelassene Kraftfahrzeuge war P.

Kreise im Reichsgau Wartheland 1945

Regierungsbezirk Hohensalza

Stadtkreise

  1. Gnesen
  2. Hohensalza
  3. Leslau

Landkreise

  1. Altburgund
  2. Dietfurt (Wartheland)
  3. Eichenbrück
  4. Gnesen
  5. Hermannsbad [Sitz: Weichselstädt]
  6. Hohensalza
  7. Konin
  8. Kutno
  9. Leslau
  10. Mogilno
  11. Waldrode
  12. Warthbrücken

Regierungsbezirk Litzmannstadt

Stadtkreise

  1. Kalisch
  2. Litzmannstadt

Landkreise

  1. Kalisch
  2. Kempen (Wartheland)
  3. Lask [Sitz: Pabianitz ]
  4. Lentschütz [Sitz: Brunnstadt ]
  5. Litzmannstadt
  6. Ostrowo
  7. Schieratz
  8. Turek
  9. Welun

Regierungsbezirk Posen

Stadtkreise

  1. Posen

Landkreise

  1. Birnbaum (Wartheland)
  2. Gostingen
  3. Grätz (Wartheland)
  4. Jarotschin
  5. Kolmar (Wartheland)
  6. Kosten (Wartheland)
  7. Krotoschin
  8. Lissa (Wartheland)
  9. Obornik
  10. Posen
  11. Rawitsch
  12. Samter
  13. Scharnikau (Wartheland)
  14. Schrimm
  15. Schroda
  16. Wollstein
  17. Wreschen

Persönlichkeiten