Obergermanisch-Raetischer Limes

Der Obergermanisch-raetische Limes ist ein Grenzwall mit Kastellen, Wachtürmen, Mauern und Palisaden, mit denen die Römer die Landstriche auf dem östlichen Rheinufer für lange Zeit unter ihre Kontrolle brachten. Der Begriff Limes bedeutete im Lateinischen „Grenzweg“; neben dem rätisch-germanischen Limes ist der Hadrianswall zwischen England und Schottland besonders bekannt, der 1987 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Am 15. Juli 2005 wurde von der UNESCO auch dieses Bodendenkmal in Deutschland in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen. Daneben gab es in römischer Zeit Limites in Nordafrika und im vorderen Orient. Der Limes wird als erste definierte Staatsgrenze in Mitteleuropa angesehen.
Ausgrabung und Vermessung

Wenn im Deutschen von Limes die Rede ist, sind damit meist der raetische Limes sowie der obergermanische Limes gemeint, zusammen als Obergermanisch-Raetischer Limes bezeichnet. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begannen Archäologen damit, den zuvor nur rudimentär bekannten Verlauf des Limes genauer aufzunehmen und die ersten Ausgrabungen vorzunehmen. 1892 wurde zu diesem Zweck sogar die "Reichs-Limes-Kommission" gegründet, die unter der Leitung des Althistorikers Theodor Mommsen stand und deren Forschungsberichte über die Ausgrabungen schließlich vierzehn Bände füllen sollten. Die Arbeit dieser Kommission gilt heute noch als Pioniertat der Aufarbeitung germanisch-römischer Geschichte.
Im Verlauf dieser Arbeiten, die sich bis in die 1930er Jahre des 20. Jahrhunderts erstreckten, wurde der Verlauf des Limes exakt vermessen und in Strecken eingeteilt, die auch heute noch gültig sind. Dabei stellte sich heraus, dass die Römer ihre Grenze des öfteren um einige Kilometer verschoben hatten. Die exakte Ursache für diese Grenzverschiebungen ist nicht überliefert, sie resultiert weniger aus kriegerischen Auseinandersetzungen und mehr aus der Flexibilität der römischen Machtausübung gegenüber den Germanen, denn der obergermanisch-raetische Limes galt während der Zeit seines Bestehens als Friedensgrenze.
Baugeschichte
Die Vorgeschichte des Limes geht zurück bis in das Jahr 9 n. Chr., als die Römer unter ihrem Feldherrn Varus eine vernichtende Niederlage durch aufständische Germanen unter ihrem Anführer Arminius erlitten. Insgesamt drei römische Legionen gingen bei dem verunglückten Unternehmen, die Germanen in das römische Imperium zu integrieren, unter. Sie wurden in der sogenannten Varusschlacht oder auch Schlacht im Teutoburger Wald fast völlig aufgerieben. Nach dieser Katastrophe zogen sich die Römer auf die linke Seite des Rheins zurück.
Es kam zwar einige Jahre später nochmals zu begrenzten Aktionen seitens der Römer; diese hatten aber mehr den Charakter von Rachefeldzügen. Den Gedanken einer dauerhaften Eroberung des Landes östlich des Rheins in europäischen Dimensionen hatten die römischen Kaiser auf Dauer verworfen.
Dass es dennoch etwa ein Jahrhundert später zu einer erneuten Landnahme kam, lässt sich am ehesten mit dem römischen Bedürfnis nach Sicherheit erklären, denn es zeigte sich, dass der Rhein keine absolut kontrollierbare und undurchlässige Grenze war. Die östlichen Nebenflüsse dieses Stromes reichten weit nach Osten und zogen aus den Tiefen des kontinentalen Raumes immer wieder größere Völkermassen Richtung Westen. Also musste das gesamte östliche Ufer des Flusses samt seiner Nebenflüsse unter Kontrolle gebracht werden, weniger als militärische Demarkationslinie sondern mehr als bewachte Wirtschaftsgrenze nach Germanien hin. Nach verschiedenen kleineren Feldzügen entwickelte sich der obergermanische Limes zunächst aus einem reinen Postenweg, der durch eine künstlich geschlagene Schneise in den germanischen Wäldern führte. Unter Kaiser Domitian (81-96) entstand der Plan, eine zusammenhängende Grenzbefestigung aufzubauen.
Um das Jahr 100 herum folgten in einem zweiten Schritt Wachtürme aus Erde und Holz in einem durchschnittlichen Abstand von 800 Metern, gleichzeitig wurden Palisaden aus Holz errichtet. Erste Kastelle entstanden am Neckar und im Odenwald. Um 150 wurden die Kastelle dann in Stein erbaut. Sodann ersetzte man die verwitterungsanfälligen Holztürme durch Türme aus Stein (etwa um 170). Im letzten Schritt wurde schließlich hinter der Palisadenreihe ein Graben als weiteres Annäherungshindernis ausgehoben.
In analoger Art und Weise entwickelte sich der raetische Limes, nur dass im letzten Schritt statt eines Grabens eine durchgehende massive Mauer errichtet wurde. Bedingt durch seine Eigenart als Wirtschaftsgrenze besaß der Limes eine Reihe von Durchlässen, die von Zöllnern bewacht wurden.
Verlauf

Die folgende Beschreibung der Abschnitte des Limes lehnt sich an die Aufteilung der Reichs-Limes-Kommission an. Diese Aufteilung folgt den im Deutschland des 19. Jahrhunderts vorhandenen Verwaltungsgrenzen, geht also nicht auf antike Vorbilder zurück:
- Strecke 1: Rheinbrohl - Bad Ems
- Strecke 2: Bad Ems - Adolfseck bei Bad Schwalbach
- Strecke 3: Adolfseck bei Bad Schwalbach - Taunus - Köpperner Tal
- Strecke 4: Köpperner Tal - Wetterau - Marköbel
- Strecke 5: Marköbel - Großkrotzenburg am Main
- Strecke 6a: Hainstadt - Wörth am Main (ältere Mainlinie)
- Strecke 6b: Trennfurt - Miltenberg
- Strecke 7: Miltenberg - Rehberg
- Strecke 8: Rehberg - Walldürn - Buchen - Osterburken - Jagsthausen (neuere Odenwaldlinie)
- Strecke 9: Jagsthausen - Welzheim - Lorch (Württemberg) - Haghof
- Strecke 10: Wörth am Main - Bad Wimpfen (ältere Odenwaldlinie/ Neckar-Odenwald-Limes)
- Strecke 11: Bad Wimpfen - Köngen (Neckarlinie)
- Strecke 12: Haghof - Lorch (Ende des obergermanischen Limes), (Beginn des raetischen Limes) - Aalen - Ruffenhofen
- Strecke 13: Ruffenhofen - Gunzenhausen
- Strecke 14: Gunzenhausen - Weißenburg - Kipfenberg
- Strecke 15: Kipfenberg - Eining
Bauwerke




Auf einer Länge von etwa 550 Kilometern trennten die Grenzbefestigungen, die beim obergermanischen Limes aus Erdaufschüttungen und Holzpalisaden, beim raetischen Limes dagegen aus bis zu drei Meter hohen Mauern bestanden, Germanien von den römischen Provinzen Raetia, Germania Superior und Germania Inferior. In Sichtweite voneinander befanden sich kleinere Wachtürme von etwa zehn Meter Höhe, die zunächst aus Holz und Erde, später dann massiv in Stein erbaut wurden. Im hinteren Gelände dieser unmittelbaren Grenzbefestigung befanden sich im Abstand von etwa zehn Kilometern kleinere Kastelle (burgus) für die sogenannten Auxiliartruppen, die bei einem lokalen gegnerischen Einbruch in die Grenzbefestigung von den Besatzungen auf den Wachttürmen an die Einbruchstelle geschickt werden konnten. Schöne Beispiele für derartige Kastelle sind die Saalburg, das Kastell am Kleinen Feldberg im Taunus und die Kapersburg, ebenfalls im Taunus. Ein besonders großes Kastell für eine berittene Einheit lag im heutigen Stadtgebiet von Aalen.
Vermessungstechnische Besonderheiten
Am obergermanischen Limes existieren mehrere Abschnitte, die durch ihre Geradheit auffallen; sie wirken wie mit dem Lineal in die Landschaft gelegt. Der längste dieser Abschnitte reicht von einem ansonsten unbedeutenden Wachturm bei Walldürn (Strecke 8) bis zum Haghof südlich von Welzheim und ist somit fast 80 Kilometer lang. Ein derartig langes gerades Stück ist selbst von der ungleich längeren Chinesischen Mauer nicht bekannt. Die Gründe zum Bau eines so in die Landschaft trassierten Linienzuges aus Palisaden und Graben dürften wohl im Willen zu einer Machtdemonstration gegenüber der germanischen Bevölkerung gelegen haben.
Alltag am Limes
In den vielen Jahrzehnten seines Bestandes war die gesamte Anlage des Limes mehr als wirtschaftliche denn als militärische Grenze anzusehen. Das römische Kaiserreich dehnte durch eine geschickte Wirtschaftspolitik seinen Einflussbereich weit nach Osten über die Grenze hinaus. Zeugnis davon geben die vielen Grenzübergänge, die zwar von römischen Soldaten gesichert wurden, aber dennoch einen regen wirtschaftlichen Austausch ermöglichten. In diesem Zusammenhang lassen sich im weiten Vorfeld des Limes eine große Anzahl archäologische Funde nachweisen, die in direkter Verbindung mit dem römischen Imperium stehen.
Auch die gegenüberliegende Seite des Limes war für Rom von Interesse. Man versuchte hier bevorzugt römische Legionäre anzusiedeln oder Auxiliarsoldaten, denen nach Abschluss der aktiven Dienstzeit das römische Bürgerrecht verliehen wurde und denen ein Anrecht auf den Erwerb einer Parzelle zustand. Damit wuchs in der Nähe der Grenze eine Bevölkerung mit großer Loyalität zum römischen Reich heran.
Untergang
Der Grund für den Untergang des Limes ist in der zunehmenden Inanspruchnahme der militärischen Kräfte des Römischen Reiches zu suchen, das sich ab Mitte des dritten Jahrhunderts in seinen orientalischen Provinzen einer immer größer werdenden Herausforderung durch seinen östlichen Nachbarn, dem Sassanidenreich gegenübersah. Als Reaktion darauf wurden immer mehr Truppen vom Limes abgezogen, bis sich die Bewachung der Grenze nicht mehr aufrechterhalten ließ. Schon im Jahre 233 sollen die Alamannen Kastelle und Siedlungen wie die Saalburg, Mainz und Baden-Baden zerstört haben. Im Jahre 260 blieb den verbleibenden Truppen nur noch der Rückzug auf die linke Seite des Rheines übrig. Damit bildeten wieder Rhein und Donau die Reichsgrenze zwischen dem römischen Reich und den Germanen.
Eine gewalttätige Auseinandersetzung wurde von den Archäologen im Kastell Osterburken festgestellt. In den Gräben der Festung fanden sich die Überreste zahlreicher Menschen, die bei der Belagerung eines gewaltsamen Todes gestorben waren. Beim Versuch, die Mauern zu überklettern, wurden vielen Germanen von den römischen Soldaten die Hände abgeschlagen. Dennoch eroberten die Belagerer das Kastell, raubten es aus und brannten es anschließend nieder.
Der Limes heute
Der Limes stellt in Deutschland ein Bodendenkmal von internationaler Bedeutung dar, in seinem Verlauf sind fast alle Kastelle und Wachtürme ausgegraben, konserviert und teilweise restauriert worden. Am 15. Juli 2005 wurde das Bauwerk durch die UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt. Prominentes Beispiel ist die Saalburg bei Bad Homburg sowie das Doppelkastell in Aalen, die jeweils bedeutende römische Museen in ihren Mauern bergen. Im gesamten Verlauf des Limes wird man weitere Beispiele dieser Art finden, meistens sind das Wachtürme wie in Rheinbrohl oder Teilrekonstruktionen eines Kastelles wie in Welzheim.
Von der eigentlichen Grenzbefestigung haben sich am besten Wall und Graben des obergermanischen Limes erhalten. Sie haben sich in den seit beinahe zwei Jahrtausenden ununterbrochen forstwirtschaftlich genutzten Wäldern des Westerwaldes und des Taunus hervorragend erhalten. Die begleitenden Reihen aus Palisaden sind zwar längst verrottet, ihre einstmaligen Standlöcher in der Erde lassen sich aber an manchen Stellen immer noch mühelos als flaches Gräbchen erkennen.
Beim raetischen Limes markiert dagegen ein breiter Streifen aus Gesteinsschutt den Verlauf der Befestigung. Kleine Hügel aus Erde und Schutt finden sich bei beiden Limites an den Stellen, an denen ein Wachturm gestanden hat, häufig sogar direkt nebeneinander.
Der Gedanke der Landesverteidigung durch ein derartig großes Bauwerk hat auch beim Bau des Westwalles eine Rolle gespielt, denn nicht umsonst trug das größte Programm zum Bau dieser den Zweiten Weltkrieg vorbereitenden Festungsanlage den Namen Limesprogramm.
Weitere als Limes bekannte Bauwerke
Ein weiterer bekannter Limes ist der Hadrianswall, der das römische England von Schottland abtrennte. Daneben existierte der Donaulimes in den Provinzen Noricum und Pannonien, wo die Donau die Grenze bildete. Der Orientlimes war durch die oft wechselnde Grenze zwischen dem römischen Reich, Armenien und den Parthern größtenteils wenig ausgeprägt. Außerdem existierten noch der arabische Limes, und auch die Grenzen der afrikanischen Provinzen zur Wüste waren unter dem Namen Limes bekannt, insbesondere der limes Tripolitanus im heutigen Libyen.
Siehe auch: Portal und Themenliste Rom, Liste der Limeskastelle, Limes (Grenzwall)
Literatur
- Dietwulf Baatz: Der Römische Limes. Archäologische Ausflüge zwischen Rhein und Donau. 3., überarb. Aufl. Gebrüder Mann Verlag, Berlin 1993. ISBN 3-7861-1701-2
- Britta Rabold, Egon Schallmayer, Adreas Thiel (Hrsg.): Der Limes. Die Deutsche Limes-Straße vom Rhein zur Donau, Theiss-Verlag : Stuttgart 2000, 160 S., 300 Abb., ISBN 3-8062-1461-1
- Rudolf Pörtner: Mit dem Fahrstuhl in die Römerzeit. Moewig, Rastatt 2000 (auch andere Ausgaben) ISBN 3-8118-3102-X
- Anne Johnson: Römische Kastelle des 1. und 2. Jahrhunderts n. Chr. in Britannien und in den germanischen Provinzen des Römerreiches. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 1987 (Kulturgeschichte der antiken Welt, 37) ISBN 3-8053-0868-X
Weblinks
- Der Limes: früher und heute, archaeologie-online.de : Magazin: Thema: Limes
- Weblinks zum Thema bei archaeologie-online.de : Guide : Epochen & Kulturen : Antike : Römer : Limes
- Der römische Limes in Deutschland als UNESCO Weltkulturerbe - Ein Projekt der Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz.
- UNESCO Weltkulturerbe - der Obergermanisch-Raetische Limes (die englische Internetseite)
- UNESCO Weltkulturerbe - der Obergermanisch-Raetische Limes (die deutsche Internetseite)
- die-roemer-online.de Umfangreiche Arbeit über den römischen Limes in Deutschland (deutsch)
- Deutsche Limesstraße
- http://www.raetiafilm.de/raetia/raetia2a.html
- http://www.limesfilm.com/index2.html
- Clausewitz: Über den Kordon
- Ein virtueller Rundgang am Limes bei dem Feldbergkastell
- Saalburg, einziges rekonstruiertes Limeskastell
- Taunus-Wetterau-Limes: umfangreiche Darstellung des Limes in Hessen
- Antikefan - Obergermanisch-Raetischer Limes
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