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Tauwetterperiode in der rumänischen Politik (19 – 19)
Die Rede Nikita Chruschtschows auf dem 20. Parteitag der KPdSU im Februar 1956 wird von Historikern als der wichtigste Impuls der Entstalinisierung gesehen. Es wird jedoch unterschiedlich ausgelegt, inwieweit Chruschtschow damit eine Demokratisierung anstrebte oder die Verbrechen der Stalin-Ära vor allem benannte, um seine Rivalen im Machtkampf auszuschalten. Nach dem Posener Aufstand und dem Ungarischer Volksaufstand 1956 kam die Entstalinisierung ins Stocken, da dort die Massenbewegungen freie Wahlen gefordert hatten, welche die noch kaum konsolidierte Macht der Kommunisten beendet hätten.[1]
Vor allem in Rumänien hielt sich die Entstalinisierung unter dem damaligen Parteichef Gheorghe Gheorghiu-Dej in engen Grenzen und war von Machtkämpfen an der Parteispitze gekennzeichnet. Weitere Liberalisierung wurde vermieden, da die Machtposition der RKP hierdurch gefährdet war.53
Durch die Öffnung des sowjetischen Gulags mussten nun die Regierungen der osteuropäischen Satellitenstaaten auch politische Häftlinge freilassen.[1] In Rumänien wurde die Rückkehr der Deportierten aus der Bărăgan-Steppe 1956 als besonderes Zeichen einer Liberalisierung gewertet.54
1952 bis 1960 bestand eine „Ungarische Autonome Region“ (rumänisch Regiunea Autonomă Maghiară), die im Wesentlichen die heutigen Kreise Covasna und Harghita sowie dem östlichen Teil des Kreises Mureș umfasste.[2] Die ungarische Minderheit in Rumänien verfügte vor allem dort über eigene Bildungsinstitutionen.
Im Herbst 1956 verbreitete sich das das Gerücht, dass die ungarische Babeș-Bolyai-Universität Cluj Bolyai-Universität in Cluj (deutsch Klausenburgnach Târgu Mureș (deutsch Neumarkt]] umziehen müsste, was zur Unruhe unter den ungarischen Studenten beitrug, die autonome Strukturen einforderten. Anfang November kam es anlässlich einer Solidaritätskundgebung auf dem Klausenburger Friedhof zu repressiven Maßnahmen durch die Behörden.
Proteste gegen die sowjetische Intervention in Ungarn gab es auch im Kreis Bihor, in der Moldau und in Bukarest. Durch ein Netz von Informanten gelang es viele Aktionen im Keim zu ersticken. Einige Widerstandsgruppen wurden jedoch erst 1957 entdeckt; mehrere Personen wurden für lediglich geplante Aktionen zum Tode verurteilt. (Hausleitner)
In Rumänien begann die poststalinistische Tauwetterperiode 1964 mit einer Generalamnestie für politische Häftlinge. Sie erreichte ihren Höhepunkt 1968, als der damalige Staats- und KP-Chef Nicolae Ceausescu sich weigerte, zusammen mit den anderen Staaten des Warschauer Pakts den Prager Frühling zu unterdrücken. Ab Mitte der 1970er Jahre schwenkte Ceausescu schrittweise auf einen zunehmend diktatorischen Kurs ein.[3][4][5]
Die Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre in Rumänien verfassten literarischen Werke deutschsprachiger Autoren verdichteten sich zu der auch im Ausland wahrgenommenen „fünften deutschen Literatur“.[6]
Tauwetterperiode
die Zeit relativer Liberalisierung in der Sowjetunion und den Ostblockländern nach Stalins Tod (1953); benannt nach dem Roman „Tauwetter“ von I. Ehrenburg (1954–1956, deutsch 1957). Hauptkennzeichen: Lockerung der Parteikontrolle, vor allem auf kulturellem Gebiet; Rehabilitierung verfemter Politiker, Intellektueller und Künstler. Ab 1956 kam es zu erneuten Einschränkungen der Freiheit. Die Tauwetterperiode endete endgültig mit dem Sturz Chruschtschows 1964.[7]
Cornelia Harlacher: Nikolaus Berwanger – Leben und Schaffen eines Rumäniendeutschen. Wien, Mai 2008
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Die Phasen der Liberalisierung in der rumänischen Politik waren eine Voraussetzung für das Entstehen einer Kulturlandschaft.
3.1. Veränderungen im literarischen Leben Für das literarische Leben brachte die „Tauwetterperiode“ in den 1950er Jahren ein Aufblühen und neue Möglichkeiten zur Verwirklichung. Diese neuen Freiheiten konnten allerdings nur innerhalb eines abgesteckten Rahmens passieren. Thomas Krause fasst zusammen: „Insgesamt gesehen ist im Vergleich mit den Jahren zuvor ein gewisser Aufschwung des literarischen Lebens aufzuzeigen, jedoch wird deutlich, dass der vorgegebene ideologische Rahmen das literarische Leben eher einschränkt. Dabei wird Literatur, 52 Vgl. Schuster, 2004, S. 27. 53 Gabanyi, 1975, S. 49. 54 Vgl. Totok, 1988, S. 45 & 48. 21
stärker im Roman, weniger in der Lyrik, zur Dekoration und Manifestation der gesellschaftlichen Umstände in Rumänien „verbogen“ de facto mit künstlerischen Mitteln aus der Weimarer Republik.“55 Die Situation verbesserte sich so weit, dass in verschiedenen rumänischen Staatsverlagen deutsche Abteilungen gegründet werden konnten. Auch deutschsprachige Zeitungen und Zeitschriften konnten publiziert werden. Während dieser ersten Lockerungsphase kam es unter anderem zu den Publikationen von „Banater Schrifttum“ (Temeswar, ab 1956 „Neue Literatur“) und „Kultureller Wegweiser“ (Bukarest, ab 1956 „Volk und Kultur“).56
3.2. Ende 1950: Eine erneute Verschärfung
In Rumänien schien man sich an das Prinzip „Zuckerbrot und Peitsche“ zu halten und so war die liberale Phase vorerst nur von kurzer Dauer. Mit der Niederschlagung des ungarischen Volksaufstandes, Ende 1956/57, kam es zu erneuten Verschärfungen, die rumänische Regierung setzte die Schranken wieder etwas enger:
„Die in den Jahren davor im kulturellen Bereich gemachten Zugeständnisse wurden nun zurückgenommen, und die Vorschriften in der Kunst wurden immer strenger. [...] Eingeschüchtert durch solche Vorschriften, aber auch durch die zahlreichen Festnahmen und Verurteilungen im Kreis ihrer Bekannten und Freunde verstummten viele der Autoren oder schrieben nur noch für die Schublade. Ihr Selbstbewusstsein als Schriftsteller war beinahe vernichtet worden.“58
Die Schauprozessen von 1959, die sich hauptsächlich gegen Intellektuelle richteten, waren der Versuch gegen „reaktionäre Elemente“ vorzugehen, um weitere Erhebungen gegen die Regierung, die dem ungarischen Beispiel hätten folgen können, zu unterbinden. So berichtet William Totok: 55 Krause, 1998, S. 46. 56 Vgl. Schuster, 2004, S. 26. 57
Der ungarische Volksaufstand von 1956 war ein Versuch, sich dem sowjetischen Einfluss und dem Druck zu entziehen. Der Aufstand begann im Oktober mit einer Demonstration in Budapest und wurde Anfang November 1956 von der roten Armee niedergeschlagen. Ziel der Bewegung war es, den Abzug der sowjetischen Armee und freie Wahlen sowie Pressefreiheit zu erreichen.
58 Schuster, 2004, S. 31. 22
„Auch die Rumäniendeutschen blieben während dieser Restalinisierungsphase nicht verschont: Unerwartet verloren 1958/59 tausende Bürger deutscher Nationalität ihre Stellungen. [...] Der allmächtige Sicherheitsdienst Securitate sollte wiederum die Hauptrolle spielen. Längst verjährte Strafakten aus den frühen fünfziger Jahren kamen wiederaufbereitet aus den Geheimarchiven ans Tageslicht. Mehrere siebenbürgischsächsische Intellektuelle, darunter die Schriftsteller Wolf Aichelburg, Georg Scherg, Hans Bergel, Andreas Birkner, wurden 1959 durch ein Militärgericht wegen eines imaginären Vergehens zu schweren Haftstrafen verurteilt: die Anklage lautete auf staatsfeindliche, antisozialistische Propaganda. Dem sogenannten „Edelsachsenprozeß“ (1959) folgte der „Erzschwabenprozeß“ (1960).“59
3.2.1. Der Schriftstellerprozess von 1959 Was bei William Totok als „Edelsachsenprozess“ bezeichnet wird, ereignete sich am 15. September 1959 in Kronstadt. Die rumäniendeutschen Schriftsteller Andreas Birkner, Wolf von Aichelburg, Georg Scherg, Hans Bergel und Harald Siegmund, sie gelten als die repräsentativsten Vertreter der rumäniendeutschen Literatur dieser Zeit, wurden vor Gericht gestellt und der Staatsfeindlichkeit angeklagt. Zwar richtete sich diese kollektive Anprangerung gegen die fünf genannten siebenbürgischen Schriftsteller, dennoch soll dieser „Gruppenprozess deutscher Schriftsteller (rumänisch: Procesul lotului scriitorilor germani)“60 nicht unerwähnt bleiben. Er stellt ein markantes Beispiel der Vorgehensweise der damaligen Regierung dar. Peter Motzan und Stefan Sienerth widmen sich in ihrem Werk „Worte als Gefahr und Gefährdung“ diesem Ereignis und informieren durch Selbstzeugnisse und Dokumentationen. So erinnert sich Alfred Wagner, der bei diesem Schriftstellerprozess als Beobachter zugegen war: „Vor dem Urteilsspruch durften sich die Angeklagten verteidigen – eine Farce! Denn die Urteile, das war uns klar, standen längst fest, das war so evident, daß selbst Blinde und Taube es gemerkt hätten. [...] Jedem im Saal – als Kenner der Verhältnisse vermute ich, daß es sich um hohe kommunistische Funktionäre, um zivil gekleidete Securitate-Offiziere, um Journalisten aus Bukarest und aus der ganzen Region Kronstadt (damals: Stalinstadt) handelte, - war durch den Prozeß und die wahrscheinlich harten Urteile vorgeführt worden, daß es niemanden im kommunistischen Staat gab, der nicht schon morgen oder übermorgen, ebenso wie die fünf Schriftsteller, in ein Gerichtsverfahren verwickelt werden könnte.“61 59 Totok, 1988, S. 49. 60 Vgl. Motzan/Sienert, 1993, S. 9. 61 Ebenda. S. 85. 23
3.3. Ein weiteres Tauwetter oder „Die gesteuerte Liberalität“ Im Laufe der 1960er Jahre erkannte die rumänische Regierung die Notwendigkeit einer Liberalisierung, vor allem um die Bevölkerung wieder positiver zu stimmen und die Verhältnisse zum Westen zu entspannen. So kam es zu einer weiteren „Tauwetterperiode“ in Rumänien. Bei dieser Liberalisierung handelte es sich nicht um das „Ergebnis einer Revolution“ (Cornelia Harlacher), sondern um die Durchsetzung „populärer“ Lockerungen durch die Regierung.
„Die Partei wollte offensichtlich auf dem Wege einer attraktiveren Ideologie- und Kulturpolitik mehr Popularität und Autorität gewinnen, nachdem „harte Methoden“ nicht zum Erfolg geführt hatten. [...] Die nach dem III. Parteikongreß einsetzende „Liberalisierung“ war kein „spontanes Tauwetter“ wie 1956, sondern eine mit fester Hand „von oben“ gelenkte Aktion.“62
Die neue liberale Phase begann am 16. Juni 1964. An diesem Tag wurden viele politische Häftlinge, auch jene, die bei den Schauprozessen verurteilt worden waren, begnadigt und aus der Haft entlassen.63 1965 wurde Nicolae Ceauşescu zum neuen Parteichef der RKP ernannt. Der Machtwechsel schürte die Hoffnung der Bevölkerung auf eine Verbesserung der allgemeinen Situation, denn nach dem Tod Gheorghiu-Dejs wurde der begonnene liberale Kurswechsel beibehalten. Mit dem IX. Parteitag der Rumänischen Kommunistischen Partei (19. bis 24. Juli 1965) wurde eine neue, weniger dogmatische Parteilinie beschlossen. Ceauşescu erweckte zunächst den Eindruck im Interesse einer liberaleren Politik zu agieren, um das Image des Landes zu verbessern.64 „Ceauşescu propagiert eine Politik einer angeblichen politischen Neutralität, begründet aus einer besonderen historischen Sichtweise, die schon 1966 in der Forderung nach Abschaffung der Militärblöcke gipfelt. Außenpolitisch wurde vor allem in Westeuropadie Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland begrüßt, trotz des Protestes der Deutschen Demokratischen Republik .“65
Für die ethnischen Minderheiten in Rumänien war Ceauşescus Eingeständnis von Fehlern in der Minderheitenpolitik nach dem Zweiten Weltkrieg von großer Bedeutung. Im Rahmen eines Parteitages verwies er auf die Missstände, die in Folge der Minderheitenpolitik nach Kriegsende passierten. 62 Gabanyi, 1975, S. 79. 63 Vgl. Totok, 1988, S. 49. 64 Vgl. Schuster, 2004, S. 32. 65 Krause, 1998, S. 47. 24 „Auch nach der Befreiung des Vaterlandes wurden einige falsche Maßnahmen getroffen. Ich möchte in diesem Zusammenhang die Umsiedlung der deutschen und serbischen Bevölkerung, die völlige Enteignung der im Besitz der Deutschen befindlichen Landwirtschaftsflächen und andere ökonomische Maßnahmen erwähnen, die sowohl der betreffenden Bevölkerung als auch der gesamten Volkswirtschaft, vor allem aber unserer Nationalitätenpolitik schwere Schäden zufügte.“66 Den Minderheiten wurde ein „korrekter Umgang“ und „mehr Rechte“ zugesatnden.67 „Die [...] neue Verfassung garantiert den Minderheiten den freien Gebrauch der Muttersprachen in der Schule und in der Öffentlichkeit. Die Minderheiten werden jetzt offiziell als „naţionalităţi conlocuitoare“ (({DeS|mitwohnende Nationalitäten}}) bezeichnet. 1968 werden die „Räte der Werktätigen ungarischer, deutscher und serbischer Nationalität“ konstituiert und in die „Front der sozialistischen Einheit“ eingegliedert – Organe der Minderheitenvertretung, die Hoffnungen wecken, aber tatsächlich demokratisches Mitsprachrecht vortäuschen.“68
Auch für das literarische Leben bedeutete dieser neue Kurs eine Veränderung. Im Februar 1965 fand die Landeskonferenz des Rumänischen Schriftstellerverbandes statt, bei der Forderungen nach einer „(formal und inhaltlich) differenzierteren und weniger dogmatischen (wenngleich an Leserwirksamkeit orientierten) Literatur“69 verlautbart wurden. Die Partei bestätigte die Forderungen der Schriftsteller, doch sah Ceauşescu für die kulturpolitische Konzeption zwei Hauptziele: „[...] erstens die Schriftsteller und Künstler für seine Politik zu gewinnen und einzusetzen, zweitens, die Direktiven und Grenzen der Liberalisierung von Anfang (an) abzustecken.“70 Schon allein dieses Grundkonzept birgt einen Widerspruch: Künstlerische Freiheit und Liberalisierung sei gegeben, sie müsse sich aber in einem von der Regierung abgesteckten Rahmen bewegen. Dieser Widerspruch wurde durch weitere Beschlüsse und Formulierungen Ceauşescus immens verstärkt. So zitiert Anneli Ute Gabanyi in ihrem Werk „Partei und Literatur in Rumänien seit 1945“: 66 Totok, 1988, S. 52. 67 Vgl. Kegelmann, 1995, S. 21. 68 Krause, 1998, S. 47. 69 Vgl. Kegelmann, 1995, S. 21. 70 Gabanyi, 1975, S. 122. 25 „Zweifellos kann man niemand eine bestimmte Art und Weise des Schreibens, Malens und Komponierens aufzwingen, man kann aber von den Kunstschaffenden fordern, daß sie immer die Wirklichkeit und die Wahrheit des Lebens ausdrücken, daß sie dem Volke, dem sie angehören, dienen.“71 Nicolae Ceauşescu war daran interessiert, den Liberalisierungsprozess voranzutreiben. Trotz der Widersprüche und Einschränkungen kam es zu entscheidenden Veränderungen. Im Februar 1965 wurde der Entwicklungsstand der rumänischen Literatur in der „Landeskonferenz des Schriftstellerverbandes“ untersucht. Dazu hieß es: „Die Landeskonferenz unterstrich die Notwendigkeit einer tieferen Durchdringung des Universums unserer Tage, der Bereicherung des Inhalts der Literatur und der Vermittlung dieses Inhalts durch eigene, neue Mittel. Gleichzeitig wurden die Tendenzen zur Einseitigkeit, Oberflächlichkeit und Routine sowie das Erstarren in überholten, sterilen Formen kritisiert. Der literarische Wert, interessante künstlerische Lösungen sind allein imstande, kraft ihres revolutionären Ideengehalts einen starken Widerhall im Leser zu wecken.“72
Peter Motzan schrieb über die wichtigsten Veränderungen im Verlags- und Medienwesen: „Zahlreiche rumänische Kulturzeitschriften wurden in der Provinz gegründet, etwas später (1970) kam es zur Dezentralisierung des Verlagswesens und mithin auch zu günstigeren Publikationsmöglichkeiten für alle Schriftsteller. Der Verlag der mitwohnenden Nationalitäten, „Kriterion“, übernahm den Großteil der deutschsprachigen Buchproduktion, andere Verlagshäuser wie „Ion Creangă“ (Kinderliteratur) und „Albatros“ in Bukarest, „Dacia“ in Klausenburg-Napoca und „Facla“ in Temeswar begannen gleich nach ihrer Gründung auch Arbeiten in deutscher Sprache herauszugeben. Die „Neue Literatur“ gewinnt nicht nur an Qualität, sondern auch an Umfang, sie wird mit der Nummer 7/1968 zur Monatsschrift. In Hermannstadt-Sibiu erscheint ab 25. Februar 1968 die „Hermannstädter Zeitung“ (seit 1971: „Die Woche“) und in Temeswar ab 21. Februar 1968 – als Nachfolgerin der „Wahrheit“ - die Neue Banater Zeitung. Anstelle der „Volkszeitung“ tritt in Kronstadt-Braşov die „Karpatenrundschau. Wochenschrift für Gesellschaft, Politik, Kultur“, die sich in Fragen der Kunst und Literatur besonders aufgeschlossen zeigte.“73 71 Gabanyi, 1975, S. 122. 72 Vgl. Motzan, 1992, S. 110. 73 Motzan, 1992, S. 110. 26 Gegen Ende der 1960er war man also in der Lage auch die rumäniendeutsche Kulturlandschaft voranzutreiben. Die Zeitungen übernahmen eine wichtige Rolle in der Förderung junger rumäniendeutscher Literatur und auch bei anderen Medien kam es zu Erneuerungen: Radio- und Fernsehsendungen in deutscher Sprache wurden ausgestrahlt. Als besonders wichtige Veränderung gilt die Einrichtung von fünf Germanistiklehrstühlen an den Universitäten, vorwiegend mit Professoren deutscher Abstammung. Zudem wurden zahlreiche deutsche Schulabteilungen und zwei deutsche Theatersektionen, in Temeswar (Deutsches Staatstheater Temeswar)und Hermannstadt (Deutsches Staatstheater Hermannstadt), ins Leben gerufen.74 Das kulturpolitische Klima war günstig für das Aufkommen neuer Impulse. Auch Literaturkreise konnten gegründet werden, die es sich zum Ziel setzten, sich mit Literaturgeschichte zu beschäftigen, aber auch Literatur zu fördern und zu kritisieren, um so eine konstruktive Literaturlandschaft zu schaffen. „Festhalten läßt sich, daß durch die kulturpolitische „Tauwetterperiode“, durch die bereits vorhandenen kulturinstitutionellen Strukturen und die Förderung junger Literatur durch entsprechend erfahrene Autoren die Grundlage für die Entstehung einer breit angelegten rumäniendeutschen Gegenwartsliteratur geschaffen wurde.“75 Nicolae Ceauşescu äußerte sich immer wieder zur Lage der Minderheiten in Rumänien, was den Anschein erweckte, dass die Problematik erkannt wurde und es im allgemeinen Interesse war, eine Lösung und vor allem den richtigen Umgang zu finden. So meinte der Parteichef bei der Landeskonferenz der RKP im Juli 1972 zu den Minderheiten: „In der sozialistischen Gesellschaft entfaltet sich der Prozeß der Annäherung zwischen Stadt und Land, des allmählichen Verschwindens der Klassen und der wachsenden Homogenisierung der Gesellschaft, der allmählichen Beseitigung der grundlegenden Unterschiede zwischen physischer und intellektueller Arbeit. Die Entstehung dieser neuen Merkmale der Nation führen jedoch nicht zu ihrem Verschwinden, sondern festigt sie und schafft die Voraussetzung für ihre Entwicklung zu einer neuen, qualitativ höheren Entwicklungsstufe.“76 Die Stellungnahme Ceauşescus mag politisch durchaus „korrekt“ klingen, doch die angestrebte Homogenisierung der Bevölkerung gab manchen Rumäniendeutschen Grund zur Besorgnis und zunehmend kristallisierte sich eine Angst vor der 74 Vgl. Totok, 1988, S. 50. 75 Kegelmann, 1995, S. 23. 76 Totok, 1988, S. 55. 27 rumänischen Regierung und deren Beschlüssen heraus.77 Die gefassten Beschlüsse mögen durchaus aus der Einsicht, dass im Umgang mit den Minderheiten ebenfalls ein anderer Kurs vonnöten sei, entstanden sein, doch wurden sie als oberflächliche Abhandlung der Problematik gesehen. Die 1968 gegründeten „Räte der Werktätigen ungarischer, deutscher serbischer Nationalität“ - durch sie sah man die Belange der Minderheiten vertreten – beschreibt William Totok nur „in der Praxis als ein Appendix des nach 1969 massiv einsetzenden Personenkults“.78
3.4. Das Ende der liberalen Phase Doch auch die staatlich gelenkte Liberalisierung kam letzlich zu einem Ende. William Totok setzt dieses mit den „Juli-Thesen“ von 1971 gleich. Die gefassten Thesen erläuterte Ceauşescu im Juli 1971 folgendermaßen: „Ebenso muß auch hinsichtlich der Rolle des Staates völliges Einvernehmen herrschen, denn der Staat der Arbeiterklasse ist berechtigt, sich auch in die Literatur, in die bildende Kunst und in die Musik einzumischen und nur das zuzulassen, was er als dem Sozialismus, den Interessen unseres sozialistischen Vaterlandes entsprechend ansieht.“79 Für Kunst und Literatur bedeutete das, im Dienste des Staates zu stehen, der Ideologie zu entsprechen und „erzieherisch“ zu fungieren. Sämtliche zugesprochenen Freiheiten sah man somit außer Kraft gesetzt.
Literatur
- Daniela Olărescu: Die Rezeption der rumänischen Literatur in Deutschland zwischen 1945 und 1989 Peter Lang, 2008. ISBN 3-63158-113-0, 270 S., S. 25
- Annemarie Weber: [Rumäniendeutsche?: Diskurse zur Gruppenidentität einer Minderheit (1944-1971).] Böhlau Verlag Köln Weimar, 2010. ISBN 3-41220-538-9, 342 S.
- Sven Pauling: "Wir werden Sie einkerkern, weil es Sie gibt!": Studie, Zeitzeugenberichte und Securitate-Akten zum Kronstädter Schriftstellerprozess 1959. Frank & Timme, 2012. ISBN 3-86596-419-2, 141 S.
- Keno Verseck: Rumänien. Kapitel: Die Wendung zum Nationalkommunismus. C.H.Beck, 2007. ISBN 3-40655-835-6, 226 S., S.74f.
Einzelnachweise
- ↑ a b Freie Universität Berlin, Mariana Hausleitner: Vom Tauwetter zum Frost. Deutsche und andere Minderheiten in Südosteuropa 1953-1963., Tagungsbericht: 2. November 2007 - 3. November 2007, Klausenburg/Cluj, Rumänien, in: H-Soz-u-Kult, 17. Dezember 2007
- ↑ Jürgen Henkel: Einführung in Geschichte und kirchliches Leben der Rumänischen Orthodoxen Kirche. LIT Verlag, Münster 2007, ISBN 3-8258-9453-3, S. 98
- ↑ Rumänien beginnt Aufarbeitung der Gräuel in Ära Ceausescu. In: Der Westen vom 4. September 2013
- ↑ Rumänien will Morde aus der Zeit des Kommunismus ahnden. In: Die Zeit vom 3. September 2013
- ↑ Rumänien arbeitet Diktatur auf. Ermittlungen zu Morden an politischen Häftlingen. In: Der Tagesspiegel vom 5. September 2013
- ↑ Sunhild Galter: Weniger wäre mehr… Zu Dieter Roths Roman „Der müde Lord". In: Hermannstädter Zeitung Ausgabe 2386 vom 27. Juni 2014
- ↑ Tauwetterperiode auf wissen.de