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Zollfreistrasse (Riehen)

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Die Zollfreistrasse von Weil am Rhein nach Lörrach über Schweizer Staatsgebiet ist eine seit Jahrzehnten geplante und heftig umstrittene Strasse. Heftig umstritten vor allem deshalb, weil sie ein wichtiges Naherholungsgebiet des Kanton Basel zerschneidet. Auf die „Zollfreie“ könne man problemlos verzichten, schliesslich werde ja heute schon kaum mehr an den Zollhäuschen kontrolliert und eine Alternative gibt es ja: Die S-Bahnlinie 5 der Regio S-Bahn Basel. Ausserdem genügten die heutigen Kapazitäten der Strassen und eine neue Strasse würde nur Mehrverkehr verursachen. Dass das Projekt welches 1977 geplant wurde veraltet ist, geben auch die Befürworter der Strasse zu, jedoch wollen sie keinesfalls auf Neuverhandlungen eingehen. Gegner und Befürworter zählen noch eine Reihe Argumente auf, die unten näher erläutert werden.

Die Geschichte

Seit dem 19. Jahrhundert sind die Nachbargemeinden Weil und Lörrach an einer Zollfreistrasse am Fluss Wiese entlang interessiert. Das Projekt wurde 1977 in einem Staatsvertrag zwischen der Schweiz und Deutschland geregelt, ist seither mehrfach abgeändert worden, bleibt aber wegen einer vermeintlichen Beeinträchtigung auenähnlicher Flusslandschaft und schwieriger tektonischer Verhältnisse am Bergteil „Schlipf“ des Tüllinger Hügel umstritten.

Vor ein paar Jahren hat nun Deutschland die Strasse gebaut – bis auf das letzte Stück, eben den Teil auf Schweizer Boden. Als Deutschland 2004 mit dem Bau dieses letzten Strassenabschnitts beginnen wollte, organisierte die Naturfreundegruppe Regio ohne Zollfreistrasse („RoZ“) unter Führung des Basler Arztes Martin Vosseler Widerstand gegen die Durchführung des Projekts. Der Eisvogel, der genau an dieser Stelle im Kanton Basel-Stadt sein letztes Refugium hat???, wurde zum Symbol der RoZ und zum Symbol des Widerstands gegen die Zerstörung der Wiesenufer allgemein.

Kurz vor der Abstimmung wurde der Wald auf Schweizer Boden jedoch schon gerodet. Martin Vosseler unternahm einen einmonatigen Hungerstreik und hielt in der Basler Leonhardskirche dreimal täglich Andachten ab. Durch Beziehungen zu Berlin konnte er gleichzeitig eine neue Diskussion in Berlin selbst in Gang setzen. Eine "Kleine Anfrage" von Eva Bulling-Schröter an die Berliner Regierung deckte Ungereimtheiten auf: Das Regierungspräsidium Freiburg, Sven von Ungern-Sternberg, hatte das Angebot der Regierung Basel-Stadt im Jahr 2005 zur Mitfinanzierung einer Tunnellösung gegenüber der Berliner Bundesregierung unterschlagen. Dies scheint eine massive Eigenmächtigkeit von Ungern-Sternberg, da es sich um eine Bundesstrasse handelt.

Die rechtlichen Fakten

  • der Staatsvertrag über die Zollfreistrasse ist einzuhalten
  • alle Einsprachen für den ersten Bauabschnitt (Brücke über die Wiese) wurden rechtsgültig abgewiesen.
  • die tektonischen Risiken wurden von den Gerichten berücksichtigt.
  • die Risiken für das Trinkwasser und für die Menschen in der Region berücksichtigt.
  • für den Umweltschutzausgleich wurden 1 Million zusätzlich bereitgestellt.
  • trotz Schengen - und Dublinabkommen ist ohne Zollfreistrasse weiterhin ein Grenzübertritt mit allen rechtlichen folgen erforderlich.
  • für 2 Grundstücke (2. Bauabschnitt) läuft noch das Enteignungsverfahren.
  • der Bau der ersten Etappe ist rechtlich abgesichert.


Die Argumente dagegen

Geologische Bedenken

Die Zollfreistrasse

  • liegt am Rande eines Gewässerschutzgebietes
  • liegt am Rand eines Rutschhangs
  • liegt neben einem Fluss und überquert diesen
  • die Ingenieure meinen, den Grundwasserspiegel für die Dauer der Baustelle absenken zu können
  • die Ingenieure meinen, das Grundwasser mit der Baustelle nicht zu beeinträchtigen, obwohl es in die Zone der Trinkwasserfassung fällt
  • die Ingenieure meinen, mit 60m langen Schrauben den rutschenden Schlipfhang stabilisieren zu können, indem sie die Schrauben bis in die Sedimente hineinboren.

Bedenken wegen Wohnqualität

  • ein wichtiges Naherholungsgebiet der Region etwas beeinträchtigt
  • Die Riehener Badi müsste der Strasse weichen.
  • Die bereits jetzt voll ausgelastete Dammstrasse auf deutscher Seite wird dem neuen grossen Verkehrsaufkommen kaum gewachsen sein. Die Dammstrasse wird überlastet und der Verkehrslärm wird zunehmen.
  • Deutschland hat schon vor einiger Zeit die Zufahrten zur Schweizer Grenze hin gebaut, und Industriebetriebe und ein Drive-in haben in Lörrach bereits ihre Positionen an der zukünftigen Hauptverbindung aufgebaut. Deutschland hat somit neue Pro-Argumente geschaffen und stellte die Schweizer Seite damit zunehmend unter Druck. Somit kann sich aber auch jeder den zu erwartenden Verkehr ausmalen, den diese Zollfreistrasse mit sich bringen wird.

Bedenken um Tier- und Pflanzenwelt

  • Lörrachs Regierung meint, den Fluss Wiese nach dem Bau der Zollfreistrasse renaturieren zu wollen, wobei eine Renaturierung bei über 20'000 Fahrzeugen pro Tag inklusive 40-Tonnen-Lastwagen entlang des Flusses Wiese dann eigentlich keinen Sinn mehr macht, weil sich bei solchem Lärm kaum noch Vögel ansiedeln lassen
  • die Stimmbürger von Basel-Stadt meinten im Februar 2006 mit über 55% in einer Volksabstimmung, das gesamte Ufer des Flusses Wiese solle unter Schutz gestellt und auf eine offene Linienführung der Zollfreistrasse absolut verzichtet werden
  • die Naturschutzgruppen (RoZ u.a.) meinen, das auenähnliche Ufer am Fluss Wiese sei für den Kanton Basel-Stadt der letzte auenähnliche Raum mit für den Kanton nur noch dort vorkommenden Vögeln wie der Eisvogel, und dieser letzte auenähnliche Raum wird durch die Vollendung der Zollfreistrasse zerstört.

Die Argumente dafür

  • Die Strassenzufahrten sind bereits von beiden Seiten her fertiggestellt.
  • bereits ist Industrie auf Lörracher Seite entlang der gebauten Zufahrt angesiedelt worden, das heisst, seit Jahren warten dort Betriebe spekulativ auf die Eröffnung dieser Strasse.
  • Tüllingen freut sich über die seit Jahren versprochene Verkehrsentlastung.
  • Viele der Strassenbefürworter hoffen auf die Entlastung Riehener Gemeindestrassen durch den umgeleiteten Durchgangsverkehr.