Nichtreduzierbare Komplexität
Nichtreduzierbare Komplexität (oder irreduzible Komplexität) ist ein Begriff, der im Rahmen der Intelligent Design- (ID)-Diskussion zur Kritik an der Evolutionstheorie verwendet wird. Geprägt wurde er von dem Biochemiker Michael J. Behe. Als nicht reduzierbar komplex definieren ID-Anhänger solche biologischen Systeme, die nicht durch schrittweise Evolution entstehen können, weil ihre Vorstufen nicht funktionieren und daher keinen Selektionsvorteil haben.
Während Behe den Begriff informell einführt und mit Fallbeispielen aus der Biochemie der Zelle illustriert, wird er bei William Dembski zu dem formal definierten Begriff der spezifizierten Komplexität weiterentwickelt, um ihn mathematischen Verfahren zugänglich zu machen. Nichtreduzierbare Komplexität bildet einen Spezialfall von Spezifizierter Komplexität.
Definition
Michael J. Behe definiert als nichtreduzierbar komplex
- ein einzelnes System, das aus mehreren zusammenpassenden und zusammenwirkenden Teilen besteht, die zur Grundfunktion beitragen, wobei das Entfernen irgendeines der Teile bewirkt, daß das System effektiv zu funktionieren aufhört. Ein nichtreduzierbar komplexes System kann nicht auf direktem Weg (d.h. durch fortgesetztes Verbessern der Ausgangsfunktion, die durch den selben Mechanismus weiter arbeitet) durch leichte aufeinanderfolgende Änderungen eines Vorläufersystems erzeugt werden, weil jeder Vorläufer zu einem nichtreduzierbar komplexen System, am dem ein Teil fehlt, per Definition funktionsunfähig ist.
(Darwin's Black Box, S. 39)
Nichtreduzierbare Komplexität bei Charles Darwin
Charles Darwin hat zwar den Ausdruck nicht benutzt, aber er war der erste, der die nichtreduzierbare Komplexität als eine mögliche Schwäche seiner Evolutionstheorie ansah. Im sechsten Kapitel, Schwierigkeiten der Theorie, seines Buches Die Entstehung der Arten schreibt er:
- Ließe sich irgend ein zusammengesetztes Organ nachweisen, dessen Vollendung nicht möglicherweise durch zahlreiche kleine aufeinanderfolgende Modifikationen hätte erfolgen können, so müßte meine Theorie unbedingt zusammenbrechen. Ich vermag jedoch keinen solchen Fall aufzufinden.
(Die Entstehung der Arten, Hg.: H. Schmidt, J. V. Carus, Leipzig 1884, S. 105)
Kritik
Heutige Evolutionsbiologen halten das Konzept für in der Praxis unbrauchbar, weil die Entscheidung, ob alle "Vorstufen nicht funktionieren", voraussetze, dass man trotz der Komplexität des Problems (ein System kann sich auch aus komplizierteren Systemen mit anderen Nischen entwickeln statt im Laufe der Zeit immer komplizierter zu werden) alle denkbaren Vorstufen kenne. Eine solche Allwissenheit bei sich selbst vorauszusetzen und daraus Schlussfolgerungen zu ziehen sei aber kein zulässiger Teil der wissenschaftlichen Methode.
Die eigentliche Argumentationsweise ist nicht neu. So finden sich in Publikationen der Kreationisten Henry Morris (1974, 'Scientific Creationism') sowie sowie Thaxton, Bradley und Olsen (1984, 'The Mystery of Life's Origin') im Wesentlichen identische Argumentationsweisen, wie in der heutigen ID-Bewegung. Dies wird von Kritikern als einer von mehreren Belegen gesehen, dass die Intelligent-Design-Bewegung ein Teil des Kreationismus darstellt, und nur durch die Verwendung von neuen Benennungen für alte Argumente versucht wird, aus strategischen Gründen eine Distanz zum Kreationismus vorzuspiegeln.