Rheingletscher
Der Rheingletscher, auch Rhein-Linth-Gletscher, war ein ehemaliger Gletscher der Appenzeller Alpen, der die Topographie des östlichen Schweizer Mittellands sowie von Oberschwaben bis weit nördlich des Bodensees stark beeinflusst hat. Der Bodensee ist ein Gletscherrandsee des Rheingletschers.

Ausdehnung
Der zeitlich und örtliche Ursprung des Rheingletschers liegt vor etwa 29.000 Jahren im Raum Chur. Vor 24.000 Jahren war der Maximalstand mit deiner Reichweite bis Schaffhausen erreicht.[1] Die größte Ausdehnung hatte der Gletscher mit einer Eisfläche von etwa 16.400 km² und ca. 11 % der alpinen Eiskappe während der Riß-Kaltzeit. In dieser Kalteit umfasste der Gletscher ein Einzugsgebiet vom Arlberg bis zum Gotthard, umschloss die inneralpinen Täler zwischen Rheinwaldhorn und Chur, das vom Bodensee bis Chur reichende Tal des Alpenrheins und das Vorlandbecken rund um den Bodensee. Der Gletscher drang bis zur voreiszeitlichen Donau (Linie westlich Schaffhausen/Stein am Rhein - südlich Tuttlingen - nördlich Sigmaringen - Biberach). Er sperrte er das Flussbett der Urdonau ab. Dabei entstanden große Eisstauseen. Unter den Eismassen des Gletschers lagen unter anderem die heutigen Städte Chur, Glarus, Sargans, St. Gallen, Vaduz, Feldkirch (alle Rheingletscher), Zürich (Linthgletscher), Schruns (Illglletscher), Winterthur, Ravensburg und die Städte am Bodensee (jeweils Bodensee-Vorlandgletscher).[1]
Die mitgeführten Geröllmassen des Rheingletschers verfüllten die Täler des alten Flusssystems so gründlich, dass nach dem Zurückschmelzen der rißeiszeitlichen Eismassen die Donau ihr altes Bett nicht mehr wieder fand und mit ihren Nebenflüssen völlig neue Talstrecken schaffen musste.
Man nennt das System auch Rhein-Linth-System, weil ein Arm des Rheingletschers über die Talgabelung von Sargans per Transfluenz mit dem heutigen Linth-Einzugsgebiet zusammenhing. Der Linthgletscher füllte die nordwestwärts gerichteten Becken des Glatt- und des Limmattals. Neben dem Bündner Rheingebiet wurde der Ostteil des Systems auch aus den Vorarlberger Tälern der Ill und der Bregenzer Ach mit Eis versorgt.[1]
Die letzte große Ausdehnung erfuhr der Gletscher in der Würm-Kaltzeit. Dabei erstreckte sich der Rheingletscher über die gesamte heutige Ostschweiz und den Bodensee hinweg. Die Hautptstromrichtung verlagerte sich dabei zunehmend nach Westen in Richtung des Hochrheins. Bei Schaffhausen lag der Maximalsstand nur unwesentlich geringer als zur Riß-Kaltzeit.[2] Im Bodenseegebiet kam es zu großer Übertiefung auf Grund der Eismächtigkeit von bis zu 1.200 m und in Folge subglazialer, an der Sohle des Gletschers unter hohem Druck abfließender Schmelzwässer.[2] Berge die über das Eis hinausragten, wurden umflossen. Der Säntis (.501 m ü. NHN, das Hörnli im Kanton Zürich (1.133 m ü. NHN) sowie der Hochgrat im Allgäu (1.834 m ü. NHN) waren zu dieser Zeit Nunatakker.[1]
Die Frage einer Verbindung des Feldberg-Gletschers mit der entlang des Hochrheins nach Westen strömenden Alpenvergletscherung während der Riß-Kaltzeit ist nach heutigem Forschungsstand noch nicht endgültig geklärt. Für das Würmhochglazial wird die Region Olten – Aarau – Baden – Basel als stets eisfrei angegeben.[1]
Würm-Abschmelzetappen
Nach dem Höchststand der Würm-Vereisung vor etwa 20.000 Jahren mit einer Schneegrenze von 1.000 Metern erfolgte der Rückzug des Rheingletschers in insgesamt acht nachgewiesenen Etappen[1], darunter als wichtigste das Schaffhausen-Stadium (Maximalstand), Singen-Stadium und Konstanz-Stadium. Der Zürichsee entstand in der Konstanzphase mit einer Endrandlage bei Hurden.[1]. Diese Etappen waren bereits vor 15.000 Jahren abgeschlossen. Weitere Stände können im Bereich des Bodensees gelegen haben.[2][3][4] Am Ende der Abschmelzetappen entstand der Rheinfall.
Heutige Zeugen des Gletschers
Neben dem Bodensee (Rheingletscher), dem Zürichsee (Linthgletscher) und dem oberschwäbischen Reichtum ans Seen, Weihern, Feuchtgebieten und Mooren (Federsee, Rohrsee, Wurzacher Ried)[5] existieren weitere zahlreiche Belege für das Vorhandensein des Rheingletschers. Eine bekannte Grundmoräne aus der Riß-Kaltzeit findet man bei der großen Kiesgrube Scholterhaus bei Biberach, entdeckt und beschrieben von Albrecht Penck. Eine Riß-Endmoräne zeigt sich auf der Schwäbischen Alb westlich von Riedlingen. Randmoränenwälle des Linthgletschers existieren bei Schindellegi bis ins Stadtgebiet von Zürich.[1] Viele Drumlins finden sich im Zürcher Oberland und im Allgäu.[2] Die westlichen Ausläufer des Rheingletschers waren formgebend für die Hegaukegel mit ihren steilen Überprägungen auf der dem Eisfluss zugewandten Ostseite.[2] Als Beispiele für Findlinge des Rheingletscher können angeführt werden, der Graue Stein von Aach (Hegau) des würmeiszeitlichen Rheingletschers, der aus ca. 150 km Entfernung zum heutigen Fundort transportiert wurde und ein Gewicht von ca. 30 Tonnen aufweist.[6] Ferner liegen zwei Findlinge in Frauenfeld,[7] weitere bei Wangen im Allgäu (BAB96),[8]
Literatur
- Penck, A. & Brückner, E. (1909). Die Alpen im Eiszeitalter, 3 Bände, Tauchnitz, Leipzig (Erstbeschreibung des Rheingletschers).
- Christof Benz-Meier: Der würmeiszeitliche Rheingletscher-Maximalstand: digitale Rekonstruktion, Modellierung und Analyse mit einem geographischen Informationssystem. Universität Zürich-Irchel - Geographisches Institut, Zürich 2003.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ a b c d e f g h Der Rhein-Linth-Gletscher im letzten Hochglazial Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich (2005) 150/1–2: 19–32
- ↑ a b c d e Joachim Eberle, Bernhard Eitel, Wolf Dieter Blümel, Peter Wittmann: Deutschlands Süden vom Erdmittelalter zur Gegenwart. 2. Auflage, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2010, ISBN 978-3-8274-2594-2.
- ↑ Die hochwürmzeitlichen Rückzugsphasen des Rhein-Vorlandgletschers und der erste alpine Eisrandkomplex im Spätglazial Oskar Keller/Edgar Krayss. Geographica Helvetica 1987 – Nr. 2
- ↑ * Rückschmelzmarken des alpinen Eisstromnetzes im Spätglazial (Rheingletscher-System, Würm) Edgar Krayss Eclogae geol. Helv. 89/3: 1105-1113 (1996)
- ↑ Klaus Zintz, Herbert Löffler und Heinz Gerd Schröder: Der Bodensee. Ein Naturraum im Wandel Thorbecke 2009. ISBN 978-3-7995-0838-4
- ↑ Der Graue Stein von Aach
- ↑ Vom Rheingletscher mitgebracht Tagblatt 6.4. 2013
- ↑ Rundgeschliffene erratische Felsblöcke aus den Schweizer Alpen an der BAB 96 bei Wangen-West