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Parlamentswahlen in Italien 2006

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Silvio Berlusconi und Romano Prodi

Am 9. und 10. April 2006 fanden in Italien Parlamentswahlen statt. Diese standen im Zeichen der Auseinandersetzung zwischen der Partei des Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, Forza Italia, und dem Mitte-Links-Bündnis von Romano Prodi. Gewählt wurden 630 Abgeordnete und 315 Senatoren. Die Wahllokale waren am Sonntag von 08:00 bis 22:00 Uhr und am Montag von 07:00 Uhr bis 15:00 Uhr geöffnet.

Es war das zweite Mal, dass im Ausland lebende Italiener per Briefwahl an einer Wahl teilnehmen konnten (das erste Mal 2005 zu einem Referendum). Sie wählten zwölf Abgeordnete und sechs Senatoren in die jeweiligen Kammern.

Die Wahlbeteiligung lag bei 83,6 Prozent.

Wahlkampf

Der Wahlkampf war von wenig Inhalt geprägt und es wurden immer wieder Steuerversprechen gemacht. Während Berlusconi weitere Steuergeschenke versprach, hatte Prodi angekündigt schärfer gegen Steuerhinterziehung vorzugehen. Berlusconi hatte dagegen in der Vergangenheit Verständnis für Steuersünder geäußert und war diesen mit Amnestien entgegen gekommen. Beim Schlußwort seines 2. Fernsehduelles mit Prodi, das von der Hälfte der italienischen Bevölkerung verfolgt wurde, kündigte Berlusconi die Abschaffung der kommunalen Immobiliensteuer für Erstwohnungen an. Prodi konnte nicht mehr entgegnen, dass dieses Wahlversprechen von den jetzt schon defizitären Kommunen geleistet werden müsste und viele Bürgermeister protestierten daraufhin gegen Berlusconis Coup.

Berlusconis Aufholjagd durch Personalisierung und Skandalisierung

Die rigide Personalisierung des Wahlkampfs durch Berlusconi bescherte ihm beinahe den Wahlsieg, nachdem die führenden Meinungsforschungsinstitute wochenlang der Unione-Koalition Prodis einen sicheren Vorsprung von fünf bis acht Prozent prognostiziert hatten. Der Vorsprung des Mitte-Links-Bündnisses von Romano Prodi nach Umfragen vor den Wahlen war wegen der alltäglichen Medienpräsenz von „Medienmogul“ Berlusconi um so beachtlicher. Allerdings gelang es Berlusconi, wie schon häufiger, durch gezielte Skandalisierung seiner politischen Gegner von seinen wirtschaftspolitischen Misserfolgen und von seinen Strafprozessen gegen ihn abzulenken.

Mitte März verlor Berlusconi sogar öffentlich die Fassung. Vor laufenden Kameras stürmte er abrupt aus einer nachmittaglichen Talkshow ("Mezz`ora" im staatlichen TV-Sender RAI 3), nachdem er sich kurz vorzeitig verabschiedet hatte. Der Grund: Die Moderatorin Lucia Annunziata stellte ihm Fragen im Akkordtakt, ließ ihn aber kaum zu Wort kommen, sondern stellte sogleich die nächste Frage, noch ehe die letzte Frage beantwortet wurde. Beim Verlassen des Studios fragte Berlusconi rethorisch in die Kamera: "Auf Wiedersehen! Ich bedanke mich bei Ihnen. Die RAI wird also von mir kontrolliert?" Als Folge dessen wurde Annunziata am nächsten Tag verwarnt.

Seine alltägliche Mediendominanz über Jahre hinweg versuchte Berlusconi in einer politischen Rede an seine Anhänger dadurch zu entkräften, indem er eine minutiöse Auflistung aller Wahlkampfauftritte seiner politischen Gegner im italienischen Fernsehen (staatlich wie privat) entgegenhielt. So wäre Piero Fassino 25 mal, Francesco Rutelli 18 mal, Massimo D'Alema 7 mal, Romano Prodi 9 mal und Fausto Bertinotti 19 mal im Fernsehen aufgetreten, denen lediglich drei Auftritte von ihm, Berlusconi, gegenüberstünden.

Ein spektakuläres Beispiel für Berlusconis Wahlkampftaktik war seine Beschimpfung aller Unione-Wähler als coglioni (wörtlich Hoden, übertragen Volltrottel) und Prodis Abwertung als Mortadella, einer fetthaltigen Wurstsorte aus Bologna, der Heimatstadt Prodis. Die Bezeichnung „coglioni“ (Volltrottel) wurde schon vor der Äußerung Berlusconis auch vom Mitte-Links-Bündnis Kandidat Piero Fassino am 29. März 2006 in einer politischen Rededebatte verwendet, um die unentschlossenen Wähler dazu zu bewegen, zum Mitte-Links Bündnis zu wechseln und keine italiani coglioni zu sein.

Die heftigen Verbalattacken des bisherigen Ministerpräsidenten Berlusconi erreichten ihren Tiefpunkt mit seinem Vorwurf, (chinesische) Kommunisten würden Babys kochen und zu Dünger verarbeiten: Als ein Vertreter der Linken zu Berlusconi aufklärend sagte, dass seine ganze Einschüchterungstaktik gegenüber der Bevölkerung bezüglich der Kommunisten, dass sie das Land in den Ruin stürzen würden, übertrieben sei und dass die Kommunisten ja wohl keine Kinder essen würden, entgegnete ihm Berlusconi: „In China zur Zeit Maos haben sie sie nicht gegessen. Aber sie haben sie gekocht, um Felder zu düngen. Es ist eine schreckliche Sache - die aber leider wahr ist.

Der Wahlkampf zu den italienischen Parlamentswahlen 2006 wurde daher von der Tageszeitung La Repubblica als der niveauloseste seit Ende des Zweiten Weltkriegs bezeichnet.

Prodis Gegenwehr

Prodi konnte seinen Ruf als Saubermann nicht vollständig durchhalten, so etwa bezeichnete er einen Hörer in einer staatlichen Radiosendung als „matto“ (verrückt), weil dieser ihm eine aus seiner Sicht unangemessene Frage gestellt hatte.

Im 1. TV Duell im ersten staatlichen Fernsehsender RAI 1 bezeichnete Prodi seine politischen Gegner als „venditori di tappeti“ (Teppichhändler), weil sie nach der Wahl keine Beschäftigung mehr finden würden.

In einer anderen Ansprache warf Prodi dem Mitte-Rechts-Bündnis „delinquenza politica“ (politische Verbrechen) vor.

Den einzigen Ausfall im 2. TV Duell (ebenfalls auf RAI 1) leistete sich Prodi mit der Behauptung, dass Berlusconi sich an Zahlen festhalte wie ein Betrunkener an einem Laternenpfahl und provozierte damit einen Moment der Aufregung. Berlusconi reagierte daraufhin brüskiert und verlangte: „Respektieren Sie den Ministerpräsidenten!"Den Betrunkenen können sie für sich behalten.", so ein erzürnter Berlusconi. "Wenn jemand wie ein Betrunkener redet, dann Sie." Worauf Moderator Bruno Vespa versuchte, den Regierungschef zu beruhigen -Berlusconi aber den Moderator im Befehlston aufforderte: "Mäßigen Sie Prodi!"

Medienfarce

Einen weiteren bizarren Höhepunkt erreichte der Wahlkampf am 5. April 2006, vier Tage vor Wahlbeginn, als ein bekanntes italienisches TV Magazin namens „Terra“, das auf dem Programm „Canale 5“ von Berlusconis Mediaset ausgestrahlt wird, Silvio Berlusconi und Romano Prodi zu einem sogenannten „freien TV Duell“ einlud. Anders als die beiden TV-Duelle im staatlichen Fernsehen sollte diese Sendung ohne strikte Regeln und ohne beschränkte Redezeiten stattfinden. Prodi verzichtete auf diesen Auftritt. Also suchte Canale 5 nach anderen ebenbürtigen Repräsentanten des Mitte-Links-Bündnisses. Auch von dieser Seite kam eine Absage. Canale 5 entschloss sich schließlich, die wichtigsten Chefredakteure der bekanntesten linksorientierten Tageszeitungen einzuladen, doch die nationale Presseagentur bat alle Journalisten eindringlich, hier dran nicht teilzunehmen. Daraufhin versammelte sich die Redaktion von Canale 5 und drohte einen Streik an bei einer Teilnahme von Ministerpräsident Berlusconi an der Sendung. Daraufhin sagten auch zwei führende Oppositionspolitiker der Linken, Piero Fassino und Francesco Rutelli aus Protest die Teilnahme an einer anderen abendlichen Sendung auf Canale 5 namens „MATRIX“ am selben Tag ab, die allerdings am Nachmittag aufgezeichnet wird. Als nach stundenlangem Warten die Oppositionspolitiker nicht eintrafen, sagten auch die Vertreter der Gegenseite, Gianfranco Fini und Pier-Ferdinando Casini (beide Mitte-Rechts-Bündnis) ihre Teilnahme ab. Als bekannt wurde, dass Berlusconi doch nicht an der anderen TV-Sendung Terra teilnahm, entschlossen sich schließlich Fassino und Rutelli doch wieder zu der Teilnahme an MATRIX, weil der eigentliche Anstoß ihres Protestes nicht mehr bestehen würde und bezeichneten die Vertreter der Regierungskoalition als „arrogant“, weil diese nun nicht mehr zu einer Konfrontation bereit seien. Die Sendung wurde am folgenden Abend dann als eine Art Phantomsendung mit vier leeren Stühlen ohne Studiogäste durchgeführt. Stattdessen wurde in einem Film eine Zusammenfassung der Ereignisse des Tages gezeigt, die zu dieser Situation geführt hatten.

Ausländische Reaktionen

Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Gert Weisskirchen, forderte am 12. April 2006 die Bundesregierung und die Unions-Fraktion zu einer deutlichen Distanzierung von Berlusconi auf. Weisskirchen äußerte im Deutschlandradio: "Jemand der sich so gebärdet, der sich am Ende seiner Amtszeit so selbst entlarvt, darf auch in der europäischen Parteienlandschaft nicht unterstützt werden". Dass Berlusconi nun gegen das Wahlergebnis vor Gericht ziehe, sei eine "Komödie in brachialer Form". [1]

Bündnisse und Parteien

unterstützt von: Alternativa Sociale (Azione Sociale - Forza Nuova - Fronte Sociale Nazionale) -Movimento per l'Autonomia - Movimento Sociale Fiamma Tricolore - No Euro - Partito Liberale Italiano - Riformatori Liberali - Verdi Verdi - regionale: Nuova Sicilia - Patto per la Sicilia

unterstützt von: Consumatori Uniti - Democratici Cristiani Uniti - Federazione dei Liberaldemocratici - Federazione dei Liberali Italiani - I Socialisti - Lista Consumatori - Partito della Democrazia Cristiana - Partito Pensionati - Partito Socialista Democratico Italiano - Radicali di sinistra - Repubblicani Democratici regionale: Alleanza Lombarda - Liga Fronte Veneto - Progetto Sardegna - Südtiroler Volkspartei

Prognosen

Prognosen des staatlichen Fernsehens RAI unmittelbar nach der Stimmabgabe zufolge lag Oppositionschef Romano Prodi vor Ministerpräsident Silvio Berlusconi. Das Mitte-Links-Lager L'Unione Prodis kam in beiden Kammern auf 50 bis 54 Prozent der Stimmen und käme im Senat auf 159 bis 170 Sitze. Dagegen hatte das Mitte-Rechts-Bündnis Berlusconis Casa delle Libertà nur noch zwischen 45 und 49 Prozent erreicht und erhielte demnach lediglich 139–150 Mandate. Nach dem neuen Verhältniswahlrecht mit einem Bonus für das stärkste Parteienbündnis könnte das Mitte-Links-Lager im Abgeordnetenhaus auf mindestens 340 von insgesamt 630 Sitzen kommen. Vor allem Berlusconis Forza Italia verlor deutlich an Wählerunterstützung. Vor fünf Jahren kam sie noch auf 29 Prozent, heute nur noch auf 20 bis 23 Prozent.

Endergebnis

Das Endergebnis der Parlamentswahlen fiel wesentlich knapper aus, als Hochrechnungen der RAI zunächst angekündigt hatten. Zunächst war man nach ersten Prognosen von einer klaren Mehrheit für Romano Prodis Wahlbündnis L'Unione ausgegangen, während spätere Hochrechnungen gar eine knappe Mehrheit für Silvio Berlusconis Bündnis sahen.

Hinweis zu den Tabellen: diese zeigen das vorläufige Endergebnis unter Einberechnung der vorliegenden Auslandsstimmen. Die absoluten und prozentuellen Stimmenanteile betreffen hingegen nur die italienweiten Ergebnisse.

Kammer

In der Abgeordnetenkammer des römischen Parlamentes gibt es folgendes vorläufiges Endergebnis (einige Auslandssektionen sind noch nicht vollständig ausgewertet):

Casa delle Libertà
Partei Stimmen % Sitze
Forza Italia 9.045.384 23,71 140
Alleanza Nazionale 4.706.654 12,34 71
UDC 2.579.951 6,76 39
Lega Nord 1.748.066 4,58 26
Nuovo PSI 285.744 0,75 4
Per l'Italia nel mondo - - 1
Summe 18.976.460 49,73 281
L'Unione
L'Ulivo 11.928.362 31,26 226
Rifondazione Comunista 2.229.604 5,84 41
Rosa nel Pugno 991.049 2,6 18
Comunisti Italiani 884.912 2,32 16
Italia dei Valori 877.159 2,3 16
Federazione dei Verdi 783.944 2,05 15
Popolari-Unione Democratici per l'Europa 534.553 1,4 10
SVP 182.703 0,48 4
Autonomie Liberté Democratie - - 1
Summe 19.001.684 49,8 348
Unabhängige Parteien
Associazione Italiani nel Sud America - - 1

Nach Auszählung der Wahlbezirke liegt das Mitte-Links-Bündnis in der Kammer (Camera dei Deputati/Abgeordnetenkammer) mit 49,80% gegenüber dem Mitte-Rechts-Bündnis mit 49,73% hauchdünn vorne. Aufgrund des kurz vor den Wahlen durch Berlusconi geänderten Wahlgesetzes erhält der Ulivo als stimmenstärkste Partei jedoch dennoch mindestens 55% der Sitze als Mehrheitsbonus. In den folgenden Tagen wird die Union von Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi mit einer Regierungsbildung beauftragt werden. Der äußerst geringe Abstand von 24.464 Stimmen veranlasste Berlusconis "Casa della Libertà" am Folgetag der Wahl eine Neuauszählung der Stimmen zu fordern und das Ergebnis gegebenenfalls anzufechten.

Senat

Vorläufiges Endergebnis für den Senat nach Auszählung aller Stimmen (einige Auslandswahlkreise noch vakant):

Casa delle Libertà
Partei Stimmen % Sitze
Forza Italia 8.201.688 24,01 78
Alleanza Nazionale 4.234.693 12,4 41
UDC 2.579.951 6,76 21
Lega Nord 1.530.366 4,48 13
Casa delle libertà 175.137 0,6 2
Lista Italiani nel Mondo ? ? 1
Summe 17.153.256 50,2 155
L'Unione
Democratici di Sinistra 5.977.313 17,5 62
La Margherita 3.664.622 10,73 39
Insieme con l'Unione 1.423.226 4,17 11
Popolari-Unione Democratici per l'Europa 476.938 1,4 3
Lista Consumatori 72.139 0,21 1
L'Ulivo (in der Region Molise) 59.499 0,17 1
Rifondazione Comunista 2.229.604 7,37 27
Italia dei Valori 986.046 2,89 4
L'Unione- SVP 198.153 0,6 3
SVP 117.500 0,3 2
Summe 16.725.077 48,95 154
Unabhängige Parteien
Associazione Italiani nel Sud America 84.507 9,6 1

Luigi Pallaro, der Senator der Italiener in Südamerika, in der Tabelle als unabhängiger Senator verzeichnet, hat bereits angekündigt, mit der Mehrheit zu stimmen.

Nach der Einschätzung des Corriere della Sera sind von den 7 Senatoren auf Lebenszeit 5 eher dem Unione zuzurechnen (Scalfaro, Montalcini, Colombo, Napolitano, Pininfarina); 2 (Cossiga und Andreotti) der CdL.

Somit ergäben sich für Prodi 158 Sitze, für Berlusconi 156 Sitze. Der scheidende Staatspräsident Ciampi ist eher Prodi zugeneigt und wird nach dem baldigen Ende der Amtszeit (Mai 2006) ebenfalls Senator auf Lebenszeit. Im Gegensatz zur Abgeordnetenkammer, gibt es hier keinen Mehrheitsbonus für die stärkste Partei, daher könnte Prodi hier dennoch eine Mehrheit für sein Parteienbündnis erreichen.

Mysteriöse Zwischenfälle bei der Wahlauszählung

Nachdem Berlusconi wegen „zahlreicher Unregelmäßigkeiten“ eine juristische Überprüfung des Wahlergebnisses gefordert hatte, lief am Mittwoch die nochmalige Auszählung von über 80.000 umstrittenen Stimmzettel an. Dabei handelte es sich um Stimmen, die bei der ersten Auszählung nicht klar zugeordnet werden konnten, aber auch nicht für ungültig erklärt wurden. Experten müssen sie nun einzeln erneut sichten. Dieses Verfahren werde voraussichtlich bis nach Ostern dauern, berichteten italienische Zeitungen. Das Endergebnis ist erst nach der Prüfung durch den Kassationshof gültig.

Römische Passanten fanden derweil - zwei Tage nach den Wahlen - fünf Kisten mit etwa 500 gültigen Wahlzetteln. Sie hätten auf der Straße in der Nähe von Müllcontainern gestanden, berichtete die Nachrichtenagentur Ansa am Mittwoch. Die Polizei habe die Straße abgesperrt und die Kisten geöffnet. Wie die Stimmzettel, die aller Wahrscheinlichkeit nach nicht ausgezählt worden sind, auf die Straße gelangen konnten, war völlig unklar. Vielleicht habe der Reinigungsdienst eines nahe gelegenen Wahllokals in einer Schule die Kartons an den Müll gestellt, ohne von ihrem Inhalt zu wissen, hieß es. Die Boxen seien vor einem Wahllokal im Stadtteil Tuscolana aufgetaucht, teilte ein Vertreter der römischen Stadtverwaltung mit. Zugleich betonte der Beamte, das Protokoll der Stimmauszählung sei ordnungsgemäß an die Wahlkommission geschickt worden. Es gebe keine Hinweise auf Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung. Es werde aber untersucht, warum nicht auch die Urnen ihren vorschriftsmäßigen Weg zum Innenministerium fanden. Bei den letzten Parlamentswahlen wurden an gleicher Stelle ebenfalls ausgezählte Stimmzettel des selben Wahllokals im Abfall gefunden.

Auch in einem kleinen Wahlbezirk in Sizilien kam es zu einem kuriosen Vorfall: Menschliches Versagen führte dazu, dass aufgrund eines formalen Fehlers beim Übertragen der Wählerstimmen für die "Casa della Libertà" in einer Datenbank wegen eines Tippfehlers statt ursprünglich 1.096 Stimmen irrtümlicherweise nur 96 Stimmen übernommen wurden. Somit gingen auch dort 1.000 "sichere" Stimmen verloren.

In Taranto (Kalabrien) wurden von zwei Passanten 2 Tage nach der Wahl weitere 4 Kartons mit Wahlurnen der Parlamentswahlen mit der Aufschrift "Ministero dell`Interno" (Bundesinnenministerium) ebenfalls neben Müllcontainern gefunden, wo auch nicht klar war, wie diese dorthin gekommen waren, die aber auf jeden Fall dort nicht hingehörten. Dies wurde von einem Kamerateam der Fernsehsendung "Striscia la Notizia" mit Foto- und Videoaufnahmen dokumentiert.

Weiterhin sind auch insgesamt über 1.100.000 Stimmen im ganzen Land annulliert worden. Auch diese Stimmen werden nun rigoros überprüft werden.

Dario Rivolta, ranghoher Vertreter der Forza-Italia-Partei von Ministerpräsident Silvio Berlusconi, beklagte außerdem Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung von Stimmen von in der Schweiz lebenden Italienern. Die italienische Botschaft in Bern habe nach eigenen Angaben 188.500 Stimmzettel nach Rom geschickt. Dort seien aber nur 150.000 angekommen. Es müsse geklärt werden, wo die restlichen 38.500 Stimmzettel abgeblieben seien.

Insgesamt herrscht in ganz Italien ein großes Chaos darüber, wie es nun in Zukunft weitergehen soll und wie eine stabile Regierung gebildet werden kann. Erschwerend kommt noch hinzu, dass der amtierende Bundespräsident, Carlo Azeglio Ciampi, am 18. Mai 2006 aus seinem Amt scheidet und eine neue Regierung erst dann verabschiedet werden kann, wenn zuvor ein neuer Bundespräsident gewählt wurde. Prodi wies zugleich Spekulationen zurück, denen zufolge Berlusconi, Italiens Präsident Carlo Azeglio Ciampi nachfolgen könnte, wenn Ciampis siebenjährige Amtszeit am 18. Mai ausläuft. Berlusconi habe "keine Chance, Präsident der Republik zu werden", betonte er.[2]

Weitere Pressemeldungen zum Thema: [3] [4] [5] [6] [7]

Siehe auch