Violino piccolo

Die Violino piccolo (auch Diskantgeige) ist eine Geigenabart im späten 17. und 18. Jh., die eine Terz oder Quarte über der Normalstimmung der Violine steht. Korpus und Saitenlänge sind entsprechend kleiner dimensioniert.
Chronologie
Bereits 1596 werden in einem Inventar aus Schloss Ambras (Tirol) unter den viol de braz eine discant und zwei kleine discant aufgelistet. Ebenso sind unter den Instrumenten des Freiberger Doms von etwa 1593 zwei Diskantgeigen unterschiedlicher Größe zu finden. Die Instrumente wurden unter Koordination der Uni Leipzig erneut vermessen. Claudio Monteverdi verwendete im Instrumentarium seiner Oper "L'Orfeo" violini piccoli francese. Diese Bezeichnung ist bis heute nicht geklärt. Es handelt sich auf Grund der Notation um oktavierte Instrumente und müssen wegen dieser Eigenschaft von kleinem Format gewesen sein. Claudio Monteverdi schreibt nur bis klingend es'''.
Dies läßt eher auf eine von Michael Praetorius beschriebene dreiseitige Pochette schließen, welche er in der oktavierten Stimmung g' und a' angibt. Michael Praetorius erwähnt im Syntagma musicum eine Discant-Geig ein Quart höher (c'-g'-d''-a''). Des weiteren schreibt er in Kapitel 22 von einer Diskantgeig welche Violino, oder Violetta piccola oder auch Rebecchino genannt wird. Es scheint sehr wahrscheinlich, daß dies die Violino piccolo bezeichnet. Johann Jacob Prinner empfielt 1677 für das khleine Halbgeigl oder Halbviolin die selbe Stimmung wie bei Michael Praetorius und rät, die höchste Saite aus klanglichen Gründen und der Gefahr des Reißens nur auf g'' zu stimmen. Diese Aussage wird 1697 auch von Daniel Speer gemacht. Johann Sebastian Bach gebrauchte die Violino piccolo im ersten Brandenburgischen Konzert und in zwei Kantaten:
In beiden Kantaten sind die Violino piccolo in der Stimmung b-f'-c''-g''. Die Partien sind transponierend notiert, so daß Notenbild und Applikatur wie auf einer gewöhnlichen Violine gelesen werden können. Diese Eigenheit wird schon von Prinner beschrieben. Der Grund der Beliebtheit der kleinen Instrumente liegt wohl in der leichter erreichbaren Höhe. Dies führte zu der missverständlichen Bezeichnung Oktavgeige. Das ist nicht ganz korrekt, da die Instrumente nicht eine Oktave höher gestimmt waren, sondern nur eine Oktave höher gespielt wurden.
Für Leopold Mozart sind die Quart- und Halbgeiglein nur noch für gar kleine Knaben von Nutzen. Mozart erwähnt weiterhin, daß früher Konzerte für Violino piccolo komponiert wurden und diese sonderbar bey musikalischen Nachtstücken Verwendung fand. Das lag wohl an dem etwas leisen Klang.
Bau
Im Verlauf des 18. Jh. ist nur schwer zu entscheiden, ob Instrumente der entsprechenden Ausmaße nun als Violini piccoli oder Kindergeigen gedacht waren. Anhaltspunkt können Hälse und Griffbretter mit normalen Abmessungen bieten, die den Kinderhänden nicht angepasst sind. Die Saitenmensur liegen häufig bei 25 bis 28 cm.
Maße in cm | Korpuslänge | Deckenmensur | schwingende Saitenlänge | Standort |
Klemm (?) 1593/94 | 24,2 | 24,1 | 24 | Freiberg, Sachsen, Dom |
A.&H. Amati, Cremona 1613 | 26,6 | 15,3 | 26,8 | Vermillion, SD, Shrine to Music Museum |
Michael Praetorius 1620 (errechnet, ca.) | 26 | 13,6 | 22,5 | Michael Praetorius 2, Sciagraphia, Taf. XXI |
Rudolf Höß München 1690(?) | 23 | 12,3 | 25 | Berlin, SIM PK, Musikinstrumenten-Museum, Nr. 4130 |
Michael Pfatner Rom 1738 | 27,5 | 15,3 | 26,8 | Privatbesitz |
Pietro Antonio Cati, Florenz | 26,2 | 13,8 | 25,2 | Leipzig, Musikinstrumentenmuseum, Nr. 756 |
Leopold Widhalm Nürnberg 1769 | 28,2 | 15,3 | 28,2 | Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, MI 26 |
J.&A. Gagliano | 24,3 | 12,8 | 25,8 | Privatbesitz |

Siehe auch: Syntagma musicum