Mirijam Günter
Mirijam Günter (* 18. September 1972) ist eine gesellschaftskritische Schriftstellerin und Publizistin. Sie lebt in Köln-Ehrenfeld und in Leipzig, wo sie am Deutschen Literaturinstitut studiert. Günter ist Trägerin des Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreises 2003.
Veröffentlichungen (Auswahl)
Roman »Heim«
In ihrem Erstlings-Werk »Heim« beschreibt Günter die Erfahrungen und die triste Lebenssituation einer schwer erziehbaren Jugendlichen, deren Name nicht genannt wird. Die 13-jährige Protagonistin durchläuft binnen zweier Jahre mehrere Heime. Fluchtversuche scheitern. Ihre Situation wird als ausweglos geschildert. So beginnt und endet das Buch mit dem selben Satz: "Du wirst sehen, Du wirst dich hier wohlfühlen", gesprochen jeweils von einem Sozialarbeiter, der die schwer Erziehbare in einem neuen Heim begrüßt. "'Heim' ist auch deshalb schwer zu ertragen, weil die Autorin mit den Heile-Welt-Vorstellungen einer funktionierenden Jugendhilfe aufräumt" (Süddeutsche Zeitung [1]).
Günter kann zwar selbst auf eine Heimkarriere zurückblicken, der Roman ist nach ihren Aussagen jedoch nicht autobiografisch. Für das Manuskript wurde ihr der Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreis 2003 verliehen. Der 2004 bei dtv erschienene Roman wurde im wesentlichen äußerst positiv rezensiert. So lobt die Frankfurter Allgemeine Zeitung das »schonungslose Protokoll einer Heimkarriere«: "Ein paar unglaubwürdige Details können der Lebendigkeit und Intensität dieses Textes nichts anhaben. Die Geschichte ist fiktiv. Daß die Autorin selbst in Heimen aufgewachsen ist, gewährleistet aber ihre Authentizität und rechtfertigt ihre Drastik." [2]
Roman »Die Ameisensiedlung«
Günters zweiter Roman »Die Ameisensiedlung« wird im Oktober 2006 ebenfalls bei dtv erscheinen. Er handelt nach Angaben der Autorin »von einer Clique von Jugendlichen, die in einer Hochhaussiedlung aufwachsen und die Art mit der sie sich durch das Leben schlagen« [3]. "Die Ameisensiedlung" wurde mit einem Arbeitsstipendium des Landes NRW gefördert.
Essay »Fremd im eigenen Land«
In ihrem Essay »Fremd im eigenen Land« [4] beklagen Günter und ihre Co-Autorin Selda Demir in teils humoristischer Weise die Situation eingebürgerter Migranten in Deutschland. Die beiden Autorinnen attackieren die mangelnde Anerkennung seitens der deutschen Mehrheitsgesellschaft, aber auch seitens der migrantischen Communities:
"Wir möchten nicht mehr von deutschen Demonstranten Flugblätter auf türkisch in die Hand gedrückt bekommen. Wir möchten, daß es normal ist, daß wir Frauen und Männer in diesem Land, Politiker, Schriftsteller, Lehrer und Manager sind. Und nicht, daß es in der Vorstellung der Menschen normal ist, daß wir mit sechzehn in einer Dönerbude arbeiten, Müllmänner und Putzfrauen werden oder im schlimmsten Fall Drogen verkaufen. ... Wir leben hier, das ist unsere Heimat, aber wir werden heimatlos gemacht, weil es nicht akzeptiert wird, daß wir hierhergehören."
Rütli-Schulen-Debatte
Im April 2006 bezog Günter Stellung in der Debatte über Zustand und Zukunft der deutschen Hauptschule, die durch Berichte über (vermeintlich) extreme Gewalttätigkeiten in der Rütli-Schule in Berlin-Neukölln ausgelöst wurde [5].
Während viele Betrachter den schlechten Zustand dieser Schule als exemplarischen Ausdruck des Versagens der pädagogischen Konzepte der 68er-Generation bewerteten, beklagte Günter die soziale Desintegration und die mangelnden Aufstiegschancen heutiger Hauptschüler an Hand eines konkreten Beispiels: "Diese Schülerinnen und Schüler haben durchschnittlich 30 bis 40 Bewerbungen geschrieben, doch von 60 Schülerinnen und Schülern bekommen nur vier eine Ausbildungsstelle. Ich wusste nicht so genau, was ich ihnen raten soll. Ob sie jetzt das einzige Häuschen der Bushaltestelle zertrümmern sollen, damit die Presse auf sie aufmerksam wird, damit sie vielleicht doch noch eine Chance kriegen. Denn was vermittelt man gegenwärtig solchen Jugendlichen in der Öffentlichkeit: Wenn Ihr euch an die Regeln haltet, dann hilft euch keiner."
Günter forderte eine gesellschaftliche Aufwertung der Hauptschule ("kein Makel") und eine bessere Integration der vierten Migranten-Generation in Deutschland: "Wenn wir nicht begreifen, dass diese ein Teil unserer Gesellschaft sind, mit denen wir zusammen leben, wird es schwierig." [6]
Privatleben
Mirijam Günter legt großen Wert darauf, ihre Privatsphäre zu schützen. Fragen nach ihrer eigenen Heimkarriere und überhaupt ihrer Vergangenheit sind tabu. Presseberichten zu Folge ist sie überzeugte Karnevalistin, die unter anderem für ihre Stammkneipe einen Nubbel baut.
Weblinks
- Offizielle Homepage bei dtv
- Mirijam Günter: Heim dtv, München 2004, ISBN 3-4237-0884-0
- Endstation Hauptschule? Interview mit Mirijam Günter
- Rezension zu »Heim« in der Süddeutschen Zeitung
- Rezension zu »Heim« in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
- Rezension zu »Heim« im Kölner Stadtanzeiger
- Essay »Fremd im eigenen Land« (FAZ vom 22.12.2004)
- »Leidenschaft, Selbstvertrauen & Lebenskunst«. Interview mit Mirijam Günter
- Autorinnenportrait beim NRW-Kultursekretariat
- »Orientierungsmarken der Wirklichkeit.« Gespräch mit dem Literaturwissenschaftler Otto Brunken
- Preisgekröntes Feature der Klasse 8 des Peter-Breuer-Gymnasium Zwickau zum Roman »Heim«
Personendaten | |
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NAME | Günter, Mirijam |
KURZBESCHREIBUNG | gesellschaftskritische Schriftstellerin und Publizistin |
GEBURTSDATUM | 18. September 1972 |