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Gewalt in der Bibel

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Die Bibel reflektiert als "Heilige Schrift" bzw. "Wort Gottes" für das Judentum und das Christentum alle Aspekte des Daseins. Ein Thema ist von Anfang bis Ende die reale Gewalterfahrung und Gewaltausübung in drei Hauptrichtungen, nämlich zwischen

Die Heilsgeschichte, die die Bibel verkündet, zielt auf die Überwindung und Erlösung von aller Gewalt, die dieses Leben mitbestimmt. In den Zehn Geboten wird ein allgemeines Tötungsverbot ausgesprochen: "Du sollst nicht töten." (Ex 20,13).

Doch weiterhin übt Gott selbst auf verschiedene Weise Gewalt aus oder befiehlt sie. Dazu zählt auch das Gebot, die Bewohner Kanaans nach der Landnahme auszulöschen (2. Mose 23,23). Wie sich Gottes Gewalt zu der des Menschen verhält, zieht sich als theologisches Grundproblem durch die ganze Bibel. Gott will die menschliche Gewalt "richten", begrenzen und menschenwürdigen Zwecken zuordnen; zugleich aber erscheint Gewalt damit als integraler Bestandteil des biblischen Gottesbildes. Seit der Neuzeit wird daran sowohl von "außen" (Atheismus, Humanismus) wie "innen" (reformatorische und liberale Theologie) Kritik geübt.

Die volkstümliche christliche Sicht, wonach ein gewalttätiger liebloser Gott des sogenannten Alten Testaments von einem ausschließlich liebenden, gewaltlosen Gott des Neuen Testaments abgelöst worden sei, ist undifferenziert und blendet einige der Visionen der Offenbarung des Johannes aus. Dass das Christentum sich historisch weitaus gewalttätiger zu anderen Religionen verhielt, als es nach diesem beanspruchten Gottesbild je hätte geschehen können und dürfen, ist ebenfalls schlecht mit dieser Sicht zu vereinbaren.

Überblick

An circa 600 Stellen ist von der Gewalt unter Menschen die Rede (Krieg, Mord, Vergewaltigung, Folter, Sachbeschädigung, Strafe für Verbrechen, Strafe in der Kindererziehung etc.).

An über 1000 Stellen wird Gewalt durch Gott thematisiert, die in der Regel als gerechte Bestrafung der Betroffenen dargestellt wird. Gott straft selbst (durch Krankheit, Naturkatastrophen etc.) oder lässt bestrafen (bis hin zur Aufforderung zum Krieg). Dabei wird sowohl umfangreich dokumentiert als auch angewiesen.

Arten der Gewalt

Gewalt zwischen Gott und Mensch

Gewaltanwendung durch Gott

Jakob ringt mit dem Engel

Das Alte Testament beschreibt in vielen Details die Ausübung von Gewalt durch Gott selbst. Dabei geht es größtenteils um Bestrafung von Vergehen (nach biblischen Wertmaßstäben) oder um die Abwehr von Gewalt.

  • Gott lässt als Bestrafung für deren Ungehorsam Adam und Eva aus dem Paradies vertreiben und stellt Engel mit Flammenschwertern als Wächter und zur Mahnung auf (Genesis 4,8)
  • Als das Handeln der Menschheit in Gottes Augen verdorben ist, sendet er die Sintflut, die bis auf die Überlebenden der Arche Noah alles Leben auf der Erde auslöscht. (Gen 7)
  • Die sündhaften Städte Sodom und Gomorrha werden in Gottes Auftrag von Feuer verzehrt (Gen 19,24ff). Die Städte fanden zuvor in Abraham einen Anwalt, der die Zusicherung der Verschonung erwirkte, wenn sich in diesen Städten Gerechte (im biblischen Sinne) fänden (Gen 18,20ff). Ihre Bewohner werden als sexuell pervertiert dargestellt (Versuchte Vergewaltigung durch den Mob (Gen 19,5ff).
  • Gott prüft Jakob, indem er ihn mit einem Engel ringen lässt. (Genesis 32,23-33)
  • Gott sendet den Ägyptern durch Moses die zehn Plagen, darunter Feuerregen und Tod aller erstgeborenen Söhne der Ägypter, um die Entlassung der Israeliten aus der Gewalt der Pharaos (Exo 1,22 u.a.) zu erzwingen (Exodus 7, 11 und Exodus 12, 29).
  • Das ägyptische Heer unter Führung des Pharao verfolgt die Israeliten ins geteilte Rote Meer - Gott lässt sie alle ertrinken und schleudert den gedemütigten Pharao zurück an Land. (Exodus 14)
  • Auch die zwangsweise Berufung verschiedener Personen des Alten Testaments in den Propheten-Status (Bsp. Jakob oder Moses) wird nach der heutigen Definition häufig als eine Form der Gewalt (Einschränkung der persönlichen Freiheit) angesehen.

Auch im Neuen Testament wird Gewaltanwendung durch Gott beschrieben.

  • Zorneschalen werden in der Endzeit auf die Erde geschüttet, wo sie diejenigen treffen, die sich Gott widersetzt haben (Offenbarung).
  • Untreue Verwalter der Sache Gottes werden durch Tod bestraft (Matthäusevangelium)
  • Ebenso darf die Androhung der Verdammnis bei Unglauben als Gewalt verstanden werden:"Wer an den Sohn glaubt, hat das ewige Leben; wer aber dem Sohn nicht gehorcht, wird das Leben nicht sehen, sondern Gottes Zorn bleibt auf ihm." Joh 3,36

Gewalt unter Menschen

Kain führt Abel zum Tod

Die Bibel nimmt Stellung zu nahezu jeder Form von Gewalt, die sich unter Menschen abspielen kann. Grundsätzlich wird Gewalt als etwas negatives gesehen. Bezeichnender Weise beginnt die biblische Menschheitsgeschichte gleich mit einigen Gewaltakten, z.B. dem Brudermord des Kain. In den Gesetztestexten der Bücher Mose werden verschiedenste Formen der Kriminalität und deren Bestrafung abgehandelt.

Das sprichwörtliche "Auge um Auge" bedeutete möglicherweise aber nicht eine Aufforderung zur Rache, wie es heute häufig verstanden wird. Im Gegenteil, es sollte der damals vorherrschenden Maßlosigkeit der Rache begegnen: für ein Auge nur ein Auge.

Die Zehn Gebote, als zentraler Wertekodex, lehnen Gewalt ab: Du sollst nicht töten, nicht stehlen, nichts begehren, was einem anderen gehört. Manche sehen hier einen Widerspruch zu den in den Gesetzen angeordneten Todesstrafen oder gar zu Aufforderungen Gottes, Kriege zu führen. Hier zeigt sich aber, dass Gewalt in der Bibel nicht begrüßt sondern bestenfalls in Kauf genommen wird.

Kriege werden in der Regel durch einen Auftrag Gottes oder mit einer gerechten Sache legitimiert. Man mag eine solche Rechfertigung als Außenstehender anzweifeln, aber immerhin legen die Autoren der Bibel Wert auf eine solche Legitimation. Die Bibel berichtet auch über Ausrottungkriege im Auftrage Gottes, die Frauen und Kinder nicht verschonten. Zum großen Teil wurden diese Aufträge allerdings von den Israeliten nicht ausgeführt. Die Heldengestalt David war an solchen blutigen Aktionen beteiligt.

Im Neuen Testament wird vor allem das Leben von Jesus als Sohn Gottes beschrieben in dem er verschiedene Formen von Gewalt erleidet:

  • Verfolgung durch König Herodes mit mörderischer Absicht - Flucht und Asyl in Ägypten.
  • Versuche der Steinigung, Gefangennahme, Verhöre, Folter, Verspottung, Kreuzigung

Sein Tod am Kreuz wird als ein unschuldig erlittener, gewaltsamer Tod dargestellt, den er freiwillig zur Sühnung der Sünden der Menschheit auf sich genommen hat.

Die Apostelgeschichte beschreibt erste gewalttätige Christenverfolgungen, bis hin zu Folter und Mord.

Menschliche Gewalt gegen Tiere

Die alttestamentliche Gott befürwortet oder verlangt Tieropfer und Menschenopfer.

7 Vermag er aber nicht ein Schaf zu geben, so bringe er dem Herrn für seine Schuld, die er getan hat, zwei Turteltauben oder zwei andere Tauben, die eine zum Sündopfer, die andere zum Brandopfer,8 und bringe sie dem Priester. Der soll die erste als Sündopfer darbringen und ihr den Kopf abknicken hinter dem Genick und nicht ganz abtrennen,9 und er sprenge etwas von dem Blut des Sündopfers an die Seite des Altars und lasse das übrige Blut ausbluten am Fuße des Altars; es ist ein Sündopfer. 3. Mose 5,7-9
Und er sprach: Nimm Isaak, deinen einzigen Sohn, den du lieb hast, und geh hin in das Land Morija und opfere ihn dort zum Brandopfer auf einem Berge, den ich dir sagen werde. 1. Mose 22,2

Das Töten von Tieren zur Nahrungsgewinnung geschah nach damaligen Ermessen möglichst schonend.

Du sollst dem Ochsen, der da drischt, nicht das Maul verbinden. 5. Mose 25,4
Der Gerechte erbarmt sich seines Viehs; aber das Herz der Gottlosen ist unbarmherzig. Sprüche 12,10

Ferner ist nach jüdischer Sicht die Erzählung von Bileam im 4. Buch Moses weit mehr als ein bloßes Märchen. Die sprechende Eselin kann als Traumgesicht von Bileam verstanden werden und dient vor allem als Plädoyer gegen Tierquälerei. Dazu ein Kommentar von Maimonides:

Unsere Weisen haben festgestellt, dass es in der Torah ausdrücklich verboten ist, einem Tier Schmerzen zu verursachen, und dass dieses Verbot auf dem Satz beruht: Warum hast du deine Eselin geschlagen?

Politische Gewalt

Zum einen wird Gott als „Herr aller Herren und König aller Könige“ bezeichnet, der alle Gewalt innehat. Dies kommt auch im Schlusssatz des Vater Unser zum Ausdruck: „Denn Dein ist das Reich und die Macht und die Herrlichkeit, in Ewigkeit, Amen“

Zum Anderen wird ausgesagt, dass die Regierungsgewalt den Menschen übertragen wurde: „Macht Euch die Erde untertan“ (1.Mose)

Paulus schrieb an die römischen Christen (Rö 13): Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit ohne von Gott; wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott verordnet. Wer sich nun der Obrigkeit widersetzt, der widerstrebt Gottes Ordnung; die aber widerstreben, werden über sich ein Urteil empfangen.

Zu verschiedensten Zeiten haben Herrscher dies als ein von Gott verliehenes Gewaltmonopol interpretiert.

Diesem Konzept gegenüber steht das vor allem in westlichen Verfassungen verankerte Prinzip der Trennung von Staat und Kirche.

Gott als Richter: Der jüngste Tag

Judikative Gewalt

Zum einen wird Gott als Richter beschrieben, der am jüngsten Tag Gericht über die ganze Menschheit und jeden einzelnen Menschen halten wird.

Zum anderen spricht die Bibel davon, dass die Obrigkeit auch Recht spricht und Recht sprechen soll. Erneut wird das von den Herrschern oft zitierte Monopol auf Herrschafts- und Gerichtsgewalt „durch Gottes Willen“ bestätigt.

Soziale Gewalt

Im Alten Testament

Schon auf den ersten Seiten der Bibel wird der Brudermord von Kain an Abel beschrieben. (Genesis 4, 8)

Im auf vielen archaischen Prinzipien beruhenden Alten Testament wird viel von Gewalt, Vergewaltigung, Kriegen und Verschleppung berichtet. Das Prinzip „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ wird dabei verschieden gedeutet:

  1. als grausames Prinzip der ewigen Vergeltung und Blutrache
  2. als Reduzierung der Blutrache auf einen gleichwerten Teil

Im Neuen Testament

  • Richtungsänderung im Neuen Testament

Im Neuen Testament, das interessanterweise mit einem besonders brutalen Beispiel herrschaftlicher Gewalt, dem Kindermord des Herodes, beginnt, fordert Jesus für den Umgang mit Gewalt ein neues, pazifistisches Prinzip der Feindesliebe. In der Bergpredigt heißt es:

„Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Auge um Auge, Zahn um Zahn! Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich jemand auf die rechte Wange schlägt, dann halte ihm auch die andere hin. Will jemand mit dir rechten und dir deinen Rock nehmen, dann lass ihm auch den Mantel. Nötigt dich jemand, eine Meile weit mitzugehen, dann geh zwei mit ihm. Wer dich bittet, dem gib; wer von dir borgen will, den weise nicht ab.

Datei:Cristo expulsa a los mercaderes del Templo.jpg
Jesus wirft die Kaufleute aus dem Tempel (El Greco)

Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Kinder eures Vaters im Himmel werdet, der seine Sonne aufgehen lässt über Böse und Gute, und es regnen lässt über Gerechte und Ungerechte. Denn wenn ihr nur jene liebt, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr dafür erwarten? Tun das gleiche nicht auch die Zöllner? Und wenn ihr nur eure Freunde grüßt, was tut ihr da Besonderes? Tun das gleiche nicht auch die Heiden? Seid also vollkommen, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist.“ (Matthäus 5,38-48)

  • Einschränkung der Richtungsänderung

In Johannes 2, 13-22 offenbart sich jedoch, dass auch der Menschensohn nicht immun gegenüber gewalttätigen Tendenzen ist: als er die Händler den Tempel in Jerusalem als Marktplatz missbrauchen sieht, geriet er in große Wut, mit Schimpfen und Drohen stürzte er ihre Stände und Tische um und jagte sie davon.

Gewalt und Gewaltüberwindung in der Bibel

Trotz der Gewaltdarstellungen insbesondere im Alten Testament finden sich dort auch zahlreiche ethische Grundsätze, die Gewalt ablehnen und verbieten (z.B. die gebotene Hilfe für Fremde und Flüchtlinge). Das Gebot zur Nächstenliebe stammt nicht von Jesus, sondern ist wörtlich übernommen aus dem Alten Testament (3. Buch Mose 19,18). Sogar die Feindesliebe wird bereits im alten Testament in abgeschwächter Form geboten ( 2. Buch Mose 23,4-5). Selbst das Prinzip Auge für Auge kann als Verhinderung der Eskalation von Gewalt gewertet werden, da "nur" Gleiches mit Gleichem vergolten wird, anstatt sich das System Blutrache aufschaukeln zu lassen.

Die Gewalt in der Bibel kann gesehen werden als Folge des Sündenfalls für den Menschen, aus dem erst Jesus ihn erlöst.

Literatur

siehe auch