Hirntumor
Ein Hirntumor ist eine Gewebswucherung im Bereich des Gehirns oder der Hirnhäute. Sie können mehr oder weniger bösartig sein, setzen jedoch i. a. keine Metastasen. Meistens entstehen sie aus dem Nervenstützgewebe (Gliome/Astrozytome) oder im Bereich der Hirnhäute oder der Hypophyse oder es handelt sich um Tochtergeschwulste aus anderen Organen.
Gutartige / bösartige Hirntumoren
Gutartige Tumoren verdrängen das umgebende Gewebe, wachsen jedoch nicht hinein und entwickeln keine Metastasen. Innerhalb des Schädels können sie jedoch durch Verlegung des Liquorsystems zu einem erhöhten Hirndruck führen. Da sie auch lebenswichtige Strukturen verdrängen können, ist der Begriff "gutartig" hier irreführend und bezieht sich in erster Linie auf eine mögliche Heilung, da die Tumoren nicht in das umliegende Gewebe infiltrieren. Abgesehen von einigen sehr speziellen Ausnahmen metastasieren Hirntumoren nie. Bösartige Hinrtumoren wachsen infiltrierend, das heißt sie sind nicht scharf vom umliegenden Gewebe getrennt. Nach einer Operation verbleiben einzelne Zellen im Randbereich, die dann wieder wachsen, so dass es zu einem Rezidiv kommt. Abhängig vom Malignitätsgrad kann dies schneller oder langsamer gehen. Ein Beispiel für einen gutartigen Hirntumor ist das Meningeom. Ein Beispiel für einen bösartigen Tumor ist das Glioblastom.
Einteilung nach dem Ausgangsgewebe
Hirntumoren sind in je etwa einem Fünftel der Fälle Gliome, Meningeome und Hypophysenadenome. Ein weiteres Fünftel sind Metastasen von Tumoren aus anderen Körperteilen, die wie der Ausgangstumor in der jeweiligen Fachrichtung behandelt werden (49 % Bronchialkarzinom, 11 % Mammakarzinom). Relativ häufig ist auch das Akustikusneurinom.
Bei Erwachsenen finden sich häufig Tumoren, die ursprünglich aus anderen Organen stammen und im Gehirn Tochtergeschwülste (Metastasen) bilden. Der Anteil der Hirntumore an den bösartigen Tumoren im Erwachsenenalter beträgt 1 bis 4 %. Bei Kindern und Jugendlichen machen Tumoren, die ihren Ursprung direkt im Gehirn haben bis zu 20 bis 25 % aller bösartigen Neubildungen aus.
Neuroepitheliale Tumoren
- Astrozytäre Tumoren
- mit umschriebenem Wachstum
- mit diffusem Wachstum
- diffuses Astrozytom (Varianten: fibrillär, protoplasmatisch, gemistozytisch)
- anaplastisches Astrozytom
- Glioblastom (Varianten: Gliosarkom, Riesenzell-Glioblastom)
- Oligodendrogliale Tumoren
- Oligodendrogliom
- anaplastisches Oligodendrogliom
- Mischgliome
- Oligoastrozytom
- anaplastisches Oligoastrozytom
- Ependymale Tumoren
- myxopapilläres Ependymom
- Ependymom (Varianten: zellulär, papillär, tanzytisch, klarzellig)
- anaplastisches Ependymom
- Subependymom
- Plexus-Choroideus-Tumoren
- Gliome ungeklärter Abstammung
- Astroblastom
- Gliomatosis cerebri
- Chordoides Gliom des 3. Ventrikels
- Neuronale und gemischt neuronal–gliöse Tumoren
- Gangliozytom
- Dysplastisches Gangliozytom des Kleinhirns (Lhermitte-Duclos-Erkrankung)
- Desmoplastisches infantiles Gangliogliom
- Dysembryoplastischer neuroepithelialer Tumor
- Gangliogliom
- Anaplastisches Gangliogliom
- Zentrales Neurozytom
- Zerebelläres Liponeurozytom
- Paragangliom des Filum terminale
- Neuroblastäre Tumoren
- Pinealisparenchymtumoren
- Pineozytom
- Pineoblastom
- Pinealisparenchymtumor intermediärer Differenzierung
- Embryonale Tumoren
- Medulloepitheliom
- Ependymoblastom
- Medulloblastom (Varianten: desmoplastisch, großzellig, melanotisch, Medullomyoblastom)
- Supratentorieller primitiver neuroektodermaler Tumor (PNET, Varianten: Neuroblastom, Ganglioneuroblastom)
- Atypischer teratoider/rhabdoider Tumor (ATRT)
Meningeale Tumoren
- Meningeotheliale Tumoren
- Meningeom (Varianten: meningeothelial, fibroblastisch, transitionell, psammomatös, agniomatös, mikozystisch, sekretorisch)
- Atypisches Meningeom (Varianten: klarzellig, chordoid)
- Anaplastisches Meningeom (Varianten: papillär, rhabdoid)
- Mesenchymale, nicht-meningotheliale Tumoren
- Primäre melanozytäre Tumoren
- Tumoren unsicherer Histogenese
- Hämangioblastom (Von-Hippel-Lindau-Erkrankung)
Lymphome und hämatopoetische Tumoren
- Malignes Lymphom
- Plasmozytom
- Granulozytäres Sarkom
Keimzelltumoren
- Germinom
- Embryonales Karzinom
- Dottersack-Tumor
- Chorionkarzinom
- Teratom (Varianten: reifes, unreifes, mit maligner Transformation
- Gemischte Keimzelltumoren
Tumoren der Sellaregion
- Kraniopharyngeom (Varianten: adamantinös, papillär)
- Granularzelltumor
Metastasen
Supratentorielle - infratentorielle Hirntumoren
Diese Einteilung berücksichtigt, ob der Tumor oberhalb des Kleinhirnzeltes (tentorium cerebelli) oder unterhalb zu finden ist. Bei infratentoriellen Tumoren besteht die Gefahr, dass lebenswichtige Strukturen wie das Atemzentrum verdrängt oder infiltriert werden.
Symptome
Die Symptome können vielgestaltig sein und lassen sich grob in drei Klassen einteilen: fokale neurologische Ausfälle (zum Beispiel Lähmungen, Gesichtsfeldausfälle) in Abhängigkeit von der Lokalisation, fokale Anfälle als Ausdruck einer symptomatischen Epilepsie oder Folgen des Hirndrucks durch den Massenverdrängungseffekt (z. B. Kopfschmerzen, Übelkeit/ Erbrechen oder Bewusstseinsstörung).
Diagnose
Sie wird heute in der Regel durch eine Magnetresonanztomographie (Kernspintomographie) gestellt. Hierbei ist eine Kontrastmittelaufnahme ein Hinweis für Bösartigkeit. Eine weitere Möglichkeit ist die Positronenemissionstomographie mit Methionin, einer Aminosäure mit radioaktivem Kohlenstoff, die eine erhöhte Mikrogefäßdichte anzeigt und somit ebenfalls einen Anhalt für Bösartigkeit liefert. Da diese Methode aufwändig ist und ein eigenes Zyklotron erfordert, ist sie nicht sehr verbreitet und nur großen Zentren vorbehalten.
Therapie
Sie richtet sich nach der Lokalisation des Tumors, der Größe, dem Ursprungsgewebe und dem Allgemeinzustand des Patienten. Typischerweise steht bei höhergradigen Hirntumoren an erster Stelle eine Operation, gefolgt von einer Bestrahlung, teilweise in Kombination mit einer Chemotherapie, und einer nachfolgenden Chemotherapie. Bei niedriggradigen Tumor kann auch zunächst zugewartet werden.
- Operation
Die Radikalität der Operation ist begrenzt durch das zu erwartende postoperative Defizit, das heißt man operiert so viel wie nötig und so wenig wie möglich. Bei vielen Hirntumoren ist das Tumorgewebe und das gesunde Hirngeweben während der OP nur schwer zu unterscheiden.
Um dieses Risiko der Verletzung gesunden Gewebes zu verkleinern, werden verschiedene Methoden eingesetzt:
-Computergestütze Navigation
Die Bilder der MRT und CT-Untersuchung werden in einem Computer zu einem räumlichen Modell verarbeitet. Während der OP werden Instrumente an einem speziellen Rahmen angebracht, der dem Computer die genaue Postition der Instrumente übermittelt. Auf diese Weise kann der Neurochirurg während der OP an einem Monitor, die Position seiner Instrumente kontrollieren.
-funktionelle Bildgebung
Durch spezielle Untersuchungen (PET, fMRT) kann Gehirnbereich seine Funktion zugeordnet werden. Die um den Tumor liegenden Gehirnbereiche können schon vor der OP analysiert werden. Der Neurochirurg kann dann während der OP diese wichtigen Gehirnbereiche schonen
-OP am wachen Patienten
Nach einer kurzen Narkose wird der Schädel geöffnet und das Gehirn freigelegt. Dann wird der Patient wieder erweckt. Da das Gehirn selbst über keine Schmerzsinneszellen verfügt, ist der Patient trotz der Wachheit schmerzfei. Um vor Entfernung von Gehirngewebe sicher zu gehen, dass dieses Gehirngewebe keine wichtige Funktion hat, wird es vorher elektrisch stimuliert. Durch den harmlosen Stromstoß wird das Gehirngewebe gelähmt. Am wachen Patienten kann nun überprüft werden, ob es zu Lähmungen, Sehstörungen oder anderen neurologischen Ausfällen kommt.
-Fluoreszenzmarkierung
Den Patienten wird vor der OP eine Substanz verabreicht die nur von Tumorgewebe aufgenommen und abgebaut wird. Die Abbauprodukte fluoreszieren unter UV-Licht. Während der OP leuchtet das kranke Gewebe deutlich und kann entfernt werden.
- Strahlentherapie
Die Bestrahlung kann zum einen von extern (also durch die Haut) fraktioniert erfolgen. Dabei werden zwei oder mehr Strahlenquellen so ausgerichtet, das sich die Strahlen im Zielgewebe kreuzen und das übrige Gewebe so wenig wie möglich schädigen. Fraktioniert bedeutet, dass man die Behandlung in bis zu 40 Sitzungen (je 5 Tage über 6 Wochen) aufteilt, damit sich das übrige Gewebe immer wieder erholen kann. Eine andere Bestrahlungstechnik ist die Iod-Seed Implantation, dabei wird eine Iod 125-Strahlenquelle mit einer Stereotaktische Hirnoperation in den Tumor eingebracht und bestrahlt sozusagen "von innen".
- Chemotherapie
Für die Chemotherapie gibt es verschiedene Schemata, die heutzutage am häufigsten angewendeten sind PCV und Temodal, letzteres kann mit einer Bestrahlung kombiniert werden. PCV steht für Procarbazin, Cecenu und Vincristin, ein Zyklus dauert 6 Wochen und die Medikamente werden teilweise als Tabletten und teilweise als Infusionen über fast den gesamten Zeitraum eingenommen. Die Therapie ist wirksam, die Nebenwirkungen sind häufig und ausgeprägt. Temodal, Wirkstoff Temozolomid, wird in Form von Kapseln eingenommen, im Standardschema an den ersten 5 Tagen eines 28-Tage-Zyklus, im intensivierten Schema immer abwechselnd eine Woche jeden Tag und eine Woche Pause. Die Therapie ist ebenfalls wirksam, die Nebenwirkungen treten allerdings seltener und weniger ausgeprägt auf. Die Dosis einer Chemotherapie ist abhängig von der Körperoberfläche, die mit der Formel von DuBois und DuBois aus Größe und Gewicht berechnet wird.
Prognose
Je bösartiger ein Hirntumor, umso einfacher ist die Prognose. Tumoren nach WHO Grad I sind prinzipiell heilbar, Grad II-Tumoren haben eine relativ gute Prognose, wenn sie nicht malignisieren, das heißt im Verlauf bösartig werden. Tumoren nach WHO Grad III und insbesondere Grad IV (Glioblastom) haben unbehandelt eine sehr schlechte Prognose von nur wenigen Monaten. Obwohl sich die Prognose durch die etablierten Therapien deutlich verbessert hat und sich jetzt im Bereich von 1-2 Jahren bewegen kann, ist sie weiterhin schlecht. Das Thema Prognose ist gerade bei bösartigen Erkrankungen als sehr heikel anzusehen, da Überlebenszeiten immer Mittelwerte von Patienten-Kollektiven darstellen. Im Einzelfall kann man einem Patienten keine Vorhersage geben, ob er länger oder kürzer als die mittlere Überlebenszeit einer Studie leben wird. Allerdings zeigt die Praxis, dass motivierte und engagierte Patienten durchaus länger überleben.
Weblinks
- hirntumorhilfe.de - Deutsche Hirntumorhilfe e.V.
- uni-duesseldorf.de - Leitlinien zu Hirntumoren im Kindesalter