Amtsgericht

Das Amtsgericht ist in Deutschland neben dem Landgericht (und selten dem Oberlandesgericht) die Eingangsinstanz der ordentlichen Gerichtsbarkeit.
In der Schweiz war Amtsgericht der Name der ersten Gerichtsinstanz im Kanton Solothurn und bis 2007 auch im Kanton Luzern; zu diesen siehe den Artikel Bezirksgericht (Schweiz).
Aufbau
Die Gerichtsorganisation der Amtsgerichte unterliegt in Deutschland den Ländern (Art. 92 GG). Sie errichten Amtsgerichte durch Landesgesetz und weisen diesen Gerichtsbezirke zu. Die Gerichtsbezirke orientieren sich dabei meist an Verwaltungsgrenzen. Mehrere Amtsgerichte haben etwa die Städte Berlin (11), Hamburg (8), Essen und Duisburg (je 3) sowie Bremen, Mönchengladbach, Karlsruhe und Stuttgart (je 2). Durch Landesgesetz können die Länder auch bestimmte Aufgaben bei bestimmten Amtsgerichten bezirksübergreifend bündeln. Durch Staatsvertrag ist eine Konzentration sogar länderübergreifend möglich. Diese Regelung kommt vor allem bei den Mahngerichten zum Tragen.
Um die staatliche Rechtspflege dem Bürger möglichst nah und direkt anbieten zu können, gibt es in Deutschland sehr viele Amtsgerichte über die Fläche verteilt. Als erste Anlaufstelle können auch Erklärungen zu Protokoll der Geschäftsstelle aufgenommen werden, die für andere Gerichte bestimmt sind. Sie werden dann vom aufnehmenden Amtsgericht aus weitergeleitet.
Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die Zahl der in Deutschland bestehenden Amtsgerichte (Zweigstellen werden nicht gezählt):
Bundesland | Anzahl Amtsgerichte |
---|---|
Baden-Württemberg | 108[1] |
Bayern | 73[2] |
Berlin | 11[3] |
Brandenburg | 24[4] |
Bremen | 3 |
Hamburg | 8 |
Hessen | 41[5] |
Mecklenburg-Vorpommern | 11[6] |
Niedersachsen | 80[7] |
Nordrhein-Westfalen | 130[8] |
Rheinland-Pfalz | 46[9] |
Saarland | 10[10] |
Sachsen | 25[11] |
Sachsen-Anhalt | 25[12] |
Schleswig-Holstein | 22 |
Thüringen | 23 |
Gesamt: | 640 |
Die meisten Amtsgerichte werden von einem Direktor (Direktor des Amtsgerichts, Besoldungsgruppen R 1 bis R 3) geleitet. Bei diesen Amtsgerichten liegt die weitere Dienstaufsicht beim Präsidenten eines anderen Amtsgerichts oder beim Präsidenten des im Instanzenzug übergeordneten Landgerichts. Große Amtsgerichte mit vielen Richterplanstellen werden indessen von einem Präsidenten (Präsident des Amtsgerichts, Besoldungsgruppen R 3 bis R 6) geleitet und Präsidial(amts)gerichte genannt. Beispiele hierfür sind das Amtsgericht Dortmund in Nordrhein-Westfalen und das Amtsgericht Leipzig in Sachsen. Ob der Leiter eines Amtsgerichts Direktor oder Präsident ist, bestimmt das Landesrecht. In Nordrhein-Westfalen ist er gemäß § 4 JustG NRW grundsätzlich Direktor, soweit das Justizministerium nicht anders entscheidet.[13]
Zuständigkeit und Besetzung
Die Amtsgerichte werden in Zivil- und Strafsachen tätig (§ 13 GVG). Sie sind mit Einzelrichtern besetzt (§ 22 Absatz 1 GVG).
Zivilsachen
Unter anderem für Mahnverfahren (vergleiche auch Zentrales Mahngericht) ist es ausschließlich zuständig. Ferner werden bei den Amtsgerichten unter anderem das Handelsregister, das Genossenschaftsregister, das Vereinsregister und das Güterrechtsregister geführt. Es ist daher Registergericht. Zum Amtsgericht gehört auch das Grundbuchamt. Die öffentlichen Register und das Grundbuch werden nach den Vorschriften über die freiwillige Gerichtsbarkeit geführt. Entscheidungsbefugt sind je nach Sache der Einzelrichter, der Rechtspfleger oder der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle.
In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten ist das Amtsgericht zuständig bei einem Streitwert bis einschließlich 5.000 Euro (§ 23 Nr. 1 GVG) (auch sofern Zinsen den Streitwert erhöhen würden, § 4 Abs. 1 ZPO). Unabhängig vom Streitwert ist es unter anderem in Mietsachen betreffend Wohnraum und Kindschafts-, Unterhalts- und Familiensachen zuständig. Das Amtsgericht wird auch als Vollstreckungsgericht, in Verfahren der Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung, in Insolvenzverfahren sowie als Nachlassgericht und als Betreuungsgericht tätig, ebenso in Wohnungseigentumssachen und in Freiheitsentziehungssachen (zum Beispiel Abschiebehaft). Für Staatshaftungsfälle ist das Amtsgericht allerdings selbst dann nicht zuständig, wenn der Streitwert unter 5.000 Euro liegt (§ 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG).
Strafsachen
Nach § 24 Abs. 1 Nr 2 GVG ist das Amtsgericht grundsätzlich in Strafsachen zuständig, wenn eine Freiheitsstrafe nicht über 2 Jahre zu erwarten und nicht mit einer Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung zu rechnen ist. Unabhängig davon obliegt die Aburteilung der in § 74 Abs. 2, § 74a oder § 120 GVG genannten Straftaten nach § 24 I Nr. 1 GVG stets dem Landgericht bzw. dem Oberlandesgericht. Außerdem kann die Staatsanwaltschaft gem. § 24 I Nr. 3 GVG wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit von Verletzten der Straftat, die als Zeugen in Betracht kommen, des besonderen Umfangs oder der besonderen Bedeutung des Falles Klage beim Landgericht erheben.
Ist das Amtsgericht zuständig, wird gem. § 25 GVG der Strafrichter allein tätig, wenn eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe nicht über zwei Jahre zu erwarten ist. Das bei den Amtsgerichten gebildete Schöffengericht nach § 28, § 29 GVG ist bei den übrigen Strafsachen des Amtsgerichts zuständig, also wenn eine Freiheitsstrafe zwischen zwei und vier Jahren zu erwarten ist. Das Schöffengericht besteht grundsätzlich aus dem Richter beim Amtsgericht als Vorsitzendem und zwei Schöffen (§ 29 Abs. 1 GVG). Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann ein weiterer Richter beim Amtsgericht hinzugezogen werden (§ 29 Abs. 2 GVG).
Kapitalverbrechen und andere gewichtige Strafsachen werden vor einer großen Strafkammer des Landgerichts oder einem Strafsenat des Oberlandesgerichts verhandelt.
Stellung des Amtsgerichts im Instanzenzug
Im Instanzenzug dem Amtsgericht übergeordnete Gerichte sind (je nach Gegenstand verschieden) das Landgericht, das Oberlandesgericht und der Bundesgerichtshof.