Massaker von Srebrenica
Das Massaker von Srebrenica war ein Völkermord und Kriegsverbrechen der Armee der so genannten Republika Srpska, Polizei und serbischer Paramilitärs, unter Führung von Ratko Mladić, das während des Bosnienkrieges in der ostbosnischen Stadt Srebrenica an bis zu 8000 Muslimen am 11. Juli 1995 begann.
Vorgeschichte
Der UN-Sicherheitsrat hatte mit der Resolution 824 am 6. Mai 1993 die Städte Sarajevo, Tuzla, Zepa, Goražde, Bihać und Srebrenica zu Sicherheitszonen erklärt und bekräftigte in der Resolution 836, dass die humanitäre Hilfe und der Schutz der Sicherheitszonen auch mit Gewalt (unter anderem durch UNPROFOR-Soldaten) zu gewährleisten sei. Das mehrheitlich von Bosniaken besiedelte Srebrenica wurde von bosniakischen Truppen unter Führung von Naser Oric gegen Truppen der Republika Srpska verteidigt.
Das Massaker
Am 11. Juli 1995 nahmen bosnisch-serbische Truppen unter dem Kommando von General Ratko Mladić Srebrenica ein wobei nach Schätzungen und Vermutungen laut Internationalem Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien bis zu 8.000 männliche Personen umkamen. 30.000 Einwohner wurden vertrieben. Der 2004 festgenommene Ljubisa Beara gilt als Cheflogistiker der Morde.
Die damals in der bosnischen UN-Schutzzone stationierten niederländischen UN-Blauhelmsoldaten unter dem Kommando des französischen UNO-Generals Bernard Janvier und unter dem Oberkommandierenden der niederländischen Truppen in Bosnien, Hans Couzy, beschützten die Einwohner nicht vor den bosnisch-serbischen Truppen. Zeugenaussagen im Prozess gegen Slobodan Milošević von Herbst 2003 deuten darauf hin, dass der Mord von oben befohlen worden war. Die gegenteilige These lautet, es habe sich um unkontrollierte Exzesse einzelner Soldaten gehandelt.
Der damalige Truppenchef der Kompanie, Tom Karremans, stieß nach der Eroberung der Stadt durch die bosnisch-serbischen Truppen mit Ratko Mladić auf dessen Sieg an. Der niederländische Verteidigungsminister Joris Voorhoeve hatte 1996 versucht, das Debakel zu "fouten en foutjes" (Fehlern und Fehlerchen) herunterzuminimieren. Er konnte aber nicht glaubhaft widerlegen, dass die Blauhelmsoldaten sich ohne Gegenwehr von bosnisch-serbischen Soldaten Waffen und Fahrzeuge wegnehmen ließen.
Die Ereignisse vom 11. Juli 1995 gelten als das schlimmste Massaker in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Bislang wurden die Überreste von mehr als 5.000 Opfern exhumiert. Unter diesen befinden sich rund 70 Prozent nicht identifizierte Opfer. Es gibt Behauptungen, dass darunter auch bosnisch-serbische Zivilisten sind, welche u.a. der Verfolgung durch den bosniakischen Kommandeur Naser Oric in den angrenzenden Orten von Srebrenica zum Opfer gefallen sind, hunderte weitere bosnisch-serbische Familien konnten gerade noch fliehen. 1620 von ihnen konnte eine Kommission für die Suche nach Vermissten identifizieren. Auf den Tag genau neun Jahre später wurden 338 muslimische Opfer in der Gedenkstätte Potocari erneut beigesetzt. Führende serbische Militärs sprachen von Kollateralschäden (womit eigentlich bei Kampfhandlungen getötete Zivilisten bezeichnet werden). Anfang Oktober 2005 legte eine Sonderarbeitsgruppe der bosnisch-serbischen Regierung dem Kriegsverbrechertribunal eine Liste von etwa 19.500 Personen vor, die sich am Mord auf irgendeiner Art und Weise direkt beteiligt hätten.
Reaktionen
Am 22. Januar 1996 bestätigt der US-Staatssekretär für Menschenrechtsfragen, John Shattuck, Berichte über Massengräber bei Srebrenica, in denen mehr als 2.000 vermisste Bosniaken (Bosnier und Serben) liegen sollen.
Aufgrund der Ergebnisse einer Untersuchung zum Verhalten der UN-Soldaten trat am 16. April 2002 die niederländische Regierung unter Wim Kok zurück.
Im Juni 2004 haben Vertreter der Republika Srpska die Verantwortung bosnisch-serbischer Sicherheitskräfte an dem Mord von Srebrenica offiziell eingeräumt.
Das UN-Tribunal in Den Haag hat 14 Verdächtige angeklagt; davon wurden vier verurteilt.
Geschichtsrevisionismus
Einige politische Strömungen versuchen die Ereignisse im Rahmen eines Geschichtsrevisionismus darzustellen.
Gegenteilige Darstellungen
Das im Verfassungsschutzbericht des Bundes 2004 als "bedeutendes Printmedium im linksextremistischen Bereich" genannte Junge Welt stellt diese in mehreren Gerichturteilen klar als Völkermord bezeichneten Ereignisse in Frage. Die ebenfalls linksextreme Zeitschrift Jungle World veröffentliche wiederholt Thesen ähnlicher Inhalte.
Die konservative US-amerikanische International Strategic Studies Association (ISSA), der Verteidigungsminister Donald Rumsfeld angehört, bezeichnet die gegenwärtig genannten Opferzahlen jedoch angeblich als "Desinformation" und weist in ihren Veröffentlichungen unter anderem darauf hin, dass rund 3.000 der Menschen, die auf der Liste der Opfer stünden, 1996 an den bosnischen Wahlen teilgenommen hätten. Die Zahl der bosniakischen Opfer werde bis heute "inflationiert", um die grausamen Verbrechen an bosnisch-serbischen Zivilisten rund um Srebrenica, die vor 1995 stattgefunden haben, zu verschleiern.
Der damals höchstrangige UN-Beobachter in Bosnien-Herzegowina, Philip Corwin, weist in seinen Analysen darauf hin, dass "das, was in Srebrenica geschah, nicht ein einzelner großer Mord von bosnischen Serben an Muslimen gewesen ist, sondern eine Serie von blutigen Angriffen und Gegenangriffen über einen Zeitraum von drei Jahren darstellt, die ihren Höhepunkt 1995 erreichten". Laut Corwin sei es sehr wahrscheinlich, dass die Zahl der getöteten Muslime nicht höher liege als die Zahl der von Naser Oric und seinen Truppen ermordeten bosnischen Serben rund um Srebrenica, die nach serbischen Angaben rund 2.800 beträgt. Die Zahl von 8.000 muslimischen Opfern bezeichnet er als "Übertreibung" und Desinformation.
Filmaufnahmen
Ende Mai 2005 tauchten im Internet Filmaufnahmen einer Sondereinheit der bosnisch-serbischen Polizei auf und lenkten so erneut große Aufmerksamkeit auf das Verbrechen. Laut dem serbischen Innenminister Dragan Jocic trug sich die aufgezeichnete Erschießung der sechs Einwohner von Srebrenica am 16. oder 17. Juli 1995 aber unweit des Dorfes Trnovo am Berg Jahorina zu (zirka 150 Kilometer südöstlich von Srebrenica in der Nähe von Sarajevo).
Weblinks
- Aufwändige niederländische Dokumentation, englisch
- ICTY Anklage gegen Karadžić und Mladić
- UNO-Bericht zum Fall der Schutzzone und zum Massaker von Srebrenica, in fünf Sprachen zur Auswahl
- Bericht der US-amerikanischen International Strategic Studies Association (ISSA)[1]
- Analysen einer amerikanischen Expertenkommission (Srebrenica Research Group)
- umfangreiches Dossier der "Zeit"
- Arbeiterfotografie: Kritische Auseinandersetzung mit den Vorgängen von Srebrenica und der Berichterstattung in den Medien
- Srebrenica Genocide Blog - Facts vs. Genocide Denial