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Germanen

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Germane. Römisches Thriumphalrelief im Vatikanischen Museum zu Rom.

Als Germanen werden eine Anzahl von Völkern mit ähnlicher Sprache, Kultur und Lebensgewohnheiten bezeichnet, die um die Zeitenwende in Nord- und Mitteleuropa lebten. Die germanischen Völker selbst bezeichneten sich nicht als Germanen und hatten auch kein nationales Zusammengehörigkeitsgefühl.

Die Verwendung des Begriffs Germanen ist erstmals vom griechischen Geschichtsschreiber Poseidonios um das Jahr 80 v. Chr. überliefert worden. Bei seinem Treffen mit den Völkern Mitteleuropas hat er diesen Namen hörend vermutlich von irgendeinem Stamm der "Germanen" abgeleitet. So könnte der Name eines kleinen Volksstammes letztendlich auf eine ganze ethnische Volksgruppe übertragen worden sein.

Dokumentarisch gesichert und verbreitet hat den Namen jedoch Cäsar in seinem Buch De bello gallico („der Gallische Krieg“, 51 v. Chr.), der den Begriff auf alle rechtsrheinischen Völker übertrug. Bis dahin wurden die Völker in Kelten (Westeuropa), und Skythen (Osteuropa) eingeteilt. Erst mit Cäsar erkannten die Römer, dass es sich bei den Germanen nicht um Kelten handelte, sondern um einen eigenen Volksstamm.

Der römischen Historiker Tacitus hingegen schreibt in seinem Buch De origine et situ Germanorum („Über den Ursprung und die Gebräuche der Germanen“, Jahr ca. 98; 2. Kapitel), dass der Namen „Germanen“ noch relativ neu sei. Man habe den Namen zunächst für die Tungrer benutzt und anschließend auf alle germanischen Stämme übertragen; Tacitus zufolge seien also als Germanen im umfassenden Sinn alle rechtrheinischen Stämme so zuerst von den Galliern bezeichnet worden. Diesen Namen haben dann die Volksstämme auch für sich selber verwendet.

In seinem Buch findet sich auch die einzige detaillierte Beschreibung des Germaniens jener Zeit, wo die einzelnen Stämme und Völker zwischen Rhein und Weichsel sowie Donau und Nord- bzw. Ostsee aufgeführt sind.

Ursprünge

Germanische Ratssitzung. Relief der Marc Aurel-Säule zu Rom.

Die Germanen entstanden etwa um 1000 v. Chr. in Südskandinavien, Dänemark und Norddeutschland aus der bronzezeitlichen Kultur des Nordischen Kreises, die wiederum ihre Wurzeln in den Ackerbau betreibenden Trägern der Trichterbecherkultur, einer Megalithkultur, und den indogermanischen Streitaxtleuten (auch Schnurkeramiker genannt) hatte, die als Reitervolk aus dem Osten aus dem Raum der Kurgankultur gekommen waren.

Neueste Theorien vermuten aber aufgrund der Namensgebung von Flüssen und Ortschaften, dass der Entstehungsort der germanischen Kultur im Raum nördlich der deutschen Mittelgebirge gelegen haben könnte (siehe auch: Himmelsscheibe von Nebra). Diese Theorie erfreut sich unter rechten Kreisen großer Beliebtheit, wird von der Mehrheit der Wissenschaftler jedoch abgelehnt.

Um 500 v. Chr. bildete sich aus einem indogermanischen Urdialekt durch die germanische Lautverschiebung die germanische Ursprache, aus der später die germanischen Sprachen, wie deutsch, englisch, norwegisch etc. entstanden.

Geschichte

Älteste historische Berichte über die Germanen stammen von Begegnungen mit den Griechen und dem Römischen Reich.

Bereits der griechische Reisende Pytheas aus Marseille berichtete um 330 v. Chr. über die Länder um die Nordsee und die dort lebenden Völker. Die ostgermanischen Bastarnen drangen ab ca. 200 v.Chr. nach Südosten in das heutige Ostrumänien vor und wurden ab 179 v.Chr. in Kämpfe der Makedonen und anderer Völker auf dem Balkan verwickelt.

Der Marsch der Kimbern, Teutonen und Ambronen

Um 120 v. Chr. brechen Kimbern, Teutonen und Ambronen in Richtung Süden auf. Der Ursache ist nicht eindeutig geklärt: Vermutet werden Hunger oder Überbevölkerung aber auch eine Sturmflut.

Um 113 v. Chr. treffen die Germanenstämme auf die Römer. Bei der folgenden Schlacht (auch als Schlacht von Noreia bezeichnet) entgehen die Römer der völligen Vernichtung ihrer Truppen nur durch ein plötzlich einsetzendes Gewitter, welches die Germanen als ein warnendes Omen (Grollen) ihres Wettergottes Donar interpretieren.

Es kommt um 109 v. Chr., 107 v. Chr. und 105 v. Chr. noch weitere Male zu Kämpfen zwischen den Römern und den Kimbern und Teutonen. Jedes mal gehen die Germanen als Sieger hervor. Erst als sich die Stämme in zwei Gruppen aufteilen, gelingt es den Römern in den Jahren 102 v. Chr. und 101 v.Chr. die Kimbern und Teutonen zu vernichten.

Ausführlicher Beschreibung siehe auch Artikel Kimbern

Germanische Gesandtschaft an Kaiser Marc Aurel. Relief der Marc Aurel-Säule zu Rom.

Ariovist und Cäsar

Der Durchbruch der Kimbern und Teutonen durch die damals noch keltischen Mittelgebirge führt zur Erschütterung der keltischen Macht in Mittel- und Süddeutschland, so dass später auch andere Germanen, insbesondere Suebische Stämme, in Hessen und das Maingebiet eindringen können. Unter ihrem Führer Ariovist dringen sie auch in Gallien ein, werden jedoch durch Gaius Julius Cäsar 58 v.Chr. geschlagen und hinter den Rhein zurückgeworfen.

Im 1. vorchristlichen Jahrhundert macht die römische Eroberung Galliens durch Cäsar die Germanen zu direkten Nachbarn des Römischen Reiches. Dieser Kontakt führte in der darauffolgenden Zeit zu ständigen Konflikten: Immer wieder kommt es zu Übergriffen der Germanen auf die Römer. Im Gegenzug führt Cäsar im Jahr 55 sowie 53 v. Chr. Strafexpeditionen gegen die Germanen durch. Allerdings erkennt Cäsar den Rhein als Grenzlinie zwischen Germanen und Römern an.

Vorstoß des Augustus bis zur Elbe

Doch auch in der Folgezeit kommt die Rheingrenze nicht zur Ruhe. Der römische Kaiser Augustus beschließt deshalb die Verlagerung von Truppen an den Rhein, die bisher in Gallien stationiert waren. Die Rheingrenze bleibt dennoch unsicher.

Augustus ändert deshalb seine Taktik: Zwischen 12 und 9 v. Chr. strebt der römische Feldherr Drusus die Eroberung des bis dahin freie Germanien bis zur Elbe an und errichtet sogar zwei Standlager. In der Folgezeit versuchen die Römer die neu eroberten Gebiete zu einer römischen Provinz umzugestalten: Römisches Recht wird eingeführt und Steuern werden erhoben. Danach zogen sich die Römer weitgehend aus dem rechtsrheinischen Germanien wieder zurück. Trotz der Feldzüge des Drusus gerieten aber die wenigsten Germanenstämme wirklich unter dauerhafter römischer Abhängigkeit.

Die Varusschlacht

Der Eroberungsversuch scheiterte im Jahre 9 n. Chr. mit dem Verlust dreier Legionen in der Varusschlacht (auch "Schlacht im Teutoburger Wald" genannt). Germanien blieb danach bis zur Völkerwanderung von der römischen Kultur wenig beeinflusst.

Versuche, die Germanenstämme, die zu dieser Zeit in Norddeutschland und Südskandinavien lebten, zu klassifizieren, führten zu Einteilungen in Nord-, West- und Ostgermanen oder auch Elb-, Wesergermanen.

Die germanischen Stämme

Nord-Germanen:

Zu den Nord-Germanen zählen die skandinavischen Stämme. Aus ihnen gingen später die Dänen, die Schweden, die Norweger und die Isländer hervor.

West-Germanen:

Zu den West-Germanen zählen die:

Ost-Germanen:

Zu den Ost-Germanen südlich der Ostsee zählen ursprünglich die Goten, Wandalen, Burgunder, Heruler, Skiren, Bastarnen, Rugier, Gepiden und andere. Durch den Einfall der Hunnen aus den Steppen Asiens und die verstärkte Ausbreitung der slawischen Völker aus der osteuropäischen Tiefebene wurden die Ostgermanen zunehmend gen Süden und Westen gedrängt, wo sie in Konflikt mit den dort ansässigen Stämmen gerieten.

Lebensweise der Germanen

Die Germanen waren hauptsächlich sesshafte Bauern und gingen, im Gegensatz zu weit verbreitete Annahme, nur selten zur Jagd. Sie lebten hauptsächlich von der Eigenproduktion, aber neben der Landwirtschaft gab es auch Handwerker wie Schmiede, Töpfer und Tischler. Geld kannte die Germanen nicht, ihr Handel beschränkte sich auf reine Naturalienwirtschaft.

Gezüchtet wurden hauptsächlich Rinder, Schafe, Schweine und Ziegen so wie Pferde. Außerdem war den Germanen die Bienenzucht ebenso wie die Webkunst bereits bekannt. Ebenfalls wussten die Germanen wie Käse zubereitet wird, dessen Herstellungsverfahren sie selbst entdeckten. Zur Bestellung der Äcker verwendeten sie bereits einen Pflug, der von Rindern gezogen wurde. Für die Ernährung war besonders die Gerste von entscheidender Bedeutung. Die Äcker ließen sie regelmäßig brach liegen und sie wussten um den Nutzen der Dünung. Getreide wurde hauptsächlich in Form von Brei gegessen, Brot konnte sich bis ins Mittelalter nur die Oberschicht leisten.

Die Germanen wohnten in relativ kleinen Siedlungen. Aus den Bestattungsplätzen der Germanen schließen Archäologen, dass die Größe von Siedlungen bei etwa zweihundert Menschen lag. Die Siedlungen entwickelten sich nicht nach einem vorgegebenen Plan: Dort wo bereits ein Germane siedelte, kamen bald weitere hinzu.

Mythen und Wahrheit

In der deutschen Geschichte wurden die Germanen immer wieder als Übermenschen dargestellt und zu nationalistischen Zwecken missbraucht. Besonders der Nationalsozialismus bediente sich der Klischees über die Germanen und erhob ihre Nachkommen, die sie als „Arier“ bezeichneten, zur „Herrenrasse“.

Diese Darstellung geht Hauptsächlich auf antike Autor wie Tacitus und Cäsar zurück. Sie beschreiben die Germanen als blonde, blauäugige Riesen, die über fast übermenschliche Kräfte verfügt haben sollen.

Durch Skelett und Moorfunde lässt sich belegen, dass die sie tatsächlich größer als die Römer waren. Die Funde bestätigen außerdem die große körperliche Kraft sowie die überwiegen blonde Haarfarbe der Germanen.

Allerdings übertreiben die antiken Quelle häufig erheblich: So zeigten die gefunden Skelette, dass die Germanen zwar größer als die Römer waren, diese aber durchschnittlich nur um ungefähr einen Kopf überragten. Auch kräftemäßig waren sie den Römern überlegen. Sehr gut erhaltene Moorleichen bestätigen aber auch eine Vermutung des Tacitus: Ihr Durchhaltevermögen war gering, bei längeren Kämpfen siegte bald die Erschöpfung über den Kampfeswillen.

Der Gesundheitszustand der Germanen war meist sehr schlecht: Mangelernährung, Gelenkerkrankungen und Bandscheibenschäden waren bei den Germanen sehr verbreitet. Ihre durchschnittliche Lebenserwartung betrug lediglich 35 Jahre.

Die antiken Autoren sind sich darin einig, dass sich die Germanen häufig dem Alkoholgenuss hingaben. Das verbreitetste Getränk war das Met und das Bier. Hohe Festtage begingen die Germanen häufig mit einem Gelage. Selbst die Götter, so glaubten sie, würden sich dem Alkoholgenuss hingeben.

Reichsgründungen

In der Zeit der Völkerwanderung gründeten unterschiedliche Germanenstämme Reiche in Frankreich, Italien und Spanien, und wanderten auch nach Britannien. Auf dem europäischen Festland ging aus diesen Reichen später das Frankenreich hervor. Hieraus entstand dann das Heilige Römische Reich, dessen ostwärtige Expansion die Westbewegung der Völkerwanderungszeit umkehrte, und den Grundstein für das entstehende Deutsche Reich legen sollte.


Siehe auch

Literatur

  • JAHN Ralf G.: Der Römisch - Germanische Krieg (9-16 n. Chr.). Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn. Bonn 2001.