Erzählanalyse Jakob
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Die Erzählanalyse JAKOB ist ein qualitatives Untersuchungsinstrument für Alltagserzählungen, wie sie z.B. in Beratungs- und Psychotherapiegesprächen vorkommen. Diese Erzählungen werden als dramaturgisch aufgebaute sprachliche Inszenierungen aufgefasst und im Hinblick auf das darin enthaltene unbewusste Konfliktmaterial der Erzähler und Erzählerinnen analysiert und interpretiert. Die Analyse und Interpretation ist an psychoanalytischen Kriterien orientiert und zielt auf eine klinische Konfliktdiagnose. Die Erzählanalyse JAKOB wurde von 1989 bis 2012 an der Abteilung Klinische Psychologie, Psychotherapie und Psychoanalyse der Universität Zürich (Lehrstuhl Prof. Dr. Brigitte Boothe) entwickelt und angewendet.
Theoretischer Hintergrund
Erzählen bezieht sich zwar auf Begebenheiten der Vergangenheit, ist aber gleichzeitig ein Mittel sprachlicher Inszenierung in der Gegenwart. Die Erzählerin führt Regie, stattet die Szene mit Requisiten und Kulissen aus und gestaltet sowohl die eigene Rolle als auch die der Mitspieler im Dienste der sprachlichen Inszenierung [1]. Dadurch erzeugt sie Spannung und führt die Zuhörer auf eine spezifische Art von einer Anfangssituation zu einer Ergebnissituation. Das Erzählen erfüllt damit vier verschiedene Modellierungsfunktionen [2]:
- Erzählen aktualisiert das Vergangene und stellt eine Verbindung zur aktuellen Situation her.
- Erzählen hat eine soziale Integrationsfunktion, wenn die Zuhörer emotional in die Erzählung verwickelt werden und die Perspektive der Erzählerin übernehmen.
- Erzählen reorganisiert das Erlebte, bewältigt Angst und ermöglicht Kontrolle.
- Erzählen restituiert das Erlebte, indem das Vergangene sprachlich neu im Sinne einer Wunscherfüllung inszeniert wird.
Formal sind Erzählungen im Sinne der Erzählanalyse JAKOB sprachliche Sequenzen, die in sich geschlossen sind und eine klar erkennbare Struktur mit Anfang, Mitte und Schluss aufweisen. In der Erzählung werden die Konflikte symbolisiert und in Sprache umgesetzt. Die Erzählerin handelt mit Worten. Und anhand des sprachlichen Ausdrucks verstehen wir, in welcher Weise sie mit Worten handelt. Hierbei erfüllt die lexikalische Wortwahl eine wichtige Funktion, indem sie auf subtile Weise verborgene Motive und Intentionen darstelle kann (lexical choice [3]).
Entstehung und Geschichte
Im Jahre 1989 legte Brigitte Boothe den Grundstein zu einem hermeneutischen Verfahren zur diagnostischen Auswertung von Erstinterview- und Therapieprotokollen [4]. Das später Erzählanalyse JAKOB benannte Verfahren wurde dann von 1989 bis 2013 an der Abteilung Klinische Psychologie, Psychotherapie und Psychoanalyse der Universität Zürich (Lehrstuhl Prof. Dr. Brigitte Boothe) entwickelt und angewendet [5]. JAKOB ist ein Akronym und beschreibt die zentralen Bedeutungsträger einer Erzählung, die Figuren und ihre Handlungen, oder abstrakter ausgedrückt, die AKTIONEN und OBJEKTE.
Eine ausführliche Literaturliste (siehe Weblinks) dokumentiert die Erzählanalyse JAKOB sowohl mit theoretischen Erörterungen als auch mit praktischen Anwendungs- und Fallbeispielen. Klipsa-Paper: Abteilungsprojekt Untersuchung eines Transkripts mit verschiedenen methodischen Zugängen... [6]. Und eine Notiz zum Ende der offiz. JAKOB-Verwendung: Januar 2013.
Anwendung
Die Erzählanalyse JAKOB ermöglicht narrative Einzelfallanalysen auf dem Hintergrund von psychodynamischen und psychoanalytischen Theorien. Eine skizzenhafte Zusammenfassung des praktischen Ablaufs einer Analyse: Das zu untersuchende Gespräch wurde im Vorfeld aufgezeichnet und wird zuerst transkribiert. Im nächsten Schritt werden die Erzählungen im Transkript gemäss festgelegten Kriterien ermittelt. Hat man eine Erzählung gefunden, wird diese aus dem Transkript kopiert und manuell in einzelne Segmente zerlegt. Segmente sind einzelne Sätze, hier definiert als einfache Subjekt-Prädikat-Verbindungen, d.h. als eine Repräsentation einer Aktion und einem oder mehreren Objekten. Ein Segment gibt Antwort auf die Frage «wer tut was wie?» oder «was geschieht in Bezug auf wen/was wie?». Eine lexikalische Analyse des Vokabulars Linguistische Analyse (Software) > Vokabular und Rollen kodieren Auswertung und Interpretation Konfliktdynamik Teilweise mit Computerunterstützung Eine detaillierte Beschreibung und Anleitung findet sich in der Kurzanleitung (siehe Link unten). In englischer Sprache wird die Anwendung ausführlich an einem praktischen Beispiel beschrieben in der Zeitschrift Psychotherapy Research [7].
Das JAKOB-Lexikon
(Die Kodierung und Auswertung der Erzählungen wurde bis 2012 mit dem öffentlich zugänglichen webbasierten Analyseinstrument AutoJAKOB unterstützt.) Das Lexikon stellt die Grundlagen für die Kodierung des Vokabulars in den Erzählungen bereit; der Schwerpunkt liegt dabei vor allem auf den Verben, die D.h. vor allem mit einem über das Internet zugänglichen elektronischen Lexikon, Im Rahmen eines interdisziplinären Projekts an der Universität Zürich (Psychologie und Computerlinguistik) ab 2007 wurde das JAKOB-Lexikon im OLIF-Format [2] neu implementiert. Das Lexikon stellt nun (vor allem zu den Verbeinträgen) reichhaltige linguistische Informationen zur Verfügung (syntaktisches, semantisches und pragmatisches Hintergrundwissen) [8]
Literatur
- Brigitte Boothe: Der Patient als Erzähler in der Psychotherapie. Psychosozial-Verlag, Giessen 2004, 3-525-45758-8.
- Brigitte Boothe et al.: JAKOB Narrative Analysis: The psychodynamic conflict as a narrative model. In: Psychotherapy Research.20, Nr. 5 2010, S. 511–525.
Weblinks
- Die Erzählanalyse JAKOB auf der Website des ehemaligen Lehrstuhls Klinische Psychologie, Psychotherapie und Psychoanalyse der Universität Zürich.
- Das JAKOB-Lexikon Online -- http://www.jakoblexikon.ch/
- Kurzanleitung zur Erzählanalyse JAKOB (PDF) -- http://www.jakoblexikon.ch/docs/JAKOB-Kurzanleitung1010.pdf
- Ausführliches Literaturverzeichnis (PDF) -- http://www.jakoblexikon.ch/docs/JAKOB-Literatur2014a.pdf
- OLIF (Open Lexicon Interchange Format) -- http://www.olif.net/
Einzelnachweise
- ↑ Boothe, Brigitte (2004). Der Patient als Erzähler in der Psychotherapie (2. Aufl.). Giessen: Psychosozial-Verlag.
- ↑ Boothe, Brigitte (2004). Der Patient als Erzähler in der Psychotherapie (2. Aufl.). Giessen: Psychosozial-Verlag.
- ↑ Spence, Donald P. (1980). Lawfulness in lexical choice: a natural experiment. Journal of the American Psychoanalytic Association, 28, 115–132.
- ↑ Boothe, Brigitte. (1989). Zur psychoanalytischen Konfliktdiagnostik. Entwicklung eines hermeneutischen Verfahrens zur diagnostischen Auswertung von Erstinterview- und Therapieprotokollen. Bern: Peter Lang.
- ↑ Luder, Marc & Schnell, Kathrin (2013). Die Erzählanalyse JAKOB. Entwicklung und Anwendung 1989 bis 2012. Hamburg: BOD
- ↑ Mathys, Hanspeter, Arboleda, Lina, Boucsein, Valérie, Frei, Michael, Hermann, Marie-Luise, Luder, Marc et al. (2013). Alexandra – eine multiperspektivische, qualitative Einzelfall-Studie zu Anliegen von PatientInnen im psychodynamischen Erstinterview. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research [Online Journal], 14 (2). Verfügbar unter http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs1302207
- ↑ Boothe, Brigitte, Grimm, Geneviève, Hermann, Marie-Luise & Luder, Marc. (2010). JAKOB Narrative Analysis: The psychodynamic conflict as a narrative model. Psychotherapy Research, 20 (5), 511–525.
- ↑ Luder, Marc (2012). German Verb Patterns and Their Implementation in an Electronic Dictionary. In Proceedings of the Eight International Conference on Language Resources and Evaluation (LREC’12) (S. 693–697). Istanbul: European Language Resources Association (ELRA).