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Joaquín Balaguer

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Joaquín Balaguer Ricardo (1.9.1906-14.7.2002), Politiker, Staatschef und Schriftsteller der Dominikanischen Republik.


Joaquín Balaguer zählt zu den schillerndsten Politikern der Dominikanischen Republik. Schon im Alter von 24 Jahren trat er in die Dienste der Trujillo-Diktatur, die von 1930 bis 1961 das Land beherrschte und der er bis zu ihrem Ende als serviler Höfling des Tyrannen die Treue hielt.

Als Abkömmling einer gut situierten Familie katalanischer Abstammung wurde er am 1. September 1906 in Navarrete (Provinz Santiago) geboren. Die Schulen besuchte er zunächst in seiner Heimatgemeinde, später in Santiago de los Caballeros, wo er auch sein juristisches Studium begann, das er 1929 in Santo Domingo erfolgreich abschloss.

1930 beteiligte sich Balaguer am Sturz von Präsident Horacio Vázquez, der Rafael Leónidas Trujillo Molina an die Macht brachte. In der neuen Regierung Trujillos übernahm er eine hohe Funktion im juristischen Staatsdienst. 1932 ging er als Erster Sekretär der dominikanischen Gesandtschaft nach Madrid, ein Jahr später in gleicher Funktion nach Paris und 1934 wiederum nach Madrid. 1935 wurde er zum Unterstaatssekretär für Öffentliche Bildung und Kultur und 1936 zum Unterstaatssekretär im Präsidialamt in Santo Domingo berufen. 1938 übernahm er eine Professur für Verfassungs- und Zivilrecht an der Universität von Santo Domingo.

Ab 1940 schlug Balaguer eine diplomatische Laufbahn ein und vertrat sein Land als Botschafter in Kolumbien, Honduras und Mexiko. 1953 wurde er Außenminister. 1954 unterzeichnete er im Besein von Diktator Trujillo das Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und der Dominikanischen Republik im Vatikan. 1957 wurde er Vizepräsident des Landes.

Nachdem der Diktator Trujillo im Juni 1960 einen (misslungenen) Mordanschlag auf den Präsidenten Venezuelas, Rómulo Betancourt, durchführen ließ, geriet die Dominikanische Republik zunehmend unter internationalen Druck. Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) verhängte Sanktionen und beschloss den Abbruch der diplomatischen Beziehung zu diesem Land. In dieser Situation sah sich Trujillo genötigt, seinen 1952 formell ins Präsidentenamt gehievten Bruder, Héctor Bienvenido Trujillo Molina, zu entlassen. Ihm folgte in seiner Funktion als Vizepräsident Joaquín Balaguer im Amt nach (3.8.1960).

Am 30.5.1961 fiel Rafael Leónidas Trujillo einem Attentat zum Opfer. In den nachfolgenden Unruhen und Wirren konnte sich Balaguer in seinem Präsidentenamt zunächst noch halten.

Nach der Beseitigung des verhassten Trujillo und der Exilierung seiner Familie und Günstlinge bildeten sich im Land politische Kräfte, die eine staatliche Neuordnung und die Demokratisierung des Landes forderten. Im Januar 1962 wurde ein Staatsrat einberufen, welcher eine demokratische Verfassung ausarbeiten und die Vorbereitung für freie Wahlen treffen sollte. Dem widersetzte sich Balaguer, worauf dieser im März 1962 entmachtet wurde. Er flüchtete in die Apostolische Nuntiatur und begab sich darauf in die USA ins Exil (bis Juni 1965).

Inzwischen wurden erste freie Wahlen durchgeführt, aus denen der angesehene Literat Juan Bosch Gaviño als Sieger hervorging (27.2.1963). Doch schon wenige Monate später, am 25.9.1963, wurde Bosch mit Unterstützung des amerikanischen Geheimdienstes CIA in einem von General Elías Wessin y Wessin angeführten Militärputsch gestürzt. Es folgte eine Zeit staatlicher Willkür und Destabilität, die im Frühjahr 1965 in eine Volkserhebung gegen die Diktatur und für eine Rückkehr von Juan Bosch in sein Präsidentenamt ausmündete. Daraufhin entsandten die USA 42'000 Marines und Luftwaffeneinheiten, die das Land besetzten und eine Rückkehr des als »Kommunisten« diffamierten Bosch verhinderten. Die amerikanischen Besatzer ordneten für 1996 Neuwahlen an. Bis dahin übernahm Héctor García Godoy interimistisch die Präsidentschaft (10.8.1965).

Am 1.6.1966 gewann angesichts einer massiven Unterdrückungskampagne seitens des Militärs, der Polizei und mit Unterstützung der USA der eilends aus den Staaten zurückgekehrte Joaquín Balaguer in manipulierten Wahlen die Präsidentschaft. Die amerikanischen Interventionstruppen verließen darauf das Land.

Von 1966 bis 1974 bestimmten politische Unrast und anhaltende Guerillatätigkeit die Szene. Balaguer terrorisierte mit einer landesweit operierenden Privatarmee (»La Banda«) die Gegner seiner Politik, der Tausende von Menschen zum Opfer fielen.

1970-1978 wurde Balaguer in zwei aufeinander folgenden Legislaturperioden ohne Gegenkandidat und unter Anwendung von militärischem Terror in seinem Amt bestätigt. Doch 1978 unterlag er überraschend dem Gegenkandidaten António Guzmán Fernández. Versuche der Parteigänger Balaguers, das Wahlergebnis zu verhindern, scheiterten jedoch am massiven Druck aus dem Ausland. Auch 1982 gelangte mit Jorge Salvador Blanco wieder ein Vertreter der Opposition an die Macht.

1986 stellte sich Balaguer erneut den Wahlen und gewann diese, wie zuvor, unter fragwürdigen Begleitumständen. Auch 1990, als sich Balaguers alter Gegenspieler und früherer Staatschef, Juan Bosch, erneut der Herausforderung stellte, gewann Balaguer in einem umstrittenen Ergebnis mit einer angeblich hachdünnen Mehrheit.

Das Spiel wiederholte sich auch 1994, als Balaguer, hoch betagt und fast blind, sich wiederum zusammen mit Juan Bosch (geb. 1909) um das höchste Staatsamt bewarb. Wiederum gewann nach einem dubiosen Wahlausgang Balaguer. Doch die Opposition erhob nun massiven Widerspruch wegen Wahlbetrug und setzte durch, dass Balaguer nur noch zwei Jahre im Amt bleiben konnte (siebente Amtszeit). In den folgenden Jahren gewannen mit Leonel Fernández Reyna (1996) und Hipólito Mejía (2000) Vertreter der Opposition die Wahlen.

Nach seinem Rücktritt als Präsident (1996) wirkte Balaguer weiter als »graue Eminenz« der dominikanischen Politik, bis er am 14. Juli 2002 in Santo Domingo im Alter von 96 Jahren verstarb.

Zusammen mit seinem geistigen Ziehvater und Mentor, Rafael Leónidas Trujillo, bestimmte Joaquín Balaguer wie kein anderer Poltiker die Geschicke der Dominikanischen Republik. Dennoch war Balaguer von ganz anderem Naturell als Trujillo. Im Gegensatz zu diesem lag ihm nichts an persönlicher Bereicherung und bombastischem Gepränge. Balaguer war streng katholisch und von nüchterner, unauffälliger, ruhiger, ja geradezu spröder Art. Zeitlebens blieb er Junggeselle und ließ sich von seinen Schwestern umsorgen. Nie wohnte er in einem luxuriösen Präsidentenpalast, sondern blieb in seinem relativ bescheidenen Haus seiner Familie. Er war ein stiller und harter Arbeiter, der mit pedantischer Beflissenheit seine Aufgabe wahrnahm. Balaguer verschmähte Merengue, die dominikanische Nationalmusik, und Baseball, den Nationalsport. Er war in Vielem das pure Gegenteil des lateinamerikanischen Macho und widersprach damit dem Selbstbild der dominikanischen Bevölkerung.

Das Einzige, was ihn mit Trujillo verband, war sein Wille zur Macht und die Fähigkeit der Manipulation seiner Gefolgsleute und Gegner. Um an die Macht zu kommen und diese zu behalten, verhielt er sich sehr geschickt und opportunistisch. Er verstand es, seine Machtbasis mit Manipulationen, Ränken, Intrigen, Repression, Geschenken, leeren Versprechungen, echten und falschen Wählerstimmen, Populismus, amerikanischer Unterstützung, oligarchischer Sympathie und dem Segen der Kirche zu sichern. Im Gegensatz zu Trujillo blieb er aber doch durch und durch Zivilist, der es auch verstand, die Militärs in Schach zu halten. In dieser Hinsicht war er zwar nicht der herkömmliche Macho, dennoch aber ein klassischer lateinamerikanischer Caudillo.

Im Gegensatz zu Trujillo war Balaguer auch hochgebildet und in seinem Wesen ein eigentlicher Schöngeist. Er verfasste rund zwei Dutzend Bücher und war wie sein ewiger Gegenspieler, Juan Bosch, einer der bekanntesten Literaten im spanischen Sprachraum.

Hielt sich Balaguer anfänglich noch mit Polizeiterror an der Macht, so ließ dieser Mitte der Siebzigerjahre nach und konnten sich im Lande langsam auch demokratische und rechtsstaatliche Strukturen entwickeln. In dieser Zeit erfuhr die Dominikanische Republik dank intensiver amerikanischer Hilfe auch eine spürbare wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung.

Bei aller berechtigten Kritik an der Person und der Politik Balaguers muss ihm doch zuerkannt werden, dass er durch seine umsichtige und im Ganzen auch staatsmännische Führung dem durch die Trujillo-Diktatur traumatisierten Land eine großes Maß an politischer Stabilität verlieh, auf der sich die neue Demokratie weiter wird entwickeln können.