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Marcos Pontes

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Marcos C. Pontes
Marcos Pontes
Land: Brasilien (AEB)
Datum Auswahl: 27. August 1998
(17. NASA-Gruppe)
Anzahl Raumflüge: 1
Start erster Raumflug: 30. März 2006
Landung letzter Raumflug: 8. April 2006
Gesamtdauer: 9d 21h 17m
Anzahl EVA: 0
Gesamtdauer EVA: 0h 0m
Raumflüge:
ausgeschieden: aktiv

Marcos César Pontes (* 11. März 1963 in Bauru, São Paulo, Brasilien) ist der erste und bislang einzige brasilianische Astronaut.

Pontes und seine brasilianische Frau Fátima, die er 1985 kennenlernte, haben zwei Kinder: Sohn Fábio und Tochter Ana.

Marcos stammt aus Bauru, der Hauptstadt der gleichnamigen Gemeinde im Bundesstaat São Paulo. Sein Vater Virgílio arbeitete beim staatlichen Kaffeeinstitut IBC (Instituto Brasileiro do Café) und ist inzwischen im Ruhestand. Seine Mutter Zuleika war Angestellte der heute privaten Eisenbahngesellschaft RFFSA (Rede Ferroviária Federal Sociedade Anônima) und verstarb im Juni 2002. Seine älteren Geschwister Luiz Carlos und Rosa Maria leben noch heute in Bauru.

Nach eigenem Bekunden verbrachte Marcos in Bauru eine unbeschwerte Kindheit. Während seine Eltern arbeiten waren, paßte seine Schwester auf ihn auf. Er lernte früh, auf eigenen Beinen zu stehen. Nach der Grundschulzeit mußte er selbst das Geld verdienen, um das Abitur zu machen. Tagsüber arbeitete er als Lehrling bei der RFFSA, ließ sich zum Elekrtiker ausbilden, und abends lernte er am „Colégio Técnico Liceu Noroeste“. Das ging so drei Jahre lang, bis er 1980 das Abitur machte.

Danach besuchte er ab Februar 1981 die brasilianische Lufwaffenakademie AFA (Academia da Força Aérea) in Pirassununga, São Paulo. Neben dem Studium machte er dort eine Pilotenausbildung. 1984 konnte er beides erfolgreich abschließen: er machte einen Bachelor in Luftfahrttechnik und erhielt seine Fluglizenz.

Nach einem einjährigen Aufbaukurs am Centro de Aplicações Táticas e Recompletamento de Equipagens (CATRE) in Natal, Rio Grande do Norte, kam Pontes 1986 zur Fliegergruppe 3/10 nach Santa Maria in Rio Grande do Sul. Er wurde dem Jagdgeschwader „Centauro“ zugeteilt. Drei Jahre lang vervollkommnete er dort sein fliegerisches Können bis er sich ab Februar 1989 für die Aufnahmeprüfung am angesehenen Instituto Tecnológico de Aeronáutica (ITA) vorbereitete. Die kleine Familie — sein Sohn war inzwischen geboren — zog dazu nach São José dos Campos, São Paulo. Im Dezember bestand er die schwere Prüfung, und danach setzte er sein Studium fort, das er fünf Jahre zuvor hatte ruhen lassen. Am Centro Tecnológico de Aeronáutica (CTA) belegte er das Fach Luftfahrttechnik, das er 1993 mit einem weiteren Bachelor abschloß.

Stets nach neuen Herausforderungen suchend, gelang es ihm im letzten Jahr am CTA, einen der wenigen Plätze des Testpilotenkurses zu bekommen. Es war für Pontes die beste Gelegenheit, die vornehmlich theoretischen Fächer mit der Praxis zu verbinden. Die Testpilotenschule AEV (Divisão de Ensaios em Vôo) gehört zum Luft- und Raumfahrtinstitut (Instituto de Aeronáutica e Espaço) des CTA und ist landesweit die einzige ihrer Art. Er erlernte nicht nur den Umgang an Maschinen der Typen F-15 „Eagle“, F-16 „Fighting Falcon“, F/A-18 „Hornet“, F-5E „Tiger II“ und MiG-29 „Fulcrum“, sondern er war auch an den Tests der brasilianischen Kurzstrecken-Luft-Luft-Rakete MAA-1 „Piranha“ beteiligt gewesen.

1996 zog Marcos Pontes in die Vereinigten Staaten um. Die ganze Familie Pontes — Marcos, seine Frau, die beiden Kinder und der Familienhund — flog mit fünf Koffern im Gepäck zunächst nach Los Angeles und dann weiter nach Monterey. Marcos war einer der jährlich rund 800 Studenten, die in die kalifornische Küstenstadt Monterey kommen und die Naval Postgraduate School (NPS) besuchen. Er studierte vier Semester Systemtechnik und legte im Sommer 1998 an der NPS die Prüfung zum Master ab. Er war so gut, daß man im vorschlug, noch seinen Doktor zu machen.

Astronautentätigkeit

1997 entschloß sich Brasilien zu einer Beteiligung an der Internationalen Raumstation (ISS). Inhalt des Regierungsabkommens in Höhe von 120 Millionen US-Dollar waren Entwicklung und Bau einiger Experimente sowie der Flug eines Brasilianers zur ISS.

Da Brasilien kein eigenes bemanntes Raumfahrtprogramm unterhält, vereinbarte die brasilianische Raumfahrtbehörde AEB (Agência Espacial Brasileira) mit der NASA ein Kooperationsabkommen zwecks Auswahl, Ausbildung und Flug. Die AEB startete einen landesweiten Aufruf. Alle Interessenten, die die NASA-Qualifikationen für Missionsspezialisten erfüllten und ihr Land im All vertreten wollten, sollten sich melden. Die Bewerber mußten zwischen 25 und 45 Jahren alt sein, ausgebildete Militärpiloten sein, oder ein abgeschlossenes Luftfahrtstudium vorweisen können. Weiterhin war Voraussetzung, Englisch in Schrift und Sprache fließend zu beherrschen. Anmeldeschluß war der 22. Mai 1998. Nach der ersten Sichtung blieben 40 Bewerber übrig, von denen es fünf — alles Militärpiloten — in die Endrunde schafften (Paulo Henrique Russo, 42 Jahre; Pontes, 35; sowie drei weitere). Nach den obligatorischen medizinischen Tests und einem in englischer Sprache geführten Bewerbungsgespräch wurde Pontes im Juni 1998 ausgewählt.

Zusammen mit vier Kollegen von der ESA und einem Kanadier verstärkte Pontes die 17. Astronautengruppe der NASA. Das gesamte 31 Personen umfassende Kader begann im August 1998 am Johnson Space Center (JSC) in Houston, Texas, die zweijährige Grundausbildung.

Bereits während des Basistrainings nahm Pontes wichtige Funktionen innerhalb des Astronautenbüros wahr. Ab 1999 war er die nächsten drei Jahre für die Integrationstests neuer Bauteile für die ISS verantwortlich. Dann kümmerte er sich um die Computerprogramme der Station: zunächst betreute er das Betriebssystem (2000-2001), dann hatte er dafür zu sorgen, daß Programmfehler entfernt wurden (2001-2002). Danach überwachte er die Entwicklungsarbeiten des Zentrifugenmoduls (CAM), der Logitikmodule sowie die Solarzellenträger. Seit 2003 ist er Ansprechpartner für das japanische Modul Kibo und den Verbindungsknoten Node 2.

Ursprünglich war Pontes in Aussicht gestellt worden, etwa um 2001 oder 2002 an Bord eines Shuttles zur ISS fliegen zu können. Doch Budgetkürzungen, die die NASA zwangen, die ISS nicht so häufig wie erwartet ansteuern zu können, sowie die brasilianische Ausrüstung, die nicht rechtzeitig fertig wurde, machten Verschiebungen unumgänglich. Schließlich war es das Columbia-Unglück Anfang Februar 2003 und die Aussetzung weiterer Raumfährenflüge, die einen Start für Pontes mit den Amerikanern in absehbarer Zukunft aussichtlos werden ließ.

Seit einem Arbeitsbesuch im Frühjahr 2005, den Vetreter der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos ihren brasilianischen Kollegen abstatteten, wird über ein bilaterales Abkommen verhandelt, Pontes mit einem Sojus-Raumschiff zur Raumstation zu bringen. Am 5. September 2005 teilte Roskosmos mit, daß sich beide Seite dahingehend verständigt hätten, daß Marcos Pontes voraussichtlich im April 2006 an Bord einer Sojus-Kapsel zur ISS fliegen könne. Es würden lediglich einige Details offen sein, über die man die nächsten Wochen noch verhandele. Die zuständige zwischenstaatliche Kommission erklärte am 4. Oktober 2005, der Vertrag sei jetzt unterschriftsreif und eine „vorläufige Vereinbarung“ sei unterzeichnet worden. Der brasilianische Präsident Lula da Silva besiegelte den 20-Millionen-Dollar-Vertrag schließlich während seines Moskau-Besuchs am 18. Oktober 2005.

Seit September 2005 trainierte Pontes im Sternenstädtchen bei Moskau für seinen einwöchigen Einsatz als Bordingieneur auf Sojus TMA-8. Zum Abschluß des Trainings am 8. Februar 2006 erklärte Pontes, daß ein wesentliches Handicap die Sprache sei — drei Monate seien einfach zu wenig, um eine Sprache zu beherrschen. Inzwischen könne er Russisch zwar verstehen, aber zum Antworten reiche es nicht. Er würde in einem Kauderwelsch antworten. Aber die Mannschaft hätte gelernt, einander zu verstehen.

Pontes' Flug begann am 30. März 2006. Welche Bedeutung das Unternehmen für seine Heimat hat, wird daraus ersichtlich, daß in der Fußballnation ein landesweit übrtragenes Pokalspiel einfach unterbrochen wurde, um den Start live zu zeigen. Pontes seinerseits nahm neben der Landesflagge, ein Trikot der brasilianischen Nationalelf und einen Fußball in den Nationalfarben mit. Nachdem Sojus TMA-8 zwei Tage später die ISS erreicht hatte, beinhaltete das Arbeitsprogramm des Südamerikaners acht Experimente. Pontes wurde auch die Ehre überlassen, als Erster die Raumstation zu betreten – danach folgten Pawel Winogradow und Jeff Williams. Nach einer Woche ging der Besuch des ersten Brasilianers auf der ISS zu Ende. Zusammen mit Waleri Tokarew und Bill McArthur (ISS-Expedition 12) kehrte er am 8. April zur Erde zurück.

Siehe auch

Liste der Raumfahrer

Commons: Marcos Pontes – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien