Bill Laswell
Bill Laswell (* 12. Februar 1955 in Salem/Illinois) ist Bassist, Komponist, Arrangeur, Produzent, Betreiber von Plattenlabels und Grammy-Gewinner.
Durch seine außergewöhnliche Produktivität (seine Diskographie, engl., umfasst weit über hundert Einträge) und den Einfluß, den er auf andere Musiker und ganze Musikrichtungen ausübte und immer noch ausübt, zählt Bill Laswell zu den wichtigsten Musikern und Produzenten des ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts.
Oeuvre
Grundlegende Einflüsse, die einen analytischen Zugang zu Bill Laswells Oeuvre ermöglichen, sind:
- die aus der Literatur bekannte Cut-up Technik (vgl. Brion Gysin und William S. Burroughs),
- die Neue Musik (z.B. Karlheinz Stockhausen, Arnold Schönberg) und die Avantgarde (John Cage, John Zorn und Brian Eno mit denen er auch bereits mehrere Produktionen realisierte),
- Funk, Hip Hop, Rock, elektronische Musik (v.a. verschiedene Spielarten von Techno, Industrial und Ambient) bis hin zu Reggae und Dub,
- Jazz, vor allem Free Jazz (Ornette Coleman) und Fusion (Miles Davis, John McLaughlins Mahavishnu Orchestra und Weather Report),
- Worldmusic im wortwörtlichen Sinn, nämlich authentische Musik und Musiker vor allem aus dem arabischen und indischen Raum.
In Laswells Produktionen, sowohl den unter seinem Namen veröffentlichten als auch den Band-Projekten (u.a. Material, Praxis, Last Exit) und den Mitwirkungen bei anderen Künstlern, tauchen diese auf den ersten Blick teils sehr gegensätzlichen musikalischen Stile und Konzepte immer wieder in unterschiedlichen Gewichtungen auf.
Viele Aufnahmen, wie z.B. die Asana Serie, sind stark von sehr meditativ wirkender indischer Musik beeinflusst. Sehr kraftvoll und impulsiv und dabei ebenfalls unüberhörbar von indischen Einflüsse geprägt, ist dagegen eines der neuesten Projekte, die Band Tabla Beat Science. Laswell gelingt es dabei immer wieder außereuropäische und -amerikanische Musiktraditionen auf eine Weise mit moderner westlicher Musik zu verbinden, dass daraus ein neues homogenes Ganzes entsteht das nichts mit der landläufigen "Worldmusic" gemein hat.
Schon mitte der 1980er errang er mit Rockit, einem Track den er für Herbie Hancock mitkomponierte und -produzierte, die Aufmerksamkeit der Musikwelt auch außerhalb der New Yorker Underground-Szene. Diese Produktion vereinte Jazz, Hip Hop und Techno-Beats auf eine bislang unbekannte Weise und verhalf ihm zum Durchbruch als gefragten Musiker und Produzenten. Herbie Hancock blieb nicht der einzige Jazz-Musiker mit dem er gemeinsame Projekte verwirklichte. Es folgten so unterschiedliche Künstler wie Peter Brötzmann, Pharoah Sanders und Tony Williams.
Gleichzeitig entstanden Aufnahmen mit Stars und Newcomern aus Funk, Hip Hop und Turntablism. Von Bootsy Collins, Bernie Worrell und George Clinton mit denen er den P-Funk auf ganz eigene Weise weiterführte, über die Jungle Brothers (1991, The Third Power, dem Album auf dem Shabba Ranks zum ersten mal auf einem amerikanischen Release zu hören war) bis zu DJ Spooky und DJ Krush.
Ein weiterer Schwerpunkt sind Dub-Produktionen wie die Dub Chamber Serie oder die Mitwirkungen auf den Alben des Crooklyn Dub Consortium.
Auch wenn manche Veröffentlichungen sich eher in die eine oder andere Kategorie einordnen lassen, ist gerade die Nicht-Eindeutigkeit am ehesten das verbindende Merkmal in Laswells Oeuvre. So vielfältig und (scheinbar) zufällig er die verschiedenen Einzelteile nimmt und miteinander verbindet sind auch die Ergebnisse. Musiker, Kritiker und Zuhörer sind sich allerdings einig, dass die dabei entstehenden Produktionen immer von hoher und oft von herausragender Qualität und keineswegs oberflächlich sind; was gerade in Anbetracht der enormen Anzahl von Veröffentlichungen - ein Dutzend pro Jahr ist eher die Regel als die Ausnahme - bemerkenswert ist.
die Anfänge
Nachdem er als Kind zuerst Gitarre lernte, wechselte er bald zum Baß und spielte in verschiedenen Funk-Bands in und um Detroit. 1978 übersiedelte er nach New York City, wo er sich als Studiomusiker und bei Live Gigs schnell als eine Schlüsselfigur der Underground-Musikszene etablierte.
Bald gründete er mit Fred Maher (dr) und Michael Beinhorn (keys) das Band-Projekt Material. Ursprünglich als Begleitband des Gitarristen David Allen gegründet, begann Bill Laswell mit Material kurz darauf auch eigene Aufnahmen zu produzieren und entwickelte die Basis seines unverwechselbaren Stils.
1979 erschien die erste Material EP, Temporary Music.
die 1980er
Neben seiner Tätigkeit bei Material begann Bill Laswell auch mit Solo-Projekten und veröffentlichte 1982 die erste Platte unter eigenem Namen, Baselines, beim Label Celluloid, dessen Mitbesitzer und Mitbetreiber er war.
Seinen Status als eine der Schlüsselfiguren der Musikszene von New York sicherte er sich durch seine Mitwirkung bei Aufnahmen von David Byrne, John Zorn, Fred Frith und den Golden Palominos. Gleichzeitig entstand das Projekt Praxis, ein loser Zusammenschluß von Musikern aus Hip Hop und Funk. Ein Meilenstein war 1983 der Erfolg des für Herbie Hancock produzierten und von Laswell mitkomponierten Rockit (auf Hancocks richtungsweisenden Album Future Shock). Für das darauf folgende Album Sound-System erhielt er einen Grammy. Während der 1980er Jahre spielte er in der Folge unter anderem Baß bei Mick Jagger, Laurie Anderson, Yoko Ono und Peter Gabriel. 1986 gründete er mit dem Gitarristen Sonny Sharrock und dem deutschen Saxophonisten Peter Brötzmann sowie Schlagzeuger Ronald Shannon Jackson die "Punk-Jazz" Band Last Exit.
In den späten 1980ern entstanden auch weitere Platten mit dem bereits ausgereifteren Laswell-Sound; insbesondere das Laswell-Album Hear No Evil (1988), u.a. mit Zakir Hussein, und das Material-Album Seven Souls (1989).
die 1990er
Destroy all rational thought ("Motto" des Axiom-Plattenlabels)
1990 gründete Bill Laswell das Label Axiom (axiom-records.com), wo bald eine Vielzahl von Alben produziert wurden, oft stark beeinflußt von seinem Interesse für elektronische Musikstile, von (Detroit-)Techno bis Ambient, aber auch Jazz oder Dub.
1992 erschien Transmutation (Mutatis Mutandis) von Praxis (Buckethead git, Bootsy Collins b, Bernie Worrell keys, AF next man Flip turntables und Brain dr), das irgendwo zwischen P-Funk und Industrial eingeordnet werden könnte. Es folgten Kooperationen mit so unterschiedlichen Künstlern und Bands wie: Brian Eno, Dub Syndicate, Pharoah Sanders, Pete Namlock, DJ Spooky, George Clinton, Tony Williams, Nicky Skopelitis, DJ Krush, Sly Dunbar, Manu Dibango, Jaco Pastorius, Aiyb Dieng, Jah Wobble, dem Schriftsteller William S. Burroughs und vielen anderen.
Die 1990er waren eine außerordentlich produktive Zeit für Bill Laswell. Jahr für Jahr erschien eine Vielzahl von Alben unter seinem eigenem Namen oder unter seiner Mitwirkung.
Bemerkenswert sind auch die Remix-Projekte der späten 1990er. 1997 wurde Bob Marley - Dreams of Freedom (Ambient Translations of Bob Marley in Dub) veröffentlicht. 1998 folgte Panthalassa (the music of miles davis 1969 - 1974) mit teils sehr düsteren und meditativen Re-Konstruktionen von Miles Davis' Aufnahmen aus dessen Fusion- und Jazz-Rock-Phasen. Das dritte Remix-Projekt befasste sich mit Carlos Santana. Für Divine Light - Music from Illuminations & Love Devotion Surrender (2001) dekonstruierte Laswell Aufnahmen Santanas aus den späten 1960ern und rekonstruierte sie in einer Mischung aus Dub und Ambient.
die 2000er
2000 erschien das erste Album des neuen Projekts Tabla Beat Science namens Tala Matrix; eine weitere kraftvolle Neuinterpretation indischer Musik im Spiegel moderner westlicher Stile, die klassische indische Instrumentierung mit zeitgemäßer elektronischer Musik verbindet. Mit dabei Meisterperkussionisten wie Zakir Hussein und Trilok Gurtu. 2001 folgte das diesmal sehr ruhige und wiederum meditative Life Space Death mit dem japanischen Trompeter Toshinori Kondo und Sprachaufnahmen des Dalai Lama. Im selben Jahr kam es auch zu einer weiteren Zusammenarbeit mit Jah Wobble im Projekt Solaris.