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Wirtschaftspartnerschaftsabkommen

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Der Begriff Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA) bzw. Economic Partnership Agreement (EPA) bezeichnet ein von der EU gefördertes Abkommen über Freihandelszonen zwischen der EU und den 78 AKP-Staaten (in der Mehrzahl ehemalige europäische Kolonien in Afrika, der Karibik und im Südpazifik).

Die vertragliche Grundlage der EPA liegt im Cotonou-Abkommen, welche am 23. Juni 2000 von den Mitgliedstaaten der EU und den Mitgliedstaaten der Gruppe der AKP- Staaten in Cotonou, Benin, unterzeichnet wurde.

Zentrales Ziel des Abkommens war es, die von der WTO kritisierten nicht-reziproken Handelspräferenzen der Lomé-Abkommen (1975 bis 2000) durch reziproke Handelsabkommen bis zum 1. Januar 2008 zu ersetzen.

Im Jahr 2014 schloss die EU ein regionales Abkommen mit Westafrika und dem Südlichen Afrika ab. Bereits Ende 2007 wurde zwischen der EU und der Karibik (CARIFORUM = Caribbean Forum of ACP-States) ein regionales Wirtschaftspartnerschaftsabkommen geschlossen.[1][2]

Schlüsselelemente

Gegenseitigkeit

Ausgehend von der Absicht, die bisherige Unvereinbarkeit der bestehenden Handelsvereinbarungen mit den Regeln der WTO zu beseitigen wird das Hauptgewicht in den Verhandlungen zu den WPAs auf Nichtdiskriminierung und Gegenseitigkeit gelegt. Sie bedeuten die stufenweise Aufhebung aller seit 1975 von der EU eingeräumten Handelsvorteile der AKP-Staaten sowie die kurzfristige Aufhebung aller Handelsbarrieren, die zwischen den Partnerstaaten bestehen. Um einen diskriminierungsfreien Marktzugang zu gewährleisten sollen die WPAs für alle Entwicklungsländer offenstehen, so dass der Status der AKP-Staaten als Hauptentwicklungspartner der EU begrenzt wird.

Bei den Verhandlungen zu den WPAs steckt die EU in dem Dilemma einerseits den aus der Kolonialvergangenheit herrührenden besonderen Status der AKP-Staaten wahren zu müssen und andererseits die Verpflichtungen aus der Mitgliedschaft in der WTO zu erfüllen. Als Lösung für dieses Problem wird eine Vereinbarung angestrebt, die ein Mindestmaß an Gegenseitigkeit festschreibt, um die WTO-Kriterien zu erfüllen, in der Realität aber den AKP-Staaten soviel Spielraum zu geben, dass sie den Handelsschutz ihrer wichtigsten Produkte beibehalten können.

Das Ausmaß der Handelsliberalisierung im Rahmen der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen wird kontrovers diskutiert. Verschiedene Studien, die die möglichen Auswirkungen offener Märkte in diesem Zusammenhang untersuchten, warnen vor absehbaren negativen Folgen. Eine Delegation des Europa-Ausschusses der Französischen Nationalversammlung veröffentlichte im Juli 2006 einen umfangreichen Bericht, der diese Warnungen erhärtet. Der Bericht nennt vier Schocks, denen die AKP-Staaten ausgesetzt wären, wenn sie ihre Märkte öffneten:

1. ein Haushaltsschock aufgrund der zu erwartenden Einnahmeverluste wegen der wegfallenden Importzölle;

2. ein Außenhandelsschock durch sinkende Wechselkurse, wenn die AKP-Staaten nicht konkurrieren können;

3. ein Schock für die schwachen, im Aufbau befindlichen Industriesektoren in den AKP-Staaten, die der Konkurrenz aus der EU nicht gewachsen sind;

4. ein landwirtschaftlicher Schock, da lokale Märkte und Produzenten mit den Billigimporten aus der Europäischen Union (hoch subventioniert) nicht konkurrieren können.[3]

Es ist daher unbestimmt, ob die bestehenden WTO Bestimmungen bezüglich regionaler Handelsvereinbarungen am Ende durch die Doha-Runde zu Gunsten der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen revidiert werden.

Die negativen Folgen, vor denen die Delegation des Europa-Ausschusses der Französischen Nationalversammlung 2006 gewarnt hatte, sind mittlerweile teilweise eingetreten (Stand: Dez. 2015).[4]

Regionalismus

Entsprechend dem Cotonou-Grundsatz der Differenzierung und Regionalisierung sollen die Entwicklungsländer dazu befähigt werden, innerhalb der WPAs in Regionalgruppen zu agieren. Bisher (Februar 2007) haben die AKP-Staaten sechs Regionalgruppen gebildet, die als Verhandlungspartner der EU auftreten. Diese Regionalgruppen sind

  • the Economic Community of West African States (ECOWAS)
  • la Communauté économique et monétaire de l'Afrique centrale
  • the Southern African Development Community
  • the East African Community
  • the Caribbean Forum of African, Caribbean and Pacific States (CARIFORUM)
  • the Pacific region

Die Verhandlungen werden seitens der AKP-Staaten unter dem Druck der EU geführt bis zum Ende des Jahres 2007 zu einem Ergebnis zu kommen. Andernfalls will die EU die Auszahlung von Mitteln aus dem Europäischen Entwicklungsfonds verzögern.[5]

Spezielle Fragen

Die neue Regionalgruppierung wirft die Frage auf, wie man innerhalb der WPAs mit der Gruppe der ärmsten Staaten der Erde (so genannte LDC-Staaten) innerhalb der Gruppe der AKP-Staaten umgeht. Diese Länder erfuhren in den bisherigen Handelsvereinbarungen eine privilegierte Behandlung. Zurzeit (Anfang 2007) werden 39 der 77 AKP-Staaten von den Vereinten Nationen als LDCs definiert.

Im Gegensatz zu den übrigen AKP-Staaten, gilt für LDCs im Falle einer Nicht-Unterzeichnung einer WPA automatisch das „Everything But Arms“-Abkommen. Dieses System privilegierter Handelsbeziehungen zwischen der EU und LDC-Staaten (auch außerhalb der AKP-Gruppe) wurde 2001 vom EU-Ministerrat beschlossen und ermöglicht es den ärmsten Ländern alle Produkte - mit Ausnahme von Waffen - zollfrei in unbegrenzter Menge in den EU-Raum zu exportieren. Für die LDC-Staaten innerhalb der AKP-Gruppe wäre somit die Nicht-Unterzeichnung einer WPA weniger problematisch als für Nicht-LDCs. Nicht-LDCs fallen im Falle einer Nicht-Unterzeichnung automatisch auf das weniger vorteilhafte „General System of Preferences“ (GSP) zurück.

Zur Situation 2014

"Am 10. Juli 2014 haben die 16 westafrikanischen Staatschefs in Accra, der Hauptstadt von Ghana, ein sogenanntes Economic Partnership Agreement (EPA - Wirtschaftspartnerschaftsabkommen) zwischen der EU, den 15 Staaten der Communauté économique des Etats d’Afrique de l’Ouest (CEDEAO – Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft) und Mauretanien paraphiert. Am 22. Juli 2014 wurde ein anderes EPA von 6 Ländern des südlichen Afrikas paraphiert. Im Oktober unterzeichneten die Mitglieder der Ostafrikanischen Gemeinschaft ein Wirtschaftsabkommen mit der EU."[6]

Kritische Kampagne

Eine kritische Kampagne namens StopEPA folgt nach eigenen Angaben Initiativen aus der afrikanischen Zivilgesellschaft, die WPAs in ihrer gegenwärtigen Form ablehnen und sich für wirtschaftlich, sozial und ökologisch nachhaltigere Alternativen einsetzen. Zu den Unterstützern der Kampagne in Deutschland zählen u. a.

Weitere Kritik

Menschenrechtler kritisieren, dass das Abkommen Everything but Arms (EBA) in Kambodscha dazu geführt habe, dass Zuckerkonzerne Kleinbauern von ihrem Land vertrieben hätten.[7][8] Der Film Landraub[9] von Regisseur Kurt Langbein dokumentiert dies. Die Organisation Rettet den Regenwald berichtete darüber und startete eine Petition an die Europäische Union.[10][11]

Die EPAs sollen zwar der nachhaltigen Entwicklung dienen, es braucht jedoch lokale Kapazitäten in den Regierungen und Verwaltungen und es braucht eine lokale Privatwirtschaft, die Interesse daran hat, den freien Marktzugang zu Europa tatsächlich zu nutzen.[12][13]

Für eine umfassende Transformation sind die Wirtschaften Subsahara Afrikas bislang nicht aufgestellt. Das Entstehen afrikanischer Industrien wird durch das EPA behindert. Daneben behindern auch chinesische Billigwaren den Aufbau und die Entwicklung eigener Produktionen.[14]

Einzelnachweise

  1. Wirtschaftspartnerschaftsabkommen, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, abgerufen am 6. Juni 2016
  2. European Commission 2009[1]
  3. Publik-Forum Nr. 4/2007 v. 23. Februar 2007, S. 18
  4. Alexander Göbel: Wie die EU Ghanas Geflügelwirtschaft zerstört: Das Märchen vom fairen Handel. tagesschau.de-Internetportal, 13. Dezember 2015
  5. ebd.
  6. epa-infos von attac abgerufen 16. Januar 2016
  7. http://www.inclusivedevelopment.net/eus-everything-but-arms-initiative-is-impoverishing-cambodian-farmers/
  8. http://www.theguardian.com/world/2014/dec/10/european-union-cambodia-sugar-industry-human-rights
  9. http://www.landraub.com/Der-Film/
  10. https://www.regenwald.org/regenwaldreport/2015/432/zucker-fuer-die-eu-verwuestet-unser-land
  11. https://www.regenwald.org/aktion/1012/kein-landraub-fuer-zucker
  12. Freihandelsabkommen der EU mit afrikanischen Regionen: »Guter Kompromiss, aber Erfolgsbedingungen liegen außerhalb der Abkommen«, Interview mit Evita Schmieg, Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), 1. Oktober 2014
  13. Handelspolitische Optionen für Subsahara-Afrika , von Evita Schmieg, Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), April 2015
  14. Impuls oder Hindernis für Entwicklung?, von Annette Lohmann, Friedrich-Ebert-Stiftung, Juli 2015