Boulevard (Medien)
Der Begriff Boulevardmedien geht zurück auf so genannte Boulevardzeitungen, die vor allem in der Vergangenheit nur auf der Straße (Boulevard) käuflich erhältlich waren und nicht im Abonnement. Die Begriffe Boulevardjournalismus und Boulevardmedien haben sich als Bezeichnung für ein eigenes Genre im Bereich des Journalismus etabliert.
Boulevardmedien ermöglichen einfachen, schnellen Konsum des dargebotenen. Sie können "nebenbei" konsumiert werden ohne große Konzentration und ohne viel nachdenken, sie dienen der Zerstreunung. Die Boulevardzeitungen werden häufig auf der Arbeit in der Pause nebenbei gelesen, weil sie durch die Schlagzeilenlastigkeit und die kurzen Texte sehr gut "überflogen" werden können. Boulevardmedien erzeugen bewusst Emotionen durch bestimmte Formen der Berichtsaufarbeitung unter Verwendung der Mittel des Boulevardjournalismus, sie wollen vor allem unterhalten, ihr Ziel ist nicht das Vermitteln von hintergründigen, tief gehenden Informationen. Das gilt für Printmedien und Internetpublikationen wie auch für Fernsehen und Rundfunk (Privatsender besonders, aber nicht ausschließlich) in Magazinen und bedingt auch in Nachrichtensendungen (Infotainment). .
Entstehung und Geschichte
Am 1. Oktober 1877 erscheint mit der B.Z. am Mittag die erste Boulevard-Zeitung im Straßen-Verkauf für den deutschen Zeitungsmarkt. B.Z. steht für Berliner Zeitung. Die erste Ausgabe der Kronenzeitung, der auflagenstärksten Zeitung in Österreich, erschien bereits 1900, damals setzte die Zeitung auf Romane und Spiele zur Kundenbindung, eine Boulevardzeitung in der Weimarer Republik in den 20er und 30er Jahren war die Berliner Zeitung "Tempo", die bis zu 3 Mal täglich erschien. 1952 erscheint zum ersten mal die überregionale Boulevardzeitung Bild des Verlegers Axel Springer (Axel Springer Verlag) und schafft es zur auflagenstärksten Zeitung Europas. Zahlreiche Boulevardzeitungen etablieren sich im deutschsprachigen Raum (Blick aus der Schweiz), darunter sehr viele mit regionalem Bezug (Abendzeitung aus München). In vielen Ländern auch außerhalb Europas sind Boulevardzeitungen sehr beliebt (The National Enquirer (USA).
In Deutschland hielten Boulevardformate zunehmend mit dem Privatfernsehen Einzug auf dem Bildschirm, viele Privatsender bringen überwiegend Sendungen mit unterhaltendem Charakter. Auch Nachrichtensendungen werden zunehmend von Trivialthemen beherrscht, die häufig spektakulär aufbereitet werden, die Begriffe Infotainment, Politainment und Infopinion werden geprägt. Vielfach vermischen sich wirkliche Informationen mit Meinungen und durch Andeutungen oder grob angerissene Fakten eigentlich gehaltlosen Aussagen. Aufmachung und Sprache in Boulevardmedien wollen Neugier, Sensationshunger und Nervenkitzel bei den Lesern wecken und das offenbar danach vorhandene Bedürfnis befriedigen, also vor allem Emotionen erzeugen, um diese so zum Kauf der Zeitschrift/Zeitung oder zum Einschalten der Sendung anzuregen. Selbst wichtige politische und gesellschaftliche Themen werden auf Schlagworte verkürzt und in knapper Form dargestellt. Auf den Titelseiten von Boulevardzeitungen werden häufig Gewinnspiele angeboten, die durchaus über einen längeren Zeitraum täglich neue Gewinnchancen anbieten. Auch in Boulevardsendungen in Radio und Fernsehen gibt es regelmäßig etwas zu gewinnen, um die Einschaltquote zu erhöhen.
Boulevardmedien aller Formate sind in der Regel sehr professionell gemacht. Es zu schaffen, immer wieder Schlagzeilen und Themen, also Aufmacher, zu finden, die wirklich den gewünschten Effekt beim Konsumenten erreichen, kann schon als eigenes Handwerk bezeichnet werden, ähnlich den Textern in der Werbeindustrie, die für Produkte einen Slogan finden, der direkt die gewünschte Emotion hervorruft. Wie in der Werbeindustrie geht es darum, den richtigen Grad an Manipulation zu erreichen, der auf der einen Seite die Aufmerksamkeit durch die Wirkung eines Gefühls auf sich zieht und auf der anderen Seite die Manipulation nicht direkt zu zeigen, so daß die Zielpersonen die Wirkung als aus sich heraus entwickelt empfinden bzw. sich keine Gedanken darüber machen, sich also nicht bevormundet fühlen.
Markt und Konsumentenkreis
Boulevardmedien werden von Menschen in allen Berufsgruppen und Bevölkerungsschichten konsumiert, den höchsten Konsumentenanteil bilden Menschen mit niedrigem Bildungsgrad. Für Entscheider in Politik und Wirtschaft sind vor allem Medien mit großer Verbreitung interessant, um zu sehen, welche Themen gerade behandelt werden (siehe auch Abschnitt Macht der Boulevardmedien in der Mediendemokratie) und ob gerade wirkliche Skandale aufgedeckt oder vermeintliche konsturiert wurden.
Nicht zu unterschätzen als wirtschaftlicher Faktor, wie auch in vielen Stadtmagazinen, sind die Anzeigen aus dem Rotlichtmilieu, die oft eine ganze Seite und mehr an Raum in einer Boulevardzeitung einnehmen. Da Anzeigen in der Regel zielgruppengemäß geschaltet werden, scheint ein nicht unwesentlicher Teil der Leser aus Kunden des Rotlichtmilieus (Freiern) zu bestehen.
Printmedien
Zur Boulevardpresse oder Klatschpresse (englisch: "yellow press") gehören die überwiegend tägliche erscheinenden Zeitungen, die vorwiegend auf der Straße ("Boulevard") verkauft werden, also meist nicht im Abonnement vertrieben werden sowie Zeitschriften, die meist auch im Abonnement erhältlich sind und in der Regel wöchentlich oder 14 tägig erscheinen. Die Zeitschriften werden umgangssprachlich als "Regenbogenpresse" bezeichnet. Die klassische Unterteilung in unterschiedliche Themenbereiche fällt bei der BILD völlig weg, Berichte aller Themenbereiche werden miteinander vermischt, lediglich Sportberichte werden in der Regel zusammengefasst.
Die meisten Boulevardzeitungen werden im handlichen Tabloid-Format verkauft, nicht oder nur geringfügig größer als Zeitschriften, sie sind also sehr einfach auch z.B. unterwegs in öffentlichen Verkehrsmitteln zu lesen.
Bilder und Layout
Die visuelle Abbildung der Wirklichkeit folgt häufig bestimmten Grundmustern, in Printmedien ebenso wie in Fernsehmagazinen. Sehr beliebt sind Bilder, die “spektakulär” wirken. Unfallopfer mit Verletzungen werden in Großaufnahme gezeigt, in Printmedien können Bilder eine ganze Seite gehen. Großaufnahmen der Umgebung über die Berichtet wird bzw. mit Themenbezug, möglichst mit emotional aufwühlendem Inhalt wie Verletzten, sind Standard in Boulevardmedien.
Sehr beliebt sind Bilder, auf denen Personen zu sehen sind, deren Gesichter unkenntlich gemacht werden, entweder durch den für Boulevardmedien charakteristischen schwarzen Balken über den Augen oder durch unschärfe, die über das ganze Gesicht geht.
Die Printmedien zeichnen sich durch eine betont sensationsorientierte Aufmachung, große Überschriften, großflächige Fotos, auffällige Farben und plakative Schlagzeilen aus, welche die Aufmerksamkeit des Lesers auf sich ziehen und somit zum Kauf anregen sollen. Bilder und Überschriften nehmen in den meisten Boulevardzeitungen den überwiegenden Platz ein, inhaltlich werden die meisten Themen nur grob angerissen, wirkliche Hintergrundberichte, wie sie in Medien zu finden sind, die sich der Mittel des interpretativen Journalismus und des investigativen Journalismus bedienen, fehlen fast völlig. Selbst wichtige Themen werden oft mit emotionalisierenden Schlagworten abgehandelt. Die auflagenstärkste und stark umstrittene Boulevardzeitung Bild (früher Bild-Zeitung) bringt die Dominanz der Bilder schon im Namen zum Ausdruck.
Nicht selten werden (ähnlich wie in manchen Comics) "wichtige" Worte farbig, durch Unterstreichung oder durch Fettdruck hervorgehoben.
Revolverblatt
Eine Boulevardzeitung wird häufig auch als Revolverblatt bezeichnet, was vermutlich auf ein Theaterstück von Max Barthel zurückgeht.
Themenauswahl und Einsatz der Sprache
“Sport, Klatsch, Sex and Crime“
Grundsätzlich greifen nicht alle Macher von Boulevardmedien auf alle hier genannten Methoden zurück, das kann je nach Zielgruppe variieren. Vor allem auf den Titelseiten bzw. als Titelthema in Sendungen werden Themen rund um den Sex gerne und oft benutzt, um Aufmerksamkeit zu erhalten. Nackte oder knapp bekleidete junge Frauen sind auf vielen Titelseiten diverser Boulevardzeitungen zu sehen. Sex als Thema mit möglichst ausgefallen Inhalten über ungewöhnliche Sexualpraktiken wird wiederholt als sensationelle Neuigkeit angeboten. Das spektakuläre Aufbereiten von Verbrechen ist für viele Boulevardredakteure immer wieder aufs neue ein Thema, um den offenbar vorhandenen „Sensationshunger“ der Kundschaft zu befriedigen.
Medienübergreifend werden häufig schockierende, in reißerischer aufgemachter Form präsentierte Storys aus nahezu allen Themenbereichen genutzt, um die Konsumenten anzusprechen. Boulevardmedien bedienen sich häufig einer direkten Ansprache des Konsumenten, eine Identifizierung mit der Zeitung bzw. der Sendung mit dem Leser/Zuschauer soll durch den häufigen Gebrauch der Worte "wir" und "uns" und einer einfachen und sehr direkten Ausdrucksweise, in der nicht selten Elemente der Umgangs- und Vulgärsprache wiederzufinden sind, geschehen. Superlative werden geradezu „inflationär“ von vielen Boulevardmedien benutzt: “Das schlimmste, bestialischste Verbrechen“, „die größte Katastrophe der Menschheit“ usw. Häufig werden ganze Artikel vagen Vermutungen und Mutmaßungen gewidmet. ( Wer hat eine Affäre mit wem; Was war das Motiv des Täters usw.)
Fast immer werden in Boulevardzeitungen emotional ansprechende Themen behandelt, intime Einblicke in private Erlebnisse von bekannten Persönlichkeiten werden als sensationell wichtige Ereignisse präsentiert. Ein sehr beliebtes Thema sind auch Verbrechen, Unfälle und Naturkatastrophen. Diese werden oft schon auf der Titelseite in der riesigen Schlagzeile als "Aufmacher" benutzt. Besonders häufig werden folgende Gefühle angesprochen :
- Sensationsgier (Kannibale von Rotenburg)
- Neid und Missgunst durch Berichte über raffgierige Menschen und Sozialmißbrauch („Florida-Rolf“)
- Voyeuristische Gefühle durch Einblicke in das Privatleben von Privatpersonen und Prominenten und deren Lebenskrisen
- Lust/Sexualität durch Pin-upbilder und Berichte über Sex “in allen Bereichen und Lebenslagen”
- Angst und Wut wird durch riesige Schlagzeilen/reißerische Vorankündigungen erzeugt, die Verbrechen als Bedrohung für jeden darstellen ("Wer ist sein nächstes Opfer")
- Ohnmachtsgefühle “ des kleinen Mannes” ("Wer stoppt die Gier der Politiker"), der sich gleichzeitig beschützt fühlen soll durch das Aufgreifen des Themas durch seine Boulevardzeitung.
- Mitleid durch das Darstellen von Verbrechen an hilflosen Opfern oder Berichte über schwere Schicksalsschläge
Zugespitzt kann das Konzept als “Unterhaltung um (fast) jeden Preis” bezeichnet werden.
Viele der Artikel und Berichte werden in sehr knapper Form präsentiert, grammatikalisch einfach sowie inhaltlich verknappt und stark vereinfacht dargestellt, oft im Stile eines Werbetextes. Ein auffordernder Charakter der Sprache sowie viele Fragen (Z. B. Sollen wir uns die ständige Selbstbedienung der Politiker wirklich weiter gefallen lassen?) in diversen Printmedien vermitteln den Lesern einen Eindruck des Mitspracherechts und das Gefühl, auf einer Hierarchieebene mit dem Medium zu sein. Inhalte werden erzählend (narrativ) aufgearbeitet. In den Printmedien sorgen die großen, bunten Bilder, die „eingerahmt“ werden von meist kurzen Texten für eine emotionale Reaktion.
Klatschthemen aus vielen Bereichen werden in allen Boulevardmedien ausgiebig behandelt. Von Details über Famileninterna aus den Königshäusern der Welt, Neuigkeiten aus der Modewelt sowie aus dem Leben von Prominenten und über aktuelle Ereignissen aus der Showbranche wird bevorzugt berichtet, ein weiteres beliebtes Thema sind Fernsehserien und deren Darsteller. Dabei werden kleine menschliche Fehltritte oft zu vermeintlichen "Skandalen" gemacht, es geht um Drogenexzesse, Ehebrüche oder sonstige menschliche Fehler und Schwächen, die in die Schlagzeilen gebracht werden. Oft werden sehr persönliche und intime Details der Öffentlichkeit präsentiert, weil offenbar ein großer Teil der potenziellen Konsumenten diese Themen anziehend findet bzw. durch sie angesprochen werden kann und so zum Kauf bzw. Einschalten bewogen werden kann.
Während sich einige Boulevardmedien schwerpunktmäßig nur einem oder wenigen Themen widmen (Leute heute Eine Fernsehsendung im ZDF- Klatsch aus der Promiszene) decken andere eine große Bandbreite an Themen ab. (Berliner Kurier- Boulevardzeitung). BILD und Bild am Sonntag erscheinen im selben Verlag, haben aber eine unterschiedliche Zielgruppe. Die Sonntagsausgabe ist zurückhaltender bei Berichten über Sex und Verbrechen, weil sie die ganze Familie erreichen soll, BILD berichtet über alles, was den Redakteuren als tauglich erscheint ohne diesen Filter, hier werden vor allem Erwachsene als Käufer anvisiert.
Sport
Neben den “Sensations-Themen” wird in nahezu allen Boulevardzeitungen der Sport als wichtiges Element gesehen, im Fernsehen wir der Sport meist in Sportsendungen präsentiert.
Neben der Berichterstattung über populäre Sportarten wird auch im Sportteil nicht auf den für Boulevardmedien typischen Stil verzichtet “Italien zerstört deutschen Fußball” war eine Überschrift im Berliner Kurier, nachdem 2 mal kurz nacheinander eine deutsche Mannschaft gegen eine italienische verloren hat. Vermutungen und Klatschthemen über Prominente aus der Sportwelt werden auch in hier in riesigen Überschriften und großen Bildern präsentiert. Skandale wie der Wettbetrug um Schiedsrichter Hoyzer werden in typischer Boulevardmanier "ausgeschlachtet".
Der Berliner Kurier hat seinen Sportbereich im hinteren Teil der Zeitung untergebracht, dreht man die Zeitung, so hat man auf der Rückseite der Zeitung ein neues Titelblatt, das den Sportteil einleitet als “(Sport-)Zeitung in der Zeitung”.
Bild hat eine der größten Sportredaktionen, eventuell sogar die größte im deutschsprachigen Raum. Bei Berichten über Fußball werden häufig diagrammartige Zeichnungen verwendet, die im Sportteil von abonnierbaren Tageszeitungen nicht zu finden sind. Hier werden einzelne Spielzüge wiedergegeben, Pfeile verbinden die für die Spieler stehenden Punkte und sollen so grafisch veranschaulichen, welchen Weg der Ball über das Spielfeld genommen hat. Einige Leser von Bild geben den Sportteil als Grund für den Kauf an.
Anteilnahme an Einzelschicksalen
Typisch für viele Boulevardmedien ist das aufgreifen von Problemen und Schicksalen einzelner Menschen. Oft werden von den Medienmachern bestimmte Bereiche wie ungerechte Behandlung durch Behörden oder große Firmen herausgegriffen, um betroffenen Einzelpersonen schlagzeilenträchtig „gegen den großen Bösen“ zu helfen. Hierbei heben sich die jeweiligen Medien als Retter in der Not hervor. Es kann durchaus für die jeweils Beteiligen von Vorteil sein, wenn z. B. eine auflagenstarke Zeitung sich einsetzt, da sie so oft zu ihrem Recht kommen, weil die öffentliche Aufmerksamkeit Druck erzeugen kann.
Sprachlich wird in Boulevardmedien oft Versucht, eine Identifikation des Konsumenten mit dem Opfer zu schaffen. Die Namen werden mit persönlich klingenden Begriffen ausgeschmückt, aus der fiktiven Person Karl Müller könnte z. B. „der nette, gebrechliche Opa Müller“ werden, aus der ebenfalls fiktiven Rentnerin Monika Meier, die überfallen wurde würde z.B. „die freundliche, hilflose Oma Moni“.
Kritiker werfen Boulevardmedien allerdings häufig vor, das auch hier in die Öffentlichkeit gezerrte Einzelschicksale benutzt werden, um die Auflage zu steigern. In der Öffentlichkeit zu stehen kann für viele, vor allem ältere und labile Menschen, eine Belastung darstellen. So kann das ganze für die Betroffenen zu einer Angelegenheit mit zwei sehr unterschiedlichen Seiten und entsprechenden Folgen werden.
Auch hier wird auf emotional sehr ansprechende Themen gesetzt, fühlte sich doch fast jeder schon einmal ungerecht behandelt von einer übergeordneten Instanz. Über die Identifikation mit den Opfern wird hier ein positives Image aufgebaut, die Konsumenten des Mediums fühlen sich gut aufgehoben und ein wenig beschützt vor der "ungerechten Welt". Auch das oft schlechte Image der Boulevardmedien, besonders von den Boulevardzeitungen, rückt so in den Hintergrund im Kopf der Konsumenten, da ja vordergründig "dem kleinen Mann von der Strasse" Hilfe angeboten wird.
Gemeinsam ist vielen bisher nicht in der öffentlichen Wahrnehmung lebenden Menschen, deren Erlebnisse in Medien mit großer Verbreitung zum Thema werden, das sie anschließend oft von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden, auch über das Ausgangsthema hinaus.
Unfall- und Katastrophenopfer in Großaufnahme
Unfallopfer werden oft in Großaufnahmen gezeigt, ihr Leid wird aufgearbeitet, um durch schockierende Bilder Aufmerksamkeit zu erwecken und so eine Möglichst große Verbreitung zu erreichen. In Printmedien prangen oft ganzseitige Fotos von verstümmelten Menschen, Boulevardmagazine im Fernsehen zeigen Unfall- oder Katastrophenszenen auch oft sehr ausgiebig und mit vielen Nahaufnahmen der Opfer und der zerstörten Fahrzeuge oder Gebäude.
Hinterbliebenen von Unfall- oder Attentatsopfern wird häufig nachgestellt, um eine anrührige Geschichte zu bekommen. Ihre Trauer wird in die Öffentlichkeit getragen. Es ist schon vorgekommen, das Boulevardjournalisten ihnen aufgelauert haben um an Informationen und Bilder zu kommen. Opfer und Hinterbliebene wurden bedrängt und ausgefragt für eine “Story”, die Emotionen weckt. Auch hier wird oft mit Großaufnahmen gearbeitet, das Leid der Menschen soll möglichst nachempfindbar dargestellt werden, “es wird auf die Tränendrüse gedrückt”, um eine große Auflage/Einschaltquote zu erreichen. Häuser der Hinterbliebenen und auch von Opfern werden manchmal regelrecht “belagert”, um zumindest dann ein Bild zu bekommen, wenn sie das Haus verlassen. Die Praxis, Hinterbliebene zu bedrängen wird auch Witwenschütteln genannt.
Die „Opfer höher Gewalt“, denen “zu ihrem Recht” verholfen wird, werden in aller Regel keinen großen Schaden erleiden, solange sie nicht mit negativen Verhaltensweisen in Verbindung gebracht werden. Allerdings werden auch bei zunächst vermeintlich harmlosen Berichten oft pikante Details aus dem Privatleben von Menschen veröffentlicht, die dann vor allem in der Nachbarschaft und im Umfeld der Menschen wie dem Arbeitskollegium bekannt sind, wie etwa eine psychische Krankheit, problematische familiäre Verhältnisse oder eine Abhängigkeitserkrankung, ähnlich den Problemen jener Menschen, die in den oft auch im Boulevardstil aufgezogenen Fernsehtalkshows ihre Schwächen und Probleme komplett offen legen.
Gezielte Verteufelungen und Hetzkampagnen
Handelt es sich um Menschen, die der Begehung eines kriminellen Deliktes verdächtigt werden, ist es schon vorgekommen, das eine Vorverurteilung durch die Boulevardmedien stattfand, manchmal kann es zu einer regelrechten Hetze kommen, bei der die Betroffenen vor der Öffentlichkeit bloß gestellt werden. Der Verdächtige wird als Täter dargestellt, die Gräuel der Tat unmittelbar mit seiner Person in Verbindung gebracht, ohne das ein Nachweis der Schuld oder Tatbeteiligung vorliegt. Der Grundsatz der Rechtsprechung, das ein Verdächtiger so lange als unschuldig gilt, bis ihm seine Schuld nachgewiesen ist, gilt offenbar bei der Wahl so eines Themas nicht immer. Hier steht oft der verkaufsfördernde Mechanismus, auf effekthaschende, emotionalisierende Schlagzeilen zu setzen im Vordergrund. Nicht selten werden noch nicht verurteilte Verdächtige in den Schlagzeilen der Printmedien zu „Bestien“ und Monstern“, für jedermann sichtbar an den Verkaufsständen, vor allem, wenn sie im Verdacht stehen, ein brutales Gewalt- oder Sexualdelikt begangen zu haben. Oft werden Schlagzeilen als Frage formuliert, um eine Emotion zu erwecken, aber nicht gerichtlich angreifbar zu werden. Ist XY eine widerliche, mordende Bestie? In Verbindung mit einem großflächigen Foto auf der Titelseite kann für viele das Leben nach so einem Bericht „zum Spießrutenlauf durch den Alltag“ werden. Oft “schnüffeln” Boulevardjournalisten in deren Privatleben und veröffentlichen viele unangenehme Details, dabei hat es sich in einigen Fällen der Vergangenheit auch um Unterstellungen, Halbwahrheiten und Gerüchte handeln.
Der Rufmord, der hier geschehen kann, kann langfristige Konsequenzen für die Betroffen haben, auch wenn die Verdachtsmomente sich nicht bestätigen. Negative Dinge bleiben oft lange im Gedächtnis der Mitmenschen haften. Gerade bei sensiblen Themen wie Kindesmissbrauch oder -vernachlässigung/und -mißhandlung kann es vorkommen, das Verdächtige, nachdem sie öffentlich mit der Tat in Verbindung gebracht worden sind, gesellschaftlich geächtet werden, selbst wenn sie keine Straftat begangen haben und zu unrecht verdächtigt wurden.
Macht der Boulevardmedien in der „Mediendemokratie“
Massenmedien sind als das Medium für Massenkommunikation für sehr viele Themen verantwortlich, die in der Öffentlichkeit wahrgenommen und Diskutiert werden. Laut Hermann Meyn ... haben die Medien auch eine Thematisierungsfunktion. Sie bedeutet, das Leser Hörer und Zuschauer genau die Themen für wichtig halten, die in den Medien behandelt werden. (Massenmedien in der Bundesrepublik Deutschland, 2001) Das trifft auch auf Boulevardmedien bezogen auf deren Konsumenten zu.
2001 nutzten von den rund 11 Millionen Lesern der Bild etwa ein Drittel nur diese Zeitung als gedruckte Informationsquelle, die anderen lasen auch andere Zeitungen. ( Quelle: „Massenmedien in Deutschland“) Zu dieser Zahl kommen noch diejenigen, die andere Boulevardblätter lesen. Zum Vergleich: Die redaktionell sehr gut ausgestattete Tagesschau erreicht über das Fernsehen in ihrer Hauptausgabe bis zu ca. 10 Millionen Zuschauer.
Politik spielt in manchen Boulevardmagazinen eine stark untergeordnete Rolle, andere führen dagegen regelmäßig massive Kampagnen zu politischen Themen durch und versuchen Einfluss zu nehmen auf die aktuelle Politik. Durch tendenziöse Berichterstattung soll eine auf bestimmten Meinungen beruhende „Grundstimmung“ die den jeweiligen politischen Zielen zugute kommt, geschaffen oder zumindest deren Entstehung unterstützt werden. (siehe hierzu auch Stimmungsdemokratie). Je nach Macht des jeweiligen Boulevardmediums in der Presselandschaft (Auflagenstärke bzw. Einschaltquote) werden Boulevardberichte/-artikel auch in den höchsten politischen Kreisen wahrgenommen, was im Begriff Mediendemokratie zum Ausdruck kommt, da häufig der Verdacht geäußert wird, dass Regierungen durch diese Stimmungsmache zu Aktionismus bewegt werden.
Auch Boulevardmedien können bei entsprechender Verbreitung und den richtigen Rahmenbedingungen bis zu einem bestimmten Grad das politische Meinungsklima in der Bevölkerung mitbestimmen, zumindest können sie bestimmte Themen in die Öffentlichkeit bringen.
Apo und der Axel Springer Verlag
In Deutschland standen sich in den 60er Jahren die APO und die „Springerpresse“, wie die vom Axel Springer Verlag vertriebenen Zeitungen von vielen Apo-Aktivisten bezeichnet wurden, „feindlich“ gegenüber. Die Springer Medien berichteten häufig negativ über die politischen Ziele, Aktivisten und Aktivitäten der Apo und stellte sich eindeutig gegen die Mehrzahl der Ziele der linken Bewegung. Viele Demonstrationen der politischen Linken richteten sich zu der Zeit direkt gegen den Springerverlag, um gegen deren Machtkonzentration zu demonstrieren. „Enteignet Springer“ war ein häufig benutzter Slogan in der Apo.
Das Attentat auf Rudi Dutschke, an dessen Spätfolgen er starb, wurde von einem Bildzeitungsleser verübt, was viele veranlasste, den Springer Verlag mitverantwortlich für seinen Tod zu machen.
Attentate auf den Springer Verlag
1972 wurde auf ein Gebäude des Springerverlages ein Bombenattentat der RAF verübt, dabei wurden 15 Personen verletzt.
Später wurde ein Privathaus von Axel Springer durch einen Brandanschlag zerstört, der Täter Daniel de Roulet, ein Schriftsteller, hielt Axel Springer für ein ehemaliges NSDAP Mitglied, der Autor hat einer verbreiteten Lüge geglaubt, ohne diese zu hinterfragen.
Zu dieser in vielen gesellschaftlichen Bereichen sehr stark von politischer Polarisation geprägten Zeit gab es auch handfeste Auseinandersetzungen bis hin zu roher Gewalt. Auslöser für einen Teil dieser Konfrontationen ist teilweise in der Macht von auflagenstarken Medien und der Art ihrer Nutzung sowie “blindem Aktivismus”, der in bestimmten Bereichen durchaus beiden Seiten angelastet werden kann, zu sehen, wie diese Beispiele zeigen. Allerdings waren beide Seiten, so unterschiedlich die Motivation gewesen ist, durchaus planvoll bei der Sache. Die Bildzeitung versuchte, durch entsprechende Meldungen die linke Bewegung zu schwächen, diese versuchte, gezielt ihre Vorstellungen von einem gesellschaftlichen Wandel durchzusetzen. Dabei stellten terroristische Gewaltaktionen nur einen kleinen Teil der Aktivitäten dar, vor allem wurde von den meisten Akteuren das Recht auf Meinungsfreiheit genutzt, sie demonstrierten und versuchten gewaltfrei ihre Ziele zu verfolgen.
Enten und Falschmeldungen
Das absichtliche Fälschen von Geschichten verstößt gegen den Pressecodex, in dem sich Journalisten verpflichten, die Wahrheit zu achten und im Falle einer Falschmeldung unverzüglich für eine Richtigstellung zu sorgen. Hierzu zählt auch die Pflicht, vor der Veröffentlichung möglichst genau zu prüfen, ob die gemachten Angaben der Wahrheit entsprechen, z. B. nicht einfach Gerüchte als Tatsachen darzustellen.
Es kommt oft vor, auch in anderen journalistischen Bereichen, das einem Artikel oder Bericht „auf die Sprünge geholfen wird“, indem Halbwahrheiten oder Gerüchte als Tatsachen aufbereitet werden oder Teile von Storys, manchmal sogar ganze Geschichten erfunden werden und Verkaufsfördernd eingesetzt werden.
Um reißerische Themen zu generieren, bedienen sich auch die Boulevardmedien der Geschichtenfälschung, also der Erfindung einer "berichtenswerten" Geschichte, die tatsächlich nicht wahr ist. Um diese zu untermauern, werden auch Bilder gefälscht. Manchmal werden für Fernsehbeiträge sogar Darsteller engagiert, die dann in bestimmten Rollen gefilmt werden, um eine Bericht glaubwürdiger bzw. attraktiver zu gestalten.
1979 berichtete Bild über mehrere Tage über einen festgenommen Schüler aus Frankfurt, den Bild zum „Vampir aus Sachsenhausen „ machte, der angeblich Minderjährige missbraucht haben sollte und Menschenblut trinke. Der Schüler wurde später von einem Gericht freigesprochen.
Ein weitere bekannter Fall einer Falschmeldung in Verbindung mit einem fehlinterpretierten Foto ist ein Artikel der Bild, der den ehemaligen Umweltminister Jürgen Trittin in Verbindung mit Gewalttaten auf Demonstrationen bringen sollte, das Foto zeigte einen Demonstranten unmittelbar hinter Trittin mit einen angeblichen Knüppel, der allerdings ein Seil war. Auf den ursprünglichen Bildern war das klar zu erkennen, die von der Bildzeitung verwendete Version jedoch war relativ unscharf durch grobe Rasterung, im Bild selbst war ein Text mit Pfeil auf das Seil zu sehen, der den länglichen Gegenstand als Schlagstock bezeichnete, ein Handschuh wurde als Bolzenschneider gekennzeichnet. Der Eindruck, der Minister habe mit Gewalttätern zusammen demonstriert, wurde so zumindest forciert. Der Chefredakteur Kai Diekmann entschuldigte sich schließlich nach langen Diskussionen bei Trittin. Die Redaktion hat nach eigenen Aussagen die ursprünglichen Bilder nicht gekannt, ihr hätte nur die verwendete Version zur Verfügung gestanden.
Dieses Beispiel verdeutlicht, wie falsch interpretierte Informationen und daraus entstehende Schlussfolgerungen die öffentliche Meinung beeinflussen können.
Schlagzeilen von Boulevardzeitungen
- Angeber-Wessi mit Bierflasche erschlagen-ganz Bernau ist glücklich' „Dichtkunst“ der inzwischen eingestellten „Super!Zeitung“, deren Redaktionsteam zu Focus wechselte.
- "Roßmann Mord: Das ist der Killer" Schlagzeile mit großem Bild eines Mannes, dessen Augen von einem Balken verdeckt werden - Berliner Kurier vom 6. März 2006 zur Festnahme eines nicht verurteilten Verdächtigen
- "1. Katze mit Vogelgrippe - das Maunzen wird zur Todessirene" BZ am 1. März 2006
- "Die Sexbestie hat mein Leben zerstört - Zum ersten mal spricht sein Opfer - ohne Scham und ohne Vergebung" BZ am 15. März 2006
Boulevardmagazine in Rundfunk und Fernsehen
In Rundfunk und Fernsehen werden Boulevardthemen in Magazinsendungen ausgestrahlt. Politik wird eher zum Randthema, Alltagskatastrophen wie Unfälle und Verbrechen, Mode, Prominente und Konsumgüter bestimmen je nach individuellem Magazinschwerpunkt die Themen. Schwerpunkt in vielen Sendungen ist das Leben von Prominenten. Sogenannte B- und C-Prominente werden häufig erwähnt, oft hat es den Anschein, das es eine Art symbiotischer Beziehung gibt zwischen den Magazinen und den „Sternchen“. Für die Magazine bedeuten sie eine günstige Quelle für Berichterstattung, der Bekanntheitsgrad eigentlich eher unbedeutender Personen wird so gesteigert.
Sehr beliebt sind Interviews mit Opfern von Straftaten oder Unfällen und deren Angehörigen. Es kommt oft zu Umfeldbesichtigungen von Opfern und Tätern mit Kamerateams/Reportern an deren Wohnorten oder Arbeitsstätten. Häufig werden Nachbarn, Verwandte oder Arbeitskollegen befragt über die Gewohnheiten und Eigenheiten der Zielpersonen.
Die Kameraführung erfolgt meist von Hand, so das unruhige Bilder den Eindruck von Authenzität erwecken, viele Zuschauer fühlen sich so in das Geschehen mit einbezogen, ähnlich der Machart von Pseudo-Dokus und Reality TV.
Positiver Effekt der großen Verbreitung und Vereinfachung
Durch ihren Einfluss auf die Auswahl der in der Öffentlichkeit behandelten Themen können auch Boulevardmedien auf Skandale aufmerksam machen und so dazu beitragen, das Missstände aufgedeckt werden und sich für die Verbraucher dauerhafte Verbesserungen einstellen. Hier kommt den Massenmedien allgemein ein große Bedeutung zu, etwa bei Lebensmittelskandalen. Eine große Aufmerksamkeit in der Bevölkerung kann Politiker veranlassen, sich verschärft um bestimmte Bereiche zu kümmern. Das was oft sehr stark kritisiert wird, die Einflussnahme auf die Gesellschaft durch Manipulation und die Vorgabe von Themen, kann in Einzelfällen auch zum Nutzen der Allgemeinheit sein.
Ein finanzkräftiger Hintergrund ermöglicht ein weites Netz an Mitarbeitern in vielen Bereichen (Korrespondenten), die wichtige Neuigkeiten schnell verbreiten können, bevor dies über Nachrichtenagenturen geschieht, die kleinere Zeitungen Versorgen.
Eine überregionale auflagenstarke Zeitung kann in Fällen von Lebensmittelskandalen schnell viele Menschen erreichen. Auch kann der auf meist auf Schlagwortes begrenzte Informationsumfang durchaus bei komplexen Themen helfen, zumindest eine Idee davon zu bekommen, worum es geht, wenn die Kernpunkte des Themas im „Schlagwortkatalog“ der Zeitungsmacher auftauchen, was oft nicht der Fall ist.
Komplexe Themen, die wortkarg, aber stark emotionalisierend dargeboten werden, können dem Leser bei einem nicht erfolgtem Hinterfragen des Inhalts schnell zu Fehlschlüssen und einer einseitigen Sicht führen, viele Boulevardkonsumenten wollen ohnehin weniger hintergründig informiert als vor allem unterhalten werden, daher ist bei dieser Gruppe das Risiko von einseitiger Informiertheit groß, wenn keine anderen Medien als Boulevardmedien genutzt werden. Andererseits kann in bestimmten Fällen die schlagzeilenorientierte Gestaltung bei Skandalen evtl. einen aufrüttelnden Charakter haben. Aber hier ist das Risiko von “Überreaktionen” eben durch die emotionalisierende Sprache in Verbindung mit einer geringen Informationsdichte gegeben.
Bestimmte Themenbereiche wie z. B. Gesundheitsheinweise, die viele Menschen bestimmter Bildungsgruppen evtl. nicht erreichen würden, können durch Boulevardmedien große Verbreitung finden, durch die vereinfachte Sprache werden sie leicht verständlich und somit leicht aufnehmbar. Auf der anderen Seite werden häufig bestimmte Heilmethoden als Wundermittel nahezu ohne "Fehlerquote" dargestellt, so das Fehlerwartungen geweckt werden können.
Spendensammelaktionen beispielsweise für Katastrophenopfer können ein Erfolg werden, wenn auflagenstarke Medien zum Spenden aufrufen. Auch bei der Hilfe von kranken Menschen wie z.B. bei der Suche nach Spendern von Knochenmark für an Leukämie Erkrankte kann eine die emotionalisierende Wirkung der Texte und Schlagzeilen durch Mitleid und Mitgefühl bei den Konsumenten aufrütteln und zu Taten bewegen.
Allerdings kann bei gleich großer Leserzahl kleinerer Zeitungen eine gleich große Anzahl von Menschen erreicht werden, gegebenenfalls erfolgt hier die Information etwas Zeitversetzt.
Fazit
Konsumenten, die Boulevardmedien als einzige Informationsquelle nutzen, laufen Gefahr, sehr einseitig und lückenhaft Informiert zu werden. Besonders, wenn dass konsumierte nicht hinterfragt wird und kein Bewußtsein darüber besteht, das es sich um ein Unterhaltungsmedium handelt und die Sprache gezielt Emotionen erzeugen soll.
Das Auswahlkriterium für die meisten Meldungen ist nicht der Informationsgehalt, die Auswahl erfolgt unter dem Gesichtspunkt der Emotionen, die damit erzeugt werden können und damit dem Unterhaltungswert. Wer anstelle an einer Abonnementszeitung eine Boulevardzeitung liest, wird in vielen wichtigen Bereichen nur bruchstückhaft Informiert, wenn zu bestimmten unspektakulären Themen, die anderswo behandelt werden, überhaupt eine Erwähnung erfolgt. Die emotionale Art der Berichterstattung verleitet eventuell dazu, eine einseitige Sicht einzunehmen, weil von den Fakten dadurch abgelenkt werden kann.
Große Verbreitung verleitet Macht, weil so Themen in der Öffentlichkeit „produziert“ werden können und genauso ausgelassen werden können, und das macht eine einseitige Information und somit das Wegbleiben von Meinungsvielfalt wahrscheinlich.
Boulevardmedien sind also in erster Linie zur Unterhaltung geeignet, da es vor allem um die Ansprache von Emotionen geht, Informationen werden erst dann gehaltvoll, wenn eine möglichst sachliche Auswahl der Themen und eine sachliche Darstellung vorliegt. Die Nutzung möglichst vieler unterschiedlicher Medien von verschiedenen Verlagen, die bemüht sind, möglichst viele Facetten und Hintergründe eines Themas aufzuzeigen, erhöht den Grad an sachlicher Informiertheit (siehe hierzu: Informativer Journalismus, Investigativer Journalismus, Interpretativer Journalismus).
Letztlich ist keine Zeitung und Sendung mit gutem Ruf vor Fehlern, einseitiger Berichterstattung und falschen Meldungen gefeit. Das Prinzip der "Emotionalisierung" und Verknappung, nach dem Boulevardmedien produziert werden, reduziert die Informationsqualität in den meisten Fällen jedoch besonders stark.
Zitate
- Tierfreunde lesen am liebsten Boulevardzeitungen. Der vielen Enten wegen. - Markus M. Ronner, Markus M. Ronner Zitate-Lexikon
- Darum können Zeitungen so sehr schaden, weil sie den Geist so unsäglich dezentrieren, recht eigentlich zerstreuen. - Christian Morgenstern, Stufen
- "Ein Mensch, der gar nichts liest, ist besser informiert als derjenige, der nur Zeitung liest." - Lee Iacocca, Mein amerikanischer Traum
- "Die Springerische Machtballung ist zu einem zentralen Problem der Republik geworden." (Golo Mann)
- So häufig wie keine andere deutsche Zeitung rügte der deutsche Presserat Bild, unter anderem, weil es ein angebliches Interview mit dem rheinischen CDU Vorsitzenden Heinrich Löppler veröffentlichte, das kein Bild Mitarbeiter je geführt hatte. (Zitat aus „Massenmedien in Deutschland“ von Hermann Meyn, Neuauflage 1994 )
- "Sie haben Menschenleben auf dem Gewissen, ich habe Abschiedsbriefe von Bild-Opfern, die sich nach Rufmord-Geschichten, im wortwörtlichen Sinne wurde hier Rufmord betrieben, die sich dann das Leben genommen haben und Bild in Abschiedsbriefen dafür verantwortlich machten. Ich bin sicher, es gibt viel viel mehr solcher Fälle, die man nie erfährt, weil es Menschen sind, die nicht dann noch nen Abschiedsbrief hinterlassen.“ (Günter Wallraff)
- "Hier gibt es keine Zeitung, die so viel Positives in Bewegung bringt wie die Bild-Zeitung...der einfache Mann kriegt nur recht durch Bild. Wir sammeln Spendenbeträge für Gemeinnützige Zwecke. Das ist gigantisch. ....Für die deutsche Krebshilfe hat Bild gewaltiges geleistet." Axel Cäsar Springer wird so zitiert in „Massenmedien in Deutschland“, das gesagte sei einem Interview im Stern Nr. 46 vom 5. November 1981 entnommen.
Beispiele für Boulevardmedien
Fernsehsendungen
- Blitz (SAT1)
- Brisant (MDR)
- Explosiv (RTL)
- Exclusiv (RTL)
- Leute heute (ZDF)
- SAM (ProSieben)
- Taff (ProSieben)
Zeitungen
Deutscher Sprachraum
- Abendzeitung (D) (Verlag DIE ABENDZEITUNG)
- B.Z. (Berlin) Springerverlag
- Berliner Kurier (D) (Berliner Verlag, Teil der BV Deutsche Zeitungsholding,)
- Bild (D) Springerverlag
- Blick (CH) (Ringier AG)
- Express (Köln, Bonn, Düsseldorf) (M. DuMont Schauberg Verlag)
- Heute (Wien) Kostenlos (AHW Verlags GmbH.)
- Kronen Zeitung (A)
- MOPO (Hamburg) (BV Deutsche Zeitungsholding,)
- tz (München) (München) (Münchener Zeitungs-Verlag GmbH)
Englischer Sprachraum
- The National Enquirer (USA)
- The New York Daily News (USA)
- The Sun (GB)
Literatur
- Hermann Meyn „Massenmedien in Deutschland“ Konstanz 2001 (ISBN 3-89663-299-2) und die Auflage von 1994 (ISBN 3-89166-973-9)
- Neil Postman Wir amüsieren uns zu Tode. Urteilsbildung im Zeitalter der Unterhaltungsindustrie. Erstausgabe 1985 ISBN: 3100624076
- Dieter Prokop Medien-Macht und Massen-Wirkung (ISBN 3-7930-9115-5) Freiburg im Breisgau 1995
- Günter Wallraff: Der Aufmacher. Der Mann, der bei BILD Hans Esser war, Erstauflage 1977 (ISBN 3-46202-663-1)
- Jürgen Alberts: Massenpresse als Ideologiefabrik. Am Beispiel "BILD", Frankfurt am Main 1972 (ISBN 3-8072-4059-4)
- Annamaria Rucktäschel (Hrsg.), Sprache und Gesellschaft, München 1987 (ISBN 3-77050-639-1)
- Urs Jaeggi: Macht und Herrschaft in der BRD; Neufassung unter Kapital und Arbeit in der Bundesrepublik, Frankfurt am Main 1973 (ISBN 3-436-01685-3)
- Bernd Jansen (Hrsg.): Imperium Springer. Macht und Manipulation., Köln 1968
Siehe auch
Illustrierte | Ehrenkodex für die österreichische Presse | Presse | Zeitungsente , Funktionen der Massenmedien
Beispiele für Falschmeldungen
- tz (München)
- Spiegel.de – Fehlinterpretiertes BILDzeitungsfoto, das Trittin in Nähe von Gewalttätern rückt
Weblinks
- Uni-Trier.de Übersicht über Stilmittel der Boulevardpresse
- Boulevardberichterstattung: Die Glas-Menagerie
- bildblog.de Aktuelle Falschmeldungen der Bildzeitung
- Sehr ausführlicher Text zu der Berichterstattung der Boulevardmedien über den Afghanistankrieg
- Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten -Schweizer Presserat
- Mediawatch.de nicht mehr aktualisierte Ansammlung von Boulevard-Themen