Vorläufiges Gesetz und Zweites Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich
Das Vorläufige Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich vom 31. März 1933 (RGBl. I S. 153) war das erste Gesetz zur „Gleichschaltung“ der Länder des Deutschen Reichs durch die NSDAP.
Historische Tendenzen
Bis 1918 besaßen die deutschen Kommunen eine weitgehende Autonomie, vergleichbar wie in der Schweiz oder in französischen Gemeinden noch heute. In Deutschland erfolgte ein erster folgenschwerer Eingriff in die Selbstbestimmung der Länder und Gemeinden im Zuge der Erzbergerschen Reform.[1] Am 12. August 1919 informierte Reichsminister der Finanzen Erzberger die Delegierten der Nationalversammlung über die neuen Strukturen folgendermaßen:
„Ich bin mir klar darüber und will auch Klarheit schaffen: Die Durchführung der reichseigenen Steuerorganisation wird den größten Schritt zum Aufbau des deutschen nationalen Einheitsstaates darstellen.“[2]
Mit dem Landessteuergesetz vom 30. März 1920, der erstmaligen Aufnahme einer besonderen Finanzausgleichsgesetzgebung, verloren die Länder und Gemeinden ihre finanzielle Unabhängigkeit.[3] Formal blieben zwar weit über 30 unterschiedliche Städte- und Gemeindeordnungen bestehen, jedoch erarbeiteten nahezu alle Parteien während der Weimarer Republik Konzepte zur Errichtung eines Einheitsstaates. Weite Teile der SPD, darüber hinaus der Linken insgesamt und selbstredend mehrere rechte Parteien, waren überzeugte Unitaristen. Hingegen blieben einige rechtsgerichtete, konservative Parteien ausgesprochene Föderalisten.[4] Insbesondere Parteien wie die USPD oder KPD strebten genauso wie die NSDAP eine Alleinherrschaft an, in der Pluralismus keinen Platz mehr einnehmen sollte.
Der Auftakt zur endgültigen Unterminierung des Föderalismus erfolgte am 20. Juli 1932 durch den sogenannten Preußenschlag. Dieser Staatsstreich der Reichsregierung gegen den Freistaat Preußen ist deshalb umso gravierender gewesen, weil Preußen das größte Land der Weimarer Republik war und Zweidrittel des Reichsterritoriums sowie Dreifünftel der Reichsbevölkerung umfasste. Die Entwicklung blieb nicht ohne Wirkung auf kleinere Länder.[5]
Der Begriff Gleichschaltung erfuhr im Folgenden eine Ausweitung und wurde in die nationalsozialistische Terminologie übernommen. Er fand bei den Nationalsozialisten Anwendung auf verschiedene Maßnahmen und Schritte, mit denen beispielsweise Institutionen oder Organisationen in das neue Herrschaftsprinzip „eingepasst“ wurden oder sich gegenüber der neuen Macht teilweise auch gleich selbst „gleichschalteten“.[6]
Gesetzliche Umsetzung
Bereits zwei Monate nach der Machtergreifung der NSDAP trat am 31. März 1933 das von der Mehrheit der noch im Reichstag vertretenen Parteien mitgetragene und vom Reichspräsidenten Paul von Hindenburg bewilligte „vorläufige Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich“ in Kraft. Damit wurden die Landtage aufgelöst und auf Basis der Stimmenzahl der Reichstagswahl vom 5. März 1933 im jeweiligen Land neu gebildet, wobei die Nationalsozialisten in den meisten Länderparlamenten ohnehin bereits die absolute Mehrheit besaßen.
Mit dem Zweiten Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich vom 7. April 1933 erfolgte die Etablierung der Reichsstatthalter. Diese erhielten u. a. die Befugnis, Vorsitzende der Landesregierung zu ernennen oder zu entlassen sowie Landtage durch Neuwahlen aufzulösen. Im Dezember 1933 folgte als Erstes im Freistaat Preußen ein einheitliches Gemeindeverfassungsgesetz, das alle bisher gültigen Städteordnungen und Landgemeindeordnungen aufhob.
Am 30. Januar 1934 wurde im Reichstag das Gesetz über den Neuaufbau des Reiches beschlossen und ebenfalls von Hindenburg bewilligt. Die bisherige Existenz der Länder verlor damit ihre Bedeutung; dieses Gesetz übertrug alle Rechte der Länder auf die Reichsregierung und machte sie zum Landesverfassungsgeber. Damit war die Gleichschaltung der Länder abgeschlossen.
Weblinks
- Kommentierter Gesetzestext bei verfassungen.de
- Vorläufiges Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich vom 31. März 1933
- Zweites Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich vom 7. April 1933
Einzelnachweise
- ↑ Wolfgang Benz: Süddeutschland in der Weimarer Republik: Ein Beitrag zur deutschen Innenpolitik 1918–1923. Duncker & Humblot, 1970, S. 185 ff.
- ↑ ebd.
- ↑ Joe Weingarten: Einkommensteuer und Einkommensteuerverwaltung in Deutschland: Ein historischer und verwaltungswissenschaftlicher Überblick. Springer-Verlag, 2013, S. 133.
- ↑ Eberhard Kolb: Friedrich Ebert als Reichspräsident: Amtsführung und Amtsverständnis. Walter de Gruyter, 1997, S. 21 ff.
- ↑ Horst Möller: Regionalbanken im Dritten Reich. Walter de Gruyter, 2015, S. 25.
- ↑ Kurt Pätzold: Enzyklopädie des Nationalsozialismus. Klett-Cotta, 1997, S. 490.