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Tollwut

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Tollwut ist eine Virusinfektion, die bei Tieren und Menschen eine akute lebensbedrohliche Encephalitis (Gehirnentzündung) verursacht. Es kann die meisten Arten warmblütiger Tiere betreffen, ist aber unter Nicht-Fleischfressern selten. Das stereotypische Bild eines angesteckten ("tollwütigen") Tieres ist der "verrückte Hund" mit Schaum vor dem Mund, aber auch Katzen, Frettchen, Füchse, Dachse, Waschbären, Backenhörnchen, Stinktiere, und Fledermäuse können tollwütig werden. Eichhörnchen, andere Nagetiere und Kaninchen werden sehr selten angesteckt. Vögel bekommen sehr selten eine Tollwut, da ihre Körpertemperatur höher liegt als es für eine optimale Vermehrung des Virus notwendig ist. Tollwut kann sich auch in einer so genannten "paralytischen" Form zeigen, bei welcher sich das angesteckte Tier unnatürlich ruhig und zurückgezogen verhält.

Bei Menschen verläuft eine unbehandelte Tollwut fast immer tödlich. Zwischen 40 000 und 70 000 Menschen sterben jährlich an Tollwut, am meisten in Asien (80% lt. Ärzte Zeitung vom 30.04.2003) und Afrika, wo Tollwut endemisch ist. Die Hälfte der Todesfälle weltweit betrifft Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren (Quelle: Ärzte Zeitung vom 30.04.2003). Ungefähr 10 Millionen Menschen werden jährlich behandelt nach einem Verdacht, sich der Tollwut ausgesetzt zu haben. [1]

Tollwut wird durch einen "Lyssavirus" verursacht. Das Tollwut-Virus gehört zu der Gruppe der zylindrisch geformten RNA-Viren, der so genannten Rhabdo-Viren. Diese Gruppe von Viren umfasst das üblicherweise mit dieser Krankheit assoziierte Tollwut-Virus, das australische Fledermaus-Lyssavirus, das Duvenhage-Virus, zwei europäische Fledermaus-Lyssaviren, das Lagos-Fledermausvirus, sowie das Mokola-Virus. Viren haben üblicherweise entweder eine spiralenförmige oder kubische Symmetrie. Dabei haben Lyssaviren eine spiralenförmige Symmetrie, d.h. ihre ansteckenden Partikeln haben ungefähr zylindrische Gestalt. Dies ist eigentlich für Viren typisch, die Pflanzen befallen. Menschen befallende Viren haben im Allgemeinen eher Kubiksymmetrie und nehmen Gestalten an, die regelmäßigen Polyedern nahe kommen.

Übertragung und Symptome

Das Virus ist gewöhnlich im Speichel eines symptomatisch tollwütigen Tieres gegenwärtig; der Weg der Infektion führt fast immer über einen Biss. Dadurch, dass es das angesteckte Tier veranlasst, außergewöhnlich aggressiv zu sein, sichert sich das Virus seine Übertragung auf den nachfolgenden Wirt. In vitro ist eine Übertragung durch Schleimhäute vorgekommen; eine Übertragung in dieser Form kann bei Leuten vorgekommen sein, die von wilden Fledermäusen bevölkerte Höhlen erforschen. Die Übertragung von einer Person zur anderen ist, außer bei der Hornhautverpflanzungschirurgie nicht beobachtet worden.

Nach der Infektion eines Menschen durch den Biss eines Tieres geht das Virus typischerweise direkt oder indirekt ins periphere Nervensystem ein. Es reist daraufhin entlang der Nerven zum Zentralnervensystem. Während dieser Phase kann das Virus innerhalb des Wirtes nicht leicht entdeckt werden, und eine Impfung kann noch zellvermittelte Immunität zuteilen, um symptomatische Tollwut zu verhindern. Sobald das Virus das Gehirn erreicht hat, verursacht es schnell eine Encephalitis (Gehirnentzündung), worauf dann die typischen Symptome erscheinen. Es kann auch das Rückenmark befallen, was sich in Myelitis (Rückenmarksentzündung) äußert.

Die Periode zwischen der Infektion und den ersten grippe-artigen Symptomen kann bis zu zwei Jahre dauern, normalerweise sind es jedoch 3-12 Wochen. Bald danach steigern sich die Symptome zur Gehirnfunktionsstörung, zu Angst, Verwirrung, Aufregung, weiter fortschreitend zum Delirium, zu anormalem Verhalten, Halluzinationen, und Schlaflosigkeit. Die Produktion großer Mengen Speichels und Tränen, verbunden mit einer Unfähigkeit zu sprechen oder zu schlucken, ist während späterer Phasen der Krankheit typisch; dies ist als "Hydrophobie" bekannt. Fast immer tritt 2-10 Tage nach den ersten Symptomen der Tod ein; die Handvoll Leute, die bekannt sind, die Krankheit überlebt zu haben, haben schwerste Gehirnschäden davongetragen.

Vorbeugung

Es gibt kein bekanntes Heilmittel gegen Tollwut, sie kann jedoch durch rechtzeitige Impfung verhindert werden. Die Tollwut verdammte ursprünglich jeden, der sie bekommen hatte, zum Tode, bis Louis Pasteur 1886 die erste Tollwut-Impfung entwickelte und gebrauchte, um das Leben von Joey Meister zu retten, der durch einen tollwütigen Hund gebissen worden war. Heutige Impfstoffe sind relativ schmerzlos und werden in den Arm, ähnlich wie eine Grippe- oder Wundstarrkrampf-Impfstoff verabreicht.

Die Behandlung nach dem Kontakt (bekannt als Postexposionsprophylaxe oder "PEP") ist sehr erfolgreich im Verhindern der Krankheit, wenn unverzüglich angewandt. In den Vereinigten Staaten Amerikas besteht die Behandlung aus der Verabreichung einer Dosis Immunoglobulin und fünf Dosen eines Tollwut-Impfstoffs im Laufe eines 28-tägigen Zeitraums. Tollwut-Immunoglobulin, sowie die erste Dosis des Tollwut-Impfstoffs sollte so bald wie möglich nach dem Kontakt, mit zusätzlichen Dosen an den Tagen 3, 7, 14, und 28 nach der ersten gegeben werden.

Im Falle eines Tierbisses ist es auch hilfreich durch gründliches Waschen so viel infektiöses Material wie möglich zu entfernen.

Verbreitung

In Deutschland zeigt die Bekämpfung der Tollwut große Erfolge. Während noch im Jahr 1980 insgesamt 6800 Fälle gemeldet wurden, waren es im Jahr 1991 noch 3500, im Jahr 1995 nur 855 und im Jahr 2001 noch 39 gemeldete Fälle. Am stärksten von der Tollwut befallen und gleichzeitig Hauptüberträger ist der Fuchs der 77 % aller gemeldeten Fälle im Jahr 1989 ausmachte. Die zweitgrößte Gruppe sind mit 8 % die Rinder, die vom befallenen Fuchs gebissen und so infiziert werden.

Zur Bekämpfung der Tollwut werden in den letzten Jahren so genannte Impfköder entweder von Jagdausübungsberechtigten ausgebracht oder, wie in einzelnen Bundesländern, großflächig aus Flugzeugen abgeworfen. Die scharfe Bejagung des Fuchses und damit seine Reduzierung haben auch zum Rückgang der Tollwut beigetragen.

In Großbritannien trugen Hundelizenzen, Vernichtung von Straßenhunden, Maulkorbpflicht und andere Maßnahmen zur Ausrottung der Tollwut am Anfang des 20. Jahrhunderts bei. In letzter Zeit ist auch die großangelegte Impfung von Katzen, Hunden und Frettchen in einigen Industrieländern bei der Bekämpfung von Tollwut erfolgreich gewesen.

Das Tollwut-Virus überlebt in weiträumigen, abwechslungsreichen, ländlichen Tierwelt-Reservoiren. Die obligatorische Impfung von Tieren ist in ländlichen Gebieten weniger wirksam. Besonders in Entwicklungsländern ist es möglich, dass Tiere nicht in Privatbesitz sind, und ihre Vernichtung kann unakzeptabel sein. Schluck-Impfstoffe können in Ködern sicher verteilt werden, und genau dies hat Tollwut in ländlichen Gebieten Frankreichs, Ontarios, Texas, Floridas und anderswo erfolgreich zusammenschrumpfen lassen. Impfkampagnen können jedoch teuer sein, und eine Kosten-Nutzen-Analyse kann die Verantwortlichen dazu bringen, sich für Bestimmungen zur bloßen Eindämmung, statt zur völligen Beseitigung der Krankheit zu entscheiden.

Tollwut ist in vielen Teilen der Welt endemisch, und einer der Gründe für Quarantänezeiten im internationalen Tiertransport war zu versuchen, die Krankheit aus unverseuchten Gebieten herauszuhalten. Inzwischen erlauben jedoch viele Industriestaaten, allen voran Schweden, Haustieren unbeschwertes Reisen zwischen den Territorien zu ermöglichen, sofern die Tiere durch eine entsprechende Abwehrreaktion vorweisen können, gegen Tollwut geimpft worden zu sein.

Seit der Entwicklung von wirksamen Impfstoffen für Menschen und Immunoglobulin-Behandlungen ist die Zahl der Todesopfer der Tollwut in den USA von 100 oder mehr pro Jahr am Anfang des 20. Jahrhunderts, auf 1-2 pro Jahr gefallen, die größtenteils von Fledermaus-Bissen herrühren.

Australien ist einer von den wenigen Teilen der Welt, wo Tollwut nie eingeschleppt worden ist. Jedoch kommt das australische Fledermaus-Lyssavirus natürlicherweise sowohl bei insektenfressenden als auch bei fruchtfressenden Fledermäusen (Flugfüchsen) der meisten Festland-Staaten vor. Wissenschaftler glauben, dass das Virus in Fledermaus-Bevölkerungen überall in der Reihe von Flugfüchsen Australiens gegenwärtig ist.

Von Großbritannien, das strenge Regulierungen auf der Einfuhr von Tieren hat, wurde angenommen, dass es von der Tollwut völlig frei sei, bis 1996, als eine einzelne Daubenton-Fledermaus entdeckt wurde, die mit einem tollwutartigen Virus angesteckt war, das gewöhnlich nur bei Fledermäusen vorkommt - dem europäischen Fledermaus-Lyssavirus 2 (EBL2). Es gab keine weiteren bekannten Fälle bis September 2002, als in Lancashire eine weitere Daubenton-Fledermaus positiv auf EBL2 getestet wurde. Ein Fledermaus-Schützer, der von der angesteckten Fledermaus gebissen wurde, erhielt eine Postexposionsbehandlung, woraufhin er nicht an Tollwut erkrankte.

Im November 2002 wurde David McRae, ein Fledermaus-Schützer aus Guthrie, Angus, Schottland, der, wie man glaubte, von einer Fledermaus gebissen worden war, die erste Person, die in Großbritannien seit 1902 an Tollwut verschied. Er starb an der Krankheit am 24. November 2002.