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Doppelte Verneinung

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Die doppelte Verneinung ist eine rhetorische Figur, die in vielen Sprachen eine Bekräftigung der Verneinung darstellt. In der deutschen Sprache (auch in der Umgangssprache) ist sie (außer in Dialekten) praktisch verschwunden und wird als komisch verstanden oder kann den Redner sogar als ungebildet erscheinen lassen. In anderen Sprachen stellt sie gegebenenfalls die normale grammatische Form der Verneinung dar oder ist eine normale Möglichkeit der Verneinung. Durch Einfluss der Logik (siehe auch: Negation) bedeutet heute doppelte Verneinung in logischer Hinsicht oft Bejahung.

Doppelte Verneinung in Hochdeutsch als Verneinung

Heute sind Formen wie:

  • Das macht kein Mensch nicht.
  • Ich kenne niemand nicht.

im Hochdeutschen veraltet und werden nicht mehr verwendet, außer zur besonderen Charakterisierung eines Sprechers in wörtlicher Rede.

Verwendet wird noch die Redewendung Nie und nimmer nicht:

  • Das machst du nie und nimmer nicht. (Verstärkung der Verneinung oder äußerster Zweifel an einer Ankündigung, logisch müsste es bedeuten: das machst du immerzu und unterlässt es niemals.)
  • Nie und nimmer nicht wäre ich auf diese Idee gekommen.

Doppelte Verneinung bei Fragen

Es gibt eine Regel: Fragen sollte man möglichst positiv formulieren. Antworten auf negativ formulierte Fragen sind oft mehrdeutig oder schlecht zu verstehen.

  • Kommst du mit?

ist eine klare Frage.

  • Kommst du nicht mit?

ist nicht das Gegenteil dieser Frage, sondern hat zusätzliche Konnotationen, wie zum Beispiel eine vorhergehende Vermutung oder Unterstellung, der Angeredete werde ja sowieso nicht mitkommen. Die Antwort mit „Ja“ oder „Nein“ ist auch nicht ohne weiteres möglich, da sie missverstanden werden kann. „Nein!“ würde von der Logik her bedeuten: „Ich komme mit.“ In der Umgangssprache heißt das aber: „Ich komme nicht mit.“ „Ja, ich komme nicht mit!“ wäre die logisch korrekte Antwort, die man geben müsste, doch sie ist nicht üblich. Die übliche Antwort lautet: „Nein, ich komme nicht mit!“ Die bejahende Antwort heißt dagegen: „Doch, ich komme mit.“

Doppelte Verneinung in Dialekten

In oberdeutschen Dialekten ist die doppelte Verneinung teilweise Standard.

  • Des macht kaa Mensch net.

Im Plattdeutschen wird die doppelte Verneinung angewendet, wenn etwas Positives zum Ausdruck kommt.

  • Un daarüm kann daar keen Minsch nich in versupen.
  • Dat will ick för keen Geld nich.

Doppelte Verneinung in Fremdsprachen

Englisch

In der englischen Sprache ist es ähnlich wie in der deutschen.

I haven't seen nothing

könnte heißen:

Ich habe nicht nichts gesehen,

aber auch (logisch)

Ich habe etwas gesehen.

Deshalb sagt man:

I haven't seen anything.

In der Umgangssprache und in Liedern ist die doppelte Verneinung häufig vorhanden. Beispiel:

I don't feel nothin’

heißt:

Ich fühle nichts. (Ich fühle rein gar nichts.)

Ebenso: I can't get no satisfaction (Ich kann nicht genug bekommen.).

Französisch

Auch im Französischen ist die doppelte Verneinung anscheinend allgegenwärtig:

Je ne vais nulle part.

Wörtliche Übersetzung:

Ich gehe nicht nirgendwo hin.

Bedeutung:

Ich gehe nirgendwo hin.

Dies liegt an der besonderen Struktur der Grammatik, bei der die gewöhnliche Verneinung bereits aus zwei Schlüsselwörtern (ne ... pas) besteht. Es gibt aber auch Konstruktionen von verwirrender Schönheit:

Je ne veux pas que tu ne viennes.

Wörtliche Übersetzung:

Ich will nicht, dass du nicht kommst.

Bedeutung:

Ich will nicht, dass du kommst.

Im Lateinischen bedeutet eine doppelte Verneinung grundsatzlich eine verstärkte Bejahung.

scire = wissen

nescire = nicht wissen.

non nescire = (sehr) gut wissen

Russisch

Auch in Russisch ist die doppelte Verneinung der gewöhnliche Ausdruck der Verneinung und muss verwendet werden.

Я никуда не иду
(Ja nikuda ne idu)

wörtlich:

Ich nirgendwohin nicht gehe.

Bedeutung:

Ich gehe nirgendwohin.

Serbisch

Im Serbischen erfordert die grammatisch korrekte Form die doppelte Verneinung.


Slowenisch

In Slowenisch ist - wie in vielen anderen slawischen Sprachen - die doppelte Verneinung eine korrekte Form, kann aber manchmal zu Mehrdeutigkeiten führen, ob das Positive oder das Negative gemeint sei.

  • Ich kenne niemanden.

heißt slowenisch:

  • Ne poznam nikogar.

Spanisch

Im Spanischen wird die doppelte Verneinung gebraucht:

No he visto nada

wörtlich:

Nicht-ich-habe gesehen nichts.

Bedeutung:

Ich habe nichts gesehen.

Italienisch

Im Italienischen ist die doppelte Verneinung oft zwingend:

Non ho visto niente/nulla

wörtlich:

Nicht ich habe gesehen nichts.

Bedeutung:

Ich habe nichts gesehen.

Bejahung

Durch den Einfluss der Logik wird in der standarddeutschen Sprache heute doppelte Verneinung in logischer Form aufgefasst, oft in mehrwertiger Logik:

  • Ich bin nicht unglücklich. heißt: Unglücklich bin ich nicht, aber auch nicht glücklich.
  • Ich komme bestimmt nicht unpünktlich. heißt: Ich komme pünktlich.

Dieser Effekt wird auch durch das Stilmittel Litotes beschrieben.

Verwirrung

Manchmal wird die doppelte Verneinung auch zur Verwirrung und wegen des komischen Effektes verwendet:

  • Das ist nicht undumm.

Dieser Effekt wird auch durch das Stilmittel Litotes beschrieben.

Anwendungsbeispiele (Zitate)

Paragraph §118 BGB zur Scherzerklärung enthält fünf in verschiedener Weise aufeinander bezogene Verneinungen, so dass er den meisten Lesern nur nach längerem Überlegen verständlich werden dürfte: Eine nicht ernstlich gemeinte Willenserklärung, die in der Erwartung abgegeben wird, der Mangel der Ernstlichkeit werde nicht verkannt werden, ist nichtig. (Verneinungen: nicht, Mangel, nicht, verkannt, nichtig)

Die Welt.de (Donnerstag, 19. August 2004 Berlin, SPD-Fraktion sagt Ja zu Hartz IV): „Aus Sicht der SPD-Fraktion muss vermieden werden, dass öffentlich geförderte Beschäftigung keine Jobs im ersten Arbeitsmarkt verdrängen soll.“ Das bedeutet ohne doppelte Verneinung: „Aus Sicht der SPD-Fraktion soll erreicht werden, dass öffentlich geförderte Beschäftigung Jobs im ersten Arbeitsmarkt verdrängen soll,“ ist aber nicht so gemeint.

Siehe auch: Negation