Sellerhausen



Sellerhausen ist ein Stadtteil von Leipzig. Er liegt etwa 3 km östlich des Stadtzentrums.
Geschichte
Die Siedlungsgeschichte von Sellerhausen reicht bis in das 9. Jahrhundert zurück, als es im Zuge der altsorbischen Landnahme in den fruchtbaren Auen des Baches Rietzschke angelegt wurde. Nach 1136 kam es zur Ansiedlung deutscher Bauern, die das einstige Rundlingsdorf in ein Doppel-Sackgassendorf umgestalteten. Die erste urkundliche Erwähnung als „Selderoysen“ (von seld(n)er mhd. Bewohner, Hintersasse) stammt aus dem Jahr 1335. Die Entwicklung des Siedlungsnamens verlief in der Folge über „Selderhase“/„Seldershase“ (1378), „Selderhasen“ (1434), „Selderhusen“ (1438) und „Seldenhaußen“ (1482), bis sich schließlich um 1700 die heutige Bezeichnung einbürgerte.
1525 wurde Sellerhausen, das zum damaligen Zeitpunkt 50 Höfe zählte,[1] zusammen mit Reudnitz und Tutschendorf sowie Stünz, Anger und Crottendorf an den Rat der Stadt Leipzig verkauft. Während des Dreißigjährigen Kriegs wurde das Dorf am 18. Juli 1636 niedergebrannt.
Auch während der Völkerschlacht im Oktober 1813 hatte die Bevölkerung zu leiden. Sellerhausen gehörte zu den am umkämpftesten Punkten des nördlichen Schlachtfelds. Es wurde zunächst von französischen Truppen unter Marschall Ney besetzt und anschließend vom Korps Bülow erstürmt. An die Ereignisse des Jahres 1813 erinnern heute der Apelstein Nr. 41, der im Volksgarten an der Torgauer Straße errichtet wurde, sowie der erst 1994 errichtete Apelstein Nr. 48 auf dem Friedhof von Sellerhausen. Die durch die Schlacht angerichteten Schäden wurden rasch wieder beseitigt, so dass der Ort bereits 1814 wieder 180 Einwohner zählte, die in 18 Häusern lebten. 1830 wurde auf dem heutigen Kirchplatz ein Friedhof eingeweiht, der bis 1886 genutzt wurde.
Infolge der Einführung der sächsischen Landgemeindeordnung wurde 1839 auch in Sellerhausen ein Gemeindeamt geschaffen. Der Ort lag bis 1856 im kursächsischen bzw. königlich-sächsischen Kreisamt Leipzig.[2] Ab 1856 gehörte der Ort zum Gerichtsamt Leipzig I und ab 1875 zur Amtshauptmannschaft Leipzig.[3] 1865 errichtete der Gasbeleuchtungs-Aktien-Verein Reudnitz-Sellerhausen an der Wurzner Straße eine kleine Gasanstalt, die 1872 von der Thüringischen Gasgesellschaft erworben und in der Folge ausgebaut wurde. Ab 1875 kam es zur Ansiedlung verschiedener Industriebetriebe auf Sellerhäuser Flur (u. a. Maschinenfabrik Ernst Kirchner & Co. (1878), chemische Fabrik Dr. G. Langbein & Co. (später Langbein-Pfanhauser Werke), 1881), Mechanische Werkstatt G. Köllmann GmbH (später Köllmann-Werke AG, 1904). 1885 wurde ein neuer Friedhof an der Riesaer Straße angelegt, der noch heute genutzt wird.

Am 1. Januar 1890 wurde die 7200 Einwohner zählende Gemeinde nach Leipzig eingemeindet. In den Folgejahren setzte an der Wurzner Straße und deren Querstraßen die Bebauung mit viergeschossigen Wohnhäusern in geschlossener Bauweise ein. Dies hatte eine zunehmende Verstädterung und zugleich die Zurückdrängung der Landwirtschaft (Gemüseanbau zur Versorgung von Leipzig) zur Folge. 1892 wurde Sellerhausen aus der Kirchgemeinde Schönefeld ausgepfarrt und war fortan eine eigenständige Kirchgemeinde. Von 1898 bis 1900 wurde die Emmauskirche nach Plänen des Leipziger Architekten Paul Lange errichtet.
In der darauf folgenden Zeit war die Entwicklung Sellerhausens nicht nur administrativ mit der Entwicklung der Stadt Leipzig verbunden. Die landwirtschaftliche Prägung des alten Dorfkerns ging immer weiter zurück, war aber noch bis in die Jahre nach 1990 deutlich erkennbar. In der Gegend um die südlich der Wurzner Straße gelegene Dorfstraße – die heute „Zum Kleingartenpark“ heißt – war dies besonders stark erkennbar. Vielmehr prägte aber die Industrie in Sellerhausen – aber auch den Nachbarstadtteilen Schönefeld und Paunsdorf – zunehmend den Charakter dieses Stadtteils. Allerdings unterschied sich Sellerhausen durch seine Lage am Rande Leipzigs und die Anlage von Schrebergärten in den fruchtbaren Auen der Rietzschke von reinen innerstädtischen Wohngebieten.
In den Jahren nach der Wende änderte sich das Bild des Stadtteils sehr stark. Die Bevölkerungszahl und die Bedeutung des weder zum Umland noch zum Zentrum der Stadt gehörigen Stadtteils sank sehr stark. Der alte Kern an der Dorfstraße verlor durch Neubauten das bis dahin gut erkennbare Ortsbild eines Dorfes, zusätzlich wurde diese Straße in „Zum Kleingartenpark“ umbenannt. Ähnlich der Entwicklung zwischen Zentrum und Umland liegender Stadtteile vieler anderer deutscher und europäischer Großstädte wird die weitere Entwicklung von Sellerhausen in einem derzeit noch nicht erkennbaren Umfeld von Chancen und Risiken verlaufen.
Verkehr

Der Haltepunkt Leipzig-Sellerhausen liegt an der Bahnstrecke Leipzig–Dresden. Er wurde 1974 mit der Einführung des S-Bahn-Betriebes zwischen Leipzig und Wurzen in Betrieb genommen.
Die 1878 eröffnete »Zweite Verbindungsbahn« Leipzig Hbf–Connewitz führt über ein Viadukt von Nord nach Süd durch Sellerhausen. Erst ein Jahr nach der Einführung der S-Bahn in Leipzig 1969 erhielt Sellerhausen einen Haltepunkt. Letztgenannte Bahnstrecke und somit auch der Haltepunkt an dieser Strecke wurden im November 2012 stillgelegt und im Jahr 2014 abgebaut; der Haltepunkt an der Strecke Leipzig–Wurzen–Dresden wird hingegen weiterhin bedient, jedoch nur noch im Stundentakt von den Regionalzügen in Richtung Grimma. Obwohl die Züge der Linie S1 der S-Bahn Mitteldeutschland Sellerhausen über die Strecke Engelsdorf–Stötteritz passieren, wurde hier kein Haltepunkt eingerichtet.
Sellerhausen ist durch die Straßenbahnlinien 7 und 8 sowohl mit dem Zentrum im Westen als auch mit Sommerfeld und Paunsdorf im Osten verbunden.
Literatur
- Horst Riedel: Stadtlexikon Leipzig von A bis Z. Pro Leipzig, Leipzig 2005, ISBN 3-936508-03-8.
- Otti Margraf (Red.): 100 Jahre Emmauskirche 1900–2000. Leipzig 2000 (Broschüre, DIN A 5, 28 Seiten, ohne ISBN)
- Bernd Rüdiger, Christoph Kühn: Sellerhausen. Eine historische und städtebauliche Studie. Pro Leipzig, Leipzig 1996.
Fußnoten
- ↑ Sellerhausen im Historischen Ortsverzeichnis von Sachsen
- ↑ Karlheinz Blaschke, Uwe Ulrich Jäschke: Kursächsischer Ämteratlas. Leipzig 2009, ISBN 978-3-937386-14-0; S. 60 f.
- ↑ Die Amtshauptmannschaft Leipzig im Gemeindeverzeichnis 1900
Weblinks
Koordinaten: 51° 21′ N, 12° 26′ O