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Eurofima-Wagen

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Eurofima-Wagen ist die Bezeichnung einer gemeinsam von europäischen Staatsbahnen beschafften Komfort-Wagenserie für den internationalen Verkehr aus den 1970er Jahren, der viele individuelle Nachbauserien, aber mit einheitlichen technischen Parametern ausgeführt wurde. Der Name Eurofima leitet sich von der Kurzbezeichnung der Europäischen Gesellschaft zur Finanzierung von Eisenbahnmaterial ab. Diese traf als Auftraggeber und Finanzier der ersten einheitlichen ausgeführten Standard-Wagenserie auf. Die Eurofima-Wagen gehören dem UIC-Typ Z an, der eng mit dem UIC-Typ X verwandt ist.

Entwicklung

LHB- und ÖBB-Prototypen

Erste Überlegungen für ein neues, mit mehr Komfort ausgestattetes Nachfolgemodell der bisher in Europa eingesetzten Eisenbahnwagen der UIC-Typen X und Y wurden Anfang der 1970er Jahre bei der Deutschen Bundesbahn angestellt. Die neuen Wagen sollten mehr Komfort versprechen und neuzeitliche Erkenntnisse vereinen.

Erster Wagen überhaupt dieser Fahrzeugfamilie, der bereits viele Merkmale der späteren Standardwagen trug, war ein 1971 an die Österreichische Bundesbahnen (ÖBB) ausgelieferter Amz-Wagen der ersten Wagenklasse. In seinen Hauptabmessungen entsprach dieser von Simmering-Graz-Pauker (SGP) gebaute Wagen dem UIC-Typ X, wies aber etliche Neuerungen wie Klimatisierung und ein gesicktes Dach auf. Da hierfür dünneres Blech als bisher verwendet wurde, trugen dies Längssicken zu einer größeren Stabilität des Wagenkastens bei.

1972 entwickelte Linke-Hofmann-Busch (LHB) (heute Alstom LHB) in Salzgitter zwei Prototypen, die wie der ÖBB-Prototyp auf den technischen Parametern der UIC-X-Type (Länge 26,4 Meter bei 12 Abteilen der zweiten und zehn der ersten Klasse) basierten. Gegenüber den X-Wagen sollte die neue Wagenserie in den jeweiligen Wagenklasse aus Komfortgründen ein Abteil weniger haben. Ebenso war der Einbau einer Klimatisierung obligatorisch. Der projektierte Erstklass-Wagen entsprach damit im Wesentlichen dem Avmz-TEE-Wagen-Type der DB und dem Am-19 der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB). Der Wagen zweiter Klasse entsprach mit seinen elf Abteilen dem Bm-21-Typ der SBB, der im gleichen Jahr ausgeliefert wurde. Statt Drehfalttüren sollten die neuen Wagen Schwenkschiebetüren erhalten.

Realisiert wurden bei den beiden Prototypen ein Wagen der zweiten Klasse (Bvmz 227, ursprünglich Bwümz 237) mit elf Abteilen und ein gemischtklassiger Waggon (ABvmz 237) mit vier Abteilen der ersten und sechs Abteilen der zweiten Klasse. Besonders auffällig bei diesen Wagen war, dass de Wagenkasten im Dach- Bauchspantenbereich aus eng gesickten Blechen aus nichtrostendem Edelstahl bestand. Das Verfahren beruhte auf einer Entwicklung der US-amerikanischen BUDD-Company, das für amerikanische Stromlinienzüge entwickelt wurde. Alle weitren Hauptabmessungen waren mit den UIC-X-Wagen der DB identisch; die Fenster der Abteile 1. Klasse waren 1,4 m breit wie im Avmz 111 der DB, die Fenster der Abteile 2. Klasse 1,2 m breit wie im UIC-X-Standard. Die Wagen trugen eine Verkleidung (Schürze) des Unterbodenbereichs wie die TEE-Wagen der DB. Die durch Gummiwülste geschützten Übergänge besaßen neue automatische Flügeltüren mit an den Ecken ausgerundeten Fensterscheiben. Die Farbgebung des Fensterbandes ’’’blutorange’’’ (RAL 2002) für den AB-Wagen und kobaltblau (RAL 5013) für den B-Wagen entsprach dem der damals neuen Pop-Wagen der DB. Eine Serie von Avmz-, Bvmz- und ABvmz-Wagen waren für den Einsatz in InterCity- und DC- Zügen vorgesehen.

Eurofima-Prototypen

Zu einer Bestellung sowohl des ÖBB-Wagens als auch der LHB-Wagen kam es jedoch nicht - die ÖBB beschaffte allerdings noch vor der Serienauslieferung der Eurofimawagen eine Serie von 55 sehr ähnlichen klimatisierten Abteilwagen 2. Klasse für 160 km/h (Bmz 21-70.0), die jedoch mit Drehfalttüren und Drehgestellen der Bauart SGP V S RIC ausgestattet sind.

Denn zu gleicher Zeit reifte bei mehreren europäischen Bahnverwaltungen die Idee, eine gemeinsame und standardisierte Wagenserie zu beschaffen. Beauftragt wurde die UIC, welche die „Arbeitsgruppe Zukunft des Internationalen Reisezugverkehrs“ eingerichtet hatte. Neben eines günstigeren Beschaffungspreises durch eine gemeinsame Großbestellung als auch kostengünstigere Unterhaltung durch standardisierte Bauteile wurde sich ein bedeutender Rationalisierungseffekt erhofft.

Zehn Prototypwagen erster/zweiter Klasse wurden von drei Bahnverwaltungen DB, SNCF (Frankreich) und FS (Italien) beschafft, die zu Testzwecken unterschiedliche Bauteile und Einrichtungen, wie Drehgestelle, Bremsenbauart und Außenanstrich aufwiesen. Die Wagen besaßen entgegen der LHB-Wagen eine glatte Außenhaut und das gesickte Dach des ÖBB-Wagens. Die Türen waren aber als Schwenkschiebetüren ausgeführt. Die anderen Abmessungen entsprachen denen der LHB-Wagen. Die Firma LHB war auch federführend bei der Entwicklung der Eurofima-Prototypen.

Zwei der fünf DB-Wagen waren im späteren Standardanstrich der späten 1970er und 1880er Jahre ozeanblau-beige ausgeführt, die drei andren trugen eine olympiablaue Farbe mit weißem Begleitstreifen. Zwei Wagen hatten das gleiche Schema, aber in reinorange ausgeführt. Diese beiden Vorschläge stammten von den SBB. Die SNCF-Wagen trugen den grau-weißen Anstrich der ab 1975 gelieferten Corail-Wagen. Die Inneneinrichtung der einzelnen Wagen war nach Vorstellungen der DB und der SNCF gestaltet. Die Drehstelle kamen aus Deutschland (Minden-Deutz), Frankreich (Y 32) und Italien (Fiat). Beteiligt waren an dieser Lieferung neben LHB auch Alstom (Frankreich), B&N (Belgien) und Fiat Ferroviaria aus Italien.

Übersicht der Prototypen

Laufende Nummer Eigentümer Drehgestelle Außenanstrich
1 DB Minden-Deutz ozeanblau-beige
2 DB Minden-Deutz ozeanblau-beige
3 DB Minden-Deutz ozeanblau-beige
4 DB Y 32 olympiablau mit weißem Streifen
5 DB Fiat olympiablau mit weißem Streifen
6 SNCF Y 32 Corail-grau-weiß
7 SNCF y 32 Corail-grau-weiß
8 FS Fiat reinorange mit weißem Streifen
8 FS Fiat reinorange mit weißem Streifen
9 FS Fiat reinorange mit weißem Streifen
10 FS Fiat reinorange mit weißem Streifen

Die DB-Wagen waren wie der LHB-Prototyp als ABvmz 227 eingereiht.

Serienwagen

Die Eurofima-Wagen der SBB tragen längst nicht mehr den orangen Einheitslook

Nach einer Ausschreibung wurden 1976 von der Eurofima die erste Serie von 500 gemeinsam beschafften Wagen bestellt. Die Wagenindustrie jedes Bestellerlands sollte dabei anteilig beachtet werden. Das führte zur Entscheidung für das Fiat-Drehgestell für alle Wagen. Ansonsten entsprachen die technischen Parameter denen der Prototypen weitgehend, als Inneneinrichtung wurden die Vorschläge der DB übernommen. Beschafft wurden nur reine Erster- und Zweiter-Klasse-Wagen, außerdem beschaffte die SBB eine Serie Liegewagen, deren Entwicklung ebenfalls die Eurofima koordinierte und die dem Eurofimawagen zweiter Klasse sehr ähnlich war. Insgesamt wurden 295 Fahrzeuge der ersten Klasse und 205 Wagen der zweiten Klasse der Eurofima-Bauart innerhalb dieser Bestellserie gefertigt. Bis auf DB und SNCF einigten sich alle Bahnen auf den Vorschlag der SBB mit reinoranger Außenhaut und weißem Begleitstreifen unterhalb der Fenster. Der Kreis der Lieferfirmen hatte sich nun um die Schweizerische SIG und SGP erweitert.

Dieser nunmehrige „Eurofima-Anstrich“ sorgte in den internationalen Reisezügen für ein einheitliches Erscheinungsbild. Die DB verwendete ihre Wagen im innerdeutschen Intercity- und im grenzüberschreitenden IC/TEE-Verkehr zusammen mit anderen Wagenbauarten, daher wurde die TEE-Farbgebung gewählt. Sie beschaffte nur Wagen 1. Klasse, da sie die Kapazität der Eurofimawagen zweiter Klasse mit 66 Plätzen als zu gering empfand, weshalb sie für das Konzept IC '79 stattdessen Abteilwagen der UIC-X-Bauart für 200 km/h ertüchtigte (dann als Bm 235 bezeichnet). Die SNCF-Wagen kamen im Corail-Schnellzugnetz, aber auch in internationalen Zügen zum Einsatz. Um mit den belgischen Wagen im Benelux-Verkehr nach Brüssel und Amsterdam zu harmonieren, wurden acht Wagen der SNCF ebenfalls im Eurofima-Design lackiert. Auch die SBB beschaffte nur Wagen der 1. Klasse, in der 2. Klasse internationaler Züge wurden umlackierte RIC-Wagen ohne Klimaanlage und neu beschaffte Großraumwagen eingesetzt.

In den deutschen Auslandsverbindungen kamen nun statt des inzwischen unterlegenen Fahrzeugmaterials der DB (UIC-X-Wagen mit engeren Abteilen und ohne Klimaanlage) Eurofima-Wagen der Nachbarbahnen zum Einsatz (Schnellzüge „Donaukurier“ Wien – Dortmund, IC „Metropolitano“ Mailand – Frankfurt/Main, Städtezüge Köln – Brüssel und Frankfurt/Main – Paris).

Übersicht der Eurofima-Wagen

Eigentümer Stückzahl Typenbezeichnung Außenanstrich Bemerkungen
DB 100 Avmz 207 TEE rot—beige für IC-Verkehr
ÖBB 25 Amoz Reinorange mit weißem Streifen
ÖBB 75 Bmoz Reinorange mit weißem Streifen
FS 30 Az Reinorange mit weißem Streifen
FS 70 Bz Reinorange mit weißem Streifen
SNCB 20 A I6 Reinorange mit weißem Streifen
SNCB 60 B I6 Reinorange mit weißem Streifen später 40 Wagen Umbau zu Liegewagen
SBB 20 Amz Reinorange mit weißem Streifen
SNCF 100 A9vu corail-grau-weiß 8 Wagen in reinorange für Benelux-Verkehr

Bei dieser einen gemeinsamen Wagenserie mehrere europäischer Bahnen ist es bis heute geblieben. Betrieblich und technisch waren diese Wagen ein Erfolg, bis auf das problematische Fiat-Drehgestell, das aus Proporzgründen gewählt werden musste. Dadurch blieb die erhoffte Kostenersparnis durch gemeinsame Bestellung einer Großserie aus. War man für einen Wagen ursprünglich von einem Stückpreis von 600 000 Schweizer Franken ausgegangen, so kostete nun einer der Wagen 750 000 Franken. Das war der gleiche Preis, den ein dem Avmz 207 gleichwertiger Avmz-111-IC-Wagen der DB damals kostete.

Bauartunterschiede und Umbauten

Die Wagen unterscheiden sich im wesentlichen in der zulässigen Geschwindigkeit. Das Fiat-Drehgestell lässt Geschwindigkeiten bis 160 km/h zu, bei Anbau eines Drehdämpfers und einer Magnetschienenbremse sind bis 200 km/h möglich. Die DB rüstete alle ihre Wagen so aus, die anderen Bahnen einen Teil.

Ende der 1980er Jahre wurden die Eurofimawagen Avmz 207 der DB druckertüchtigt, um sie auf Schnellfahrstrecken einsetzen zu können. Unter anderem wurden neue Fenster und Türen sowie druckdichte Wagenübergänge und geschlossene WC-Systeme mit Abwassertanks eingebaut. Die umgebauten Wagen werden als Avmz 107 bezeichnet.

Seit 2002 wurden die 24 Eurofima-Amz der ÖBB für den Einsatz in ÖBB-EuroCity umgebaut. Anstelle der neun Abteile gibt es jetzt vier Business-Abteile mit je vier Sitzplätzen sowie einen Großraum mit Mittelgang.

Auch die anderen Bahnen haben inzwischen ihre Eurofimawagen modernisiert. Die Innenraumumbauten beschränken sich allerdings auf neue Farben, Polsterstoffe und Details; die Raumaufteilung bleibt erhalten.

Nachfolgeserien

Die Eurofimawagen haben Komfortstandards gesetzt, die großteils noch heute Gültigkeit haben. Da die Sammelbestellung nicht die erhofften Ersparnisse brachte, gab es keine gemeinsame Folgebestellung, aber verschiedene Bahnen haben aus den Eurofimawagen ähnliche Typen entwickelt und weiterbeschafft. Die ÖBB beschaffte verschiedene Serien 1., 1./2. und 2. Klasse sowie Speisewagen, Halbgepäckwagen und Gepäckwagen, überwiegend mit SGP-Drehgestellen, und stellte den Fernverkehr großteils auf Eurofimawagen und ihre Verwandten um. Die NMBS/SNCB entwickelte aus den Eurofimawagen die I10-Serie, und auch osteuropäische Bahnen wie die PKP und MÁV beschafften in den 1990er Jahren Wagen des UIC-Typs Z, die den Eurofimawagen stark ähneln.