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Schmähkritik

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Die Schmähkritik ist eine Äußerung, durch welche eine Person verächtlich gemacht werden soll und bei der es nicht mehr um eine Auseinandersetzung in der Sache geht. Polemische oder überspitzte Kritik ist hiervon noch nicht erfasst; erforderlich ist vielmehr, dass die Meinungsäußerung in der Herabsetzung der Person besteht.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) stellt wegen der besonderen Bedeutung der Meinungsfreiheit in einer Demokratie an die Einstufung einer Äußerung als Schmähkritik hohe Anforderungen. Der Schutz von Meinungsäußerungen, die sich als Schmähung Dritter darstellen, tritt hinter dem Persönlichkeitsschutz zurück.[1]

„Zwangsdemokrat“-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts

In dem sogenannten Zwangsdemokrat-Beschluss schreiben die Verfassungsrichter:

„Eine Meinungsäußerung wird nicht schon wegen ihrer herabsetzenden Wirkung für Dritte zur Schmähung. Auch eine überzogene und selbst eine ausfällige Kritik macht für sich genommen eine Äußerung noch nicht zur Schmähung. Eine herabsetzende Äußerung nimmt vielmehr erst dann den Charakter der Schmähung an, wenn in ihr nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht.“[2]

Führer der Verfassungsbeschwerde war der Journalist Ralph Giordano, der sich gegen ein Urteil des Oberlandesgerichts München[3] wehrte. Das Verbot verletze ihn in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit. Giordano hatte in seinem 1987 erschienenen Buch Die zweite Schuld oder: Von der Last Deutscher zu sein[Anm. 1] den ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß (CSU) als „Zwangsdemokraten“ bezeichnet. Dazu führte er unter anderem aus, in der Bundesrepublik bestehe eine große Sehnsucht nach einem „starken Mann“; zum Hauptauserkorenen dieser Sehnsucht und zu ihrer Symbolfigur sei der CSU-Politiker Strauß geworden. Das BVerfG gab im Beschluss des Ersten Senats vom 26. Juni 1990 Giordano Recht.

„Flunkerfürst“-Urteil des Landgerichts Hamburg

Auch die Entscheidung „Flunkerfürst“ des Landgerichts Hamburg[4] setzt sich mit Schmähkritik auseinander. In einem Gerichtsverfahren erhob der Kläger den Anspruch auf eine bestimmte, bereits vergebene, Second Level Domain mit 16 Zeichen. Die Richter gaben dem Klageantrag nicht statt und schlugen eine Second Level Domain mit ca 25 Zeichen vor. Der Kläger (bzw. dessen Anwalt) war der Ansicht, dass die Registrierungsstelle für die Vergabe von Internetadressen (DENIC) nur Internetadressen von maximal 20 alphabetischen Zeichen vorsehe. Tatsächlich aber sind laut der Richtlinien der DENIC bis zu 63 Zeichen erlaubt.[5] Der Anwalt des Beklagten bezeichnete ihn deshalb als „Schlitzohr“. Da der Anwalt die Selbstbezeichnung „Fürst“ des Klägers nicht akzeptieren wollte, nannte er ihn auch „Flunkerfürst“ und gab den unernsten Hinweis, dass die Domain flunkerfuerst.de für den Prozessgegner noch zu haben sei. Die Bezeichnungen „Flunkerfürst“ und „Schlitzohr“ veröffentlichte der Anwalt des Beklagten auf seiner Website. Hiergegen gab es eine Abmahnung, eine einstweilige Verfügung und schließlich einen zweiten Prozess; der Kläger aus dem ersten Prozess wollte die Verbreitung der Bezeichnungen verhindern. Die Hamburger Richter gaben dem Kläger Recht. Zwar sei nichts dagegen einzuwenden, dass Äußerungen, die vor Gericht zur eigenen Rechtswahrnehmung gemacht würden, auch schon einmal etwas deftiger ausfielen. Wer dagegen einen derartigen Schriftsatz ins Internet einstelle, schieße damit weit über das Ziel hinaus. Die Bezeichnungen „Flunkerfürst“ und „Schlitzohr“ verletzten den Prozessgegner in erheblichem Maße in der persönlichen Ehre. Damit aber gehe es nicht mehr in erster Linie um eine Auseinandersetzung in der Sache. Vielmehr stehe die vorsätzliche Ehrverletzung ohne jeglichen tatsächlichen Anhaltspunkt im Vordergrund. Ein derartiges Verhalten sei deshalb nicht mehr von der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt.

Einzelnachweise

  1. „Äußerung 'durchgeknallter Staatsanwalt' nicht zwingend eine Beleidigung“, Pressemeldung des BVerfG zum Beschluss v. 12. Mai 2009, Az.: 1 BvR 2272/04
  2. BVerfG, Beschluss v. 26. Juni 1990, Az.: 1 BvR 1165/89 = BVerfGE 82, 272 = NJW 1991, 95
  3. OLG München, Urteil v. 28. Juli 1989, Az.: 21 U 2754/88 = AfP 1989, 747
  4. LG Hamburg, Urteil v. 30. Juli 2004, Az. 324 O 819/03
  5. DENIC Domainrichtlinien. Abgerufen am 8. April 2016.

Anmerkungen

  1. ISBN 3-462-02943-6