Frühsommer-Meningoenzephalitis
Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) ist eine durch das FSME-Virus ausgelöste Entzündung von Gehirn und Hirnhäuten, die von Zecken (hauptsächlich durch Ixodes ricinus, den gemeinen Holzbock) durch einen Stich übertragen wird. Die Erkrankung ist seit dem Jahr 2001 in Deutschland meldepflichtig.
Erreger
Der Verursacher der Frühsommer-Meningoenzephalitis (im Englischen Tick borne encephalitis) ist das FSME-Virus, ein humanpathogenes Virus aus der Familie der Flaviviridae. Dieses Virus ist ein behülltes einzel(+)-Strang-RNA-Virus [ss(+)RNA] von dem drei Subtypen unterschieden werden.
- Far Eastern Subtype: Vorkommen hauptsächlich in Russland, östlich des Urals und in Teilen von China, Japan und Korea,
- Western Subtype: Vorkommen in Zentral-, Ost- und Nord-Europa,
- Siberian Subtype
Übertragung
In Europa wird der Western Subtype des FSME-Virus durch Zecken übertragen. Wichtigste Vektoren in Mitteleuropa sind die Arten der Gattung Ixodes mit der häufigsten einheimischen Art, dem Gemeinen Holzbock (Ixodes ricinus), daneben auch die Gattungen Rhipicephalus, Dermacentor, Haemaphysalis, Amblyomma und aus der Familie der Lederzecken die Gattungen Argas und Ornithodorus, die alle auch das Hauptreservoir der Viren darstellen.
Das FSME-Virus gelangt beim ersten Einstich direkt aus der Speicheldrüse der Zecken in den Körper ihres Opfers (siehe auch Zecken als Krankheitsüberträger, Zeckenstich). An Waldrändern oder auf Wiesen besteht das größte Risiko von einer Zecke befallen und anschließend infiziert zu werden, weil dort kleine Säugetiere und Wild als Hauptwirte dieser Blut saugenden Parasiten leben.
In Risikogebieten liegt die Anzahl der FSME-infizierten Zecken bei etwa 1 bis 5 Prozent.
Weitere Übertragungsmöglichkeiten
Neben der Ansteckung mit FSME durch Zeckenstiche besteht eine weitere Möglichkeit, nämlich durch Alimentäre FSME. Zum Beispiel kann man sich durch das Trinken frischer Milch mit FSME anstecken. Das klinische Bild unterscheidet sich nicht von der durch Zecken übertragenen FSME. Insbesondere unbehandelte Milch von Ziegen oder Schafen kann FSME übertragen, auch Produkte, die aus unpasteurisierter Milch hergestellt werden, wie Camembert und ähnliche Weichkäse. Lang gereifte Hartkäse und solche, die aus pasteurisierter Milch hergestellt wurden, sind unbedenklich. Teilweise wurden die Erreger auch in Kuhmilch gefunden.
Besonders in Osteuropa tritt die alimentäre FSME in Erscheinung. Auch wer nicht im Wald wandert, sollte sich also unter Umständen impfen lassen.
Häufigkeit
Nach Angaben des Berliner Robert Koch Instituts (RKI) hatten sich 2005 insgesamt 274 und im Jahr 2005 432 Menschen in Deutschland mit dem FSME-Virus infiziert.
Risikogebiete
Zeckengebiete sind in Deutschland vor allem:
- der Schwarzwald
- Bayern
- der Odenwald
- das Oberrheingebiet
in Österreich:
- der Donauraum
- das Wienerwaldgebiet
- das südliche Burgenland
- in der Oststeiermark
- in Kärnten
in der Schweiz:
- Weite Gebiete des Kantons Aargau (Rheinfelden/Möhlin/Wallbach, Koblenz/Döttingen/Zurzach, Birr/Brugg/Würenlingen, Baden/Wettingen, Zofingen/Brittnau/Schöftland/Muhen/Gränichen)
- Teile des Kantons Bern (Gampelen/Erlach, Grosses Moos, Lyss/Jens/Port, Mühleberg, Belp/Münsingen, Steffisburg, Thun/Spiez, Erlenbach/vorderes Simmental)
- Im Kanton Freiburg die Gegend Salvenach/Kriechenwil/Ulmiz/Kerzers
- Im Kanton Graubünden die Gegenden um Fläsch/Luziensteig und Grüsch/Seewis
- Teile des Kantons Luzern (Langnau b.R./Dagmersellen/Nebikon/Egolzwil/Knutwil)
- Teile des Kantons St. Gallen (Jonschwil/Zuzwil/Niederhelfenschwil, Mörschwil, St. Magrethen/Balgach, Jona/Wagen, Mels/Sargans/Vilters)
- Teile des Kantons Schaffhausen (Hallau, Osterfingen, Neuhausen/Beringen/Schaffhausen, Stein am Rhein)
- Teile des Kantons Solothurn (Bellach/Lommiswil/Langendorf)
- Teile des Kantons Thurgau (Diessenhofen/Basadingen, Ermatingen, Warth/Weiningen/Herdern/Nussbaumen, Frauenfeld, Stettfurt/Weingarten/Thundorf, Lommis/Aadorf/Wängi, Affeltrangen/Oppikon/Friltschen, Weinfelden, Zihlschlacht/Kesswil)
- Im Kanton Zug die Gegend um Steinhausen
- Weite Gebiete des Kantons Zürich (Eglisau/Rafz, Unteres Glatttal, Neerach/Bachs, Bülach, Flaach, Ellikon a.R./ Rheinau, Andelfingen, Ossingen, Stammheim, Thalheim/Altikon/Ellikon a.d.Th., Region Winterthur, Schottikon/Zünikon/Elgg, Kloten, Opfikon/Wallisellen/Dübendorf, Effretikon/Bassersdorf, Uster/Greifensee, Rüti ZH, Thalwil, Horgen, Sihltal)
In Liechtenstein:
Das endemische Auftreten der FSME ist mit grossen Flüssen assoziert. Die Gründe dafür sind bis dato unbekannnt.
Krankheitsverlauf/Symptome
Nach Aussage des Virologen Jochen Süss, dem Leiter des Firedrich Loeffler Instituts in Jena entwickeln etwa 70 Prozent der infizierten Menschen keine oder nur geringe Krankheitsanzeichen, wie etwa grippeähnliche Symptome. Besonders bei Kindern verläuft die Krankheit meist gutartig und heilt fast immer ohne Folgeschäden.
Nur bei etwa 30 Prozent, vor allem bei älteren Menschen, nimmt diese Erkrankung einen schweren Verlauf mit hohem Fieber, Nackensteife und großen Schmerzen. Wenn die krankheitsverursachenden Viren in das zentrale Nervensystem gelangen, entzündet sich in der Regel das Hirngewebe, gelegentlich auch die Hirnhäute oder das Rückenmark. Bei einer möglichen Zerstörung von Nervengewebe, können auch dauerhafte Lähmungen auftreten. Ein bis zwei Prozent der Erkrankten versterben.
Behandlung
Ist die Krankheit einmal ausgebrochen, kann sie nicht mehr gestoppt werden, denn es existieren abgesehen von einer Symptomlinderung bislang keine Therapiemöglichkeiten.
Vorbeugung
Vor FSME kann nur eine Impfung sicher schützen. Deshalb sollten sich Personen, die sich in Risikogebieten aufhalten, auf jeden Fall impfen lassen. Es gibt Präparate bereits für Kinder ab dem ersten Lebensjahr.
Schützende Verhaltensregeln
- nach dem Besuch im Wald und Flur den Körper sorgfältig absuchen, gefundene Zecken sorgfältig entfernen, und diese dem Arzt zur Untersuchung mitbringen!
- Lange Hosen und hohes Schuhwerk tragen. Zecken lassen sich nicht von Bäumen auf ihre Opfer fallen - wie es die Volksmeinung ist - sondern lauern auf hohen Grashalmen.
- hohes Gras meiden
- keine frische Kuhmilch aus Risikogebieten trinken
Zur Zeckenentfernung siehe auch Hauptartikel Zeckenstich
Impfung
Der FSME-Impfstoff enthält inaktive, nicht vermehrungsfähige FSME-Viren sowie Aluminiumhydroxid, ein so genanntes Adjuvans, das die Wirksamkeit des Impfstoffs verstärkt. Der Impfstoff wird in den Oberarmmuskel gespritzt. Die FSME-Schutzimpfung kann gleichzeitig mit anderen Schutzimpfungen vorgenommen werden. Während die FSME-Impfung vor Jahren als rel. unverträglich galt (des öfteren Fieberreaktionen), gehören die heutigen modernen FSME-Impfstoffe zu den am besten verträglichen überhaupt.
Für Kinder vom vollendeten ersten bis 16. Lebensjahr gibt es einen speziellen Impfstoff gegen die durch Zecken übertragene Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). Er enthält nur die Hälfte der Dosis des Erwachsenen-Impfstoffes und ist gut verträglich. Jugendliche ab 16 Jahren werden mit dem Erwachsenen- Impfstoff geimpft.
Für einen langjährigen Schutz (3-5 Jahre) ist eine so genannte Grundimmunisierung notwendig, die aus 3 Impfungen besteht:
- erste Impfung: Tag 0
- zweite Impfung: 1 - 3 Monaten
- dritte Impfung: 6 - 12 Monaten
nach der jeweils vorigen Impfung
Falls man schnell einen Impfschutz benötigt (z.B. kurz vor einem geplanten Urlaub), so kann man mit 2 Impfungen in 2 Wochen (Aufgepasst: das ist Impfstoffabhängig! Es gibt 2 Anbieter von FSME-Impfstoffen. Mit dem anderen FSME-Impfstoff braucht man für einen schnellen Schutz 3 Impfungen in 3 Wochen) einen schnellen Schutz aufbauen. Dieser Schutz hält einige Monate an. Für den Langjahreschutz ist dann auf alle Fälle die 3. (bzw. 4.) Impfung nach 6-12 Monaten erforderlich.
ein zuverlässiger Impfschutz besteht etwa 10-14 Tage nach der zweiten Impfung.
Die Auffrischung:
- nach etwa drei bis fünf Jahren
- bzw. auch später, wenn eine noch bestehende Immunität festgestellt wurde
Wer soll sich impfen lassen?
- Personen, die in Risikogebieten leben oder arbeiten (Forst- und Waldarbeiter, Landwirte, Soldaten...)
- Personen, die in Risikogebieten Urlaub machen
Wer bzw. wann soll nicht geimpft werden?
- bei einer akuten, fieberhaften Erkrankungen
- bei chronischen Erkrankungen
- Frauen während der Schwangerschaft und Stillzeit (als Vorsichtsmaßnahme, genaue Kenntnisse liegen nicht vor)
- ein- bis zweijährigen Kindern. Sie neigen häufiger (15 Prozent) zu Fieberreaktionen als ältere Kinder (5 Prozent)
- bei Allergien gegen Impfbestandteile
- Personen, die nach dem Verzehr von Hühnereiern mit schweren Überempfindlichkeitsreaktionen wie angeschwollene Lippen reagieren
- Personen mit Hirnschäden
- vor großen körperlichen Anstrengungen wie z.B. Wettkämpfen
Nutzen und Risiken
Nutzen und Risiken sollen sehr sorgfältig abgewogen werden bei:
- ein- bis zweijährigen Kindern. Sie neigen häufiger (15 Prozent) zu Fieberreaktionen als ältere Kinder (5 Prozent).
- Personen mit bekannter, schwerer Überempfindlichkeit gegen Bestandteile des Impfstoffs; eine leichte Überempfindlichkeit gegen Hühnereiweiß ("Ich vertrage keine Eier") spricht in der Regel nicht gegen die Impfung. Personen, die nach dem Verzehr von Hühnereiern mit schweren Überempfindlichkeitsreaktionen wie angeschwollene Lippen reagieren, sollten nur bei stark erhöhter Infektionsgefahr geimpft werden.
- Personen mit Hirnschäden.
- Schwangeren und stillenden Frauen. Über negative Auswirkungen der FSME-Schutzimpfungen während der Schwangerschaft liegen jedoch keine Untersuchungsbefunde vor.
Impfstoffherstellung
Die Herstellung des FSME-Impfstoffes erfolgt auf sogenannten CEC(chick embryo cells)-Zellen. Es handelt sich hierbei um eine primäre Zellinie, die ausgehende von embryonierten Hühnereiern hergestellt wird. Hierzu werden die 10-12 Tage alten Eier geöffnet, der Embryo von Hand geerntet und in weiterer folge zerkleinert. Nach Zerkleinerung wird die Suspension noch einer Trypsin Behandlung unterworfen. In kleinen Fermentoren mit 100l Fassungsvermögen werden die CEC-Zellen mit dem FSME-Virus inokuliert. Nach Vermehrung des Virus sterben die CEC-Zellen ab, der Überstand wird geerntet und es erfolgt eine Inaktivierung des Virus mit Formaldehyd. Nach der Inaktivierung erfolgt die Antigen-Reinigung mittels einer Fällungsstufe, Ultrafiltration und einem kontinuierlichen Saccharose-Gradienten.
Literatur
- Reinhard Kaiser: Frühsommer-Meningoenzephalitis. Prognose für Kinder und Jugendliche günstiger als für Erwachsene. Deutsches Ärzteblatt 101(33), S. A2260 - A2264 (2004), ISSN 0012-1207
- Helge Kampen: Vektor-übertragene Infektionskrankheiten auf dem Vormarsch? Wie Umweltveränderungen Krankheitsüberträgern und -erregern den Weg bereiten. Naturwissenschaftliche Rundschau 58(4), S. 181 - 189 (2005), ISSN 0028-1050
- Hans-Peter Wirtz: Zecken als Krankheitsüberträger: Was tun bei einem Stich? Biologie in unserer Zeit 31(4), S. 229 - 238 (2001), ISSN 0045-205X
Weblinks
- Betroffene Regionen in Deutschland
- Deutsches Grünes Kreuz e.V. - FSME "Krankheitsbild und Risikogebiete"
- RKI - Robert Koch Institut - Frühsommer-Meningoenzephalitis
- RKI - Aktuelle Karte der FSME-Risikogebiete in Deutschland, Stand 22.4.2005
- Bundesverband Zecken-Krankheiten
- Informationen zu Zecken und FSME
- Informationen zu FSME, Zecken, Borreliose und FSME-Impfung
- http://www.medizinfo.com/waldundwiese/fsme/start.htm
- http://www.netdoktor.de/krankheiten/fakta/fsme.htm
- Zeckengefährdete Gebiete in Österreich
- Bundesinstitut Zeckengefährdete Gebiete in Österreich
- Schweizer Zeckeninformationsseite
- Alimentäre FSME
- Bundesamt für Gesundheitswesen: Bekannte Endemiegebiete in der Schweiz
- die besten Webadressen zu FSME bei medinfo.de
- http://www.fit-for-travel.de/reisemedizin/impfungen/index.html